Die adlige Gesellschaft in "Effi Briest"
I. Was ist der Adel?
Der Adel ist ein Teil oder eine Klasse der Gesellschaft, die aufgrund von Geburt, Besitz oder Leistung ehemals sozial und politische Privilegien besaß.
II. Die Deutsche Gesellschaft zur Zeit Fontanes
Charakteristisch für die damalige Zeit ist zum einen das starke Bevölkerungswachstum, aber auch eine Neuverteilung der Macht, bedingt durch den wirtschaftlichen Aufschwung. Trotzdem kann man die damalige Gesellschaft in 3 Klassen unterteilen:
. Das Proletariat:
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fast 70 % der Bevölkerung. Diese Klasse besteht aus Arbeitern deren Zahl stetig zunimmt, besonders in den Städten. Tiefe Löhne, hohe Preise tragen dazu bei, daß ihre Situation schlecht ist.
. Der Mittelstand:
Zum Mittelstand zählen ungefähr 25 % der Bevölkerung. Die Zahl dieser Wohlhabenden nimmt ebenfalls, jedoch langsamer, zu.
. Die Oberschicht und der Adel:
Die Oberschicht besteht aus reichen Großindustriellen, deren Zahl zwar recht klein ist, aber deren wirtschaftliche Macht um so größer ist. Der Adel dagegen ist trotz der Abschaffung seiner Privilegien immer noch im Besitz der politischen Macht.
Diese Gliederung der Gesellschaft erscheint auch in Fontanes Roman. So zum Beispiel Seite 60, bei einem Gespräch zwischen Effi und Innstetten. Effi will von ihrem Gatten mehr über die Kessiner Gesellschaft erfahren. Innstettens Beschreibung ist stark von der damaligen gesellschaftlichen Hierarchie geprägt. Erst erwähnt er den Adel oder "Leute von Familie", was folgt, das sind die Stadthonoratioren (Bürgertum, Prediger, Richter), dann die Konsuln, und schließlich das was Effi "einfache Leute" nennt. Fontane hat also auch das damalige ständische Denken berücksichtigt, doch wie erscheint der Adel im Laufe des Romans?
III. Der Adel in Fontanes Roman
Fontane hat sehr geschickt diverse Aspekte des Adels in seinen Roman eingefügt:
a. Der gesellschaftliche Erwartungsdruck
Man kann im Laufe des Romans sehr klar erkennen, daß die verschiedenen Charaktere nicht immer aus freiem Willen handeln. Bewußt oder unbewußt werden sie von etwas beeinflußt, was man "gesellschaftlichen Erwartungsdruck", oder "Prinzip", oder auch "Über-Ich" nennen könnte. Nicht nur das Duell und seine Folgen zeigen wie stark dieser Zwang der gesellschaftlichen Normen sein mußte, schon die Ehe von Effis Eltern oder auch Effis Isolation geben dem Leser einen Eindruck des immensen Drucks, der zur damaligen Zeit herrschte.
b. Der Adel als Machtstütze
Ein anderer Aspekt des Adels der im Laufe des Romans erscheint, ist seine Rolle als Machtstütze. In der damaligen Gesellschaft ist der Adel, symbolisiert durch "Fürst Bismarck" und "Kaiser Wilhelm" ein Garant für politische Kontinuität. Diese Gesellschaftsklasse soll mit Hilfe von Traditionen, Regeln und Normen dem Reich Stabilität gewährleisten. Eine dieser Traditionen ist zum Beispiel die Standesehe deren Wichtigkeit im Roman später noch ausführlicher behandelt wird. Wer also damals die privilegierte Machtstellung des Adels genießen wollte, mußte sich den vorhin beschriebenen "Prinzipien" fügen, um als "Machtstütze" der Gesellschaft zu dienen. Baron von Innstetten ist ein sehr gutes Beispiel dafür, um seine Karriere voran zu treiben, vernachlässigt er seine Frau und damit sein Eheglück.
c. Gesellschaft heißt Exklusivität
Die Angehörigkeit zum Adel, brachte paradoxerweise auch eine gewisse Isolation mit sich. Denn Adel hieß Exklusivität, man war was besonderes und mußte dies auch zeigen. Doch wozu? Ganz einfach um das Machtverhältnis klarzustellen: wer adelig war hatte Macht und mußte sich somit dem starren Reglement unterwerfen um sich von der Masse zu unterscheiden. Effis Ausschluß aus der Gesellschaft ist ein Beispiel für den Erhalt der Exklusivität. Ihre Eltern dürfen keinen Kontakt mit ihr haben, da sie sonst gegen die Regeln des Adels verstoßen würden. Doch zum Glück tun sie dies letztendlich.
d. Die drei Adelsgesichter
Die Welt des Adels erscheint in Fontanes Roman vor allem in drei Gesichtern.
. Der Landadel:
Er wird von Effis Vater repräsentiert. Er basiert auf Familientradition und Grundbesitz. Außerdem besitzt er eine gewisse Unabhängigkeit (vgl. Dialog zwischen Briest und Innstteten vor der Hochzeit).
. Der Offiziersadel:
Im Gegensatz zum Landadel basiert er auf militärischen Rang, trotzdem besitzt er wie dieser eine gewisse Unabhängigkeit.
. Der Beamtenadel:
Er wird von Baron von Innstetten verkörpert. Mit den beiden anderen Adelsklassen verbindet ihn zwar noch das Bewußtsein von Ehre, dagegen basiert er aber auf Bildung und Auszeichnung was ihn eher für den Staatsdienst eignet. Doch damit nimmt auch seine Unabhängigkeit ab.
IV. Die Symbolik der Ehe und des Duells
a. Die Standesehe
Die Ehe in adeligen Kreisen hatte nichts mit dem zu tun mit dem was wir heutzutage unter der Ehe verstehen. Denn zu dieser Zeit, hatte sie immer einen ganz bestimmten Zweck, sie sollte die Homogenität der adeligen Gesellschaft sichern. Denn außer seltenen Geldheiraten wurde immer darauf geachtet, daß der Mann beziehungsweise die Frau von Adel ist. Oder wie Effi sagt: "Jeder ist der Richtige. Natürlich muß er von Adel sein []". Das erste Beispiel hierfür ist die Ehe der Eltern von Effi. Luise von Briest heiratet den Herrn von Briest obwohl sie damals eine Liebesgeschichte mit Geert von Innstetten hatte. Das zweite Beispiel ist Effis Ehe selbst. Doch bei diesen Standesehen hatten Zärtlichkeit und Liebe eine untergeordnete Rolle, da sie nur funktionierten, wenn sich beide Partner rollen- und standesgemäß verhielten. Doch Effi scheitert daran, ihre Gefühle zu unterdrücken und das bringt ihre Ehe ins Wanken.
b. Die Duellpraxis
Das Duell wird schon früh im Roman angedeutet. So heißt es zum Beispiel schon in Crampas erster Beschreibung, daß er "ein Duell mit einem Kameraden gehabt hätte". Auch später während eines Gespräches zwischen Crampas und Innstetten, scherzt Crampas: "um nicht direkt vor ihren Pistolenlauf zu kommen". Doch um seiner Gesellschaftskritik Glaubwürdigkeit zu verleihen, versucht Fontane das Duell als einen nicht nachvollziehbaren, gesellschaftlichen Zwang darzustellen. Er stellt somit die Fragwürdigkeit des Duells in den Vordergrund, und nimmt dadurch an der Debatte teil die damals entfacht war. Die Meinung Fontanes wird im Gespräch zwischen Innstetten und Wüllersdorf zum Ausdruck gebracht. Innstetten entscheidet sich das Duell auszutragen wegen eines "uns tyrannisierende[n] Gesellschafts-Etwas" und er stellt somit nicht als der "Mann von Prinzipien" heraus, sondern als einen eher resignierten Mann. Es kommt also eine starke Kritik Fontanes zum Ausdruck.
V. Die konkrete Kritik Fontanes: ein Abschied der Prinzipien
Fontane kritisiert die willenlose Unterwerfung unter das Diktat eines von außen gesetzten Ehrenkodex, die letztlich zur Selbstzerstörung führt. Er will nicht den Adel abschaffen, aber er will das er die veralteten Prinzipien fallen läßt und statt dessen ein moralisches Beispiel für die Bevölkerung wird.
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