Umberto ECO
Der Name der Rose
Wir befinden uns im Jahr 1327. Zwischen Adel und Klerus, im konkreten Fall zwischen Ludwig IV., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und dem Papst, tobt ein Kampf um die Herrschaft. Doch auch die Kirche selbst ist in mehrere Fraktionen aufgespaltet, was ihre Position in diesem Machtkampf nicht gerade stärkt; die Franziskaner predigen, ganz im Gegensatz zum Papst, die Armut der Kirche. Um ein Schisma zu verhindern, treffen sich eine Delegation der Franziskaner und eine päpstliche in einer italienischen Abtei. Anführer der Franziskaner ist Sir William von Baskerville, dem eine außergewöhnlich schwierige diplomatische Aufgabe bevorsteht
Zu diesem Zeitpunkt beginnt die eigentliche Geschichte. Adson von Melk, ein junger Novize, ist der Schüler und daher ständige Begleiter Williams. Die Ereignisse in dem Kloster werden aus seiner Sicht wiedergegeben, wobei die Verhandlung mit den Gesandten des Papstes bald in den Hintergrund tritt. Als ein Mönch unter nebulösen Umständen ums Leben kommt, bittet der Abt den scharfsinnigen William, Nachforschungen anzustellen. Dieser willigt in dem Glauben ein, lediglich einen verhältnismäßig simplen Todesfall klären zu müssen. Zuerst geht er von einem Mord aus Eifersucht aus, da einige Mönche das Zölibat offenbar nicht allzu ernst nehmen. Als der Hauptverdächtige am nächsten Morgen tot aufgefunden wird, ist William ratlos. Da ihm der Abt auch noch verbietet, die geheimnisumwitterte Bibliothek zu betreten, beginnt William zu erahnen, daß hinter den Morden mehr steckt als bloße Eifersucht oder Rache. Es geht um ein mysteriöses Buch
Der obigen Inhaltsangabe nach hätte dieses Buch das Zeug zu einem wirklich reißerischen Kriminalroman, der zwar auf einem literarisch eher tiefen Niveau steht, sich dafür aber sehr gut verkauft. Nun, zumindest der zweite Teil trifft uneingeschränkt zu. "Der Name der Rose" wurde ein Überraschungserfolg, der den Autor über Nacht auf der ganzen Welt bekannt machte. Der Roman wurde dennoch kein Edgar Wallace - Klon, der nach dem primitiven Schema "Eine scharfsinnige Person deckt alleine einen Serienmörder auf" gestrickt ist. Vielmehr sind die vielen Geschehnisse im Roman, diese Fülle an Nebenhandlungen, die der Autor kunstvoll zu einer Handlung verwebt, auch nur eine Spielwiese, auf der Eco seine gedanklichen Experimente durchführt. Es hat zeitweise den Anschein, als wollte er die philosophischen Dialoge Platons wieder zum Leben erwecken. Er läßt in seiner Gedankenwelt und vor einer unterhaltsamen Handlung verschiedene philosophische Strömungen quasi gegeneinander antreten. Er geht sogar so weit, einzelne Philosophen unter einem Synonym in die Handlung einzubeziehen. So kann man z.B.: in William von Baskerville unschwer Wilhelm von Ockham wiedererkennen, und der blinde Jorge von Burgos ist eine eindeutige Anspielung auf den argentinischen Autor Jorge Borges.
Jetzt läuft Umberto Eco allerdings Gefahr, einen Roman zu schreiben, der weder Fisch noch Fleisch ist. Nun muß er sich entscheiden: soll die Kriminalhandlung im Vordergrund bleiben oder wäre es besser, der Philosophie den Vorzug zu geben? In einem mitreißenden Kriminalroman würden wenige philosophische Elemente nicht genügend zur Geltung kommen, andererseits darf ein solches Buch nie zu langatmig werden. Eco löst das Problem mit einem Geniestreich und liefert damit gleichzeitig eines der wenigen gelungenen Bücher der Intertextualität[1]. Er fügte in die direkten Reden seiner Akteure, die ja einen Bezug zu reellen Personen haben, lateinische Zitate von großen Philosophen, Bibelstellen und Lebensweisheiten ein. Man hat manchmal sogar das Gefühl, das dieses Buch nur eine Art Tor zu anderen großen Werken oder, noch treffender, eine riesige Bibliothek ist, in der sich der Geist des Lesers völlig frei bewegen kann. So wie der Geist Williams auf der Textebene des Buches arbeitet, so forscht der Verstand des Lesers auf der Erkenntnisebene nach einer viel größeren Wahrheit:
"Gibt es einen Gott?"
Somit bleibt es dem Leser überlassen, ob er einfach eine Geschichte genießen und sich dabei entspannen, oder doch etwas Anspruchsvolleres lesen will. In jedem Fall bleibt "Der Name der Rose" als außergewöhnlich faszinierendes Buch in Erinnerung, das in keiner Bibliothek fehlen soll
te.
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