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Peter Weiss wurde am 8. November 1916 bei Berlin geboren.
Seine Vater war ein ungarischer Textilfabrikant jüdischer Herkunft.
Seine Mutter war eine Schweizer Christin.
Nach der Heirat trat der Vater zur evangelischen Konfession über und somit wurde Peter Weiss getauft.
1932 begann er mit Zeichenunterricht und malte seine ersten Bilder. Ausserdem beschäftigte er sich auch intensiv mit Literatur und Musik.
Er ging zuerst aufs Gymnasium, dann wurde er auf eine Handelsschule geschickt.
1934
malte er seine ersten grossformatige Bilder und schrieb frühe Texte. 1934 zog
er mit seiner Familie nach England.
Mit Hilfe von Hermann Hesse besucht er 1937 die Prager Kunstakademie. 1938
zieht er in die Schweiz.
Ein Jahr später reiste er zu seinem Vater nach Schweden.
Dort verbrachte er den Rest seines Lebens.
1943 heiratete er Helga Henschen.
1947 fing er bei einer Stockholmer Zeitung an zu schreiben.
1949 hatte er eine kurze Ehe mit Carlota Dethorey.
1952 drehte er seine ersten Experimentalfilme.
1964 nahm er am Auschwitz-Prozeß in Frankfurt am Main teil und besuchte das Konzentrationslager in Ausschwitz.
In diesem Jahr heiratet er auch Gunilla Palmstierna.
Am 19. Oktober 1965 wurde "Die Ermittlung" an 16 Bühnen gleichzeitig uraufgeführt.
Für seine Werke erhielt er einige Preise, z.B. Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste Berlin oder den Thomas-Dehler-Preis des Bundesministeriums für Innerdeutsche Beziehungen..
10. Mai
1982 starb Peter Weiss in Stockholm
Werke:
- Neben Die Ermittlung
- Abschied von den Eltern
- Fluchtpunkt
- Die Verfolgung und Ermordung Jean-Paul Marats
- Asthetik des Widerstands
- Die Besiegten
Gattung:
Dieses Werk von Peter Weiss ist ein Dokumentarisches Theater.(Verweis auf das handout.)
Peter Weiss beschreibt das Dokumentarische Theater so:
"Das dokumentarische Theater ist ein Theater der Berichterstattung. Protokolle, Akten, Briefe, statistische Tabellen, Börsenmeldungen, Abschlußberichte von Bankenunternehmen und Industriegesellschaften, Regierungserklärungen, Ansprachen, Interviews, Außerungen bekannter Persönlichkeiten, Zeitungs- und Rundfunkreportagen, Fotos, Journalfilme und andere Zeugnisse der Gegenwart bilden die Grundlage der Aufführung. Das dokumentarische Theater enthält sich jeder Erfindung, es übernimmt authentisches Material und gibt dies, im Inhalt unverändert, in der Form bearbeitet, von der Bühne aus wieder. Im Unterschied zum ungeordneten Charakter des Nachrichtenmaterials, das täglich von allen Seiten auf uns eindringt, wird auf der Bühne eine Auswahl gezeigt, die sich auf ein bestimmtes, zumeist soziales oder politisches Thema konzentriert. Diese kritische Auswahl, und das Prinzip, nach dem die Ausschnitte der Realität montiert werden, ergeben die Qualität der dokumentarischen Dramatik."
Inhalt:
1.Gesang von der Rampe
beschreibt die Ankunft der Gefangenen im Lager, wie die Kranken und Arbeitsunfähigen ausgesondert wurden um sofort zur Vernichtung gebracht zu werden.
2.Gesang von Lager
schildert die erbärmlichen und total überfüllten Baracken, sowie die unhygienischen Bedingungen im Lager, wie sich die Häftlinge selbst bestohlen und erniedrigt haben um zu überleben. Auch bekamen die Häftlinge zu wenig Nahrung, so dass die meisten schon nach 3-4 Monaten starben.
3.Gesang von der Schaukel
legt dar, dass Todesurkunden gefälscht wurden und politische Gefangene durch schwere Folter durch die Schaukel zum reden gebracht wurden.
4.Gesang von der Möglichkeit des Überlebens
lässt den Leser erkennen, dass es nur sehr wenige Möglichkeiten gab um im Lager zu überleben. Das Personal hatte fast uneingeschränkte Macht über das Leben der Häftlinge. Außerdem werden die Versuche an Frauen in der medizinischen Abteilung beschrieben, durch die die meisten Patientinen starben.
5.Gesang vom Ende der Lili Tofler
erzählt, wie Lili festgenommen und getötet wurde weil sie einen Brief ins Gefangenen- lager schmuggeln wollte. Auch werden die schlechten Bedingungen für die Häftlinge, die in die Industrie und Landwirtschaft abkomandiert wurden geschildert.
6.Gesang vom Unterscharführer Stark
beschreibt den Unterscharfführer Stark durch mehrere Aussagen von Zeugen. Die einen sagen, dass er ein lernfreudiger 20-jähriger Kommandant war. Ein anderer Zeuge beshreibt wie der Menschen ermordet hat, doch er streitet alles ab. Stark's Verteidiger sagt außerdem, dass Stark sich nach dem Krieg als guter Bürger entwickelt hat.
7.Gesang von der schwarzen Wand
erzählt von der Wand an der Menschen erschossen wurden. Die Wand hat den Namen auf Grund seiner Farbe. Die Menschen dort wurden mit einem einfachen Schuss in den Nacken getötet, manchmal mussten sie auch mehrmals schiessen bis das Opfer starb. Zeuge sagen auch aus, wie einmal auch ein kleines Mädchen von 6-7 Jahren erschossen worden.
8.Gesang von Phenol
schildert, wie später, als so viele getötet wurden das erschießen zu teuer wurde, die Menschen durch eine Phenol Spritze in den Herzmuskel getötet wurden.
9. Gesang vom Bunkerblock
zeigt dem Leser, wie es den Menschen erging, wenn sie wegen einem Verstoß bestraft wurden. Es gab Stehzellen, die 90cm breit, 90cm lang und 2 m hoch waren. Sie hatten nur ein kleines Lüftungsloch von 4 auf 4 cm. Teilweiße wurden bis zu 4 Personen in eine Zelle eingesperrt, so dass sie am nächsten Tag entweder bewusstlos oder Tod waren.
10. Gesang von Zyklon B
beschreibt wie die Menschen nackt in einen Raum gezwängt wurden und dort mit Zyklon B vergaßt wurden. Ein Zeuge, der die Leichen danach aufräumen musste beschreibt wie die Leichen zerkratzt, von Körperflüssigkeiten beschmutzt, aufeinander gestapelt da lagen.
11. Gesang von den Feueröfen
wird der Vorgang beschrieben, wie die Leiche von der Vergaßung zu den Verbrennungsanlagen befördert wurden. Dort wurden sie verarbeitet, d.h. Haare abgeschnitten und die letzten Schmuckstücke oder Goldzähne abgenommen. Dann letztendlich verbrannt. Zeugen behaupten, dass normalerweise etwa 3,000 Menschen täglich getötet wurden. Gegen Ende sogar bis zu 20,000 täglich.
Formale
Gliederung
Das Stück trägt den Untertitel "Oratorium in 11 Gesängen"
. Jeder dieser Gesänge hat wiederum drei Teile. Innerhalb jedes Gesanges
wechseln sich einzelne und kollektive Erlebnisse, Tatsachen und Analysen stets
ab.
Diese strenge formale Struktur dient als Distanzierungsmittel . Ebenso wie mit
der Versform und der neutralen Sprache dient die
strenge Form dazu, den emotionalen Gehalt des Inhalts abzumildern und eine
verallgemeinernde, abstrahierende Perspektive zu schaffen. Ziel ist dabei, eine
kritische Reflexion über Ursachen und Zusammenhänge der Tragödie von Auschwitz
zu ermöglichen.
Die Abfolge der Gesänge ist dadurch charakterisiert, dass sie eine imaginäre
Wanderung durch die Topographie von Auschwitz vollzieht. Sie beginnt bei der
Rampe (dem Ort der Ankunft und Aussonderung der Deportierten), erkundet die
Verhältnisse des Lagers, sucht einzelne Orte des Todes auf (die Folter in der
politischen Abteilung, der Arbeitseinsatz, die Erschiessungen, die
medizinischen Experimente, die Tötung durch Phenol, die Hungerzellen) und endet
in den Gaskammern und Krematorien.
Mit einer dokumentarischen Wiedergabe des realen Prozessverlaufs
hat das Stück jedoch nichts zu tun, im Gegenteil. Es beginnt abrupt, ohne
Eröffnung, mit einer Zeugenvernehmung und endet mit den
Ausführungen eines Angeklagten, ohne dass ein Urteil gesprochen wurde. Daraus
wird deutlich, dass Peter Weiss keine dramatisierte Chronik
des Prozesses intendiert.
So kann er auch Passagen aus auseinanderliegenden Verhandlungstagen des
Frankfurter Prozesses zusammenmontieren und die Geschichte des Lagers Auschwitz ignorieren.
Es geht in Der Ermittlung nicht um individuelle Schuld oder individuelle
Erlebnisse. Die Opfer , d.h. die 9 Zeugen werden deshalb
auch von anonymen Figuren vertreten, die als Sprachrohre für gesellschaftliche
Gruppen agieren.
Die 18 Angeklagten [hier der SS-Männer Mulka ,
Klehr , Boger und Staib ] werden nicht als Unmenschen geschildert. Vielmehr
handelt es sich durchweg um Durchschnittsbürger , die ihre Verbrechen begehen
konnten, weil in ihrem gesellschaftlichen System eine derartige Handlungsweise
normal geworden war . "Weiss versucht durch typisierende Formeln seine Bühnenfiguren mit einem ganzen System
moralischer Werte und Gedankenprozesse zu verbinden" (Brian Barton: Das
Dokumentartheater, S. 109).
Die Ausreden der Angeklagten, mit denen sie ihre Schuld schmälern wollen,
beschränken sich auf wenige Sprachfloskeln wie: "nur meinen Dienst gemacht",
"dazu war ich nicht befugt" oder "davon ist mir nichts bekannt".
Sie führen gerade in ihrer Häufung dem Zuschauer deutlich vor Augen wie die
Schuldigen sich aus der Verantwortung stehlen und das dritte Reich als eine
längst vergangene Zeit abtun wollen.
Immer wieder werden von den Angeklagten Termini der NS-Ideologie verwendet, die
dazu dienen, via Sprachregelung Normalität herzustellen und
begangene Grausamkeiten zu legitimieren, ja mehr noch die Ausübenden von jedem
Schuldgefühl zu befreien. Die Angeklagte fühlen sich selbst nicht schuldig, was
sie durch gemeinsames Lachen nach jeder Anklage zeigen.
Im Gegensatz zu den überlebenden Zeugen haben die Angeklagten Namen. Dies dient
aber nicht dazu, ihnen ein Gesicht, d.h. individuelles Profil zu verleihen,
sondern einen kriminellen politischen Typus mit Wörtern zu versehen, die ihn
für die Selbstverständigung der Späteren erkennbar machen.
Keine Stimme verleiht Weiss anderen am Prozess beteiligen wie zum Beispiel den
Zuschauern, die teilweise den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens störten.
Auch die journalistischen Prozeßberichterstatter, die Aussagen und
Prozessverlauf in handschriftlichen Protokollen festhielten oder die 9
Geschworenen und die Ersatzgeschworenen kommen in Der Ermittlung nicht vor.
Reduktion
des Figureninventars
Das reale Gericht (bestehend aus dem Vorsitzenden, dem
Berichterstatter, dem Beisitzer und 2 Ersatzrichtern) ist in der Figur eines
Richters zusammengezogen.
Die Anklage (bestehend aus 4 Staatsanwälten sowie 3 Vertretern der Nebenklage)
reduziert Weiss ebenso auf eine Figur, es ist der "Vertreter der Anklage".
Gleichermaßen
verfährt er mit der großen Zahl der Verteidiger, die auf 1 Figur
zusammenschrumpfen.
Und die hunderte von Zeugen werden durch 9 Schauspieler repräsentiert, die als Träger bzw.
Sprachrohre von Aussagen fungieren. So kann ein Zeuge im Stück ganz
verschiedene reale Zeugenaussagen wiedergeben.
Anlass
Was bewog Peter Weiss dazu (ausser natürlich dem aktuellen Auschwitz-Prozess in
Frankfurt), fast 20 Jahre nach Beendigung des 2. Weltkriegs das Auschwitz-Thema
zum Thema seines Dramas zu machen?
Das Elend der Nachkriegsjahre ließ die meisten der Deutschen alle Kräfte
sammeln, um möglichst rasch Not und Armut hinter sich zu lassen. Materielle
Sorgen standen im Vordergrund,
eine Verarbeitung des Dritten Reichs fand großflächig nicht statt.
Für viele
"waren die Untaten von früher, war ,Auschwitz' nur ein übler Traum geblieben -
kaum, daß man die einschlägigen öffentlichen Gerichtsprozesse zur Kenntnis
nahm; sie spielten im jüdischen Abseits der Gesellschaft." (Franz Norbert
Mennemeier: Modernes Deutsches Drama, S. 217).
Dem wollte Peter Weiss, der selbst Teilnehmer des Auschwitz-Prozesses in Frankfurt
war, entgegenwirken und die von den Nazis begangenen Grausamkeiten in das ,
kollektive Gedächtnis ' transportieren.
Die Ermittlung von Peter Weiss
Autor
bei Berlin geboren
Ab 1932 beschäftigt sich mit Literatur
Teilnahme am Ausschwitzprozess und Besuch des
Konzentrationslagers
Uraufführung des Theaterstücks "Die Ermittlung"
in 16 Städten
10. Mai 1982 Tod in Stockholm
Weitere Werke
Abschied von den Eltern
Fluchtpunkt
Die Verfolgung und Ermordung Jean-Paul Marats
Asthetik des Widerstands
Die Besiegten
Das dokumentarische Theater will gesellschaftskritisch und
politisch wirken,
- wählt historisch-authentische und
politisch-relevante Stoffe,
- wird oft in Form eines Prozesses oder
einer Untersuchung gestaltet,
- verwendet dokumentarisches Material:
Akten, Protokolle, Presseberichte, Fotos, Tonbänder.
Inhalt
Gesang von der Rampe 7. Gesang von der schwarzen Wand
Gesang vom Lager 8. Gesang von Phenol
Gesang von der Schaukel 9. Gesang vom Bunkerblock
Gesang von der Möglichkeit des Überlebens 10. Gesang von Zyklon B
Gesang vom Ende der Lili Toffler 11. Gesang von den Feueröfen
Gesang vom Unterscharführer Stark
Zum Stück
Das Stück ist einerseits eine Dokumentation über den unglaublichen Terror in den Konzentrationslagern, was in dem Oratorium durch explizite Gewalt und Brutalität verdeutlicht wird, und andererseits eine Kritik am Kapitalismus und an der Gesellschaft, da laut Weiss,"dieselben Kräfte die damals aus dem Elend Nutzen zogen auch heute wieder präsent seien". Weiss nannte sein Stück ein Oratorium was einen krassen, beabsichtigten, Gegensatz zum Inhalt darstellt.
Die Urteilverkündung, die das Stück offen lässt, brachte am 19.8.1965 im echten Auschwitzprozess drei Freisprüche, elf Haftstrafen zwischen drei und vierzehn Jahren und sechs lebenslängliche Haftstrafen.
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