Der Kriminalroman von Schiller bis Dürrenmatt
Versuch einer Definition
Der Kriminalroman (Kriminalgeschichte, Kriminalnovelle) erzählt eine Geschichte, in deren Mittelpunkt ein Gewaltverbrechen (z.B.: Mord, Erpressung,Betrug), der oder die Verbrecher und ihre Verfolgung und Ergreifuni durch Vertreter der Staatsgewalt stehen..
Als Vorformen bzw. Vorbilder für den klassischen Kriminalroman könnet einerseits Volksbücher, Schwänke und Kalendergeschichten angesehen wen den, andererseits der Abenteuer, Schelmen oder Räuberroman..
Literarisch anspruchsvolle Formen der Kriminalliteratur entstehen im 18. und Kron 19. Jahrhundert, in England z. B. Daniel Defoe Moll Flanders (1722), Henry Fielding Jonathan Wild (1743) oder Charles Dickens Oliver Twist (1818), im deutschen Sprachraum z. B. Friedrich Schiller Der Verbrecher aus verlorener E'hre (1785), Heinrich von Kleist Der Zweikampf (1809), E. T. A. Hoffmann Das Fralein von Scuderi (1819) oder Annette von Droste‑Hülshoff DieJudenbuche (1842). Neben diesen literarischen Formen entwickelt sich ab der Mitte des 19. Jalhunderte der Kriminal‑ bzw. Detektivroman zur Hauptgattung der Trivial‑ unUnterhaltungsliteratur des 20. Jahrhunderts.
Der Detektivroman gehört zur Verbrechensliteratur und ist somit ein KrTminalroman, weist jedoch eine ganz bestimmte literarische Form und ein kLlresAufbauschema auf. Er erzählt nicht das Schicksal eines Verbrechersl, Sondendie Aufklärung (Detektion) eines Verbrechens2. Der Detektivroman beginntmit dem, womit der Kriminalroman endet, mit dem Mord und endete mit Aufklärung der Tat (analytische Struktur).
Im Mittelpunkt des Detektivromans steht die Figur des Detektivs. Dieser ver‑ Der Detektiv echt (meistens mit Erfolg), durch besondere geistige Fähigkeiten, wie Scharfann und Kombinationsvermögen, die Hintergründe und Motive eines schein~ar unlösbaren und geheimnisvollen Verbrechens zu klären und den oder die [äter zu überführen. Der Detektiv verkörpert das Prinzip des Detektivromans, las Prinzip der Vernunft. Dieses suggeriert dem Leser ‑besonders wenn er sich Bit dem Helden (Detektiv) identifiziert ‑, daß es möglich ist, die Probleme einer von Gewalt heimgesuchten Gesellschaft rational zu bewältigen, daß in einer licht durchschaubaren Welt doch noch Ordnung vorhanden ist.
Der Vater der DetekÜvgeschichte ist Edgar Allan Poe (1809‑1849). Mit Mord in r Rue Morgue (1841) begründet er diese Gattung der gehobenen Unterhal~ngsliteratur.
Viele Autoren von Detektivromanen lassen ihre Fälle immer von den gleichen Melden lösen, was ihnen eine feste Lesergemeinde verschafft. Bekannte Detek!~e nach Auguste Dupont (E. A. Poe) sind Sherlock Holmes (Arthur Conan 83Oyle), Hercu1e Poirot und Miss Marple (Agatha Christie), Lord Peter Wimsey pIDorothy Sayers), Pater Brown (Gilbert Chesterton), Philip Marlowe (Ray
~pond Chandler), Kommissar Maigret (Georges Simenon) oder Martin Beck
|ISjöwall / W ahlöö).
lährend im Kriminalroman der Held meist ein Vertreter des Staates ist (Kom~nissar u. a. oder Beauftragter einer Behörde, in neueren Texten auch Mitglied eines entsprechenden Teams), sind die Hauptfiguren im Detektivroman häufig Privatdetektive oder exzentrische Privatpersonen, die besondere analytische Fähigkeiten besitzen. In vielen Detektivromanen der amerikanischen Moderne stellen die Helden 'gebrochene Typen' dar, die große Probleme im Privatleben haben. Oft stehen Privatdetektive in Konflikt mit den Vertretern der Polizei, die dann wcni:,er positiv beschrieben werden. Mit dieser Methode werden die Fähigkeiten der privaten Detektive besonders hervorgehoben.
Der Detektivroman ist vorwiegend im anglo‑amerikanischen Raum beheima~ tet, aber auch im deutschen Sprachraum finden wir schon ab dem 19. Jahrhun_ dert Romane mit kriminalistisch‑analytischer Struktur, z. B. Unterm Birnbaum von Theodor Fontane (1885), Stopfkuchen von William Raabe (1891), der Fall Mauritius von Jakob Wassermann (1928), Der Großtyrann und das Gericht von Werner Bergengruen (1935), die Kriminalromane von Friedrich Dürrenmatt oder die Detektivroman-Parodie Der Hausierer von Peter Handke.
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