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DER KOMMERZIALRAT - BERICHT 1997 -Norbert GSTREIN

Der Kommerzialrat

Bericht (1997)




Norbert GSTREIN (geb. 1961) stammt aus Mils (Tirol). Er ist der Bruder eines bekannten Weltcup-Skiläufers, studierte Mathematik und lebt in Innsbruck.




Norbert GSTREIN


Werke:

Die Erzählung Einer berichtet von Jakob, dem Sohn einer Gastwirtsfamilie, der verrückt geworden ist und nun von einem Inspektor abgeholt wird, dem die Angehörigen die traurige Geschichte dieses jungen Menschen erzählen, um den Augenblick der Trennung noch um einige Zeit hinauszuschieben.



Anderntags (Erzählung)



Der autobiographische Roman Das Register (1992) erzählt von der Lebensentwicklung zweier Brüder und ihrer Beziehung zum Vater, der in einem Register genau alle Ausgaben festhält, die er für seine Söhne getätigt hat.



O (Novelle)


Personen:

Kommerzialrat Alois Marsoner


Dr. Giacomelli


Sebastian Flatscher                       seine Freunde


Arnold Pfeiffer


seine Frau, die in erster Ehe mit Angelus Scheiber verheiratet war


Thérèse und Sophie                      seine Töchter


der "Steirer"


Inhalt:

Der Bericht Der Kommerzialrat ist in drei Abschnitte gegliedert: Der erste Abschnitt - Freunde - und der dritte Abschnitt - Fremde - wird von Dr. Giacomelli erzählt. Er berichtet, wie er, Sebastian Flatscher und Arnold Pfeiffer in den letzten Monaten diverse Veränderungen an ihrem Freund, dem Kommerzialrat Alois Marsoner, beobachtet haben.


Er war offensichtlich nicht gesund, weshalb er sich auch mehrmals in Spitalsbehandlung befand. Im letzten Jahr hatte er sämtliche Amter, die er in der Gemeinde innegehabt hatte, zurückgelegt. Durch mehrere Anschläge war die Gemeinde als Fremdenverkehrsort in Verruf geraten und es kostete die Hoteliers des Ortes, zu denen auch Sebastian Flatscher und Arnold Pfeiffer gehörten, einige Mühe, durch diverse Sonderangebote wieder Touristen in den Ort zu locken.


Zum großen Erstaunen der Freunde hatte sich der Kommerzialrat lange Zeit häufig mit der "Diva", einer Schauspielerin, die im Ort Stammgast war, getroffen. Daß er immer wieder Liebschaften gehabt hatte, war den Freunden klar. Er hatte es auch mit seiner Frau nicht immer leicht gehabt.


Sie war die Witwe des alten Angelus Scheiber gewesen, als er sie kennenlernte. Mit ihr zusammen hatte er den "Gasthof zur Post", den sie von ihrem ersten Mann geerbt hatte, zu einem respektable Hotel im Ort gemacht. Leider war sie immer wieder einmal depressiv, und in diesen depressiven Phasen trank sie eine Menge Alkohol. Der Kommerzialrat erzählte dann seinen Freunden, daß seine Frau sich wieder einmal auf einer Entziehungskur befinde. Oft wußten die Leute nicht einmal, ob seine Frau verreist war oder nicht: Sie ging - auch wenn sie da war - tagelang nicht aus dem Haus.


Das Ehepaar Marsoner hatte zwei Töchter: Thérèse und Sophie. Die ältere, Thérèse, die ein uneheliches Kind hatte und in verschiedenen Lokalen als Kellnerin arbeitete, hatte sich im letzten Lebensjahr des Vaters in einen Unterhaltungskünstler und "Provinzcasanova" verliebt, den alle nach seiner Herkunft den "Steirer" nannten. Der Vater war auf diesen jungen Mann nahezu krankhaft eifersüchtig. Trotzdem stellte er ihn für einige Monate als Barkeeper ein. Die Angeberei des jungen Mannes mit Frauengeschichten wirkte aber extrem abstoßend auf ihn. Schließlich warf   er ihn hinaus und sorgte auch dafür, daß er in anderen Hotels und Lokalen im Ort keine Anstellung bekam. Der "Steirer" verschwand für einige Zeit, kam aber zu Beginn der Wintersaison wieder zurück. In den letzten Wochen seines Lebens wuchsen sich die Rivalitäten zwischen dem Kommerzialrat und dem "Steirer" zu regelrechten Feindseligkeiten aus, die manchmal nahezu bizarre Formen annahmen.


Die Freunde hatten in dieser Zeit kaum noch Kontakt zu dem Kommerzialrat. Sie beobachteten ihn mehr "aus der Ferne" und wunderten sich über sein seltsames Verhalten. Mitte Februar fand man ihn schließlich eines Morgens tot an die Friedhofsmauer gelehnt. Die Freunde waren erleichtert, daß man ihm ohne große Schwierigkeiten ein ordentliches Begräbnis auf dem Ortsfriedhof gewährte.


Es wurde von dem neuen Aushilfspfarrer, einem Farbigen, gehalten und von relativ wenigen Menschen besucht. Wenn man bedenkt, wie viele öffentliche Amter der Kommerzialrat in seinem Leben innegehabt hatte, war diese geringe Anteilnahme der Ortsbewohner enttäuschend. So ist es auch verständlich, daß die drei Freunde am Ende sehr rasch davon Abstand nahmen, die Errichtung eines Denkmals für den Kommerzialrat im Gemeinderat zu beantragen, obwohl dieser sich das zeit seines Lebens immer gewünscht hatte.


Der zweite Abschnitt - Die Tage, an denen Brieftauben ausgeschickt wurden - enthält die Aufzeichnungen, die Alois Marsoner von September bis Dezember niederschrieb. Aus seiner Sicht sieht manches etwas anders aus. Er ging z.B. mit der "Diva" nur aus, um den Neid  und die Neugier der Dorfbewohner zu erregen.


Um seine beiden Töchter machte er sich ernsthaft Sorgen. Die ältere, Thérèse, war in seinen Augen eine Versagerin. Sie hatte es nur zur Kellnerin gebracht, obwohl der Vater ihr leicht eine höhere Schulbildung hätte bezahlen können.


Die jüngere, Sophie, ging auf eine höhere Schule in der Stadt. Als Alois Marsoner sie eines Tages in einer eindeutigen Situation mit dem "Steirer" erwischte, warf er diesen hinaus. Er war der Meinung, daß dieser Mann seine beiden Töchter nur verderben konnte.


Erst in den letzten Monaten seines Lebens artete die Feindschaft mit dem "Steirer" manchmal tatsächlich in häßliche Rache-Aktionen aus, die aber aus der Sicht des Kommerzialrats lange nicht so gefährlich waren wie die Freunde sie sahen.


Seine Krankheit machte dem Kommerzialrat viel mehr zu schaffen, als die Freunde ahnen konnten. Nach außen hin ließ er sich nichts anmerken, ja er trank sogar Alkohol, obwohl dieser ihm sicher nicht gut tat, nur um den Freunden zu zeigen, daß er immer noch "ein ganzer Mann" war. Außerdem dachte er in den letzten Lebensmonaten auch relativ viel über seine Beziehung zu seiner Frau und über seine Eifersucht auf ihren ersten Mann, den alten Angelus Scheiber, nach.

















Charakteristika der Personen

Personen:

Kommerzialrat Alois Marsoner

Er war früher in diversen öffentlichen Funktionen im Ort tätig Im letzten Jahr hat er diese Amter alle zurückgelegt,  offensichtlich auch deshalb, weil er nicht gesund war, weshalb er sich auch mehrmals in Spitalsbehandlung befand. Schon bevor er diese Amter zurücklegte, gab es mehrere - nicht näher definierte - Anschläge, die die Gemeinde als Fremdenverkehrsort in Verruf brachten. Es kostete die Hoteliers des Ortes, zu denen auch Sebastian Flatscher und Arnold Pfeiffer gehören, einige Mühe, durch diverse Sonderangebote wieder Touristen in den Ort zu bringen.


In den letzten Monaten denkt der Kommerzialrat viel nach über sein Leben in diesem Ort, über seine Ehe und über seine Töchter. Seine Frau war in erster Ehe mit einem wesentlich älteren Mann (Angelus Scheiber) verheiratet. Der "Gasthof zur Post" wurde von ihr in die Ehe mitgebracht. Aber erst mit Alois Marsoner hat sie ihn zu einem renommierten  Betrieb ausgebaut.


Angelus Scheiber hat schon vor Jahren im Ort ein Denkmal bekommen, welches Alois Marsoner von seinem Schlaf-zimmerfenster aus sehen kann. Es wäre sein großer Wunsch, auch einmal ein Denkmal zu bekommen.


In den letzten Monaten seines Lebens verhält er sich oft eigenartig. Seine Freunde führen das auch auf seinen angegriffenen Gesundheitszustand zurück. Von seiner Warte aus gesehen sieht manches anders aus. Offensichtlich wollte er z.B. durch sein häufiges Auftreten mit der "Diva" den Leuten im Ort vortäuschen, wie fit und gesund - und bei den Frauen begehrt - er immer noch sei.


Dr. Giacomelli

Der Arzt ist so wie Sebastian Flatscher und  Arnold Pfeiffer schon seit vielen Jahren mit Alois Marsoner befreundet. Im Gegensatz zu den beiden anderen äußert er sich aber relativ ausführlich zu dieser Freundschaft und zum eigenartigen Verhalten des Kommerzialrats in seinen letzten Lebens-monaten. Er kommentiert das Geschehen quasi nicht nur aus seiner eigenen Sicht sondern auch aus der der Freunde.


Aus den Berichten über die heftigen Rivalitäten mit dem "Steirer" ließe sich eventuell auch der Schluß ziehen, daß dieser den Kommerzialrat getötet hat. Vermutlich aber ist Alois Marsoner lediglich an einem Herzversagen gestorben, das natürlich durch die ständigen Streitereien und Aufregungen verursacht worden sein kann.


Man hat nicht den Eindruck, daß die Freunde die übermäßige Ablehnung, welche der Kommerzialrat dem "Steirer" gegenüber an den Tag legt, verstehen. Sie finden sein Verhalten übertrieben.


Das Projekt des Denkmals für den verstorbenen Kommerzialrat geben die Freund sehr rasch auf, als sie sehen, daß mehrere Mitglieder des Gemeinderates sich eindeutig dagegen aussprechen. Alois Marsoner war ihr Freund - aber sie setzten sich nach seinem Tod nicht besonders für die Wahrung seines Andenkens ein.


Sebastian Flatscher

Er ist, so wie Alois Marsoner, ein Hotelier im Ort, hat aber vermutlich ein kleineres Hotel. Er dürfte, ähnlich wie viele Bewohner von Fremdenverkehrsorten, den Beruf gewählt haben, weil damit in dieser Region am ehesten Geld zu verdienen ist. Vermutlich hat er keine entsprechende Ausbildung genossen.


Arnold Pfeiffer

Für ihn trifft im Prinzip das gleiche zu wie für Sebastian Flatscher.


Frau Marsoner (in erster Ehe mit Angelus Scheiber verheiratet)

Die Frau des Kommerzialrats tritt eigentlich nicht wirklich in der Geschichte auf. Man erfährt eine Menge über sie

entweder durch Berichte ihres Mannes

oder durch jene Informationen, die Dr. Giacomelli über sie hat.

Sie hatte offenbar wiederholt mit Alkoholproblemen zu kämpfen. In diesen Phasen zeigte sie sich oft tage- oder gar wochenlang nicht in der Öffentlichkeit. Die Freunde wußten daher nie, ob sie überhaupt im Ort war, oder ob ihr Mann sie wieder einmal in eine Anstalt gebracht hatte, wo sie eine Entziehungskur durchmachte.


Aus den Erinnerungen ihres Mannes erfährt man aber auch, daß sie in ihrer Jugend eine attraktive Person war, die ihren Mann sehr liebte. Vermutlich grundlos war er immer wieder auf ihren ersten Mann eifersüchtig.


Gern kümmert sie sich auch um ihr Enkelkind, wenn ihre Tochter Thérèse arbeitet. Die Abneigung gegen den "Steirer" teilt sie nicht mit ihrem Mann.


Thérèse

Die ältere der beiden Marsoner-Töchter hat keine besondere Schulbildung erworben. Der Vater kränkt sich wiederholt darüber, daß sie es "nur zur Kellnerin" gebracht hat. Wie sie darüber denkt erfährt man nicht. Man könnte den Eindruck gewinnen, daß sie mit ihrer gesellschaftlichen und beruflichen Position durchaus zufrieden ist.


Sie hat ein uneheliches Kind. Wer der Vater ist, bleibt unbekannt. Daß sie sich in den "Steirer" verliebt, ist vielleicht insofern verständlich, als diese junge Frau, die vom Vater nur wenig Anerkennung erfährt, diese anderswo suchen muß. Als einsame, alleinerziehende Mutter hat sie wohl kaum die Möglichkeit, besonders wählerisch zu sein. Trotzdem ist anzunehmen, daß der Vater nicht unrecht hat, wenn er den "Steirer" als "Provinzcasanova" bezeichnet.


Man erfährt eigentlich überhaupt nicht, was Thérèse empfindet, als der "Steirer" eine Liebschaft mit ihrer Schwester anfängt.


Sophie

Die jüngere Tochter, Sophie, geht auf eine höhere Schule in der Stadt. Als Alois Marsoner sie eines Tages in einer eindeutigen Situation mit dem "Steirer" erwischt, wirft er diesen hinaus. Er ist der Meinung, daß dieser Mann seine beiden Töchter nur verderben kann. Warum läßt sich Sophie überhaupt mit dem "Steirer" ein, wo sie doch weiß, daß er mit ihrer Schwester liiert ist? Oder ist ihr das schlicht und einfach egal? Bedrückt es sie, daß der Vater sie sofort wieder in die Stadt schickt, nachdem er sie mit dem "Steirer" erwischt hat? All diese Fragen müssen unbeantwortet bleiben.


Wir erfahren auch nicht, wie gut oder schlecht Sophie in der Schule vorankommt und ob ihr diese überhaupt Spaß macht. Wichtig ist nur, daß der Vater sich nichts sehnlicher wünscht, als daß seine Tochter eine höhere Schule besucht.


die "Diva

Zum großen Erstaunen der Freunde hatte sich der Kommerzialrat lange Zeit häufig mit der "Diva", einer Schauspielerin, die im Ort jahrelang Stammgast gewesen war, getroffen. Daß er immer wieder Liebschaften gehabt hatte, war den Freunden klar. Das wurde ihm von den Freunden nicht übel genommen, noch dazu, wo sie wußten, daß er es mit seiner Frau nicht immer leicht gehabt hatte.


der "Steirer"

Alois Marsoner war auf diesen jungen Mann nahezu krankhaft eifersüchtig. Trotzdem stellte er ihn für einige Monate als Barkeeper ein. Die Angeberei des jungen Mannes mit Frauengeschichten wirkte extrem abstoßend auf ihn. Schließlich warf er ihn hinaus und sorgte dafür, daß er für einige Zeit auch in anderen Hotels und Lokalen im Ort keine Anstellung bekam.


Der "Steirer" verschwand eine Zeitlang, kam aber zu Beginn der Wintersaison wieder zurück. In den letzten Wochen seines Lebens wuchsen sich die Rivalitäten zwischen dem Kommerzialrat und dem "Steirer" zu regelrechten Feindseligkeiten aus, die manchmal nahezu bizarre Formen annahmen. Es kam zu mehreren Tätlichkeiten. Daher it. es auch nicht vollkommen auszuschließen, daß der Steirer den Tod des Kommerzialrats in irgendeiner Form - zumindest - mitverschuldet hat.







Erzählperspektiven

Das Buch ist in 3 Teile gegliedert. Der 1. & 3. Teil wird von Dr. Giacomelli erzählt. Er berichtet, wie er und die anderen Freunde, Sebastian Flatscher und Arnold Pfeiffer, in dem letzten Jahr des Kommerzialrats, die Veränderungen an ihm bemerkt haben. Er spricht meistens in der ICH-Form, manchmal jedoch verwendet er den Plural (WIR-Form). Damit will er ausdrücken, daß er allein nichts gesehen, bemerkt oder zur Kenntnis genommen hat. Mit Hilfe dieser Formulierung will er dem Leser verdeutlichen, daß niemals einer der Freunde etwas getan hat, sondern immer alle gemeinsam. 


Der 2. Teil wird vom Kommerzialrat selbst erzählt. In diesem schildert er die Geschehnisse im Dorf aus seiner Sichtweise her. Manchmal widerlegt er die vorher von Dr. Giacomelli erzählten Tatsachen (DIVA) und bringt teilweise einen neuen Aspekt in die Geschichte ein.








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