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Deutsch |
Thema: |
Interpretation - Günter Kunert - Vorschlag |
Kurzvorstellung des Materials: |
Dieses Dokument präsentiert und interpretiert ein Gedicht, das angesichts der Vergänglichkeit des Menschen einen sehr eindringlichen 'Vorschlag' entwickelt. |
Übersicht über die Teile |
Zunächst der Text selbst Anschließend eine ausführliche Interpretation mit folgenden Teilaspekten: Allgemeines, Überblick Interpretation der Versgruppen (VG) Textabsicht Künstlerische Mittel Sinnpotential und Stellungnahme |
I Ramme einen Pfahl
in die dahinschießende Zeit.
II Durch deine Hand rinnt der Sand
und bildet Formlosigkeiten,
die sogleich auf Nimmerwiedersehen
in sich selbst einsinken:
vertanes Leben.
III Was du nicht erschaffst, du
bist es nicht. Dein Sein die Gleichung
nur für Tätigsein: Wie will denn,
wer nicht Treppen zimmert,
über sich hinausgelangen?
Wie will heim zu sich selber finden,
der ohne Weggenossen?
IV Hinterlass mehr als die Spur
deiner Tatze, das Testament
ausgestorbner Bestien, davon die Welt
übergenug schon erblickt.
V Ramme einen Pfahl ein. Ramme
einen einzigen, einen neuen Gedanken
als geheimes Denkmal
deiner einmaligen Gegenwart
in den Deich
gegen die ewige Flut.
Das Gedicht besteht aus fünf Versgruppen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Verszeilen (von 2 bis 7). Ein einheitliches Versmaß sowie ein Reimschema sind nicht vorhanden.
Das Gedicht beginnt gleich mit einem klaren Appell, der schon von vornherein mehr zu sein scheint als ein 'Vorschlag', wie ja der Titel lautet. Erreicht wird das vor allem durch die Verwendung des Verbs 'rammen', das ja eine sehr intensive, mit Kraft verbundene Tätigkeit ausdrückt. Diese passt auch zu der Situation der 'dahinschießenden Zeit', womit ja ebenfalls der Eindruck einer starken, intensiven Bewegung verbunden ist. Beim Leser kann das Bild eines bedrohten Strandes entstehen, etwa bei Sturmflut, gegen die man sich durch Zäune, Wälle, Dämme o.ä. schützen muss. Das letzte Wort macht von vornherein klar, dass hier eine Übertragung gemeint ist, es geht nicht um Naturkatastrophen, sondern um das Grundproblem der Vergänglichkeit, denn nur vor diesem Hintergrund empfindet der Mensch wohl Zeit als 'dahinschießend'.
Die zweite Versgruppe greift das mögliche Bild eines Strandes auf, konzentriert sich dabei aber auf das Phänomen des Sandes, den man durch seine Hand rieseln lässt: Es bilden sich kleine Sandhaufen, hier als 'Formlosigkeiten' bezeichnet (etwa im Gegensatz zu einer kunstvoll verfertigten Sandburg o.ä.). Am Ende verschwinden diese zufälligen Gebilde wieder 'auf Nimmerwiedersehen' (II,3). Dargestellt werden soll wohl eine menschliche Situation, in der nichts Wesentliches geschaffen wird, alles verschwindet und versinkt. Die Sand lässt sich über den Begriff der Sanduhr mit der Zeit verbinden. Die letzte Zeile bringt es auf den Punkt: 'vertanes Leben' (II,5).
Die dritte Versgruppe führt die eben genannte Gefahr genauer aus und präsentiert dabei zwei allgemeine Feststellungen über den Menschen. Entscheidend dabei das Tätigsein. Dieses allein macht den Menschen aus. Es folgt ein Bild, das die selbst (!) gezimmerte Treppen die einzige Möglichkeit nennt, nach oben weiterzukommen, vielleicht den engen eigenen Raum zu verlassen. Die zweite rhetorische Frage lenkt erstmals den Blick über das Ich und seine Tätigkeit hinaus: Man braucht 'Weggenossen' (III,7), die einem helfen, 'zu sich selber' (III,7) zu finden. Hier wird eine enorme Spannung aufgebaut, das Ich bleibt als Individuum Ausgangspunkt und Ziel des Weges, aber auf diesem Weg bedarf man der Anderen.
Die vierte Versgruppe präsentiert einen neuen Appell und konkretisiert dabei den Anfang des Gedichts: Ausgegangen wird von einem Bild, das als Hintergrund die Evolution hat. Die Geschichte des Lebens ist eine Geschichte des Verschwundenen (man wird an die eingeebneten 'Formlosigkeiten' (II,2) aus dem Anfangsteil des Gedichts erinnert!). Der Mensch wird aufgefordert, etwas Besonderes, etwas Bleibendes zu hinterlassen.
In der fünften Versgruppe wird der Gedanke des Anfangs wieder aufgenommen, noch weiter konkretisiert in Richtung auf 'einen einzigen, einen neuen Gedanken' (V,2). Betont wird die Einmaligkeit individueller Existenz, wobei etwas erstaunt, dass es sich um ein 'geheimes Denkmal' (V,3) handeln soll - offensichtlich geht es dem Sprecher nicht um die normalen Denkmäler, die ja nicht immer wirklich Großes feiern, sondern um echte Leistungen, die vor allem für den sie Schaffenden Wert und Bedeutung haben. Auf jeden Fall wird am Ende zum Ausgangsbild zurückgekehrt und damit bestätigt sich auch der Eindruck, dass mit dem Bild des Pfahls eine bedrohte Küste gemeint ist.
Das Gedicht enthält einen sehr starken, eindringlichen Appell in Richtung Individualismus: im Zentrum steht der Einzelne, der direkt angesprochen wird und der etwas Einmaliges, etwas Besonderes hinterlassen soll.
Damit sind wir zugleich bei einem zweiten Signalbündel, nämlich dem der Aktivität: Es geht darum, etwas zu schaffen, wobei ein System von Stufen, 'Treppen' (III,4) ins Spiel kommt. Es geht also nicht nur um einen einmaligen Schritt, sondern um einen fortlaufenden Prozess, der schließlich etwas 'Denkmal'-Würdiges schafft.
Dies geht für den Kunert offensichtlich nicht ohne andere Menschen, die Hilfe der Gemeinschaft, aber sie spielt keine herausragende Rolle in diesem Gedicht, im Zentrum bleibt der Einzelne und sein 'Tätigsein' (III,3) - eine Schwerpunktsetzung, die bei einem Schriftsteller, der an die besonderen Bedingungen seiner Arbeit denkt, sicherlich verständlich ist.
Der Appell dieses Gedichts bekommt seine Eindringlichkeit vor allem durch den Hinweis auf die alles vernichtende, einebnende Vergänglichkeit, gewissermaßen den Terror der Zeit. Sie wird als etwas Negatives gesehen, weil sie alles wegspült.
Der Appell enthält zugleich aber auch einen ziemlichen Optimismus: Kunert glaubt an die Möglichkeit des Menschen (ja, eines jeden Menschen, der dieses Gedicht liest), etwas Einmaliges zu schaffe, etwas, das zumindest ihn selbst befriedigt und ihm das Glück des Schöpfers schenkt.
Das zentrale künstlerische Mittel dieses Gedichts ist zunächst einmal das Bild des von der Flut, vielleicht sogar einer Sturmflut, bedrohten Strandes. Letzterer symbolisiert dabei das menschliche Leben, das von der schnell vergehenden Zeit bedroht wird. Recht beeindruckend und ausdrucksstark ist auch das ergänzende Bild des Sandes, der dem Menschen durch die Hand läuft, und nur 'Formlosigkeiten' bildet, während es doch eigentlich um dauerhafte Bauten o.ä. geht. Ein weiteres sehr gelungenes Bild liegt in den Zeilen III,3-III,5 vor: Es geht um einen ständigen Weg nach oben, bei dem man sich selbst eine Treppe mit entsprechenden Stufen zimmern muss.
Besonders die dritte Versgruppe, die eine Art Zentrum des Gedichts ist, lebt von sehr feierlichen, philosophisch klingenden Formulierungen. Überhaupt lebt das Gedicht von einem gewissen Pathos.
Sehr gelungen erscheint auch der Ringschluss: Das Bild des Anfangs wird am Schluss noch einmal aufgenommen, das Gedicht selbst kann als eine erfolgreiche Umsetzung des 'Vorschlags' angesehen werden - auch es selbst ist ein Pfahl gegen die dahinschießende Zeit.
Damit sind wir bereits bei der Frage nach der Bedeutung, dem Sinn dieses Gedichts: Es trifft existenzielle Frage des Menschseins: Warum bin ich überhaupt auf dieser Welt? Was kann ich gegen den Tod tun?
Die Antwort ist etwas individualistisch, wie es dem Künstlerdasein entspricht - ein Maurer oder ein Techniker würde vielleicht mehr die Gemeinsamkeit der Anstrengungen betonen, sich als wichtiges Teil eines Ganzen verstehen. Hier liegt auch ein kritischer Punkt, wie sähe eine Welt aus, in der jeder Mensch versuchen würde, etwas Einmaliges zu sein, nicht so wie die Anderen? Aber die Antwort hängt natürlich davon ab, wie das zu verstehen ist.
Auf jeden Fall wird man beim Lesen dieses Gedichts erinnert an eine der Eingangsszenen des Films 'Der Club der toten Dichter', wo die Schüler von ihrem neuen Englischlehrer zu den Bildern früherer Schülergenerationen geführt werden, die längst verstorben sind. Auch dort entsteht ein sehr intensiver, appellativer Impuls, aus dem kurzen eigenen Leben etwas Bleibendes zu schaffen.
Kritik kann man vielleicht auch an dem Optimismus Kunerts üben, mit dem er glaubt, jeder Mensch könne ein einmaligen und bleibendes Denkmal seiner Existenz errichten, aber als Appell bzw. als Vorschlag ist es überaus gelungen - und erreichen wird die Absicht dieses Gedichts sowieso nur die, die unter der Vergänglichkeit leiden und Sehnsucht nach ein bisschen Unsterblichkeit haben
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Deutsch |
Thema: |
Interpretation: Günter Kunert, Das Fundament |
Kurzvorstellung des Materials: |
Dieses Dokument präsentiert ein Gedicht von Günter Kunert, das die Frage nach den Grundlagen menschlicher Existenz stellt. Zugleich zeigt es, wie - ausgehend von Textsignalen - erfolgreich interpretiert werden kann. |
Übersicht über die Teile |
Zunächst der Text des Gedichts selbst Dann die ausformulierte Interpretation (Außere Form; Inhaltserläuterung, Intention, Frage nach dem Sinn und Stellungnahme; künstlerische Mittel) |
Günter Kunert
Das Fundament
I Sonne. Die Quelle. Photonen.
Langsam leben wir auf.
Wo wir auch immer wohnen,
sie bestimmt stets den Lauf
II unseres verdänmmerten Lebens
und streichelt zugleich unsre Haut:
An ihrem Leuchten vergebens
haben wir uns erbaut.
III Durchstrahlend die leeren Räume:
Für niemanden sonst ein Fest
als für unsre ärmlichen Träume,
die wer uns träumen lässt:
IV Dass sie nämlich gezündet
für uns bloß ganz allein.
Wir haben es selber ergründet:
Es muss die Wahrheit sein.
So sind wir mit ihr eines
und können nicht untergehn.
Die Wahrheit des schönen Scheines
bleibt unberührt bestehn.
Das Gedicht von Günter Kunert mit dem Titel 'Fundament' umfasst fünf Strophen à vier Zeilen. Das Reimschema ist ein Kreuzreim, ein klares Versmaß ist nicht zu erkennen.
Das Gedicht verweist am Anfang mit drei schlagwortartig vorgetragenen Begriffen auf die Sonne als Quelle des Lebens. Letzteres geht aus den Zeilen I,2 bis I,4 hervor, wo diese Bedeutung für alle Menschen deutlich hervorgehoben wird. Interessant ist dabei der Eindruck der Entwicklung zum Positiven hin, der in der zweiten Zeile erweckt wird: 'Langsam leben wir auf.' Unklar bleibt zunächst die Bedeutung des dritten Begriffs: 'Photonen' (I,1). Er steht in seiner Wissenschaftlichkeit etwas im Gegensatz zu den übrigen eher allgemein weltanschaulichen Feststellungen, wie man sie in vielen Naturvorstellungen findet.
Die zweite Strophe ist dann syntaktisch per Strophensprung mit dem Ende der Ersten verbunden, bringt aber erstmals neben dem Positiven ('streichelt zugleich unsre Haut',2,2) auch einen negativen Klang ins Gedicht, wenn vom 'verdämmerten Leben' der Menschen gesprochen wird. Indem hier angedeutet wird, was ohne Sonne wäre, wird ihre Unverzichtbarkeit betont, gleichzeitig wird dem menschlichen Leben jede Selbständigkeit, Autonomie abgesprochen.
Die letzten beiden Zeilen der zweiten Strophe erweitern die negative Sicht menschlichen Lebens: Resignierend wird festgestellt, dass man sich 'vergebens' 'an ihrem Leuchten' erbaut habe. Inhaltlich lässt sich diese Doppelzeile zunächst nicht klar verstehen. Deutlich wird nur, dass es Grenzen der (positiven) Wirkung der Sonne gibt.
Etwas klarer wird dieser Gedanke in der dritten Strophe, wo von den 'ärmlichen Träumen' der Menschen die Rede ist (3,3). Sie entsprechen wohl dem vergeblichen Erbauungsversuch aus der zweiten Strophe. Durch den syntaktisch falschen Einbau des Fragewortes 'Wer' in die letzte Zeile wird außerdem noch als weiteres Problem aufgeworfen, dass der Mensch nicht weiß, wer in ihm eigentlich die Träume erweckt. Ein Gott oder sonst eine höhere Wirklichkeit wird hier auf jeden Fall nicht als Tatsache angenommen. Die ersten beiden Verszeilen der dritten Strophe weiten dann den Blick über den menschlichen Bereich aus: Außer der Erde gibt es nur 'leere Räume' (3,1), 'für niemanden sonst ein Fest' (3,2), d.h. doch wohl, dass die Sonne zwar gewisse positive Wirkungen auf die Menschen ausübt (vgl. 1,2 und 2,2), aber außer den Menschen auf der Erde gibt es keine weiteren Adressaten. Der Rest der Energie verschwindet funktionslos im Raum. Die Menschen sind allein mit ihrem bisschen, sehr beschränkten Fest.
Die vierte Strophe führt die Gedanken konsequent weiter, indem der Inhalt menschlicher Träume näher vorgestellt wird: er besteht darin, sich als etwas Besonderes zu fühlen, zu glauben, die Sonne scheine absichtlich für die Menschen 'ganz allein' (4,2). In Zeile 4,3 wird dann der Titel wieder aufgenommen, wenn von 'ergründen' die Rede ist. Das Fundament menschlichen Lebens ist der Glaube an die eigene Bedeutsamkeit, die tapfer, wenn auch etwas erzwungen aufrechterhalten wird: 'Es muss die Wahrheit sein' (4,4).
Die letzte Strophe zeigt die Konsequenz eines solchen Bewusstseins: Die Menschen glauben sich der Sonne gleich und meinen, wie sie nicht untergehen zu können. Man erhält sich 'unberührt' 'die Wahrheit des schönen Scheins'. Die letzten beiden Zeilen machen ganz deutlich, dass der Sprecher im Gedicht diese menschliche Überheblichkeit kritisiert, sich selbst als sonnengleichen und beständigen Bestandteil der Natur zu sehen.
Das Gedicht scheint zunächst ein Preislied auf die Sonne als 'Fundament' (Titel), Schöpfer und Erhalter alles Lebens zu sein. Es stellt sich im Verlauf des Gedichtes aber heraus, dass die Wirkung der Sonne für den Menschen nicht weit genug reicht: Sie gibt zwar Wärme, aber keinen Sinn. Das eigentliche Fundament eines echten, sinnvollen menschlichen Lebens sind daher die eigenen Ergründungen (vgl. 4,3) mit denen man versucht, die 'ärmlichen Träume' (3,3) aufzuwerten und zur sicheren Grundlage zu machen. Das Gedicht zeigt, dass zu menschlichen Leben immer auch 'die Wahrheit des schönen Scheins' (5,3) gehört, die 'unberührt bestehn' (5,4), d.h. gesichert bleiben muss.
In der zweiten Zeile der letzten Strophe scheint sich aber auch eine Warnung anzudeuten: Es ist gefährlich, im negativen Sinne ein 'schöner Schein', wenn der Mensch glaubt, die Natur, verkörpert in der Sonne, sei für ihn ganz allein da. Er ist vielmehr in einem ganz anderen Sinne 'ganz allein' (4,3) im Kosmos und trägt damit eine große Verantwortung dafür, dass die Sonne nicht eines Tages nur noch 'leere Räume' (3,1), ohne jedes 'Fest' (3,2) durchstrahlt.
Damit sind wir aber bereits im Bereich der Deutung, d.h. der Übertragung des Gedichts auf ganz bestimmte Zusammenhänge des wirklichen Lebens. Der Text kann so verstanden werden, dass er den Menschen vor der falschen Sicherheit warnen will, sich eine Welt ohne menschliches Leben nicht vorstellen zu können und deshalb zu meinen, es könne aufgrund menschlicher Fehler nicht dazu kommen. Damit wird der Mensch auf seine Verantwortung zurückverwiesen. Denn nur bei verantwortungsvollem Umgang mit seiner Stellung in der Natur, d.h. bei Schonung der natürlichen Lebensgrundlagen kann wenigstens das bisschen 'Fest', können die paar, wenn auch 'ärmlichen Träume' erhalten bleiben. Außerdem - und das ist wohl die einzige Stelle, wo das Gedicht seine unmetaphysische Weltanschauung verlässt - bleibt auch nur dann die Frage nach dem 'Wer' (3,4) und damit zumindest die Möglichkeit der Antwort noch ungelöster Fragen nach dem Urgrund, der Bedeutung und dem Ziel menschlicher Existenz erhalten.
Der künstlerische Wert und der Reiz des Kunertschen Gedichts liegt wohl in dem sehr menschlichen Schwebezustand zwischen nüchternem, ja schmerzlichem und resignativem Skeptizismus, was die Autonomie und die besondere Rolle menschlichen Lebens angeht, und dem Beharren auf dem dennoch Festlichen unlebenswerten unserer Existenz. Aus all dem ergibt sich eine sehr eindringliche Mahnung zu großer Selbstverantwortung, die genau in umgekehrtem Verhältnis zur fehlenden Autarkie unserer irdischen Existenz steht.
Das Gedicht verzichtet weitgehend auf besonders auffallende künstlerische Mittel, sieht man einmal von der unbedingt notwendigen und wenig überraschenden Personifizierung der Sonne (vgl. 1,4 oder 2,2) ab. Der Text setzt weniger auf die Überredungskraft der Bilder als vielmehr auf die Überzeugungskraft der Gedanken, auch wenn diese nicht auf Eindeutigkeit angelegt sind, vielmehr in ihrem Andeutungscharakter den Leser bereits zur Mitarbeit herausfordern.
Dennoch sollte auf die häufige Verwendung von Gegensätzen hingewiesen werden: 'streicheln' (2,2) - 'vergebens' (2,3), 'Fest' (3,2), 'ärmliche Träume'(3,3), 'schöner Schein' (5,3) - 'bleibt unberührt bestehn' (5,4). Diese sprachlichen Gegensätze entsprechen der Widersprüchlichkeit unserer Existenz.
Ebenfalls eine Rolle spielt auch der begriffliche Dreiklang der ersten Verszeile, der mit dem wissenschaftlichen Ausdruck 'Photonen' auch schon eine Störung und Infragestellung des 'schönen Scheins' (Sonne als sichere Quelle des Lebens) andeutet. Erinnert werden soll auch noch einmal an den syntaktisch sehr gewagten, inhaltlich aber wohl begründeten Einbau des Fragewortes 'Wer' in den Hinweis auf die 'ärmlichen Träume' (3,3/4). So wie das Wort hier das Sprachgefühl quält, quält vielleicht auch die ungelöste Frage nach der Herkunft unserer Träume. Aber dies mag schon als gewagt erfunden werden. Daher soll als letztes künstlerisches Mittel hier nur noch der Effekt angeführt werden, der dadurch entsteht, dass nicht die am Anfang genannte Sonne sich als das sichere Fundament unserer Existenz herausstellt, sondern das Verhalten des Menschen.
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