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Projekt Literatur - Schlafes Bruder



Projekt "Literatur des 20. Jahrhunderts"




Robert Schneider








"Schlafes Bruder"

Recalm Verlag, Band 1518, 14. Auflage, 1995, Leipzig






INHALTE


Die Darstellung der Thematik:


In dem Roman "Schlafes Bruder" geht es sich um das Thema Liebe, die aber keine Chance hat ausgelebt zu werden. Elias Alder verliebte sich schon in Elsbeth als sie noch gar nicht auf der Welt war. Während das junge Mädchen heranwächst, verbringen die zwei einige Zeit miteinander. Später aber heiratete sie auf Wunsch ihres Bruders den aus gutem Hause kommenden Lukas Alder. Daraufhin verfällt Elias in eine Art Psychose und beschließt, Selbstmord zu begehen, indem er sich mit Hilfe von natürlichen Giften versucht den Schlaf zu entziehen. Der Roman ist eine weitere Beschreibung, wie der Mensch seinem Schicksal unterworfen ist, das nur aus Elend und Leiden besteht. Weitere Themen sind, der Tod, der Schlaf und die Liebe. Vor allen Dingen wie diese drei Begriffe zueinander stehen.


Skizze des Inhalts:

"Schlafes Bruder ist die Geschichte des Elias Alder, der zweiundzwanzigjährig sein Leben zu Tode bringt, nachdem er beschlossen hatte nicht mehr zu schlafen. Er ist so in seine Cousine Elsbeth verliebt, dass er, als sie einen anderen heiratet, nicht mehr leben will. Elias Alder wurde 1803 zu Hause geboren. Als er schon als kleines Kind mehr schrie als die anderen Kinder, bemerkten die Eltern, dass es mit diesem Kind etwas Merkwürdiges auf sich hat. Als Elias nach einem Sturz im Wald zu einem Wunderkind mutierte, bekam er gelbe Pupillen und eine sehr dunkle und tiefe Stimme. Er konnte die Frequenzen der Tiere und imitieren. Als man ihn nachts im Schnee fand, fielen sämtlichen Leuten die außergewöhnliche Stimme auf. Elias wurde seitdem im Hausgaden eingesperrt, weil man glaubte, der Junge hätte etwas ansteckendes. Keiner beachtete ihn, außer Peter. Er blieb öfter am Fenster stehen und schaute hinauf zu Elias. Zwei Winter blieb Elias im Gaden eingesperrt. An einem Aprilvormittag um 1808 vernahm Elias zum ersten Mal Elisabeths Herzschlag. Und seine Liebe zu ihr begann. In seinem zehnten Lebensjahr bringt er sich selbst das Orgelspielen bei, indem er öfter heimlich an der Kirchenorgel übte. Als eines Abends ein Feuer im Dorf ausbrach, rettete er ihr zum ersten Mal das Leben seiner geliebten Elsbeth. Als das Mädchen 13 Jahre alt geworden war, unternahm Elias mit ihr kleine Ausflüge zu dem wassergeschliffenen Stein im Wald. Auch Elias fiel der kleinen Elsbeth auf. Aber keiner von beiden wagte sich den ersten Schritt zu tun. Als Elisabeth erwachsen geworden war, ehelichte sie den Lukas Alder. Elias wurde auf die Hochzeit eingeladen. Von diesem Tag an wollte er sterben. Er rannte zur Kirche und schrie Gott aus vollem Halse an. An diesem Tag verschwanden seine gelben Pupillen und wurden wieder grün. Von da an war Elias nicht mehr in der Lage zu lieben. Nachdem er von einem anderen Musiker entdeckt worden war, sollte er sich an einem Orgelwettbewerb in Feldberg beteiligen. Nachdem er diesen Wettbewerb gewann, ging er mit seinem Freund Peter zum wassergeschliffenen Stein, plante und beging Selbstmord. Er starb nach einer Woche Schlafentzug der vor allen Dingen auf den Genuss von Tollkirschen zurückzuführen.


2. STILISTIK


Die Charakteristik der sprachlichen Gestaltung des Werkes in gesamt:

Der Roman "Schlafes Bruder", spielt am Anfang des 18. Jahrhunderts. Von daher liegt es nahe, dass Robert Schneider den Roman auch in einer angemessenen Sprache schrieb. An einigen Stellen findet man altdeutsche bzw. in der heutigen Zeit nicht mehr gebrauchte Wörter wie z.B.: "Nulf Alder kam unzeitig, faustete sich durch die Menge()"*1, oder "Ist das wirklich mein Bub?"*2

Der Roman beinhaltet eine Kunstsprache, " die gar nicht existiert, die auch nirgendwo gesprochen wird, nämlich ein Zusammenführen aus der Lutherischen Sprache mit Dialektmischungen aus der Gegend, wo ich herkomme". (Schneider in einem Rundfunkgespräch mit Eduard Hoffmann // Deutsche Welle, 13.1.1993). Der Erzähler weiß immer genau wer, wann und warum etwas indem dem Roman macht. Er kommentiert, wertet und spricht mit dem Leser. Er gebraucht dabei einen exakt begrifflich Sprachstil für Tätigkeiten, Eigenschaften, und Regungen. An manchen Stellen wechselt Schneider vom Präteritum ins Präsens, besonders an wichtigen Stellen (z.B. SB S.68). Das zentrale Schlüsselwort oder Leitmotiv heißt: "Herz". Zuerst hört Elias das "weiche Herzschlagen eines ungeborenen Kindes"(SB 38). Oder,: "Das Wesen seines Herzens" ist "gut"(SB 53).


Die detaillierte sprachlich Analyse einer typischen Passage:


Man könnte sagen, dass der Roman "Schlafes Bruder" zwei Hauptschlüsselszenen beinhaltet, die von Handlung und Wortwahl besonders auffallen. Einmal jene, in der Elias zu einem Wunderkind mutiert und welche in der er sich von Gott abgewendet hat , nachdem Elsbeth Lukas Alder heiratete. In der ersten Schlüsselszene wird in besonders dramatischer Weise dargestellt, wie Elias Alder zum Wunderkind mutiert. Es wird beschrieben, wie Elias zu Boden stürzt und ihm eine Mischung aus Urin und Blut aus den Genitalien entlang der Leistenbeugen läuft, was an ein Geburtserlebnis erinnert, denn von da an, war er kein gewöhnliches Kind mehr. Er hatte nun die " Anlagen" für sein zukünftiges Schicksal bekommen.

In der zweiten Schlüsselszene werden in zuerst scheinbarer Logik die Vorwürfe von Elias an Gott geschildert: "Gott wo in meinem Leben bist Du??!!" brach es aus seinem Mund und schrie es immerfort, und immerfort schrie es diese Frage. Und als er sich heiser geschrien hatte, bäumten sich die Finger seiner Hände auf, verbissen sich ineinander zu einer pervertierten Geste des Gebets. Er fiel nieder auf die Knie, und erst jetzt vermochte er ruhiger zu sprechen.

"Großer und starker Gott", hub er mit entzündender Stimme an, "Du Schöpfer aller Menschen der Tiere, der Welt und aller Sterne. Warum hast Du mich, den Johannes Elias Alder geschaffen? Heißt es nicht in der Schrift, dass Du vollkommen bist? Wenn Du aber vollkommen bist und gut, warum musstest Du das Elend, die Sünde und den Schmerz erschaffen? Warum weidest Du Dich an meiner Trauer, an der Missgeburt meiner Augen, am Kummer meiner Liebe?"

Sein Blick verhing sich am perlenbesetzten Türchen des Tabernakels. "Warum demütigst Du mich? Hast Du mich nicht nach Deinem Ebenbild geschaffen? Also demütigst Du Dich selbst, Du Ungott !!"

Er schlug die Augen zu Boden. "Ich habe nichts mehr zu verlieren, und was ich verloren, habe ich nie besessen. Und doch hast Du mir etwas in die Seele gehaucht, das mich wie das Paradies dünkte. Du hast mich vergiftet. Warum, Du großer, mächtiger und allwissender Gott, warum kann es Dir gefallen, mir das Glück meines Lebens zu verweigern? Bist Du nicht ein Gott der Liebe? Weshalb also, lässt Du mich nicht lieben? Weshalb musste sich mein Herz für Elsbeth entzünden? Meinst Du etwa, ich hätte mich aus eigenem Willen für Elsbeth entschieden? Du warst es, der mich zu ihr hingeführt hat. Also habe ich gehorcht, denn ich meinte, es sei Dein Wille. Du gewaltiger Gott! Wie? Kannst Du Dich an meinem Irrgehen ergötzen?"

In seinen Augen kam wieder der Glanz böser Wut. Er erhob sich vom Boden, ging näher zum Tabernakel und abermals an zu schreien. Den Schmerz in seiner Seele verspürte er nicht.

"Ich bin gekommen, Dich zu verfluchen!! Ich bin gekommen, mit Dir ein Ende zu machen!! Du bist kein liebender Gott!! Die Liebe allein war Dir zu wenig!! Du musstest den Hass erschaffen, Du musstest das Böse zeugen!! Oder hast Du den Engel Luzifer nicht erschaffen?! Du hast den Keim des Bösen in ihn gelegt!! Der Engel musste stürzen, weil es Dein ewiger Plan war!!"

"Also", sagte er mit abgründiger Verachtung, "höre, was ich Dir nun zu sagen habe", und beugte sich nahe zur Tür des Schreines, "wenn Du in Deiner großen Herrlichkeit uns Menschen den freien Willen gegeben hast", flüsterte er, "dann will ich Johannes Elias Alder, von dieser Freiheit kosten. Wisse, dass ich mein Unglück nicht annehmen werde. Wisse, dass ich nicht aufhören werde Elsbeth zu lieben. Wisse, dass ich mich gegen Deine Fügungen stelle. Wisse, dass Du mir keine größeren Schmerzen mehr zufügen kannst, als Du mir zugefügt hast. Von nun an soll Deine Macht nicht mehr in mir wirken.

Und wenn ich, Johannes Elias Alder, untergehe, so ist es mein Wille, nicht Dein Wille!"*3

Aus den unzähligen Parataxen kann man die Verzweiflung des Elias verspüren. Der Autor reiht hier mehrere Imperative hintereinander und verknüpft sie mit ideologischen Zusammenhängen. Man könnte im großen und ganzen sagen, dass mehrere Passagen aus dem Roman, aber besonders die hier erwähnten, etwas gewisses Kafkaeskes haben; auch hier scheitert eine Person an den von sich aus geglaubten religiösen Gegebenheiten.


Die Frage nach der Angemessenheit der sprachlichen Mittel ( gemessen an der Thematik/ Inhalt)


Gemessen am Inhalt würde ich schon sagen, dass die Sprache mit ihren Umständen zur Thematik passt, denn wie schon in der Analyse geschrieben, erinnern einige Textstellen an die Kurzgeschichten von Kafka. Die Wörter der Beschreibung von der Mutation passen genau zu seinen Lebensumständen, denn die Nichterfüllung Elias´ großer Liebe war nicht der einzigste Schicksalsschlag in seinem Leben. Andererseits kann man sich durch die unbeschönigten Textstellen besser das Geschehen vorstellen. Man kann sich seine Wut die er vor Gott zeigt fast nachempfinden. Es sind die Worte eines wirklich stark verzweifeltem Menschen, was Robert Schneider in diesem Roman gut gelungen ist darzustellen.


Zitatenachweis:

*1= Schlafes Bruder: S.73

*2= Schlafes Bruder : S. 116

*3= Schlafes Bruder : S. 143ff.


3. BIOGRAPHISCHE BEZÜGE


Die Biographie von Robert Schneider

Die Stellung des Werkes in der Vita von Robert Schneider


Robert Schneider wurde 1961 in Bregenz (Österreich) geboren, wuchs als Adoptivkind in einem Bergdorf mit 57 Einwohnern in Vorarlberg auf. Sein Vater war Landwirt. Nach seinem Abitur, dass er 1981 am Bundesgymnasium Feldkirsch ablegte, studierte er bis 1986 in Wien Komposition, Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte. Nachdem er sein Studium abbrach, zog er aus freien Stücken wieder in sein Heimatdorf Meschach zurück, wo er seinen ersten Roman "Schlafes Bruder" schrieb. 1990 absolvierte er ein amerikanisches Privatstipendium, den sogenannten Abraham-Woursell-Award, zur Förderung junger europäischer Autoren. Im gleichen Jahr erhielt er den Filmdrehbuchpreis des ORF für sein Drehbuch: "Die Harmonien des Carlo Gesualdo". Außerdem den Landespreis für Volkstheaterstücke des Landes Baden-Württemberg für sein Stück : "Traum und Trauer des jungen H.

(Uraufführung am 20.11.1993 im Schauspielhaus in Hannover).

Nachdem Schneider den Roman "Schlafes Bruder" fertig geschrieben hatte, bewarb er sich bei 21 Verlagen, die jedoch alle seinen Roman ablehnten. Als "Hochtrabend", empfanden die Lektoren die Erzählweise, übertrieben den Ton, maßlos und unheimlich den Reigen aus Metamorphosen. Als der junge Autor schon alle Hoffnungen aufgegeben hat, meldet sich Reclam Leipzig bei ihm und fragt an, ob das Manuskript (das man seit einem halben Jahr im Verlag liegen hat) inzwischen vergeben sei. Thorsten Ahrend, der Lektor, trifft sich mit Schneider in Vorarlberg, sie erklimmen gemeinsam manche Felsen, liefen durch das besagte Bachbett.

erschien im Herbst die mit 4000 Exemplaren vorsichtig kalkulierte Erstauflage. Bald darauf überschlugen sich die Kritiker und das Buch war auf dem besten Wege ein Bestseller zu werden. Bis Ende 1995 erreichte die im August´ 94 erschienene Taschenbuchausgabe 14 Auflagen und einen Absatz von über 600.000 Exemplaren. Das Hardcover wurde, in acht Auflagen, etwa 100.000mal verkauft, und die im August´ 95 nachgeschobene Liebhaberausgabe im Schuber ging mehr als 10.000-mal über den Ladentisch.

erscheint ebenfalls im Reclam Verlag sein Theaterstück "Dreck". "Dreck" ist der Monolog eines Mannes aus Basoa, der auf den Straßen einer deutschen Stadt Rosen verkauft. Die Uraufführung fand am 10.1. im Thalia Theater in Hamburg statt. Der dramatische Monolog wird zum meistgespielten Theaterstück in der Saison (mehr als 30 Inszenierungen). Noch im gleichen Jahr wurde der Roman "Schlafes Bruder" in einigen skandinavischen Ländern übersetzt und als Ballett im Pfalztheater Kaiserslautern aufgeführt.

erhielt Schneider den Literaturpreis der Salzburger Osterfestspiele. Prix Médicis Etranger(Frankreich).

Marieluise-Fließer-Preis der Stadt Ingoldstadt.

Premio Itas del Libro di Montagna (Italien).

Premio Grinzane Cavour (Italien).

Verfilmung des Romans "Schlafes Bruder" durch Joseph Vilsmaiers.

Von seinem Privatleben aus seiner Jugend berichtet Schneider, dass er zu Hause weder Musik noch Bücher gehabt hatte. Er hörte nur den Dorforganisten, der aber abscheulich spielte. Außerdem würde es in Vorarlberg heißen, dass sie nicht sagen können: "Ich liebe Dich".

Schneiders Mutter starb, als das Buch erschien, jenes er innerhalb von sechs Monaten fertig schrieb. Sein Adoptivvater wollte das Buch nicht weiter lesen, weil er sich wieder erkannte.

Robert Schneider lebt momentan ledig. Als seine Hobby gibt er Motorcrossing an.

Adresse: Robert Schneider, Maschach 7, A-6840 Götzis/Vorarlberg// Tel.:5523/2445

Quelle: Stadtbibliothek Neuss


BEWERTUNGEN


Die Bedeutung der Inhalte für das Lesepublikum:

Ist die Thematik ein abstruser Einzelfall oder wird mit dem Besonderen ( Individuellen ) auch Allgemeines Gesellschaftliches erfasst ?

4.1.2. Gelingt über die gewählten Inhalte die Kontaktaufnahme zum Leser ?

Der Inhalt des Romans "Schlafes Bruder" ist die Wiederverarbeitung der Thematik von der unerfüllten Liebe. Dieses Thema wurde von Schriftstellern wie Friedrich Schiller (Kabale und Liebe), Gottfried Keller (Romeo und Julia auf dem Dorfe), Gotthold Ephriam Lessing ( Nathan der Weise) und noch vielen anderen behandelt. Im entferntesten Sinne auch von Kafka, wenn man die biographischen Aspekte betrachtet (Angespielt ist hier die Vater-Sohn-Beziehung). Die alte Melodie, der Dorfgeschichte, sind Bruchstücke von seinem verstorbenen Landsmann Franz Michael Felder (1839-1869),dem Oskar Matzerath des Günter Grass ("Die Blechtrommel") und dem Grenouille des Patrick Süsskind.

Das Thema Liebe ist außerdem ein Thema, mit dem jeder irgendwann einmal konfrontiert wird. In Romanen, Dramen oder Tragödien werden solche Themen meist extrem aus der Sicht einer oder mehreren Personen geschildert, die aber ganz Alltäglich sind. In dem Trauerspiel "Kabale und Liebe" sind es die Adligen, die von der Thematik betroffen sind. In "Kabale und Liebe" verliebt sich der aus gutem Hause kommende Ferdinand in die aus ärmeren Verhältnis kommende Luise. Da sie ihre Liebe wegen den damalig herrschenden gesellschaftlichen Normen nicht ausleben konnten, kam es zur Tragödie mit Todesfolge. Ahnlich wie in dem Roman "Schlafes Bruder", wo Elias´ geliebte Elsbeth auf Wunsch ihres Bruders einen anderen heiratete. Das hatte auf das Individuum Elias Alder eine so große Wirkung erzielt, dass er beschloss Selbstmord zu begehen. Selbst im realen Leben kann man wird in den Medien häufig darüber berichtet, dass sich jemand aus Liebeskummer umgebracht hat, oder den Ex-Partner gleich mit.


Die Bedeutung der Stilistik für die Rezipienten: "lesbar" oder nicht?


Im großen und ganzen ist der Roman gut zu lesen. Es kommen zwar hin und wieder Fremdwörter vor, bei denen man schon mal nachblättern muss, aber der Text ist flüssig geschrieben, Orts- und Zeitangaben gliedern sich eindeutig. Er ist vom chronologischen Ablauf gut zu erfassen. Man braucht keine großartigen Hilfestellungen, um den Roman zumindest oberflächlich zu begreifen. Man kann sich auch an manchen Stellen genau in die Szene hineindenken, da der Autor mit passenden Worten die inneren und äußeren Vorgänge genau darstellt und unmissverständlich zu erkennen gibt, wo seine Handlung hinführt.


SKIZZE EINES PRODUKTORIENTIERTEN INTERPRETATIONSANSATZES


Die Geschichte des Elias Alder, lässt sich als reine Liebesgeschichte bzw. als reine Erzählung über ein Genie oder über das beschwerliche und engstirnige bäuerliche Leben im alten Österreich auffassen. Das fremde Aussehen macht Elias zum Außenseiter im Dorf, das sich nur durch Spott, Neid und Eigennutz der Gemeinschaft fügt. Auch Peters Verhalten ist nicht untypisch für das Eschberger Dorfleben. Der Roman "Schlafes Bruder" spielt auch auf romantische Traditionen an, ob in Form von künstlerischen Themen wie das Musikgenie, oder in Naturbildern. Da das Wort "Herz" an vielen Stellen im Roman auftaucht, heißt das Erkennungswort "Sturm und Drang", denn das Schlüsselwort des Stürmers und Drängers ist das Herz. Egal an welcher Textstelle man das Buch aufschlägt, appelliert Elias an sein Herz, lässt es sprechen und schließlich zerbrechen. Es gibt deshalb viele Verknüpfungen zu "Die Leiden des jungen Werther". Elias' "Herz" äußert sich unberechenbar: Seine (Gefühls-)Regungen sind nicht zu steuern. Er wird von allem, was sein Herz von ihm einfordert, mitgerissen, sei es das Verliebtsein oder der Drang zu sterben.

Elias' Leidensweg weist außerdem viele Parallelen zu dem von Jesus hin. Der Roman spielt von der ersten bis zur letzten Seite an die Auferstehung von Jesus Christus an. Die Textstelle,: "Er sei nicht wiedergekommen, wiewohl man überall nach ihm gesucht habe. Sie glaube aber, dass er noch am Leben sei,"(SB 204)erinnert an den Ostermontag, als Maria Magdalena am Grab Jesu den Stein nicht mehr vorfindet. In sexueller Hinsicht hatten Elias Alder und Jesus ebenfalls Gemeinsamkeiten. Elias ist ein Verächter der Fleischeslust: "Er wollte ihr zeigen, dass die wahre Liebe nicht das Fleisch sucht, sondern sich ganz an die Seele verschenkt"(SB 108).

Elias' Liebe zu Elsbeth bleibt unerfüllt, nur weil er es sich nie wagte, ihr diese Liebe zu gestehen. "Niemals hätte ein Alder einem Menschen anvertraut, dass er ihn lieb habe. Alles musste ohne Worte geschehen, und wenn, nur in Andeutungen und Halbheiten. Sprachlos waren diese Menschen, ja sprachlos bis in den Tod", heißt es im Text, was wiederum Parallelen zu Schneiders Biographie ziehen lässt.

Der Roman umfasst das 19. Jahrhundert. In dieser Zeit hatte die literarische Gattung der Dorfgeschichte das höchste Ansehen und die breiteste Wirkung erreicht. Nicht nur im deutschen Sprachraum wird in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine regionale und soziale Epik dargestellt, die sich mit dörflichen Lebensformen beschäftigt. Die Ursachen waren u.a. die langsam beginnende Veränderung der Lebensverhältnisse durch Industrialisierung und Ablösung alter Werte und Normen und das gesteigerte Interesse für die Landwirtschaft, der Bauern und vor allem das der liberalen Nationalökonomen. Die Dorfgeschichte hatte auch eine pädagogische Funktion, ihr Ziel war es u.a. das Volk durch Bildung auf den Weg zur Mündigkeit zu bringen.


6. ZUSAMMENFASSENDE DARSTELLUNG DER REZEPTIONSGESCHICHTE


Nachdem der Roman "Schlafes Bruder" von einigen Lektoren abgelehnt wurde, kam er Dank des Lektors Thorsten Ahrend im Herbst 1992 in Druck. Kaum war das Buch erschienen, überschlug sich die Kritik.

Wer spürte nicht den "Atem des Erzählers"[1], ahnte nicht die "außergewöhnliche Begabung" , rühmte nicht die "stilistisch sehr ambitionierte Prosa" , "trotz einer anderen Stilgebärde" , des "österreichischen Mitbürgers" . Die Rezensenten waren mit Schneider begnadete Nacherzähler. Sie lobten ihn wegen seiner Sprache. In kürze ist der Roman in 16 Sprachen übersetzt. Im August sind allein in Deutschland 270.000 Exemplare verkauft worden. Joseph Vilsmaier und Robert Schneider arbeiten fort an der Verfilmung des Romans. Im September 1995 war in Vorarlberg die Filmpremiere.

Momentan ist der Roman bald in 20 Sprachen übersetzt; weitere Fremdsprachige Ausgaben sind in Vorbereitung.

In Schweden ist die Übersetzung Sömnens broder (Schlafes Bruder) identisch mit dem deutschen Titel des Romans. Mit viel Ehrfurcht wird die musikalische Grundlage bewertet: "Man müsste vielleicht ausgebildeter Organist oder Komponist sein, um alle Nuancen mitzubekommen()"[6]. Die Musik habe in dem Roman eine Doppelfunktion, denn sie veranschauliche das Leben von Elias und sei zugleich sein Schicksal. Das Leiden des Protagonisten aufgrund seiner unerfüllten Liebe würde in eine bewegende Aufführung vor sachlicher Jury und Öffentlichkeit transzendiert werden, schreibt Synnöve Clason im "Svenska Dagbladet" . Gemeint ist damit der Orgelvortrag von Elias. Mikael Ankarvik vergleicht das Kapitel "Das Orgelfest"(SB 168 ff.) mit Mozarts Erfolg in Prag im Jahre 1787. Ankarvik lobt die Virtuosität des Autors, "voll von sprachlicher Musikalität und Tiefe" .

Marcel Schneider, ein Rezensent von "Le Figaro", lobt Schneiders Erzählkunst, sie sei von grauen vollem Barock, aufgewirbelt durch den Zauber der Phantasie; in diesem Zusammenhang wird auch die exakte Übersetzung des Romans von Claude Porcell besonders hervorgehoben[9].

Die italienische Rezensentin Elena Agazzi kritisiert, dass die große Liebe so tragisch enden muss. Dass die Sehnsucht keine Erfüllung findet, ist eine Sache, aber dass gleich der Tod folgt, empfindet sie als eine dem Leben zu pessimistische Haltung gegenüber dem Leben[10].


7.ZUSAMMENFASSENDES URTEIL ("LESEEMPFEHLUNG")


Der Roman "Schlafes Bruder" hat mir wirklich gut gefallen.

Zuerst dachte ich, das Buch wäre langweilig, aber nach den ersten 15 bis 20 Seiten hat mir die Geschichte von der Idee und vom unkonventionellen Stil gefallen. Man kann sich gut in Personen und Situationen hineindenken bzw. hineinversetzten. Der Geschichtsablauf wirkt nach einer Zeit so dramatisch auf einen ein, dass man mit Elias zum Schluss nur noch Mitleid empfinden kann. Der Roman ist ein Leckerbissen für jeden Stürmer-und-Dränger-Liebhaber/-in, die/der gerne eine stürmische "Lovestory" ließt.





Thomas Rietzschel in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.9.1992

Herbert Ohrlinger in: Die Presse, 22.8.1992

Thomas E. Schmidt in: Frankfurter Rundschau, 10.10.1992

Beatrice von Matt in: Neue Zürcher Zeitung, 20.10.1992

Günther Drommer in: Wochenpost, 1.10.1992

Übersetzung aus der Rezension von Clas Thor: Världen som undflyende kärlek och hopplöst hopp. In: Nerikes

Allehande-Nerikes, 11.9.1993

Synnöve Clason: Snillet som gava- och plagoris. In: Svenska Dagbladet, 1.3.1994

Übers. aus der Rezension von Mikael Ankarvik: om att(). In: Norra Skane, 12.7.1993

Marcel Schneider: Robert Schneider: Un conte de la folie exemplaire. In: Le Figaro, 8.4.1994

Elena Agazzi: Bach, la mia voce di dentro. In: Il Giorno, 21.6.1994






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