1 Einleitung
Die erste Buchausgabe des Romans 'Homo faber' von Max Frisch erschien am 30. September 1957. Vier Tage später startete der erste Weltraumsatellit, der Sputnik. Technischer Fortschritt - und auch Kritik daran - war in dieser Zeit bewusstseinsprägend. So kann man den Roman verstehen als Auseinandersetzung mit der durch den 'Sputnik-Schock' ausgelösten Zweiten Industrieellen, der Technischen Revolution und dessen Folgen.
Max Frisch - als Skeptiker und Gegner des Fortschrittszeitalters - beschreibt in seinem Roman die Wendung vom männlichen Prinzip, bestehend aus Technik, Beruf und Statistiken - von dem Walter Faber anfangs noch überzeugt war - zum weiblichen Prinzip, dessen Inhalt Natur, Kunst und Schicksal ist.
Ein weiteres aktuelles Problem, auf das Frisch anspielt, betrifft den zwischenmenschlichen Bereich. Der Mensch des 20. Jahrhunderts lebt in einer Gesellschaft mit hochdifferenzierter Arbeitsteilung und der einzelne Mensch versucht, sich so zu verhalten, wie man es in unterschiedlichen Situationen von ihm erwartet. Für Frisch bedeutet dies, sich nach einem Bildnis - einer bestimmten Vorstellung von einem Menschen - zu richten.
So wird Walter Faber in eine Rolle hineingedrängt, die er zu spielen hat, und seine Persönlichkeit wird dabei unterdrückt. Er will sich selbst als Techniker sehen und meint, dass auch seine Mitmenschen ihn als solchen wahrnehmen müssten. In der verinnerlichten Rolle als Techniker denkt er, das Leben sei planbar und Zufälle seien nur mithilfe der Statistik zu erklären.
Der Autor äußert seine Kritik darin, dass er die Figur, deren Nachname 'Faber' für ein Gedankenbild steht, das in dieser Zeit aufkam, verzweifeln lässt und eingestehen lässt, dass sie den falschen Weg gewählt hat.
Faber lebte in den Vereinigten Staaten. Diese galten bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Gleichzeitig war dieses Land aber auch Gegenstand der Kritik. Deutsche Kritiker waren der Meinung, das Leben der US-Amerikaner sei allein am Materiellen ausgerichtet. Kulturelles Leben habe für sie keine Bedeutung.
Max Frisch lässt die Hauptfigur seines Romans zunächst eine zustimmende, sogar bewundernde Haltung den USA gegenüber einnehmen, die dann im Laufe des Romans in eine distanzierte, sogar verurteilende Stellung wechselt, die den 'American Way of Life' ablehnt. Die USA gelten auch heute noch als ein Land von großer wirtschaftlicher Dynamik, hohem Lebensstandard, sozialer Mobilität und Chancengleichheit. Jedoch hat die Kritik an der Weltmacht zugenommen. Aspekte hierbei sind die Benachteiligung der Schwarzen, Verirrungen des Vietnamkriegs, Armut und Reichtum direkt beieinander und ausgeprägter Materialismus.
Die Problematiken, die Max Frisch in seinem 'Homo Faber' anspricht, wie technischer Fortschritt, Umgang der Menschen miteinander, Verhältnis von Mann und Frau, Emanzipation der Frau, die USA als 'Leitbild' der zivilisierten Welt, spielten zur Entstehungszeit eine Rolle und haben bis heute nichts an ihrer Aktualität eingebüßt.
Ziel dieser Belegarbeit soll es sein, das Leben
des Autors, seine Werke - allem voran seinem Roman 'Homo faber' - im
Bezug auf die genannten Aspekte darzustellen. Es soll die Umsetzung der
genannten Gesichtspunkte in 'Homo faber' gezeigt werden, auf den
Bezug der griechischen Mythologie verwiesen werden sowie die Merkmale und den
Aufbau des Werkes zu erläutern.
2 Max Frisch - Biografie
Mit Friedrich Dürrenmatt gehört er zu den bedeutendsten Vertretern der schweizerischen Literatur der Nachkriegszeit. Zentrale Themen seines zeitkritischen Werkes 'Homo faber'
sind Selbstentfremdung und das Ringen um Identität in einer ebenso entfremdeten Welt.
15. Mai 1911: als jüngstes von drei Kindern geboren in Zürich
- distanziertes Verhältnis zum Vater Franz Bruno Frisch
- Mutter Karolina Bettina Frisch (geborene Wildermuth)
Ausbildung, Werdegang
1924-30: Besuch des Kantonalen Realgymnasiums in Zürich
1931-33: Germanistikstudium an der Universität Zürich → Abbruch nach Tod des Vaters (1932) aus finanziellen Gründen; Hinwendung zum Journalismus ('Neue Zürcher Zeitung', Skizzen, Reisebilder); erste Auslandsreise nach Ungarn, Serbien, Griechenland und Türkei
1934: Balkanreise schafft den Erfahrungshintergrund für seinen ersten Roman 'Jürg Reinhart. Eine sommerliche Schicksalsfahrt'
1936: Frisch bricht das Schreiben ab, in einer Krise verbrennt er alles bisher Geschriebene
Wiederaufnahme des Studiums (finanziell unterstützt von einem Schulfreund)
1939: nach Mobilmachung beginnt Frisch erneut das Schreiben
1936-41: Architekturstudium an der ETH in Zürich
1939-45: mehrfache Einberufung zum Wehrdienst (als Kanonier)
1942: gewinnt Wettbewerb mit einem Entwurf für das Volksbad 'Letzigraben'
Heirat mit Architektin Constanze von Meyenburg, Eröffnung eines eigenen Architekturbüros
Beginn der Schriftstellerkarriere
Hinwendung zum Theater (Anregung durch späteren Direktor des Züricher Schauspielhauses)
1946: Reisen nach Deutschland, Italien, Frankreich
1947: Begegnung mit Peter Suhrkamp und Dürrenmatt (Briefkontakt)
1948: Kontakt zu Bertolt Brecht in Zürich, der mit seinen Ideen zum epischen Theater einen starken Einfluss auf ihn ausübt
1951-52: Rockefeller Stipendium für einjährigen Aufenthalt in den USA
Höhepunkt seiner Laufbahn
1954: Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig für den Roman 'Stiller'; literarische Etablierung als freier Schriftsteller; Auflösung des Architekturbüros; Trennung von seiner Frau
1957: 'Homo faber. Ein Bericht'
Reise in die arabischen Staaten
1960-1965: Wohnsitz in Rom, Beziehung mit Schriftstellerin Ingeborg Bachmann
Etablierung Frischs als Bühnenautor von internationalem Rang
1965: Reise nach Israel und in die UdSSR
1968-1979: Ehe mit Marianne Oellers
1969-1974: vier weitere Reisen in die USA; Reise nach Japan
1975: 'Montauk' (Frischs Erfahrungen während USA-Reisen)
1977: politisches Engagement: Rede auf dem Bundesparteitag der SPD, bei der er sich mit den Phänomenen von Terrorismus und Kapitalismus auseinandersetzt
1978: 'Triptychon' (1979: Urraufführung in Lausanne; 1980: 2. Fassung des Werkes)
1980: Gründung der Max-Frisch-Stiftung
1981: Gründung des Max-Frisch-Archiv der ETH Zürich
1987: Frisch wird von der TU Berlin zum Ehrendoktor ernannt
Rückzug Frischs
Frisch lebt zurückgezogen in Berzona im Tessin
4. April 1991: Tod nach Krebsleiden in Zürich.
2.2 Mitgliedschaften
- Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung
- Akademie der Künste Berlin
- Bayerische Akademie der Schönen Künste
2.3 Auszeichnungen und Preise
1937: Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis
1944: Dramenpreis der Emil-Welti-Stiftung
1951: Rockefeller Grant for Drama
1955: Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig (für 'Stiller')
1958: Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprachen und Dichtung
Literaturpreis der Stadt Zürich
Charles-Veillon-Preis der Stadt Lausanne (für 'Homo Faber')
1962: Großer Kunstpreis von Nordrhein-Westfalen, Preis der jungen Generation (für 'Andorra')
1965: Literaturpreis der Stadt Jerusalem, Schiller-Preis von Baden-Württemberg
1974: Großer Schiller-Preis der Schweizerischen Schillerstiftung
1976: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1989: Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf
2.4 Werke im Überblick
1927: 'Stahl' - erster erfolgloser Dramenversuch
1934: 'Jürg Reinhardt. Eine sommerliche Schicksalsfahrt' - Roman
1937: 'Antwort aus der Stille. Eine Erzählung aus den Bergen'
1940: 'Blätter aus dem Brotsack' - Tagebuch aus dem Grenzdienst
1943: 'J'adore ce qui me brûle oder Die Schwierigen' - Roman
1944: 'Santa Cruz. Eine Romanze' - Drama
1945: 'Bin oder die Reise nach Peking' - Erzählung
1945: 'Nun singen sie wieder' - Drama
1947: 'Die chinesische Mauer' - Drama
1949: 'Als der Krieg zu Ende war' - Drama
1950: 'Tagebuch 1946-1949' - u. a. Reiseeindrücke aus dem kriegszerstörten Deutschland
1951: 'Graf Öderland. Ein Spiel in zehn Bildern' - Drama (1956: 2. Fassung; 1961: 3. Fassung)
1953: 'Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie. Komödie in fünf Akten'
1954: 'Stiller' - erster Romanerfolg
1957: 'Homo Faber. Ein Bericht'
1958: 'Biedermann und die Brandstifter. Ein Lehrstück ohne Lehre' - Drama (Parabel über feige Duldung von Terror, Bezug zur dt. NS-Zeit)
1961: 'Andorra. Stück in 12 Bildern' - Drama (Parabel über die prägende Macht von Vorurteilen und soz. Erwartungen)
1964: 'Mein Name sei Gantenbein' - letzter Roman (Spiel mit Fiktionen verschiedener Lebensverläufe [Was wäre gewesen, wenn?])
1972: 'Tagebuch 1966-1971' (Reisenotizen, Zitate, Erzählskizzen, Selbstreflexionen)
1975: 'Montauk' - Autobiographische Erzählung
1976: 'Gesammelte Werke in zeitlicher Folge' - 6 Bände
1978: 'Triptychon. Drei szenische Bilder'
1979: 'Der Mensch erscheint im Holozän' - Erzählung
1982: 'Blaubart' - Novelle
3 Situation der deutschen Literatur um 1957
3.1 Deutschland
Nationalsozialistischer Terror und seine Folgen prägen die literarische Produktion in Deutschland. Die Autoren erlebten die Grausamkeit und gleichzeitig die Ohnmacht am eigenen Körper mit. Ab 1945 versucht man, das Grauen und die schrecklichen Erinnerungen jener Zeit zu bewältigen. Die Leitmotive der Nachkriegsjahre sind wütende Anklagen, Trauer und Resignation, Suche nach Erklärungen des Geschehenen und Aufrufe zur moralischen Erneuerung des zerstörten Deutschlands.
Nach 1945 ist eine Erneuerung der deutschen Literatur nur bedingt festzustellen, da die Autoren vielmehr da anknüpfen, wo sie durch nationalsozialistische Forderungen nach 'arischer' Kunstproduktion gewaltsam unterbrochen wurden. Es wird wieder Anschluss an die Philosophie und Literatur des Auslandes gesucht. Ost- und Westdeutsche Autoren verstehen sich zumindest in den 50er Jahren noch als Vertreter einer gemeinsamen deutschen Kultur, erst mit dem Mauerbau 1961 trennen sich beider Wege.
Eine neue Prosaform ist vor allem die Kurzgeschichte, welche verwandt mit der amerikanischen 'short story' ist. Durch ihre offene Struktur und die Konzentration auf den Moment eignet sie sich besonders zur Darstellung der Ausnahmesituation während und nach dem Krieg. Vertreter dieser neuen Prosa sind Wolfgang Borchert, Heinrich Böll und Wolfgang Weyrauch, der 1949 die erste deutsche Kurzgeschichtensammlung herausgab.
Die weitere Entwicklung des Romans nach 1945 hingegen verlief sehr verschieden.
3.2 Schweiz
Die Schweiz erfuhr die Zerstörung des Krieges als ein neutraler Nachbar. Das Land war während der NS-Herrschaft als letztes freies deutschsprachiges Land zur Zuflucht deutscher Literaten geworden. Außerdem konnte sich in der Schweiz - vom Krieg nicht unmittelbar betroffen - ein weniger verkrampftes Verhältnis zur Vergangenheit entwickeln.
Neben Frisch galt Friedrich Dürrenmatt ('Die Physiker', 1963) als ein Hauptvertreter dieser Zeit.
4 Entstehung des Romans 'Homo faber'
Die Entstehungsgeschichte von Homo Faber ist bis ins kleinste Detail bekannt. Ende 1955 entstanden erste Entwürfe zum Roman. In den nächsten 22 Monaten arbeitet Frisch bis auf kleine Gelegenheitsarbeiten ausschließlich an diesem Werk. Dabei zerfällt die Hauptarbeit in zwei Phasen.
Die erste Phase umspannt die Zeit vom Juli 1956 bis Februar 1957, in der der Roman im ganzen durchgeschrieben wurde und dem Verleger Peter Suhrkamp bereits als fertig angekündigt wurde. Jedoch zog Frisch am 21. April 1957 das Manuskript als nicht zufriedenstellend zurück. Er schrieb an Suhrkamp:
'Unterdessen ist bei mir die Entscheidung gefallen.
Ich ziehe den HOMO FABER zurück - ohne verzweifelt zu sein deswegen. Es geht so nicht, das war mein Eindruck, und es ist mit Retuschen, wenn sie noch so glücklich wären, nicht zu machen. Zu vieles darin ist tot, am Stil des Technikers gestorben; anderes wiederum, finde ich, ist einer Art geglückt gerade im Sprachlichen, dass es schade wäre, wenn es im Ungemeisterten zugrunde ginge.' (zit. nach Schmitz, Materialien, S. 63)
Bereits nach drei Tagen scheint Frisch der Einfall für eine Umstrukturierung des Entwurfs gekommen. Er schickt seinem Verleger eine neue Kompositionsskizze. Sie eliminiert die offensichtliche strukturtechnische Nähe des Romans zum Vorgänger 'Stiller'. Auch die Zweiteilung der Handlung des Romans wurde hinzugefügt.
Die zweite Arbeitsphase beginnt im Frühjahr 1957. Hierbei werden die Erzähl- und Stilhaltung der Hauptfigur revidiert. Außerdem wird der 'Stil des Technikers' durch die Verschachtelung der verschiedenen Zeitebenen (Rückblenden und Vorausdeutungen) nochmals hervorgehoben.
Im Juli 1957 sind erste Ausschnitte des Romans in der 'Neuen Züricher Zeitung' mit dem Titel 'Ich preise das Leben' zu lesen. Nach Abschluss der Arbeiten, wird der Roman schließlich im Oktober 1957 veröffentlicht.
5 Quellen und Hintergründe des Werkes
Der Roman spiegelt die Erfahrungen und Eindrücke wider, die Frisch auf seinen Reisen nach Amerika und Italien machte. Dabei werden u. a. die Orte Südamerika, New York, Paris, Athen und Cuba detailliert beschrieben.
Beobachtungen, die er 1952 auf seiner Reise nach Amerika machte, wurden schon im früheren Roman 'Stiller' verarbeitet und teilweise in 'Homo Faber' wieder aufgegriffen. Sein ausgedehnter Aufenthalt auf der Halbinsel Yucatán lieferte den Schauplatz für die Notlandung im Roman. Im Mai 1957 besuchte Frisch in Italien entscheidende Handlungsschauplätze. Der Hanna-Komplex liefert einen autobiografischen Bezug. Jedoch handelt es sich bei 'Homo faber' nicht um eine Autobiografie. Vielmehr ist das Werk eine Verschmelzung von Fiktionalem mit Realität, trotzdem das Leben von Faber gewisse Parallelen zum Autor aufweist. Eine Gemeinsamkeit von Max Frisch und seinem Walter Faber ist die Liebe zu reisen.
Der Unterschied zu Frischs früheren Werken ist, dass er erstmals wissenschaftliche und außerliterarische Quellen verwendete. Außerdem achtet Frisch sehr auf die Exaktheit der Details: So gilt Faber als Vertreter des technisch-zivilisatorischen Zeitalters und beruft sich auf Zeitzeugen des wissenschaftlichen Denkens: Autoren und Bedeutung: Signalfunktion auf Denkweise und Bewusstsein der Hauptfigur (S. 22).
6 Hauptfiguren in 'Homo faber'
6.1 Walter Faber - geboren am 29.04.1907
Hauptperson des Romans, Ich-Erzähler, Tagebuchschreiber
- arbeitet als Ingenieur bei der UNESCO
- 1936 lernt er Hanna Landsberg kennen, von der er den Namen 'Homo faber' erhält, was soviel wie 'geschickter' bzw. 'kunstfertiger' Mensch bedeutet.
Sein Weltbild ist rein naturwissenschaftlich-rationalistisch bestimmt und bezieht sich allein auf mechanische und physische Gesichtspunkte. Er denkt nur in mathematischen Verhältnissen und technischen Fakten. Für ihn bedeuten Welt, Natur, Leben und Gefühle etwas Berechenbares, er betrachtet alles Geschehene unter dem Aspekt des Zusammenhanges von Ursache und Wirkung. Um Schicksalsschlägen ihre Wirkung zu nehmen, beruft er sich auf Statistiken und rationelle Gedanken. Er muss Gefühle als kindisch und borniert abtun, um sich selber in seinem Bild zu bestätigen. Nicht seine Umwelt ist borniert sondern seine Auffassung von Gefühlen.
Mit Sabeth tritt eine Person in sein Leben, der seine Theorien über ein gefühlskaltes Leben widerstößt. Faber muss beginnen umzudenken und erkennt schließlich am Endes seines Lebens, dass seine Weltbilder nur Trugbilder einer industriellen Konsumgesellschaft waren.
Walter Faber ist ein Mensch, der seinen Mitmenschen - also den Lesern - seine Gefühle nicht zeigt, denn er befürchtet, so seine Theorien über den rationalen Aufbau der Welt selbst zu widerlegen. Walter Faber ist von Natur aus auch ein Alleingänger und Egoist, der sehr oft nicht fähig ist, mit seinen Mitmenschen ein Gespräch aufzubauen.
So fasst ihn Max Frisch selbst folgendermaßen zusammen:
'Dieser Mann lebt an sich vorbei, weil er einem allgemein angebotenen Image nachläuft, das von 'Technik'. Im Grunde ist der 'Homo faber', dieser Mann, nicht ein Techniker, sondern er ist ein verhinderter Mensch, der von sich selbst ein Bildnis hat machen lassen, das ihn verhindert, zu sich selbst zu kommen.' (Vgl. Rudolf Ossowski (Hg.) . Jugend fragt - Prominente antworten. Berlin 1975, S. 121)
6.2 Hanna Piper - geborene Landsberg; 1. Ehe - Hencke:
Sie ist Halbjüdin und der Typ der emanzipierten, intellektuellen Frau, der Selbständigkeit über alles geht. Laut Fabers Beschreibung weist ihr Außeres eher männliche als weibliche Züge auf. Hanna ist nicht so berechnend wie Faber, denn sie weiß genau, dass sie von Schicksalsschlägen gezeichnet ist, mit denen Faber - bis zum Tod von Joachim - noch keine Bekanntschaft gemacht hat und dass das Leben von vielen Zufälligkeiten abhängt. Sie zeigt sowohl Sabeth als auch Faber gegenüber viel Mitgefühl und Mitleid, obwohl sie dies wie Faber manchmal zu verstecken versucht. Ihr größter Fehler ist, dass sie Sabeth für sich alleine beansprucht und deswegen Faber ihre Geburt verschweigt. Damit trägt sie zu dem Unglück bei und macht sich wie Faber ungewollt schuldig.
6.3 Sabeth (Elisabeth Piper) 1937-1957, Fabers und Hannas gemeinsame Tochter
Die erste Begegnung zwischen Faber und Sabeth findet auf der Überfahrt nach Europa statt. Faber kommt sie sofort bekannt vor, aber er verdrängt, dass sie Hanna ähnlich sieht. Sabeth ähnelt ihrer Mutter aber nur äußerlich. Innerlich hat sie von ihren Eltern nur den Intellekt geerbt. Denn Sabeth lebt ein sehr gefühlsbetontes Leben. Sie zeigt ihre Regungen offen und ist lebensfroh, eine Eigenschaft, die man besonders bei ihrem Vater vermisst.
7 Inhalt des Werkes
7.1 Titel
Homo Faber bedeutet soviel wie 'Mensch als Schmied' oder 'Mensch als Schaffender' und ist eine Anspielung auf Persönlichkeit und Namen der Hauptfigur. So ist für Walter Faber die Technik eine Weltanschauung und alles was dagegen gerichtet ist, bezeichnet er als Mystik.
'Das Beiwort faber bedeutet geschickt, kunstfertig; faber als Hauptwort heißt Arbeiter, Handwerker. 'Homo faber' ist (heute aus gesehen) der Mensch der exakten Wissenschaft und Technik; er beobachtet, misst und wägt, er zieht Schlüsse, fällt Entscheide und erlässt den je entsprechenden Befehl; er hält so viel vom Wissenkönnen und vom Wissen; vom Zusammenfügen und Errichten, dass dagegen (für ihn) das Wachsen und die Gestalt eher verdächtig als vertrauenswürdig werden.' (vgl. Werner Weber. Max Frisch 1958. In: Bestand und Versuch, S. 770)
7.2 Zeitverhältnisse des Erzählvorgangs
Der Roman ist rückläufig, d.h. aus der Erinnerung der Hauptfigur erzählt.
Er unterteilt sich in fünf aufeinanderfolgende überlaufende Erzählphasen:
Station 1 (3 Phasen):
1. Fabers Reise von New York nach Guatemala und zurück nach New York
2. Schiffsreise New York - Le Havre
3. Reise von Le Havre nach Athen
Station 2 (2 Phasen):
1. Fabers zweite Reise nach New York, Caracas, Kuba und zurück nach Athen
2. Aufenthalt im Krankenhaus in Athen
Drei Zeitebenen:
1. Erzählgegenwart:
Niederschrift der 1. Station - 21. Juni bis 8. Juli 1957 in Caracas
Niederschrift der 2. Station - 19. Juli bis 21. Juli 1957 im Athener Krankenhaus
2. Vorgeschichte bis 1933: Beziehung mit Hanna; Rückblenden
3. Vorwegnahmen bis zur letzten Tagebucheintragung deuten Sabeths Tod an und lassen auf Fabers tödliche Operation schließen
7.3 Handlung
1. Station
Flug New York - Texas: Bekanntschaft mit Herbert
Der Bericht beginnt am Abend des 1. April 1957 mit dem Abschied des 50jährigen Ingenieurs Walter Faber von seiner Geliebten Ivy, die ihn zum New Yorker Flughafen La Guardia begleitet hat. Er will nach Caracas (Venezuela) fliegen, wo er zwei Tage später im Dienst der UNESCO die Montage einer Staudamm-Turbine leiten soll. Während des Fluges lernt er den Deutschen Herbert Hencke aus Düsseldorf kennen, der auf dem Weg nach Guatemala zu seinem Bruder Joachim Hencke ist. Herbert will dort eine Tabakplantage aufbauen. Faber ist genervt von Herbert und will ihm so schnell wie möglich aus dem Weg gehen.
Fabers Fluchtversuch
Am Morgen des 2. April gipfeln seine Magenbeschwerden während der Zwischenlandung in Houston, Texas auf der Flughafentoilette in einem Ohnmachtsanfall. Er beschließt trotz der ständigen Aufrufe seines Namens über Lautsprecher die Reise abzubrechen. Als er jedoch von einer Stewardess gefunden wird, entscheidet er sich, weiterzufliegen.
Notlandung in der Wüste
Wegen eines Motorschadens muss die Maschine in der Wüste von Tamaulipas notlanden. Drei Tage dauert der unerwünschte Zwischenstop. Faber und Herbert werden aufgrund des gleichen Interesses am Schachspiel Freunde. Faber erfährt, dass sein Jugendfreund Joachim mit Hanna Landsberg verheiratet war und dass sie eine Tochter bekamen. Faber schreibt einen Abschiedsbrief an Ivy, mit dem er die unbefriedigte Beziehung beendet.
Erinnerungen an Hanna (Rückblende)
Faber denkt oft an Hanna, die er wie Joachim vor 21 Jahren (1936) das letzte mal gesehen hat. Damals wollte er Hanna heiraten, da sie schwanger war und ihr als Halbjüdin die Ausweisung aus der Schweiz ins NS-Deutschland drohte. Hanna lehnte die Heirat ab und beide beschlossen, das Kind von dem angehenden Arzt Joachim abtreiben zu lassen. Faber jedoch reiste vor dem besagten Eingriff ab, um seiner ersten Stelle als Techniker in Bagdad nachzugehen.
Ankunft in Palenque
Am 6. April - am Flughafen von Mexico City angekommen - beschließt Faber spontan, Herbert nach Guatemala zu begleiten anstatt in Caracas weiter seinen Terminen nachzugehen. Beide fliegen nach Campeche und warten einen Tag lang auf den Zug nach Palenque. Dort bleiben sie weitere fünf Tage, um einen Landrover aufzutreiben, in dem sie mit Begleitung des amerikanischem Musikers Marcel aus Boston die schwierige Fahrt hinter sich bringen. Als sie die Plantage erreichen, finden sie Joachim erhängt vor. Die Gründe für den Selbstmord bleiben ungeklärt. Daraufhin übernimmt Herbert die Plantage. Marcel und Faber kehren nach Palenque zurück, von wo aus Faber über Campeche und Mexico City nach Caracas, seinem ursprünglichen Reiseziel, gelangt. Da aber die zu montierenden Turbinen noch im Hafen verpackt liegen, entschließt sich Faber nach New York zurück zu reisen, wo er am nächsten Tag, dem 21. April ankommt.
Trennung von Ivy in New York
Bei der Ankunft trifft er gegen seinen Willen auf Ivy, die ihn dort, den Abschiedsbrief ignorierend, erwartet. In seiner Wohnung beginnt ein quälendes Katz-und-Maus-Spiel. Faber sieht die einzige Lösung in einer verfrühten Abreise. So beschließt er, das nächste Schiff nach Europa zu nehmen anstatt in einer Woche mit dem Flugzeug zu seinem nächsten dienstlichen Ziel Paris zu fliegen. Erst jetzt wird Ivy klar, dass sie ihn verloren hat.
Reise nach Europa; Bekanntschaft mit Sabeth
Am 22. April geht Faber an Bord des Schiffes nach Le Havre, mit dem Ziel in Paris an einigen Konferenzen teilzunehmen. Während der fünftägigen Überfahrt lernt er die 20jährige Elisabeth Piper kennen, für die er sich auf Anhieb interessiert. Er nennt sie Sabeth, weil er den Namen Elisabeth nicht leiden kann. Vieles an ihr erinnert ihn an Hanna, jedoch kommt ihm nicht der Gedanke, es könnte seine Tochter sein, die Hanna damals hätte abtreiben sollen. Sabeth hat ein Semester in Yale studiert und befindet sich, begleitet von einem jungen Mann, auf der Heimreise nach Athen. Sie will per Anhalter von Paris aus über Rom nach Athen gelangen. Der letzte Tag der Schiffsreise fällt auf Fabers 50. Geburtstag. Bei der Einfahrt in Southampton macht er Sabeth einen Heiratsantrag, der aber unbeantwortet bleibt. Schließlich trennen sich ihre Wege nach der Ankunft in Le Havre.
Aufenthalt in Paris
Faber fährt nach Paris, um dort weiter seinem Beruf nachzugehen. Dort angekommen, bietet ihm sein Chef Williams an, frei zu nehmen, weil Faber urlaubsreif aussehe. Trotzdem er sich nicht für Kunst interessiert, besucht er noch am gleichen Tag den Louvre, da er dort auf Sabeth hofft, die das gleiche Kunstinteresse wie seine frühere geliebte Hanna zeigt. Erst eine Woche später - bei einem weiteren Aufenthalt im Louvre - begegnet er ihr schließlich. Beide verabreden sich zu einem Opernbesuch. Faber trifft sich mit seinem früheren Lehrer, dem schwer krebskranken Professor O. und beschließt, doch Urlaub zu nehmen.
Reise nach Rom
Faber leiht sich den Citroen von Williams und fährt zusammen mit Sabeth über Avignon, Pisa und Florenz nach Rom. Nach einer Mondfinsternis in einem Hotel in Avignon kommt es zum Inzest. Sabeth kann nicht wissen, dass er sein Vater ist - sie hält Joachim für ihren Vater. Faber könnte es wissen, da ihm schon oft die Ahnlichkeit zwischen ihr und Hanna aufgefallen war (Aussehen, Gewohnheiten, Kunstinteresse). Die Liebe zu Sabeth verändert den gefühlskargen, distanzierten und zynischen Faber. Er beginnt sich sogar, ihre Nähe suchend, für Kunst zu interessieren. Am vorletzten Tag der Reise fragt er sie schließlich nach ihrer Mutter und erfährt, dass es Hanna Landsberg sei. Joachim sei ihr Vater. Nur einen Augenblick glaubt Faber, sie wäre seine eigene Tochter, verdrängt diesen Gedanken jedoch schnell wieder. Er entgegnet nur, dass er ihre Eltern gut gekannt habe. Faber beruhigt sich, indem er mithilfe einer Rechnung rechtfertigt, dass sie Joachims Tochter sein muss.
Sabeths Unfall am Strand von Korinth
Sie fahren weiter über Patras nach Korinth, wo sie bei ihrem Eintreffen keine freie Unterkunft mehr finden. So beschließen beide, eine Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. Am Vormittag danach geht Faber im Meer baden. Währenddessen wird Sabeth von einer giftigen Aspisviper gebissen. Als er sie schreien hört, will er ihr zu Hilfe eilen, aber Sabeth, von ihm zurückweichend, stürzt rücklings eine Böschung hinunter. Faber sieht die Bissspuren auf Sabeths Brust und macht sich mit dem bewusstlosen Mädchen auf den Weg zu einem Arzt. Nur unter schlechtesten Bedingungen - erst per Eselskarren, dann mit einem rohrbeladenen Lastwagen - erreicht er ein Athener Hospital, wo Sabeth gegen den Schlangenbiss behandelt wird.
Wiedersehen mit Hanna
Vor völliger Erschöpfung schläft Faber im Krankenhaus ein. Als er aufwacht, sitzt Hanna bei ihm und er erfährt, dass Sabeth gut versorgt sei. Außerdem wird ihm angeboten, bei Hanna zu übernachten. Faber bewundert ihre Ruhe und Sachlichkeit. Seine Gewissensbisse, Hanna verlassen zu haben, erweisen sich als unbegründet. Jedoch kommen sie in ihren neu entfachten Diskussionen nicht auf einen Nenner. Faber bringt Hanna dazu, ihm zu versichern, das Sabeth nicht seine Tochter sei und gesteht ihr, dass er mit Sabeth geschlafen hat. Trotzdem Hanna die Wahrheit verschweigt, hat Faber eine unruhige Nacht. Er hört Hanna weinen. Als er versucht, in ihr Zimmer zu gelangen, wird er abgewiesen. Am nächsten morgen verkündet Hanna - aus dem Krankenhaus zurückkehrend - den schlechten Gesundheitszustand Sabeths.
Akzeptieren der Wahrheit, Sabeths Tod
Beide fahren noch einmal nach Korinth, um die zurückgeblieben Sachen zu holen. Hier erfährt Faber, was er längst hätte wissen müssen - Sabeth ist seine Tochter. Als sie zurück in Athen im Hospital sind, erfahren sie von Sabeths plötzlichem Tod - nicht wegen des Schlangenbisses sondern wegen einem nicht erkannten Schädelbasisbruch, den sie sich bei dem Sturz zuzog. Wäre dieser erkannt worden, hätte Sabeth überlebt.
2. Station
Letzter Aufenthalt in New York
Am 8. Juni kehrt Faber nach New York zurück. Er stellt fest, dass seine Wohnung von jemand anderem bewohnt ist, nimmt dies aber ohne Nachforschungen einfach hin, wie es ist. Er scheint zu akzeptieren, dass er in sein früheres Leben nicht zurückkehren kann.
Auch auf der Saturday-Party bei Williams fühlt er sich fremd. So betrinkt er sich. Am nächsten Tag fliegt er ein weiteres Mal über die Route Miami, Merida und Yucatan nach Caracas. Die Reise wird jedoch aufgrund heftiger Magenschmerzen in Merida unterbrochen. Stattdessen macht er einen Abstecher über Campeche und Palenque, um Herbert auf der Tabakplantage zu besuchen. Er findet seinen Freund dort sehr verändert - gleichgültig und uninteressiert an der Bevölkerung und an einer eventuellen Rückkehr nach Düsseldorf. Nach der Reparatur von Herberts Wagen reist Faber weiter nach Caracas. Dort sind zwar alle Vorbereitungen für die Arbeit an den Turbinen getan, jedoch wird Faber krank.
Fabers Krankheit und Aufenthalt in Cuba
Faber muss wegen seiner Magenprobleme zwei Wochen im Hotel verbringen. Zwischen dem 21. Juni und dem 8. Juli entsteht der erste Teil eines Berichts an Hanna - die 1. Station des Romans. Vom 9. Juli an verbringt er vier Tage im lebendigen Habana auf Cuba obwohl er sich sehr schlecht fühlt. Hier kann man einen Wendepunkt in Fabers Leben sehen, weil er sein altes Leben abschließt und sich voller Trauer und Wut an die Lügen des 'American Way of Life' erinnert, die sein Leben so lange bestimmt haben. Nachdem er Schuld, Tod und Liebe kennengelernt hat, hält er den inhaltslosen Optimismus nicht mehr aus. Er sieht nun ein, dass man nicht immer mit Wissenschaft und Technik weiterkommt und bemerkt die Vergänglichkeit seines Körpers.
Besuch Herberts Firma; Weiterreise in die Heimatstadt Zürich
Am 15. Juli spricht Faber in Düsseldorf bei der Hencke-Bosch AG vor. Dabei berichtet er vom Selbstmord Joachims und bietet sein Filmmaterial an, was auf der Reise entstand. Jedoch ist das Interesse an diesem Material nicht allzu hoch. Da die Filmrollen bei der Zollkontrolle durcheinander gebracht wurden, muss sich Faber alle Filme noch einmal anschauen. Dabei sieht er auch Sabeth wieder, worauf er die Fassung verliert. Wie in Trance verlässt Faber das Firmengelände und lässt dabei all seine - ihm früher wichtigen - Filme zurück. Er fährt mit dem Zug nach Zürich, um dort ein weiteres mal mit dem krebskranken Professor O. zu sprechen. Für O. stand es außer Frage, dass Sabeth Fabers Tochter sein müsse.
Endstation Athen
Faber kündigt seinen Job und fliegt zu Hanna nach Athen. Hanna, die ebenfalls ihre Arbeit und Wohnung aufgegeben hat, kann Faber nicht beherbergen. So muss er in einem Hotel unterkommen. Doch sein Aufenthalt im Hotel Estia Emborron soll nicht von langer Dauer sein. Bereits am 19. Juli besucht Faber eine Athener Klinik, wo er am Magen operiert werden soll. Er weiß, dass es nicht gut um ihn steht - er hat Magenkrebs. Hanna besucht ihn täglich. In jener Zeit schreibt Faber den zweiten Teil seines Berichtes. Im letzten Teil der Aufzeichnungen - vor seiner Operation - gibt er sich selbst die Schuld an Sabeths Tod. Seine letzte Notiz lautet: '8.05 Uhr [] Sie kommen.'
8 Aufbau
Es handelt sich hierbei um einen analytischen Roman, dessen Handlung also vor seinem Beginn liegt und die einzelnen Details erst im Laufe der Aufzeichnungen Fabers ans Licht geraten. Dabei bringt der Tagebuchschreiber seine eigenen Kommentare und Meinungen mit ein. So zieht sich die Ich-Perspektive durch den ganzen Roman.
Mit dem Untertitel 'Ein Bericht' setzt Frisch das im 'Stiller' erprobte Verfahren fort, dem Leser Selbstbiographisches aus der Sicht des Erzählers vorzulegen. Der Untertitel soll außerdem den Leser dazu veranlassen, das Werk nüchtern und sachlich zu betrachten. Der direkte Handlungseinstieg erinnert an eine Kurzgeschichte.
9 Sprachliche Merkmale
9.1 Stilmittel:
Der verständliche und einfache Stil lassen einerseits Bemühungen um einen klaren Ausdruck deutlich werden, erwecken jedoch andererseits den Eindruck mangelnder sprachlicher Flexibilität.
Bei rhetorischen Fragen fallen W-Laute der Alliteration auf: 'Wieso?', 'Weshalb?', 'Warum?', oder 'Wozu?'
Einschübe und Wendungen, wie 'mag sein' oder 'möglicherweise' lassen Fabers Unsicherheit erkennen.
Die unterschiedlichen Erfahrungsweisen Fabers werden durch Antithesen dargestellt: 'Ich sehe, aber []', 'Ich weiß [], jedoch'
Viele Vergleiche werden aufgestellt.
'[] wir waren nass von Schweiß und Regen und Öl, schmierig wie Neugeborene.' (S. 40)
9.2 Satzbau:
Die Bevorzugung von Parataxe (Reihung von Hauptsätzen) bewirkt eine hohe Informationsdichte und verleiht den Eindruck 'kunstlosen' Berichtens.
'Ich hatte eine strenge Woche hinter mir, kein Tag ohne Konferenz, ich wollte Ruhe haben, Menschen sind anstrengend.' (S. 8)
Auf die finite Form des Verbs wird verzichtet und Attribute werden nachgetragen: 'Abends hockten sie in ihren weißen Strohhüten auf der Erde, reglos wie Pilze, zufrieden ohne Licht, still.' (S. 41), 'Es war schwüler als je, moosig und modrig' (S. 45)
Vermeidung von Hypotaxe (Haupt-Nebensatzgefüge) durch Klammerausdrücke wirkt unpoetisch.
'Die Mortalität bei Schlangenbiss (Kreuzotter, Vipern aller Art) beträgt drei bis zehn Prozent, [].' (S. 130)
Ellipsen (Auslassungen) reduzieren die Aussagen auf zentrale Wörter.
'Ihre Vermutung, ich sei traurig, weil allein, verstimmte mich' (S. 90)
9.3 Umgangssprache:
Eine Saloppe Umgangssprache wertet Situationen oder Personen ab
'Nur unser Ruinen-Freund schwatzte viel, []' (S. 39)
oder verdeckt wahre Gefühle wie Sehnsucht oder Einsamkeit
'In der Bar, die ich zufällig entdeckte, war kein Knochen.' (S. 71)
Es fehlt das ist-Prädikat im Hauptsatz. Die Sprache des Romans hat Nähe zur gesprochenen Sprache - Frisch selbst: 'Warum dies? Es wird eben heute wenig geschrieben, banal gesagt, es wird telephoniert und nicht ein Brief geschrieben; wir leben heute viel mehr im Sprechen durch gewisse Mittel wie Telephon und Radio' (aus: Max Frisch: Gesammelte Werke. Der Schriftsteller und sein Verhältnis zur Sprache, S. 73)
Anglizismen (hier: Originalfachausdrücke sowie Satzstrukturen in der Originalsprache, u.a. Englisch und Französisch) unterstreichen Fabers 'Weltbürgertum'.
'Nach dem Zoll [] ging ich in die Bar, um einen Drink zu haben [].' (S. 10f.)
'Please to the information desk!', 'This is our last call.' (S. 13)
9.4 Detailinformationen:
Der Techniker wird durch Verwendung von (grundlos) genauen Angaben charakterisiert.
'Vielleicht war der Flughafen von Tampico zu klein für unsere Super-Constellation (damals ist es eine DC-4 gewesen) [].' (S. 17)
10 Ausgewählte Erörterungs- und Interpretationsschwerpunkte
10.1 Zufälle im Zusammenhang mit Sabeths Tod
- Homo Faber fliegt trotz seiner Bemühungen, den Abflug zu verpassen, weiter.
- Die Maschine muss notlanden, wodurch Faber seinen Auftrag in Caracas verpasst.
- Er trifft den Bruder von Joachim.
- Aufgrund der Reparatur seines Rasierers erreicht ihn noch der Telefonanruf der Schiffsgesellschaft, dass er doch mitfahren könne.
- Er trifft seine Tochter bei der verfrühten Abreise auf dem Schiff.
- Sabeth will per Anhalter nach Rom fahren, was Faber natürlich nicht zulässt und sie begleitet.
- Beide treffen sich in der Millionenstadt Paris wieder.
10.2 Schuldfrage an Sabeths Tod
Stellt man sich nun die Frage, wer denn für Sabeths Tod verantwortlich ist, so liegt die Antwort nahe: 'Keiner'. Schließlich wurde Sabeth nicht umgebracht. Andererseits kann man sich die Frage stellen 'Was wäre, wenn?'. Nimmt man nur ein Glied aus der Zufallskette von Fabers letzten Erlebnissen - von der Notlandung bis zur Mondfinsternis - heraus, würde Sabeth sicherlich noch leben. Faber ist schuldlos-schuldig geworden, indem er die Frage nach Sabeths Vater immer wieder verzögert und verdrängt hat. Um wieder für ihn zu sprechen hat auch Hanna - die Mutter - eine gewisse Mitschuld. So hätte sie dem Vater die Wahrheit nicht verschweigen dürfen, sie konnte jedoch nicht ahnen, dass Faber ihre Tochter auf dem Schiff trifft. Es ist festzustellen, dass es schon in Ansätzen nicht gelingt, die Schuldfrage zu klären. An zwei Stellen gesteht sich Faber jedoch selbst die Schuld zu. Zum einen fragt er: 'Was änderte es, dass ich meine Ahnungslosigkeit beweise, mein Nichtwissenkönnen! Ich habe das Leben meines Kindes vernichtet und ich kann es nicht wiedergutmachen' (S. 72) und andererseits beendet er seine Aufzeichnungen vor seiner Operation mit: 'aber auch Hanna hat nicht ahnen können, dass Sabeth auf dieser Reise gerade ihrem Vater begegnet, der alles zerstört -' (S. 203). Diese Verzweiflung zeigt das weniger schöne Ende von Fabers Leben - Sabeths Tod und seine ihm selbst eingestandene Schuld quält ihn mit Gewissensbissen und Zwiespältigkeiten bis zu seinem eigenen Tod.
10.3 'Homo faber' als moderner Ödipus (?)
Der Ödipusmythos nach der Tragödie 'König Ödipus' von Sophokles (429 v. Chr.):
Ödipus wird als Sohn der Iokaste und des Laios, des Königs von Theben, geboren, aber sofort ausgesetzt, da er - laut Orakel - den Vater töten und die Mutter heiraten wird. Er wird heimlich gerettet und dem Herrscherpaar in Korinth übergeben. Als junger Mann erfährt Ödipus vom Orakel seine schreckliche Bestimmung und kehrt nicht mehr nach Korinth zurück, um seinen Eltern Tod und Inzest zu ersparen. In der Nähe von Theben erschlägt er im Zorn einen unbekannten Mann (seinen Vater), löst das Rätsel der Sphinx (auf die Frage, welches Wesen als einziges seine Gestalt ändere und zuerst auf vier Beinen, dann auf zwei und zuletzt auf drei Beinen gehe, antwortet er dass es der Mensch sei) und erhält zur Belohnung dafür die Hand der thebanischen Königin Iokaste, deren Mann gerade von einem unbekannten erschlagen wurde. Als Jahre später in Theben die Pest ausbricht, erkennt Ödipus auf der Suche nach der Ursache für den Götterzorn die Wahrheit. Die Mutter-Gattin erhängt sich daraufhin; Ödipus sticht sich die Augen aus.
Parallelen zum Mythos
- Wunsch Fabers, sich die Augen auszustechen (S. 192), weil er Sabeth immer vor sich sieht
- Faber sieht Oedipus und Sphinx auf einer kaputten Vase (S. 142)
- Griechenland als Ort der Katastrophe und der Erkenntnis
- Schlangenbiss als Ausdruck göttlichen Zorns
- Motiv der Kindstötung
- Inzest möglich, weil Vergangenheit unbekannt ist
- analytische Form
Unterschiede zum Mythos
- Ödipus wird durch menschliche Weisheit Herr von Theben. Faber fühlt sich durch sein technisches Wissen als höhergestellt.
- Ödipus lebt in einer gottbestimmten Welt. Für Faber gibt es keine Götter.
Da die Übereinstimmungen zwar häufig, jedoch nicht sinnvoll verwendet wurden, ist davon auszugehen, dass es sich hierbei nicht um eine Aktualisierung des Stoffs handelt.
10.4 Hat sich eine Wandlung Fabers vollzogen?
Ja Die Tatsache, dass Faber überhaupt schreibt - sich so also seinen Gedanken stellt - zeigt seine Bereitschaft, seine Erfahrungen neu zu bewerten bzw. seine Ansichten neu aufzuarbeiten |
Nein Fabers Schreiben kann aber auch als eine Selbstrechtfertigung für ihn sein, indem er seine Auffassungen verteidigt. |
Faber trifft Entscheidungen, die die Absage seines 'alten' Lebens bedeuten. |
Diese Entscheidungen könnten auch praktische Notlösungen sein. |
- Kündigung des Berufs als Techniker |
- Kündigung aufgrund Krankheit |
- Ablehnung des 'American Way Of Life' |
- keine Wandlung, nur oberflächliche Ansätze |
- Aufgabe der Wohnung zeugt für Neuanfang |
- Faber flüchtet vor seiner Einsamkeit |
- 'Mein Entschluss, anders zu leben' (S. 175) |
- keine weitere Vertiefung von 'anders' |
Meiner Ansicht nacht, hat sich Faber wohl verändert. Zumindest was seinem Ausdruck der Gefühle angeht. Sicherlich hat er sein Weltbild nicht gänzlich abgelegt, Tatsache ist aber, dass er sich teilweise in seiner Einstellung verändert hat. Die immer weniger werdenden Ausflüchte können zwar auch in Fabers Gewissheit liegen, dass es um sein Leben immer schlechter bestimmt ist, dennoch ändert er sich vom materialistisch-technisch Denkenden zum teilweise gefühlsbetonten Menschen, dem sein Leben doch wichtig ist. Auch im Aspekt des Filmens hat er sich geändert. Er hat anfangs immer seine Kamera dabei gehabt. Nachdem er das Material allerdings noch einmal anschauen muss, lässt er seine früheren 'Schätze' zurück.
10.5 Homo Faber als Roboter
Besonders, wenn Faber in puren statistischen und rationalen Gedanken schwebt, verschwimmt die Grenze zwischen einem Menschen, der nach allgemeiner Auffassung Gefühle und Stimmungen nicht nur wahrnimmt, sondern auch auslebt, und einem Roboter oder Computer, der mittlerweile sogar in der Lage ist, Gefühle zu erkennen, diese aber nicht versteht. Dieser Unterschied wird von den meisten Forschern, neben der 'Intelligenz', als wesentlicher Mangel von Computern und Robotern im Vergleich zu Menschen gesehen. So fragt sich Faber beispielsweise, was am Mond ein Erlebnis sei. Somit scheint Faber zumindest für diese Art von Gefühl nicht erreichbar zu sein. Daher kann er teilweise als Roboter bezeichnet werden, nicht mehr als Mensch. Zwar klagt Faber (auf Seite 151) darüber, dass viel zu wenig Menschen seine Gefühle verstehen, später jedoch - bei einem Spiel, bei dem Faber und Sabeth jeweils zu einem Begriff eine andere Beschreibung finden - zeigt sich wieder das gefühllose und rational-vergleichende Wesen Fabers. Sei es der Vergleich eines schwarzen Felsens mit Kohle, des Meers mit einem Zinkblech - dies alles sind keineswegs gefühlsbetonte Begriffe sondern eher das Anzeichen für einen kalten Roboter. Die häufig verwendeten Fachbegriffe wie 'Super-Constellation' heben Fabers Fachkenntnisse und (einseitiges) Interesse über das Gebiet der Technik hervor.
10.6 Homo Faber und die Roboter - sein Fortschrittswahn
Faber stuft den Roboter, ein Symbol für technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, höher als den Menschen, ja er glaubt sogar, dass diese 'den Tod annullieren', weil sie 'den Menschenleib ersetzen'. Solch reiner Glaube in die Technik, und der Verlust des Vertrauens in den Menschen, ist eines der stärksten Anzeichen für den Fortschrittswahn Fabers.
Des weiteren sieht Faber die Natur schon als gänzlich durch die Technik und Wissenschaft besiegt an: Alles Mystische ist für ihn hysterisch, denn er denkt sich: 'Wozu soll ich mich fürchten? Es gibt keine urweltlichen Tiere mehr'. Monate später führt dann aber ein Schlangenbiss indirekt zum Tod seiner Tochter. Er scheint jedoch bestens informiert zu sein über tatsächliche Gefahren in der Natur, er verdrängt sie nur. Diese Verdrängung wiederum ist ein eindeutiges Anzeichen für seine 'Wahnvorstellung'.
Schließlich ist ihm jegliches Mystische, Sentimentale, nicht auf Arbeit oder Technik Bezogenes absurd, ja er kann sich gar nicht vorstellen, dass ein Mann derart denken kann.
Somit wird deutlich, dass Homo Faber an einem Wahn leidet, der als bürgerlicher Männlichkeitswahn bezeichnet werden kann ('homo faber' und 'homo oeconomicus').
10.7 Spiegelmotiv
Im Roman taucht das Spiegelmotiv dreimal auf. Faber erhält ein ungeschminktes Bild von sich. So realisiert er die Spuren seiner Krankheit, die er immer wieder verdrängt. An entscheidenden Stellen ist dieser Spiegel zu finden:
Bei der Zwischenlandung in Houston, Texas sieht Faber im Spiegel sein Gesicht 'scheußlich wie eine Leiche' (S. 11). Seine Hände sind 'weiß wie Wachs' (S.11).
Später sieht sich Faber im 'Spiegel im Goldrahmen' als 'Ahnenbild' (S.98). Als Anzeichen seiner Krankheit sieht er 'Ringe unter den Augen', verdrängt dies aber als 'nichts weiter' (S. 98).
Im Krankenhaus in Athen sieht Faber aus 'wie der alte Indio in Palenque, der uns die feuchte Grabkammer zeigte' (S. 171). Hier wird ein deutlicher Hinweis auf Fabers späteren Tod gegeben, verstärkt durch die Tatsache - Fabers Statistik - der 'vielen Todesfällen' im 'letzten Vierteljahr' (S. 172) und den Tod von Professor O., der ebenfalls an Krebs starb.
10.8 Walter Faber und die Frauen
Faber ist ein typischer Einzelgänger. Er betont häufig, dass er gern allein ist. So ist er regelrecht froh, als sein Flugzeug abfliegt, um von Ivy Abschied nehmen zu können. Auch ist er anfangs gegen eine Unterhaltung mit Herbert Hencke und täuscht diesem sogar vor, er würde schlafen. Faber lehnt anfangs dauerhafte Beziehungen ab, weil diese seine Freiheit einschränken. So erfährt man auf Seite 90f, dass er gewohnt ist, 'allein zu reisen' und dass er den Gedanken eines Doppelzimmers als Dauereinrichtung mit dem Gedanken an eine 'Fremdenlegion' vergleicht (S.91). Seiner Meinung nach würde er seine Ehefrau nur unglücklich machen, was er aber selbst nicht will (S. 92). Die Frauen sind ihm also nicht egal. Sicherlich hat er Recht, wenn er behauptet, dass seine Spontaneität unter einer Beziehung leiden würde, weil er eben als Single kurzfristiger auf Reisen gehen kann und auch in anderen Punkten flexibler ist. In der ersten Station spricht sich Faber gegen die Ehe aus. Diese Ablehnung soll sich doch bald ändern. So macht er Sabeth sogar einen Heiratsantrag, wenngleich er auch nichts dagegen hat, dass sie nicht antwortet: 'ich genoss es, unser Schweigen' (S. 95). Fabers Bindungsängste werden deutlich, als er von 'einem Hotel' spricht, 'das man bald wieder verlassen kann'. So schließt er eine Bindung nicht aus, solange er diese jederzeit brechen kann. Fabers Problem ist sein Umgang mit Gefühlen, die er nicht zeigen kann, weil sie nicht in sein rationelles Weltbild passen. So macht er einen eher 'kalten' Eindruck als er Empfindungen mit 'Ermüdungserscheinungen' oder 'Stahl' (S. 92) vergleicht. Für ihn bedeuten Gefühle ein Zeichen von Schwäche und Verwundbarkeit.
Seine Einsamkeit und Distanz zu anderen Personen - nicht ausschließlich Frauen - hat er sich selbst zuzuschreiben. Bei der Party beispielsweise bezeichnet er 'seine glücklichsten Minuten' ja selbst als die, 'wenn er die Gesellschaft verlässt'. Sein Beruf gibt ihn die Möglichkeit durch Reisen aus Beziehungen zu flüchten, wenn es ihm 'zu eng' wird.
11 Stimmen der Kritik und Annahme
Effektkumulation und Reizverstärkung:
'Zusammenfassend kann man 'Homo faber' als einen Kitsch-Roman bezeichnen, der viele typische Merkmale aufweist: karge Fabel und überladene Oberfläche, Missverhältnis zwischen Form und Inhalt, Lyrisierung und Märchencharakter, Stereotypie des Helden, Effektkumulation und Reizverstärkung. In der Verbindung der Exotik mit der Technik tritt in 'Homo faber' stärker als in anderen Werken die kitschige Umgebung in Erscheinung.' Vgl. F. Hoffmann, S. 104
Sätze von extremer Sprachverrottung:
'Und weil die Faber-Sprache eine Rollensprache ist, die die Verfassung von Faber demonstrieren soll, ist es leicht, in diesem Roman Sätze zu finden, die nicht nur von einer extremen Sprachverrottung zeugen, sondern auch bis an die Grenze der Verständlichkeit gehen können ()' Vgl. W. Schenker in Th. Beckermann, S. 295
In seiner Sprache zu Hause:
'Max Frisch lebt mitten in Europa. Mir scheint er immer zu Hause zu sein. In seiner Sprache. Ich bin in keiner Sprache zu Hause. Deshalb habe ich ihn gern treffen wollen. Um mit ihm zu sprechen. In der Sprache, in der auch ich zu schreiben versuche. Er gehört zu den wenigen Schreibern in dieser Sprache, deren Handwerk ich schätze.' Vgl. P. Weiss in V. Hage, S. 145
Kein Zufall
'Nichts ist zufällig an diesem Bericht. Er ist das Ergebnis einer souveränen dichterischen Konzeption, die bei äußerster sachlicher Strenge mit den Mitteln einer schlichten, präzisen, pathoslosen, fast kargen Prosa in die Tiefen der menschlichen Existenz hinablotet. Alles ist Klarheit alles Substanz' (Düsseldorfer Nachrichten)
12 Wertung und persönliche Eindrücke
Max Frisch lässt seinen Erzähler auf eine einfache Art und Weise sein Leben beschreiben. Die einzige Schwierigkeit beim Lesen war für mich die unchronologisch verlaufende Handlung. So ist der Roman nicht direkt 'zerstückelt', jedoch würde ich ihn - mit all seinen Einschüben, Vorausdeutungen und Rückblenden - als ein Roman, der in einzelne Mosaikteilchen gespalten ist, bezeichnen. Dieser Stil erzeugt aber auch eine gewisse Spannung. So bleibt es dem Leser beispielsweise verwehrt, mehr über Sabeth zu erfahren, als Faber sagt: 'Vielleicht würde Sabeth noch leben.' (S. 22). So muss sich der Leser das Umfeld die Person des Walter Faber Stück für Stück zusammensetzen.
Trotzdem die Themen Liebe und Leben bzw. Schuld und Tod immer mit aktuellen Inhalten assoziiert werden, sind es zeitlose Themen, die sich dem Menschen schon immer gestellt haben und auch immer stellen werden. Außerdem kann man das Kernthema 'Technik' am zeitlosesten sehen, weil wir uns auch heute - 40 Jahre nach dem Erscheinen des Romans - immer noch im Zeitalter des Fortschritts befinden. Zwar bewegen wir uns heute auf vielfältigeren Gebieten der Forschung als das der Raumfahrt, Medizin oder der Nukleartechnik, doch heißt dies noch lange nicht, dass es weniger zu kritisieren gibt als damals. Man könnte heutzutage einen zweiten 'Homo faber' schreiben und er hätte den gleichen Erfolg. Es war interessant zu lesen, wie sich ein Mensch gegen jeden Zufall 'abschottet', wenngleich sein Leben nur eine Reihe solcher Zufälle ist. Der Aspekt der Wahrscheinlichkeit und Statistik wurde mehrmals erwähnt und kam mit passenden - eben auch teilweise absurden - Beispielen gut zum Ausdruck.
Für mich war die Erzählweise neu. Man liest praktisch die Tagebuchaufzeichnungen einer erdachten Person und kann sich somit besser in diese hineinversetzen, wenngleich es auch manchmal schwer war, die Auswege Fabers nachzuvollziehen.
Abschließend möchte ich sagen, dass es sich um
ein desto interessanteres Werk handelt, je mehr man sich mit den Hintergründen
und den Interpretationsansätzen beschäftigt.
13 Quellenverzeichnis
Primärliteratur:
'Homo Faber. Ein Bericht'. Max Frisch. Suhrkamp Verlag, 1999
Sekundärliteratur:
Dominik Brodowski: 'Homo Faber: Darstellung eines Menschen, der an seinem bürgerlichen Männlichkeitswahn scheitert. Hausaufsatz im Fach Deutsch', 1998
Deutsche Literaturgeschichte. Claus J. Gigl. Stark Verlagsgesellschaft, 1999
Encarta 2001. Microsoft Corporation, 2001 (www.encarta.de)
Goldmann Lexikon. Bertelsmann Lexikon Verlag. Gütersloh, 1998
Königs Erläuterungen und Materialien. C. Bange Verlag
Lektüre-Durchblick 304. Homo faber. Mentor, 1996
Lexikon der Antike. Bibliographisches Institut Leipzig, 1982
Materialien. Homo faber. Klett, 1996
Meyers großes Taschenlexikon. Mannheim, Wien, Zürich, 1992
Max Frisch (1911-1991) - 'Homo faber. Ein Bericht'
I. Leben und Wirken von Max Frisch
15. Mai 1911: als jüngstes von drei Kindern geboren in Zürich
- distanziertes Verhältnis zum Vater Franz Bruno Frisch (Architekt)
- mehr Hinwendung zur Mutter Karolina Bettina Frisch (geborene Wildermuth)
1924-30: Besuch des Kantonalen Realgymnasiums in Zürich
1931-33: Germanistikstudium an der Universität Zürich; Abbruch nach Tod des Vaters (1932)
- Hinwendung zum Journalismus ('Neue Zürcher Zeitung', Skizzen)
1934: 'Jürg Reinhardt. Eine sommerliche Schicksalsfahrt' (Roman)
1936: Wiederaufnahme des Architekturstudiums an der ETH in Zürich (Diplom 1941)
1937: 'Antwort aus der Stille. Eine Erzählung aus den Bergen'
1937: Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis
1940: 'Blätter aus dem Brotsack' (Tagebuch aus dem Grenzdienst)
1939-45: mehrfache Einberufung zum Wehrdienst
- Heirat mit Architektin Constanze von Meyenburg
1943: 'J'adore ce qui me brûle oder Die Schwierigen' (Roman)
1944: erstes Drama 'Santa Cruz'
- Hinwendung zum Theater
1945: 'Bin oder die Reise nach Peking' (Erzählung)
1945: 'Nun singen sie wieder' (Drama)
1946: Reisen nach Deutschland, Italien, Frankreich
1947: Begegnung mit Peter Suhrkamp und Friedrich Dürrenmatt (Briefkontakt)
1947: 'Die chinesische Mauer' (Drama)
1948: Kontakt zu Bertolt Brecht; er hat starken Einfluss auf Frisch
1949: 'Als der Krieg zu Ende war' (Drama)
1950: 'Tagebuch 1946-1949' - u. a. Reiseeindrücke aus dem kriegszerstörten Deutschland, Skizzen für spätere Werke
1951: 'Graf Öderland. Ein Spiel in zehn Bildern' (Drama)
1953: 'Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie. Komödie in fünf Akten'
- Auflösung des Architekturbüros; Trennung von seiner Frau; Arbeit als freier Schriftsteller
1954: 'Stiller' (erster Romanerfolg)
1955: Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig (für 'Stiller')
1957: 'Homo Faber. Ein Bericht'
1958: 'Biedermann und die Brandstifter. Ein Lehrstück ohne Lehre' - Drama (Parabel über die feige Duldung des Terrors, Bezug zur dt. NS-Zeit)
1958: Georg-Büchner-Preis; Literaturpreis der Stadt Zürich; Charles-Veillon-Preis der Stadt Lausanne (für 'Homo Faber')
1960-1965: Wohnsitz in Rom, Verbindung mit Schriftstellerin Ingeborg Bachmann
1961: 'Andorra. Stück in 12 Bildern' (Drama)
1962: Preis der jungen Generation (für 'Andorra')
1964: 'Mein Name sei Gantenbein' - letzter Roman (Fiktionen verschiedener Lebensverläufe [Was wäre, wenn?])
1968-1979: Ehe mit Marianne Oellers
- vier weitere Reisen in die USA
1972: 'Tagebuch 1966-1971' (Reisenotizen, Zitate, Erzählskizzen, Porträts von Zeitgenossen)
1974: Großer Schiller-Preis der Schweizerischen Schillerstiftung
1975: 'Montauk' - Autobiographische Erzählung (Frischs Erfahrungen während USA-Reisen)
1976: 'Gesammelte Werke in zeitlicher Folge' - 6 Bände
1976: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1977: politisches Engagement: Rede auf Bundesparteitag der SPD, Auseinandersetzung mit Terrorismus u. Kapitalismus
1978: 'Triptychon. Drei szenische Bilder'
1979: 'Der Mensch erscheint im Holozän' (Erzählung)
1982: 'Blaubart' (Novelle)
1987: Frisch wird von der TU Berlin zum Ehrendoktor ernannt
1989: Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf
Frisch lebt zurückgezogen in Berzona im Tessin
4. April 1991: Tod an einem Krebsleiden in Zürich
II. Entstehungsgeschichte des Romans
1955: erste Entwürfe der Handlung
1. Arbeitsphase (Juli 1956 bis Februar 1957):
Roman wird durchgeschrieben und dem Verleger Peter Suhrkamp als fertig angekündigt.
21. April 1957: Frisch zieht Manuskript zurück
- Einfall für eine Umstrukturierung des Entwurfs
- neue Kompositionsskizze: weniger Ahnlichkeit mit Roman 'Stiller'; Zweiteilung der Handlung (1. und 2. Station)
2. Arbeitsphase beginnt (Frühjahr 1957 - Oktober 1957)
- Anderung der Erzähl- und Stilhaltung der Hauptfigur
- Art und Stil des Technikers wird durch die Verschachtelung der Zeitebenen hervorgehoben
Oktober 1957: Veröffentlichung des Romans
III. Inhalt
Titel: 'Homo faber' = Der Mensch der exakten Wissenschaft
Hauptfiguren:
Walter Faber:
- Hauptperson des Romans, Ich-Erzähler, Tagebuchschreiber
- 50 Jahre alt; arbeitet als Ingenieur bei der UNESCO
- er reist viel und hält Bilder auf Filmen fest
Technik als Weltanschauung - alles was dagegen gerichtet ist, bezeichnet er als Mystik.
- anfangs gefühlskarg; er kann seine Empfindungen nicht ausdrücken, weil diese in seinem Weltbild keinen Platz haben
Hanna Landsberg:
- Halbjüdin; Ex-Geliebte Fabers; sie realisiert, dass das Leben voller Zufälle ist
- selbständige, emanzipierte, selbstbewusste, intellektuelle Frau
Elisabeth Piper:
- Hannas und Walters Tochter
- studiert an Yale-Universität, lebensfroh, zeigt Gefühle offen
- Geliebte ihres eigenen Vaters (unwissend)
Aufbau und Zeitverhältnisse des Erzählvorgangs:
Rückläufiger Roman, d.h. er wird tagebuchartig aus den Erinnerung der Hauptfigur niedergeschrieben. Die Handlung ist bereits geschehen. Bei der Beschreibung dieser Geschehnisse bringt der Erzähler eigene Kommentare ein.
3 Zeitebenen:
- Erzählgegenwart:
Niederschrift der 1. Station - 21. Juni bis 8. Juli 1957 in Caracas
Niederschrift der 2. Station - 19. Juli bis 21. Juli 1957 in Athen
- Vorgeschichte: bis 1933; Beziehung mit Hanna
- Vorausdeutungen und Vorwegnahmen
Handlung:
Der tagebuchartige Bericht beginnt mit dem Abschied Walter Fabers von seiner Geliebten Ivy. Er will nach Caracas (Venezuela) fliegen, wo er die Montage einer Turbine leiten soll. Im Flugzeug begegnet er Herbert Hencke, der in Guatemala mit seinem Bruder Joachim Hencke eine Plantage aufbauen will. Bei einer Notlandung in der Wüste erfährt Faber von Hencke, dass Fabers Studentenfreund Joachim mit Hanna Landsberg verheiratet war und dass sie eine Tochter bekamen. Faber schreibt einen Abschiedsbrief an Ivy, indem er die Beziehung beendet. Es folgt eine Rückblende zu Hanna, die er vor 21 Jahren das letzte mal sah. Damals wollte er Hanna heiraten, da sie ein Kind erwartete und ihr als Halbjüdin die Ausweisung aus der Schweiz nach Deutschland drohte. Hanna lehnte die Heirat ab und beide beschlossen, das Kind abtreiben zu lassen. Faber reiste vor der Abtreibung ab. Als Faber nach dem Weiterflug in Mexico City ankommt, beschließt er, Herbert nach Guatemala zu begleiten. Dort finden sie Joachim erhängt vor. Faber fliegt zurück nach New York. Nach einem Streit mit Ivy nimmt Faber das nächste Schiff nach Europa, auf dem er die 20jährige Elisabeth Piper - er nennt sie Sabeth - kennenlernt. Vieles an ihr erinnert ihn an Hanna, aber ihm kommt nicht der Gedanke, dass es seine Tochter sein könnte, die Hanna damals abtreiben wollte. Sabeth ist auf der Heimreise nach Athen. Der letzte Tag der Schiffsreise ist gleichzeitig Fabers 50. Geburtstag. Er macht Sabeth einen Heiratsantrag, der jedoch unbeantwortet bleibt. Ihre Wege trennen sich in Le Havre (Nordfrankreich). Eine Woche später - bei einem Aufenthalt im Louvre - begegnet Faber ihr schließlich wieder. Nach einer Mondfinsternis schläft Faber mit ihr. Sie kann nicht wissen, dass er sein Vater ist - sie hält Joachim für ihren Vater. Die Liebe zu Sabeth verändert den gefühlslosen und distanzierten Faber. Schließlich fragt er Sabeth nach ihrer Mutter und erfährt, dass es Hanna Landsberg ist. Faber verdrängt den Gedanken, Sabeth sei seine Tochter und rechtfertigt mithilfe einer Rechnung, dass sie Joachims Tochter sein muss. Beide fahren weiter nach Korinth, wo sie aber keine freie Unterkunft mehr finden. So übernachten sie unter freiem Himmel. Am nächsten Vormittag wird Sabeth von einer Giftschlange gebissen. Er will ihr helfen, aber Sabeth weicht von ihm zurück und stürzt eine Böschung hinab. Faber bringt das bewusstlose Mädchen zu einem Arzt. Im Krankenhaus trifft er Hanna wieder und erst am nächsten Morgen erfährt Faber, was er längst hätte wissen müssen - Sabeth ist seine Tochter. Kurz darauf erfahren sie von Sabeths plötzlichem Tod, der aufgrund einer Kopfverletzung, den sie sich bei dem Sturz zugezogen hatte, eintrat. Faber wird krank und reist nach Habana auf Cuba. Hier tritt ein Wendepunkt in seinem Leben ein: er schließt sein altes Leben ab und erinnert sich voller Trauer und Wut an die Lügen des 'American Way of Life', die sein Leben so lange geprägt haben. Nachdem er Schuld, Tod und Liebe kennengelernt hat, kann er sich nicht mehr mit dem inhaltslosen Optimismus identifizieren. Faber berichtet in Herberts Firma vom Selbstmord Joachims und bietet sein Filmmaterial an, was während seiner Reise entstand. Hier wird Faber 'bestraft': Er muss sich alle Filme noch einmal anschauen, um die Richtigen herauszusuchen. Er muss nun seine Reise noch einmal erleben. Dabei sieht er auch Sabeth wieder, worauf er die Fassung verliert und das Firmengelände verlässt und all seine - ihm früher wichtigen - Filme zurück lässt. Faber kündigt und fliegt zu Hanna nach Athen. Er besucht eine Klinik, wo er am Magen operiert werden soll. Er weiß, dass seine Situation kritisch ist - Magenkrebs. In dieser Zeit schreibt Faber den zweiten Teil seines Berichtes bis zum Beginn seiner Operation. Es lässt vermuten, dass Faber den Eingriff nicht überlebt. Seine letzte Notiz lautet: '8.05 Uhr [] Sie kommen.'
IV. Bedeutung
Max Frisch - Gegner des Fortschritts - kritisiert die Lebensanschauung des Walter Faber, indem er ihn scheitern lässt. So sieht Faber letztendlich ein, dass - nach dem Tod der Tochter - die optimistische Einstellung des 'American Way of Life' falsch ist. Der gefühlsarme Faber lernt Gefühle wie Liebe und Schuld kennen. Erst als es zu spät ist, erkennt er die Wichtigkeit seines Lebens und kommt mit seiner Einstellung, alles sei kontrollierbar wie seine Maschinen, zu Fall.
V. Merkmale
- unmittelbarer Einstieg in Handlung (ähnlich einer Kurzgeschichte)
- Informationen kommen stückweise ans Licht
- chronologische Sprünge
- überwiegend knappe Sätze und Ellipsen
- Umgangssprache
- viele (technische) Details und Fachausdrücke
- unübersetzte Phrasen in Originalsprache belassen (Englisch und Französisch)
VI. Stimmen der Kritik und Annahme
Effektkumulation und Reizverstärkung:
'Zusammenfassend kann man 'Homo faber' als einen Kitsch-Roman bezeichnen, der viele typische Merkmale aufweist: karge Fabel und überladene Oberfläche, Missverhältnis zwischen Form und Inhalt, Lyrisierung und Märchencharakter, Stereotypie des Helden, Effektkumulation und Reizverstärkung. In der Verbindung der Exotik mit der Technik tritt in 'Homo faber' stärker als in anderen Werken die kitschige Umgebung in Erscheinung.'
Vgl. F. Hoffmann, S. 104
Sätze von extremer Sprachverrottung:
'Und weil die Faber-Sprache eine Rollensprache ist, die die Verfassung von Faber demonstrieren soll, ist es leicht, in diesem Roman Sätze zu finden, die nicht nur von einer extremen Sprachverrottung zeugen, sondern auch bis an die Grenze der Verständlichkeit gehen können ()'
Vgl. W. Schenker in Th. Beckermann, S. 295
In seiner Sprache zu Hause:
'Max Frisch lebt mitten in Europa. Mir scheint er immer zu Hause zu sein. In seiner Sprache. Ich bin in keiner Sprache zu Hause. Deshalb habe ich ihn gern treffen wollen. Um mit ihm zu sprechen. In der Sprache, in der auch ich zu schreiben versuche. Er gehört zu den wenigen Schreibern in dieser Sprache, deren Handwerk ich schätze.'
Vgl. P. Weiss in V. Hage, S. 145
Kein Zufall
'Nichts ist zufällig an diesem Bericht. Er ist das Ergebnis einer souveränen dichterischen Konzeption, die bei äußerster sachlicher Strenge mit den Mitteln einer schlichten, präzisen, pathoslosen, fast kargen Prosa in die Tiefen der menschlichen Existenz hinablotet. Alles ist Klarheit alles Substanz'
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