Autor
Arthur Schnitzler wurde am 15. Mai 1862 in Wien geboren und starb am 21. Oktober 1931 ebenfalls in Wien.
Er stammte aus einer angesehenen Arztfamilie und studierte ebenfalls Medizin. Nach abgeschlossenem Studium arbeitete er als Assistenzarzt. Er gab den ungeliebten Beruf auf und wurde freier Schriftsteller.
Schnitzler wurde lange als Dichter der Jahrhundertwende und der Wiener Dekadenz abgestempelt. Er galt als Stimmungsmaler der lebensmüden, ironisch - frivolen Salongesellschaft der bereits auseinanderbrechenden k.u.k. Donaumonarchie. Erst nach 1960 wurde er als einer der großen Menschenzeichner erkannt, der mit analytischem Scharfblick und subtiler Charakterisierung sehr gegenwartsnahe Konflikte um Freiheit und Selbstaufgabe, Lebenslüge und Wirklichkeit, um Einsamkeit, Entfremdung und den Druck gesellschaftlicher Konventionen diskutiert. Mit psychologischer Hellsicht und skeptischer Ironie analysiert er unbarmherzig deren inneren Widersprüche, ihren seelischen Zustand, den Zerfall ihrer Weltvorstellungen und ihre Scheinmoral.
Schnitzler war häufig im Brennpunkt von Polemik und Verleumdung, Skandalen und Prozessen. 1901 verliert Schnitzler seine Offizierscharge im Anschluß an Auseinandersetzungen um die Novelle "Leutnant Gustl". Der Reigen, das künstlerisch und sprachlich perfekteste seiner Stücke wurde nach der Veröffentlichung im Jahre 1900 verboten. Trotzdem fanden Uraufführungen statt. Nach der Erstaufführung in Wien fanden Hetzkampagnen gegen den jüdischen Autor statt. Nach der Uraufführung in Berlin im Jahre 1920 müssen die Schauspieler wegen Unzucht und Erregung öffentlichen Argernisses vor Gericht. Nach organisierten Krawallen deutschnationaler, katholischer und antisemitischer Kreise läßt Schnitzler alle Aufführungen bis zum Tod seiner Erben verbieten. Trotzallem ist Schnitzler im 1. Weltkrieg einer der meistgespieltesten Dramatiker.
1902 wurde sein einziges Kind Heinrich geboren und 1904 heiratete Schnitzler Olga Gussmann, die Mutter des Kindes. Die Ehe war von Anfang an zum Scheitern verurteilt und wurde 1921 wieder geschieden.
In den zwanziger Jahren bis zu seinem Tod galt er als Chronist einer versunkenen Gesellschaft. Schnitzler wurde als Impressionist zum typischen Repräsentanten verfeinerter österreichischer Kultur.
Immer wieder griff Schnitzler historische Stoffe auf (z.B.: Paracelsus). Dabei begnügte er sich nicht mit dem damals üblichen Kostümstück, er gab den Figuren der Vergangenheit auch die Selbstzweifel und die widersprüchliche Psyche der Jahrhundertwende.
Er war mit zahlreichen bekannten Schriftstellern befreundet, zum Beispiel mit Hugo von Hofmannsthal, Felix Salten, Richard Beer - Hofmann, Hermann Bahr, Henrik Ibsen und Sigmund Freud.
Arthur Schnitzler erhielt im Laufe seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Bauernfeldpreis (1899), den Grillparzer-Preis (1908), den Raimund-Preis (1910) und den Wiener-Volkstheater-Preis (1914).
Seine Werke
1903 - 1908 1909 - 1912
1913 - 1916 1917 - 1919
1920 - 1922 1923 - 1926
1927 - 1931
Briefe 1875 - 1912
1913 - 1931
Liebelei 1895 Doktor Gräsler, Badearzt 1918
Der Schleier der Beatrice 1900 Casanovas Heimfahrt 1918
Der einsame Weg 1903 Traumnovelle 1926
Zwischenspiel 1905 Spiel im Morgengrauen 1927
Komtesse Mizzi 1909 Traum vom Schicksal 1931
Das weite Land 1911 Die Schwestern oder Casanova in Spa 1920
Komödie der Worte 1915 Freiwild 1896
Komödie der Verführung 1924 Reigen 1900
Der Gang zum Weiher 1926 Das Vermächtnis 1898
Das Wort (Uraufführung 1969) Der Ruf des Lebens 1906
Flucht in die Finsternis 1931 Fink und Fliederbusch 1917
Sterben 1895 Im Spiel der Sommerlüfte 1929
Dämmerseelen 1907 Paracelsus 1899
Der Weg ins Freie 1908 Der grüne Kakadu 1898
Masken und Wunder 1912 Der junge Medardus 1910
Frau Beate und ihr Sohn 1913 Die überspannte Person 1894
Leutnant Gustl 1910 Halbzwei 1894
Die Gefährtin 1898 Silvesternacht 1900
Lebendige Stunden 1901 Marionetten 1904
Die Wiener Moderne
Seit Beginn des Naturalismus 1850 konnte sich dieser in Österreich nie richtig durchsetzen. Das ist auch die Erklärung für die zeitliche Überschneidung von Naturalismus (1850 - 1910) und den Gegenströmungen (1890 - 1925). Es wurde lange nach einem Namen gesucht, der diese, sich gegen die Realität sträubende Bewegung abdeckt. Es fanden sich viele Namen, doch keiner war für alle Ausprägungen treffend. Daher gab es mehrere Gegenströmungen, wie den Symbolismus (Hauptvertreter: Rainer Maria Rilke), den Impressionismus (Hauptvertreter: Georg Heym, Hugo von Hofmannsthal) und die Wiener Moderne (Hauptvertreter: Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal).
Für die Wiener Moderne sind Wiener Cafés typische Orte. Man nennt sie literarische Cafés und es sind Treffpunkte für Autoren, Dichter, Künstler, Journalisten, Arzte u.v.a. Es sind gelegentliche Treffen, die keinen festen Regeln unterliegen. Man diskutiert über verschiedene Themen wie Literatur, Kunst, Politik oder Wissenschaft. Diese Begegnungen hatten großen Einfluß auf die einzelnen Dichter. Die bedeutendsten Dichter dieser Ara sind Hugo von Hofmannsthal und Arthur Schnitzler.
Das Wiener Café ist Treffpunkt aller Leute aus allen Klassen um zu lesen, um zu träumen oder um Konversation zu betreiben. Das Café bietet sämtliche Tageszeitungen, Karten- und Schachspiele sowie Wahlveranstaltungen.
Die bevorzugte literarische Form, die diesem Leben entspricht, ist das Feuilleton: ein Text über jedes beliebige Thema. Die Wiener Schriftsteller hängen von Begegnungen im Café Griensteidl und im Café Central ab. Das Café in Wien ist eine kulturelle Institution.
Wien spielt in der Wiener Moderne eine kulturelle Rolle. Es ist durch zahlreiche Prunkbauten an der Wiener Ringstraße baulich geprägt. Nach 1900 hatte Wien schon 2 Millionen, davon sind 9% Juden. Ein kulturelles Leben ohne jüdische Intellektuelle (z.B.: Kraus, Schnitzler, Freud, Mahler, Schönberg, Polgar u.v.a.) schwer vorstellbar. Die jüdischen Intellektuellen und Kaufleute sind liberal gesinnt und assimiliert. Sie legen auf die Pflege der jüdischen Bräuche kaum Wert. Das literarische Leben in Wien ist schwierig, dadurch veröffentlichen die meisten jungen Autoren in Deutschland. Eine größere Bedeutung hat das Theater. Dieses unterliegt aber den Eingriffen der Zensur.
4) Spiel im Morgengrauen
a) Inhalt
Die Erzählung "Spiel im Morgengrauen" spielt in Wien und in Baden bei Wien in der k.u.k. Zeit.
Der k.u.k. Offizier Wilhelm Kasda will einem ehemaligen Kameraden, Otto von Bogner, durch Glücksspiel versuchen zu helfen, seine Schulden in Höhe von 1000 Gulden bezahlen zu können und gerät dabei selbst in weitaus höhere Schulden: 11000 Gulden; es gelingt ihm nicht, das nötige Geld zu leihen. Sein Onkel, durch die Leidenschaft selbst mittellos geworden, kann ihm nicht helfen. Dessen Frau Leopoldine, die Wilhelm ebenfalls um Hilfe bittet ´, verbringt ohne mit einem Wort das Geld zu erwähnen, die Nacht mit ihm und gibt ihm als Liebeslohn 1000 Gulden - als Revanche für die 10 Gulden, die er ihr einst dafür gegeben hat. Unerwartet stellt sie dann dennoch die erforderliche Summe bereit, mit der sich der Onkel sofort zur Kaserne begibt. Zu spät, wie sich herausstellt.
Wilhelm Kasda hat sich erschossen, weil er keinen anderen Ausweg mehr sah. Zuvor sendet er aber noch die 1000 Gulden zu Bogner, um wenigstens ihm zu helfen.
b) Thematik
Dieses Stück zeigt, wie es sich damals bei den k.u.k. Offizieren zu getragen hat. Einerseits war man stolz, daß man es so weit gebracht hat, aber andererseits stand man auch unter gehörigem Druck. Jeder erwartete von jeden, daß die Ehre des Regiments gewahrt wird. Wer die Ehre der Brigade gefährdete, hatte nicht viele Möglichkeiten um sich aus der Affäre zu ziehen. Entweder Selbstmord Ausstieg aus dem k.u.k. Regiment, wobei Letzteres mit unglaublicher Schande verbunden war. Also blieb meistens sowieso der Selbstmord die einzige wahre Möglichkeit.
c) Charakteristik
Wilhelm Kasda: Er ist mit Leib und Seele k.u.k. Offizier und ein Frauenheld. Kasda ist
sehr hilfsbereit und gerät damit in eine Zwickmühle. Er ist spielsüchtig
und verliert beim Kartenspiel im Kaffeehaus ein kleines Vermögen.
tief gekränkt in seiner Offiziersehre begeht er Selbstmord. Vorher
schickt er seinen Lakaien zu Bogner und läßt ihm die 1000 Gulden
überbringen, die er zuvor von Leopoldine als Liebeslohn erhalten hat.
So ist wenigstens Bogner gerettet worden.
Otto von Bogner: Er ist ein ehemaliger k.u.k. Oberstleutnant. Bogner unterschlägt in der
Firma in der er jetzt arbeitet kleinere Summen Geld. Als er erfährt, daß eine Prüfung durchgeführt wird, gerät er in Panik und bittet Kasda um Hilfe. Mit fatalen Folgen für Kasda. Am Ende geht es für Bogner gut und für Kasda weniger gut aus. Bogner ist ihm sehr dankbar und als er sich bei ihm bedanken will, findet er ihn erschossen vor. Er ist sehr betroffen vom Selbstmord Kasdas.
Professor Bernhardi:
a) Inhalt
Das Drama "Professor Bernhardi" von Arthur Schnitzler handelt von einem religiösen Konflikt zwischen den Christen und den Juden um 1900.
Professor Bernhardi ist Leiter eines Privatkrankenhauses, dem Wiener Elisabethinum. Dort liegt ein Mädchen nach einer nicht gesetzlich erlaubten Abtreibung im Sterben. Sei weiß es aber nicht und glaubt, daß sie sich auf dem Weg der Besserung befindet. Schwester Ludmilla läßt einen Pfarrer rufen um dem Mädchen die letzte Ölung zu geben. Als dieser im Krankenhaus erscheint, verwehrt ihm Bernhardi den Eintritt in das Zimmer, denn das Mädchen befindet sich in Euphorie und er will sie nicht mit der Tatsache, daß sie stirbt konfrontieren. Das Mädchen stirbt ohne letzte Ölung. Dieser Vorfall kommt an die Öffentlichkeit und erregt großen Unmut bei der Bevölkerung. Als der Fall auch noch verfälscht in den Abendzeitungen erscheint, beruft Bernhardi eine Sitzung im Elisabethinum ein. Er legt sein Amt als Direktor nieder.
Es kommt zur Gerichtsverhandlung. Bernhardi ist als Religionsstörer angeklagt. In der Verhandlung machen die meisten Zeugen eine falsche Aussage. Nur der Pfarrer und einige Freunde, ebenfalls Juden wie Bernhardi, sagen die Wahrheit. Bernhardi wird zu zwei Monaten Haft verurteilt.
Als er seine Haftzeit abgesessen hat, wird er von den Studenten als Märtyrer empfangen. Er findet viele Briefe vor, die alle zum Inhalt haben, daß er genau richtig gehandelt hat. Als er einen Bekannten besucht, erfährt er, daß Schwester Ludmilla zugegeben hat, eine falsche Zeugenaussage gemacht zu haben. Bernhardi wir aufgefordert einen zweiten Prozeß anzustreben, um einen Widerruf des Urteils zu erreichen. Doch Bernhardi lehnt ab, weil er der Ansicht ist, daß die Betroffenen auch schon vorher gewußt haben, daß er im Recht ist.
b) Thematik
Arthur Schnitzler wollte mit dem Drama "Professor Bernhardi" die damalige antisemitische Stimmung in Österreich aufzeigen. Professor Bernhardi wollte dem Mädchen nur schöne letzte Stunden ermöglichen und wird als Religionsstörer verurteilt. Die judenfeindliche Stimmung in der k.u.k. Donaumonarchie erinnert sehr an den 2. Weltkrieg.
Auch karrierehungrige Kollegen werden in diesem Stück dargestellt. Sie setzen alles daran, daß Bernhardi suspendiert wir, nur daß einer von ihnen an die Spitze des Elisabethinums kommt.
Schnitzler versucht in das Stück persönliche Aggressionen von Seiten der Gesellschaft gegen Professor Bernhardi hinein zu interpretieren. Manchen Leuten hat es nicht gefallen, daß Bernhardi, als Jude, eine Kapazität unter den Wiener Arzten darstellt, der sich durch Leistung und Ansehen längst in die Gesellschaft integriert hat, ja sogar zu deren Leitbild geworden ist. Seine Gegner machen aus einer Kleinigkeit eine große Sache und verstanden es, Bernhardi in ein schlechtes Licht zu rücken, so daß er am Ende sein Ansehen verlor und ignoriert wurde.
Als Schnitzler den Stoff 1910 als typischen Ibsen - Konflikt ausarbeitete - wie in dessen "Volksfeind" stellt sich eine einzelne Person mit seiner Gewissensentscheidung und moralischen Verantwortung gegen ein verrottete Gesellschaft -, wer für ihn der Antisemitismus noch ein Randthema, das sich in Komödienform ansprechen ließ. Dennoch enthielt das Stück auch schon politischen Zündstoff im Habsburgerreich - die Aufführung wurde verboten.
Seit 1945 wird Professor Bernhardi als frühe Warnung vor der Judenverfolgung gesehen und daher in zahlreichen Inszenierungen in diesem Sinn interpretiert.
c) Charakteristik
Professor Bernhardi: Bernhardi ist eine Kapazität unter den Wiener Arzten. Er wird
von vielen beneidet und gehasst. Er ist ganz in die Gesellschaft integriert. Aufgrund des Vorfalls im Elisabethinum wird er plötzlich persönlich diffamiert und von der Gesellschaft ignoriert. Er ist zwar durch die Falschheit der Menschen tief gekränkt, hat aber ein ungeheures Selbstvertrauen und viel Selbstsicherheit. Er steht voll und ganz zu seiner "Tat".
Prof. Dr. Flint: Er ist der Minister für Unterricht und Kultur. Flint war früher
der Freund von Bernhardi. Diese Freundschaft zerbrach als Flint alles daran setzte, daß das Elisabethinum nicht eröffnet wird. Er will Bernhardi zum kapitulieren überreden und damit dem Prozeß vermeiden. Er ist ein "geschmeidiger" Politiker, der sich alles so biegt wie er es braucht.
Dr. Ebenwald: Er ist der Vizedirektor des Elisabethinums und übernimmt die
Führung nachdem Bernhardi zurückgetreten ist. Ebenwald ist ein karrieresüchtiger Arzt und ist neidisch auf Bernhardi. Er versucht alles um eine Suspendierung von Bernhardi durchführen zu können. Er ist ein Vetter des Abgeordneten Ebenwalds, der für die Interpellation gegen Bernhardi hauptverantwortlich ist.
Fremdwörter:
Dekadenz: das Dekadentsein; dekadent = überfeinert und schwächlich
frivol: leichtfertig und ein wenig unanständig
k.u.k.: kaiserlich und königlich
analytisch: mittels Analyse; zerlegend; => Analyse = systematisch - zergliederte Untersuchung
subtil: verfeinert, genau ausgeführt; schwierig zu durchschauen, kompliziert; unterschwellig
Konvention: Abkommen, Vereinbarung; gesellschaftlicher Brauch, Norm, Herkommen; völkerrechtlicher Vertrag
Polemik: wissenschaftlicher Streit; unsachliche Kritik, unsachlicher Angriff
Feuilleton: kultureller, unterhaltender Teil einer Zeitung
Institution: öffentliche Einrichtung mit bestimmten Zweck
liberal: freiheitlich gesinnt, vorurteilslos
assimilieren: angleichen
Lakai: Diener; übertrieben diensteifriger, unterwürfiger Mensch
antisemitisch: judenfeindlich
suspendieren: des Amtes, Dienstes entheben
Märtyrer: jemand, der für seine Überzeugung Leiden erduldet
integrieren: in ein größeres Ganzes einbeziehen
Inszenierung: Gestaltung und Aufführung eines Stückes
diffamieren: verleumden
kapitulieren: den Kampf aufgeben, sich ergeben
Interpellation: Einspruch; Anfrage im Parlament an die Regierung
Quellen
Reclam Schauspielführer s. 502 - 506
Österreichisches Personenlexikon der ersten und zweiten Republik S. 425 - 426
Literaturgeeschichte S. 277 - 281
Internet
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