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In der Sache J Robert Oppenheimer - Heinar Kipphardt

In der Sache J. Robert Oppenheimer - Heinar Kipphardt


Der Autor

Heinar Kipphardt wurde am 8.3.1922 in Heidersdorf/Schlesien geboren. Nach dem Medizinstudium mit der Fachrichtung Psychiatrie in verschiedenen deutschen Städten bekam er eine Stelle an der Universitätsklinik du Charité. Im 2. Weltkrieg mußte er als Soldat an die Ostfront nach Rußland. In den Jahren von 1950 bis 1959 arbeitete er als Chefdramaturg am Deutschen Theater in Berlin, welches er nach einigen Unstimmigkeiten verließ, um 1959, kurz vor dem Bau der Berliner Mauer, in die BRD zu übersiedeln und am Theater von Düsseldorf als Dramaturg zu wirken. In diesen Jahren verfaßte er Gedichte, Erzählungen, Hör- und Fernsehspiele und vor allem Dramen wie "In der Sache J. Robert Oppenheimer", in denen er sich vor allem mit Stoff aus der Kriegs- und Nachkriegszeit auseinandersetzte. Darauf wurde er für zwei Jahre Chefdramaturg der Münchener Kammerspiele. Heinar Kipphardt starb am 18.11.1982.



Weitere wichtige Werke von ihm sind "Shakespeare dringend gesucht", "Der Aufstieg des Alois Piontek", "Der Hund des Generals", "Die Ganovenfresse", "Joel Brand", "Die Nacht in der der Chef geschlachtet wurde", "Die Soldaten" und "Bruder Eichmann"

Das Werk

Das Stück "In der Sache J. Robert Oppenheimer" ist 1964 entstanden. Es ist ein Drama und handelt in einem elektronisch gesicherten Raum in der Atomenergiekommission (AEC)[1] in Washington. Dem Theaterstück dient als Handlungsgrundlage ein 1954 von der Atomenergiekommission der Vereinigten Staaten von Amerika veröffentlichtes Protokoll über ein Verfahren gegen den amerikanischen Physiker J. Robert Oppenheimer, das die sogenannte "Sicherheitsgarantie" des Wissenschaftlers zu überprüfen und sich mit Vorwürfen auseinanderzusetzen hatte, die Oppenheimer für die Verzögerung des amerikanischen Dringlichkeitsprogramms zum Bau einer Wasserstoffbombe verantwortlich machten.


Die ursprüngliche Fassung war ein Fernsehspiel und wurde am 23.1.1964 zum ersten Mal gesendet. Die Bühnenfassung wurde am 11.10.1964 in Berlin und München uraufgeführt.

Informierende Inhaltsangabe

Julius Robert Oppenheimer, einer der bedeutendsten amerikanischen Atomphysiker und "Vater der Atombombe", wird in einer mehr als vier Wochen dauernden Verhandlung, die von der US-Regierung ausgeht, befragt. Oppenheimer wird vorgeworfen, daß er den Bau der Wasserstoffbombe zu verzögern versucht hat. Zunächst handelt das Hearing über Oppenheimers Verbindungen zu kommunistischen Kreisen. Oppenheimers Ehefrau und sein Bruder Frank gehörten der kommunistischen Partei an. Oppenheimer selbst bezeichnet sich als "Mitreisender", weil er von 1936 bis 1942 den kommunistischen Ideen nahestand. Auch hat Oppenheimer während des span. Bürgerkrieges die Volksfront der Kommunisten mit Geldspenden unterstützt, und er hat zu dieser Zeit Versammlungen und Gewerkschaftstreffen der Kommunisten besucht. Außerdem stellt Oppenheimer die Vermutung an, daß eine Vielzahl der Physiker kommunistisch orientiert waren. Einige Ex-Schüler von Oppenheimer waren aktive Parteimitglieder. Anschließend berichtet Oppenheimer von einem Gespräch mit seinem Freund Chevalier, der ihm erzählt hat, daß er mit dem Chemotechniker Eltenton gesprochen habe. Eltenton deutete in dem Gespräch mit Chevalier an, daß er Möglichkeiten habe, geheime Forschungsinformationen an die Russen zu verraten. Oppenheimer hielt diese Unterhaltung mit Chevalier für nicht so wichtig, erst ein halbes Jahr später informierte er den Sicherheitsausschuß über diesen Fall. Der Fortgang des Hearings konzentriert sich jedoch auf das Kernproblem. Oppenheimer hat sich im Herbst 1949 der Entwicklung der Wasserstoffbombe widersetzt. Oppenheimer gesteht dies auch ein, weil er der Meinung damals der Meinung gewesen ist und jetzt noch der Meinung ist, daß eine solche Bombe eine solche Zerstörungskraft besitzt, daß es bei ihrem Einsatz weder Sieger noch Besiegte geben würde. Anschließend ist er nur mehr in beratender Funktion am Bau der Wasserstoffbombe beteiligt gewesen. In den Schlußplädoyes wird Oppenheimer noch vorgeworfen, daß es den kommunistischen Physikern durch ihn gelungen ist, die Führungsposition an Atomwaffen zu erringen.

Das Hearing endet schlußendlich nach der Vernehmung von sechs Zeugen (-> siehe auch Figurenkonstellation). Oppenheimer wird die Scherheitsgarantie entzogen, weil er für den Ausschuß als Sicherheitsrisiko galt.

Aufbau

Betrachtet man den formalen Aufbau des Oppenheimer-Stückes ergibt sich folgendes Bild:

Szene / 1. Zwischenszene / 2. Szene / 2. Zwischenszene / 3. Szene / 3. Zwischenszene / 4. Szene / 4. Zwischenszene / 5. Szene / 5. Zwischenszene / 6. Szene / 7. Szene / 8. Szene / 9. Szene


Betrachtet man diese Zusammenstellung, wird deutlich, daß die ersten sechs Szenen durch sogenannte Zwischenszenen unterbrochen werden, die, wenn man sie näher untersucht, hinsichtlich Inhalt und Ton einen eigenen Charakter haben. Sie unterbrechen und ergänzen den Ablauf des Oppenheimer-Hearings. Während es im Hearing fast durchgehend um das Erfragen von Einzelheiten und Zusammenhängen geht, kommentieren die Zwischenszenen eher, legen Zweifel, Probleme, aber auch ganz persönliche Meinungen dar.

Figurenkonstellation

Im tatsächlichen Verfahren sagten 40 Zeugen aus. In Kipphardts Drama treten lediglich die beiden Sicherheitsbeamten Pash und Lansdale sowie die vier Wissenschaftler Teller, Bethe, Griggs und Rabi als Zeugen auf. Die Zeugen Pash, Griggs und Teller teilen den Standpunkt des Untersuchungsausschusses, während Lansdale, Bethe und Rabi sich energisch für Oppenheimer einsetzen.



SICHERHEITSAUSSCHUSS



Gordon Gray (Vorsitzender)



Ward V. Evans     Thomas M. Morgan


PRO


CONTRA

Anwälte:


Anwälte:

Lloyd K. Garrison


Roger Robb

Herbert S. Marks


C.A. Rolander

Zeugen:

OPPENHEIMER

Zeugen:

Hans Bethe


David Tressel Griggs

John Lansdale


Boris T. Pash

Isadore Isaac Rabi


Edward Teller


Figur Oppenheimer

Oppenheimer, einer der bedeutendsten Atomphysiker unserer Zeit, wurde als Sohn eines nach den Vereinigten Staaten ausgewanderten deutschen Vaters und einer amerikanischen Mutter 1904 in New York geboren. Nach dreijährigem Physikstudium an der Harvard Univerität machte er 1925 seine Abschlußprüfungen und setzte seine Studien in Europa fort, zunächst in Cambridge, später in Göttingen, wo er zur Kolonie der amerikanischen Studenten von James Franck und Max Born gehörte und 1927 zum Dr. phil. wurde. Nach seiner Rückkehr in die USA widmete er sich zwölf Jahre hindurch der wissenschaftlichen Lehr- und Forschungstätigkeit. Seine technischen Fähigkeiten in der theoretischen Physik waren bekannt, ebenso seine Umsicht in Personalfragen. Er leitete im Zeitraum von 1943 bis 1945 die Laboratorien, in denen die amerikanische Atombombe entwickelt wurde. Nachdem Abwurf der ersten Atombombe auf die japanische Stadt Hiroschima legte Oppenheimer sein Amt nieder. In einem Verfahren wurde Oppenheimers Staatstreue überprüft. Wie so viele seiner Generation hatte Oppenheimer die Geschehnisse der 30er Jahre, namentlich die Wirtschaftskrise in Europa und Amerika und das Aufkommen der Nazi-Herrschaft in Deutschland, mit engagiertem Interesse verfolgt und die kommunistischen Ideen als die richtige Antwort auf die Weltprobleme betrachtet.

Sprache

Die Sprache, die Heinar Kipphardt verwendet hat, ist eine nüchtern sachliche Bestandsaufnahme eines Hearings. Sie ist durchaus dokumentarisch und unterstreicht damit Charakter und Anspruch des Stückes. Andererseits finden sich jedoch auch Elemente, die man durchaus in den Bereich einer politischen Sprache einordnen könnte. Die Syntax ist überwiegend situationsbedingt knapp, lediglich in Zusammenfassung finden sich komplexere Strukturen.

Informationen zur Textsorte

Das Dokumentartheater ist eine Stilrichtung des modernen Theaters, bei der durch die Verwendung dokumentarischen Materials (z.B. Akten, Protokolle, zeitgenössische Presseberichte, Einblendung von Filmszenen, Photos, Tonbändern usw.) größtmögliche Glaubwürdigkeit und Authentizität erreicht werden soll. Das Dokumentartheater will in erster Linie gesellschaftskritisch und politisch wirken. Es erreichte unter dem Einfluß des russischen Revolutionstheaters in den späten 20er Jahren in Deutschland durch E. Piscators Inszenierungen seinen ersten Höhepunkt. Einen neuen Aufschwung erlebte es in den 60er Jahren in der Folge von R. Hochhuths Schauspiel "Der Stellvertreter" (1963, Regie: E. Piscator) mit Dokumentarstücken wie "In der Sache J. Robert Oppenheimer" (1964) von H. Kipphard, "Die Ermittlung" (1965) von P. Weiss, "Toller" (1968) von T. Dorst.

Informationen zur Zeit

Historische Epoche

25. November 1936 vereinbarten Japan und das Deutsche Reich ein Abkommen zur Abwehr der Kommunistischen Internationale. Dieses Abkommen richtete sich insbesondere gegen die UdSSR. In geheimen Zusatzabkommen vereinbarten die Mitgliedsstaaten des sogenannten Antikominternpaktes Neutralität im Falle eines Krieges. Italien, Ungarn, Spanien, Rumänien u.a. Staaten schlossen sich diesem Pakt an. Als Gegeninitiative verbündeten sich die USA, Großbritannien und die UdSSR zur Anti-Hitler-Koalition mit dem Ziel, die Nazityrannei zu überwinden.

Seit 1941 arbeiteten in den USA Wissenschaftler an der Herstellung einer Bombe, die freiwerdende Kernbindungsenergie zur Zerstörung benutzen sollte. In Deutschland war 1938 Otto Hahn die Atomspaltung erstmals gelungen, und nun glaubten die Wissenschaftler in den USA, unter denen sich Emigranten aus den europäischen Diktaturen befanden, sie ständen im Wettlauf mit dem nationalsozialistisch Deutschland.

Am 8.5.1945 kapitulierte das Deutsche Reich, doch das Atomprojekt wurde nicht aufgegeben. Vier Monate später ging der Krieg gegen Japan schrecklich zu Ende. Am 6. August 1945 wurde über Hiroshima die erste Atombombe gezündet. Das umliegende Gebiet wurde radioaktiv verseucht, von 320.000 Einwohnern starben 200.000. Noch heute sterben manche an den Folgen radioaktiver Strahlung.

Als noch eine zweite Atombombe auf Nagasaki fiel, die 130.000 Tote forderte, kapitulierte Japan bedingungslos.

Literarische Epoche

Die sechziger Jahre waren in Deutschland eine Zeit einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Krise. Der Selbstzweifel wurde vor allem in der jungen Generation der Intellektuellen und der Arbeiter durch eine Vielzahl von Faktoren innen- und außenpolitischer Art geweckt. Die sozialen Kämpfe in der Dritten Welt, die ökonomischen Krisen von 1966/67, die Massenarbeitslosigkeit und die Zechenstillegungen, die Große Koalition von SPD und CDU im Jahre 1966 sowie die weltweite Studentenrevolte waren Ausdruck dieser sozialen und politischen Krise.


Die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland ist insbesondere für das deutsche Theater nicht ohne Folgen geblieben. Es entstehen zahlreiche Bühnenstücke mit zum Teil politischer Thematik, unverkennbarem gesellschaftlichem Engagement und einer durchaus eigenständigen Formgebung. Rolf Hochhuth dazu: "Politisches Theater kann nicht die Aufgabe haben, die Wirklichkeit - die ja stets politisch ist - zu reproduzieren, sondern hat ihr entgegenzutreten durch Objektion einer neuen.

Darlegung des Hauptthemas / der Problematik

Der Autor Heinar Kipphardt hat versucht, den von ihm konsultierten Protokollen eine neue Funktion zu geben, indem er sie auswählte und in die Aktionszusammenhänge von Theater bzw. Film einbrachte. Dadurch werden die Dokumente öffentlich, die Vertraulichkeit, die im Hearing ausdrücklich vereinbart wird, wird aufgehoben und selbst zur Diskussion gestellt.

Es zeigt sich, daß J. Robert Oppenheimer lediglich einer unter vielen Forschern war, die ihr Wissen unfreiwillig oder wissentlich einer fragwürdigen Nutzbarmachung zugeführt haben.

Beim Lesen werden vom Autor Heinar Kipphardt verschiedene Kernfragen aufgeworfen:

die Frage nach der Rolle eines Wissenschaftlers, nach seiner Verantwortung, seiner Macht, aber auch nach seiner Bewältigung von Schuld

die grundsätzliche Frage nach der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Politik, besonders in den stets diskutierten Bereichen der Friedens- und der Energiepolitik

die vielleicht entscheidende Frage, die das Stück Kipphardts aufwirft, nämlich die nach dem Problem von Loyalität zum Staat und den sich daraus ergebenden Konflikten von Macht und Gewissen



Die Atomic Energy Commision (AEC) wurde am 1. August 1946 eingesetzt. Die Aufgaben dieser Kommission bestehen in der Planung und Kontrolle bei der Erzeugung sowie Anwendung von Atomenergie in den Vereinigten Staaten. Das oberste Organ der AEC ist die Kommission, bestehend aus fünf hauptamtlichen Mitgliedern, welche vom US-Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt werden.






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