Adalbert Stifter - Der Bergkristall
Adalbert Stifter wurde am 23.10.1805 in Oberplan (Böhmerwald) geboren. Er kam als Sohn eines Leinewebers und Flachshändlers aus einfachen Verhältnissen. Als er 12 Jahre alt war, starb sein Vater, und er wurde von den Großeltern erzogen. Er besuchte von 1818 bis 1826 das Gymnasium und studierte anschließend bis 1830 in Wien zunächst Jura, dann Naturwissenschaften und Geschichte, machte aber keine Abschlussprüfung.
Stifter wollte gern Landschaftsmaler werden. Den Lebensunterhalt verdiente er sich als Privatlehrer in Wiener Adelshäusern. 1848 zog Stifter nach Linz und lebte dort die letzten Jahrzehnte seines Lebens. In seinen letzten Lebensjahren war er schwerkrank und litt unter Depressionen. Ob er Selbstmord beging, ist nicht sicher nachzuweisen. Er starb am 28.1.1868.
Ein Teilweise vergletscherter Bergzug trennt zwei Alpendörfer, Gschaid und Millsdorf, und obgleich ein Weg über den Bergkamm führt, geht die Trennung doch tiefer: Sitten und Gewohnheiten sind in den beiden Tälern sehr verschieden.
Gschaid ist die ärmere der beiden Ortschaften, und zu seinen auffälligsten Bewohnern zählt der Schuster, der nicht nur durch seine Wohlhabenheit aus seiner Umgebung herausragt. Er nahm eine reiche Färberstochter aus Millsdorf zur Frau, was in seinem Heimatdorf bislang nur sehr selten vorgekommen war. So geschah es, das die schöne Färberstochter, da sie Schusterin in Gschaid geworden war, doch immer von allen Gschaidern als Fremde angesehen wurde. Auch ihre Kinder Konrad und Sanna waren in einem subtilen, kaum wahrnehmbaren Sinne Außenseiter in ihrem Heimatdorf. Dieser Zustand wurde auch dadurch aufrechterhalten, dass sie, als der Junge älter wurde, häufig zu Fuß über den Berg nach Millsdorf zur Großmutter wanderten - so auch an einem 24. Dezember.
Auf dem Rückweg aber werden sie von dichtem Schneetreiben überrascht. Sie verfehlen den Weg über den Pass und geraten im Nebel in das Gletschereis. Sie suchen in der Nacht einen Unterschlupf und finden schließlich eine Steinhütte. Die Natur kommt den Kindern zu Hilfe; sie sehen staunend ein Nordlicht am Himmel und hören dreimal, wie der Gletscher - scheinbar »das Starrste«, tatsächlich aber »das Regsamste und Lebendigste« - kracht. Bei Sonnenaufgang suchen sie erneut den Weg aus dem Eis; mittlerweile sind aus Gschaid, dann auch Millsdorf die Dorfbewohner aufgestiegen, die schließlich die Kinder finden. Erst Dieses Erlebnis lässt recht eigentlich den weihnachtlichen Frieden im Dorf einkehren; der Schuster erkennt seine Nachbarn als Freunde, und die »Kinder waren von dem Tage an erst recht das Eigentum des Dorfes geworden, sie wurden von nun an« - wie auch ihre Mutter - »als Eingeborene betrachtet, die man sich von dem Berge herabgeholt hatte«. Die kleine Sanna aber erzählt nach ihrem Abenteuer beim Schlafe gehen, sie habe in der Nacht auf dem Berg »den heiligen Christ« gesehen.
Stifter wäre nicht Stifter, würde er die Erzählung sofort mit dem Geschehen beginnen. Er steigt ein mit einer Reflexion über das Weihnachtsfest und schwenkt dann auf die Landschaftsbeschreibung mit Schwerpunkt der beiden Täler und ihres Verbindungsweges und der Versuche, den eisigen Doppelgipfel über Gschaid, den Gars (der fast zum Sarg wird) zu besteigen. Dabei leistet er sich eine Platitüde: 'Was nun noch die Besteigung des Berges betrifft, so geschieht dieselbe von dem Tale aus'. Wer hätte es geahnt? Man ahnt kommende Tragödien.
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