1. Die Kunstrichtung
Der Impressionismus und die Impressionisten
2. Paul Cézanne
2.1 Kurzbiographie
2.2 Entwicklung seiner Malerei
2.3 Stil - Maltechnik
2.4 Begleitkünstler
2.5 Vergleich mit einem anderen Künstler: Auguste Renoir, "Die Badenden"
3. Cezannes Werke "Badende"
3.1 Überblick
3.2 "Die großen Badenden" - das Hauptwerk (1895-1904)
3.3 Bildanalyse: "Die großen Badenden"
4. Stilleben
4.1 Überblick
4.2 Bildanalyse: "Die blaue Vase" (1885-1887)
1. Die Kunstrichtung
Der Impressionismus und die Impressionisten
Die Geschichte des Impressionismus ist in erster Linie die Geschichte einer Gruppe von Malern, die es in den Jahren zwischen 1874 und 1886 wagten, ihre Werke außerhalb des offiziellen Pariser Salons auszustellen.
Was an der Malerei dieser Künstler als erstes auffällt, ist die Vorliebe für klare, helle Farben, vielfältige und lebhafte Farbnuancen. Die Impressionisten verließen ihre Ateliers, um in der freien Natur zu malen. Der Gegenstand wurde bewusst aufgelöst; das erweckte den Eindruck, als ob sich der Künstler gar nicht um den Gegenstand kümmert. Die Sonne, das Licht und die Luft wurden hervorgerufen; das Licht wurde in farbige Tupfen und Striche aufgelöst. Die Bilder hören am Rand zwar auf, dennoch gehen sie weiter; der Betrachter taucht in die Farben ein und verliert somit seinen Halt. Die Impressionisten wollten mit ihren Bildern eine athmosphärische Stimmung schaffen. Sie versuchten eine vollkommene Illusion zu schaffen; alles wurde festgehalten, selbst die Lichteinwirkungen.
Die Impressionisten traten 1874 in Paris mit einer gemeinsamen Ausstellung in den Räumen des berühmten Fotografen Nadar an die Öffentlichkeit. Die jungen Maler (u.a. Paul Cézanne und Auguste Renoir) finden beim Publikum jedoch keinen Anklang und werden verlacht und verhöhnt.
Paul Cezanne: Auch "Überwinder des Impressionismus" genannt.
Camille Pissarro: Ebf. französischer Maler. Hatte großen Einfluss auf die Impressionisten. (Zum Einfluss auf Cezanne siehe später.)
Ein Journalist bezeichnete diese Maler als "Impressionisten" (von: l'impression = Eindruck, gemeint: Sonnenaufgang). Anerkennung und besonders Käufer ließen lange auf sich warten. Erst bei der letzten Ausstellung spottete die Pariser Gesellschaft nicht mehr so viel über die neue Malerei, aber zu dieser Zeit zerfiel die Gruppe bereits und einige ihrer Mitglieder beschritten neue Wege.
Die Impressionisten versuchten Augenblicke festzuhalten, das Vergängliche in Poesie zu verwandeln. Sie versuchten klarzustellen, dass in ihrer Ausstellung weder historische noch biblische oder orientalische Sujets zu sehen sind. Fast alle Impressionisten malten Landschaften, besonders gerne die Seine in und um Paris.
2. Paul Cézanne
2.1 Kurzbiographie
Paul Cezanne (1839-1906) studierte dem Wunsch seines Vaters entsprechend zunächst Jura (Recht), ging dann aber 1861 nach Paris, um eine Laufbahn als Maler einzuschlagen.
Enttäuscht von der Zurückweisung durch die Pariser Kunstkritik zog er sich in seine Heimat nach Südfrankreich zurück, wo er zu seinem Stil fand, in dem Form und Farbe eine völlig neue Bedeutung erhielten.
Mit seinen berühmten Gemälden der provenzalischen Landschaft (Provence = südfranzösische Landschaft) rund um den (Berg) Mont Sainte Victoire sowie seinen zahlreichen Stilleben, Portraits und Figurenbildern und anderen Landschaftsbildern wurde er zum wichtigsten Wegbereiter der Kunst des 20. Jahrhunderts. Deshalb wird er auch "Vater der modernen Kunst" genannt.
2.2 Entwicklung seiner Malerei
"Die Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur": Cezanne übernahm die Farbskala der Impressionisten, doch erst einige Zeit später fand der Künstler seinen persönlichen Stil. Er wollte die Leuchtkraft des Impressionismus beibehalten, jedoch etwas Festes und Beständiges schaffen. Das wurde durch die gleichmäßigen, in länglichen Vierecken ausgeführten Pinselstriche erreicht.
Wie die anderen Impressionisten ist der Künstler nicht an seelischen oder symbolischen Bezügen interessiert, sondern die Form der gegenständlichen Welt wird zum Erlebnis. Und dennoch hat Cezanne den Impressionismus entschieden kritisiert. Es war der Anspruch Cezannes, aus dem Impressionismus etwas Solides zu machen.
Cezanne verwendete oft verschiedene Blickwinkel in einem Bild und das Phänomen der visuellen Wahrnehmung, dass warme Farben vor kalten zu liegen scheinen. Diese einzigartige Technik musste er sich mühsam erarbeiten. Im Lauf der Jahre wurde der Farbauftrag dünner, die Töne wurden satter und aus gleichmäßigen Pinselstrichen wurden kleine Farbflächen.
Cezanne, der hauptsächlich Landschaften und Stilleben malte, aber auch Portraits, wusste, dass er das Naturbild veränderte. Er nannte sein Schaffen "Realisieren": Cezanne malt, was er sieht, und nicht das, was er weiß. Er sieht die Natur in einem ursprünglichen Zustand und setzt das Gesehene um in eine neue, von seinen Empfindungen getragene Wirklichkeit, er "realisiert" die Natur neu. "Wenn man sich zu viel einmischt, verpfuscht alles."
Er wollte seine Bilder "parallel" zur Natur entstehen lassen, deren harmonisches Gefüge aus Proportionen, Rhythmik und Farbakkorden er erahnte. Cezanne geht es nicht um Stimmung und Handlung, sondern um Form, Farbe und Struktur.
Für viele Menschen war er zu ungeduldig, als Modelle ertrug er nur Familienangehörige und enge Freunde.
Er malte fast ausschließlich in der Gegend von Paris und in seiner Heimat Aix-en-Provence. Bestimmte Plätze malte er immer wieder, z. B. die Badenden oder den Mont Sainte Victoire etwa sechzig mal. Noch am Ende seines Lebens befand er sich in einer künstlerischen Weiterentwicklung und murrte wie eh und je.
Cezannes Bedeutung wurde zu seinen Lebzeiten nur von wenigen Zeitgenossen erkannt. Nicht einmal das Museum seiner Heimatstadt legte Wert auf seine (geschenkten) Bilder. 1906 starb der Meister an den Folgen einer Verkühlung, die er sich beim Malen im Freien zugezogen hatte. Nur wenige verstanden Cezanne.
2.3 Stil - Maltechnik
Der Impressionismus war für Cezanne im Grunde ein Durchgangsstadium. Durch Pissarros Anraten setzte Cezanne die Farbe jetzt nicht mehr mit dem Messer oder einem breiten Pinsel auf die Leinwand, sondern strukturierte die Bildfläche durch parallele, kleine, kontrolliert gesetzte Striche.
Seine Bilder gewannen an Kompaktheit, die Farben wurden dichte Materie. Alles Atmosphärische und Momentane verbannt er. Die Farbe wird im Hintergrund nicht schwächer, sondern sie hat überall im Bild die gleiche Intensität. Dadurch werden die einzelnen Bildebenen farblich zu einer Einheit zusammengefasst. Die Landschaften z. B. erstarren, weil ihnen alles Zeitliche genommen ist. Mit dem farbigen Pinselstrich arbeitete Cezanne die Gegenstände heraus, sie entstehen aus und durch die Farbe, nicht durch Zeichnung.
Die schrille Atmosphäre der Großstadt konnte Cezanne nichts geben, da sie ganz auf das Momentane und den Augenblick ausgerichtet ist. In der Provence hingegen fand er die Bildmotive, die er auf seiner Suche nach Beständigkeit brauchte. Denn die Landschaft z. B. wechselt ihr Kleid im Laufe der Jahreszeiten nur wenig, die Vegetation ändert sich kaum.
Cezanne gelingt es Harmonie im Bild zu erzeugen. "Malen heißt nicht, den Gegenstand sklavisch kopieren; Malen heißt eine Harmonie zwischen zahlreichen Verhältnissen erfassen, sie in eine eigene Farbskala übertragen, indem man sie nach einer neuen und originellen Logik entwickelt." (Cezanne in der Provence, S. 63)
Cezanne verwendete offensichtlich nur wenige Farben. Die drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb verwendete er oft. In den Anfängen seiner Technik benutzte er einen großen runden Haarpinsel, er trug Farbtöne auf eine dunkle grundierte Leinwand auf, die vom Hellen zum Dunkeln übergehen. In den düsteren Tönen zeigt sich die innere Ruhelosigkeit des Künstlers schon in seinen Anfängen.
2.4 Begleitkünstler
Es gibt eine Reihe von Künstlern, die auf die eine oder andere Weise mit Cezanne oder seinem Werk in Verbindung standen ("Begleitkünstler"), und zwar:
Pissarro, Camille: Französischer Maler (siehe oben). Für Cezanne war Pissarro ein väterlicher Förderer und Freund. Er nahm an allen Impressionistenausstellungen teil und förderte junge Künstler.
Renoir, Auguste: Französischer Maler.
Zola, Emile: Französischer Schriftsteller, verteidigte als Kunstkritiker die Impressionisten, bis zum Jahr 1896 war er Cezannes Freund.
2.5 Vergleich mit einem anderen Künstler: Auguste Renoir, "Die Badenden"
In der Gegenüberstellung eines Bildes der Badenden von Cezanne und dem Bild "Die Badenden" von Renoir wird die fundamental verschiedene Weise der Darstellung Cezannes besonders evident. Während Renoir eine augenblickliche, vergängliche und auch vordergründige Bade-Idylle wiedergibt, sind Cezannes Bilder die Vision einer glücklichen Identität des Menschen mit der Natur.
3. Cezannes Werke "Badende"
3.1 Überblick
Mit dem großen Werkkomplex der Badenden beschäftigte sich Cezanne über Jahre hinweg.
Auffallend an Cezannes Badenden ist, dass er sie fast immer nach Geschlechtern getrennt gruppierte. Diese Trennung steht wohl in Verbindung mit Cezannes eigenem problematischem Verhältnis zu Frauen.
Statt der Darstellung harmonisch in die Landschaft eingebundener Einzelfiguren beschränkt sich Cezanne zunehmend auf bestimmte Haltungen oder Posen: Nie erscheinen die Figuren wirklich in Bewegung, sondern vermitteln eher den Eindruck von steifen Gliederpuppen. Andererseits verschmelzen aber Natur und Figuren: Die Farben der Landschaft werden in den Figuren zitiert und umgekehrt sind die Farbtöne der Figuren in die Landschaft integriert.
3.2 "Die großen Badenden" - das Hauptwerk (1895-1904)
Cezanne favorisierte eine bestimmte Art der Dreieckskomposition, wie sie sich im Werk "Die großen Badenden" manifestiert. Von Bäumen und Büschen umfangene Akte gruppieren sich um eine Mitte. So betont Cezanne die Mittelachse und teilt das Bild senkrecht in zwei Hälften. Die Formen der beiden Bäume am linken Bildrand und der im Schritt erstarrten Figur werden vom rechten Baum und der sich davor nach links neigenden Figur wieder aufgenommen.
Die auf dem Bauch liegende Figur besitzt nicht nur einen seltsam aufgeblähten Leib, sondern ihr Unterkörper scheint auch falsch an ihren Rumpf angesetzt, da die Wirbelsäule auf die linke Seite des Beckens trifft. Die links ins Bild schreitende Badende stützt sich auf einen seltsam langen und kräftigen Oberschenkel. Die rechts sitzende Figur scheint gar keine Unterschenkel zu besitzen, dafür aber einen sehr großen Oberkörper.
Cezanne wollte kein Ideal darstellen. Seine Badenden sind keine Individuen mehr, sie sind Objekte.
Cezanne benutzte für seine Badenden lieber Fotografien oder Skizzen als nackte Modelle, in deren Gegenwart er sich unbehaglich fühlte.
Figuren und Vegetation sind eng miteinander verbunden. Die Gruppe der Badenden verschmilzt mit der Vegetation zu einer Enheit, in der die Zeit keine Rolle mehr zu spielen scheint. Die Harmonie mit der Natur scheint bei diesem Bild klaren Ausdruck zu finden. Die Pinselstriche, Farbtupfen und Farbflächen lassen eine lebhafte Formenvielfalt entstehen.
Die wenigen Farben - ein transzendentes, in Violett spielendes Blau und ein in Ocker übergehendes Gelb, das sich im Bereich des Blattwerkes mit dem Blau zu einem lichten Grün vermischt - verbinden sich mit dem hellen Papiergrund zu einer Komposition von äußerster Feinheit und Harmonie. Die beiden Gruppen von Badenden an den Bildrändern stehen nicht isoliert voneinander, sondern sind umschlossen von einer Naturbühne. Sonnenflecken, die durch das Blätterdach der Bäume fallen, verbinden sie.
Die Frauen in den Badenden sind anonyme Wesen, ohne Persönlichkeit, ohne Ausdruck, deren formale Gestalt dem Maler wichtiger war als ihre Individualität. Denn Cezanne kommt es in erster Linie auf das malerische Ensemble an, auf den Zusammenhang von Figur und Natur, von Form und Farbe.
3.3 Bildanalyse: "Die großen Badenden"
In diesem Bild gibt es keine männlichen Figuren, man sieht nur Frauen, die sich mit etwas beschäftigen, sie existieren ganz für sich.
Im Hintergrund fällt der Blick auf eine Vegetationsgruppe und auf zwei Gestalten, die auf der anderen Uferseite in sehr hellem Licht zu erkennen sind. Die zwei Wesen sind in der Bildmitte zu sehen und für den Betrachter scheinen sie auch eine Bedeutung zu haben. Die erste Gestalt scheint ein Mann zu sein, der seine Arme verschränkt und die Frauen am anderen Ufer beobachtet. (Vielleicht ist dieser Mann Cezanne selbst, der sich vor Frauen schützt; er hatte ja Probleme mit Frauen.) Die andere Figur könnte vielleicht ein Kind oder ein Tier sein.
Die Frauen scheinen mit der Natur verschmolzen zu sein!
Die Grundstruktur dieser Komposition basiert auf einem gleichschenkeligen Dreieck, in das Cezanne die verschiedenen Figurengruppen einbettet. Jede ist aus einem anderen Blickwinkel gesehen. Die Grundform des Dreiecks wiederholt sich in den Linien, die die Gliedmaßen der Figuren bilden.
Die Frauenkörper scheinen sehr plump zu sein. Manche sind sehr lang und manche scheinen gar nicht richtige Körper zu sein. Zum Beispiel die Frau auf der linken Seite: Sie hat kurze Beine, der Oberschenkel ist fast so dick wie ihr Bauch. Ihre Arme sind dafür sehr dünn, aber lang. Irgendwie passen die Arme nicht zu ihrem Körper. Ihr Gesicht ist kaum zu erkennen, man kann nur ihre Haare sehen.
Die Figuren, die sich am Flussufer tummeln, scheinen bewusst erotische Momente zurückzudrängen. Cezanne verzichtet auf Individualisierung. Er verallgemeinert seine Figuren, wie die Landschaft, um eben beiden künstlerisch das gleiche Gewicht zu geben.
Die Atmosphäre wird durch ein transparentes Blau bestimmt. Blau ist im Vordergrund, die Farbe Orange bildet sozusagen den zweiten Farbakkord. Beide Farben wirken wechselweise aufeinander. Das Blau in der Himmelszone besteht aus Farbflecken. Das Blau setzt sich aus mehreren Lagen zusammen: Es lässt teilweise den sehr hellen Bildgrund durchschimmern und verbindet sich an manchen Stellen mit dem Grün der Bäume.
Alles scheint in diesem Bild eine Ordnung zu haben: In einem spitzen Bogen neigen sich die Bäume einander zu, auch sie scheinen sich ineinander verschmelzen zu wollen und bilden eine Dreiecksform. Die Bäume bilden ein Dach über der Gruppe der badenden Frauen und scheinen die Frauen schützen zu wollen.
Ufer und Fluss sind horizontal angelegt. An der rechten Seite des Bildes erkennt man sehr viel Weiß. Diese weiß belassenen Zonen scheinen der Komposition den Charakter des Überzeitlichen zu geben.
Die Figuren bewegen sich nicht. Sie haben verschiedene Positionen. Eine Frau liegt auf dem Bauch, eine andere sitzt, eine weitere lehnt sich an einen Baum (auf der rechten Seite des Bildes). Zwei andere Frauen (ebenfalls auf der rechten Seite des Bildes) sind in der gleichen Position und scheinen den Mann mit dem Kind (?) oder Tier (?) zu sehen, aber nehmen das gelassen.
Durch die strikte Trennung der Geschlechter möchte Cezanne jedes Element von Augenblicklichkeit, von Sinnlichkeit und Erotik in seinen Bildern ausschalten, um seine Figuren als geistige Wesen erscheinen zu lassen.
Es strahlt Harmonie aus. Die Frauen sind dicht beieinander.
Die Figuren, der Himmel, das Wasser und das Ufer bilden eine einzige Einheit. Jedes dieser Elemente hat Bedeutung und alle miteinander stellen sie ein Gleichgewicht her.
Für mich ist es ein sehr angenehmes Bild. Die Figuren haben keine Persönlichkeit, was meines Erachtens auch unwichtig ist. Wichtig ist für mich, dass die Farben Ausdruck haben und Kraft und Stärke ausstrahlen. Sie passen ausgezeichnet zusammen.
4. Stilleben
4.1 Überblick
Die Stilleben Cezannes wirken außerordentlich einfach. Fast immer scheint es so, als wollten z. B. die Apfel dem Betrachter entgegenrollen, als fielen sie in jedem Moment aus dem Bild. Cezanne malte auch Stilleben in Aquarelltechnik.
So wie Cezanne die Badenden anordnet, so gruppiert er auch die Früchte in seinen Stilleben. Auch diese sind keine naturgetreue Wiedergabe von Geschehenem. Die Bildgegenstände erscheinen meist in geradezu greifbarer Plastizität. Bevorzugtes Motiv seiner Stilleben sind Früchte.
Die auffälligste Eigenart seiner Stilleben liegt jedoch in der Kombination unterschiedlicher Perspektiven. Tischkanten, die von Draperien unterbrochen werden, laufen nach oben oder nach unten versetzt weiter. Krüge oder Gläser werden frontal und zugleich in Draufsicht wiedergegeben, Tischplatten wirken wie hochgeklappt.
Auch bei den Stilleben orientierte sich Cezanne also nicht an den Gesetzen der Realität, sondern gestand seinen Bildern eigene Gesetze zu.
4.2 Bildanalyse: "Die blaue Vase" (1885-1887)
Man sieht eine Vase aus blauem Glas mit weitem Hals auf hellem Untergrund stehen. Dahinter steht ein weißer Teller, der durch die Vase verdeckt ist.
Die Blumen sind nur schwer zu erkennen, offensichtlich handelt es sich aber um violette Iris (Blume links oben) umgeben von anderen Blumen, darunter Alpenveilchen und Geranien. Im Gegensatz zu seinen Künstlerkollegen interessierte sich Cezanne nie besonders für derartige Motive.
Die blaue Vase hebt sich vor dem weißen Teller ab. Sie verschmilzt mit dem Blau der Wand, als wolle sie vollkommen darin eintauchen.
Die Apfel liegen genau in einer Flucht, einer berührt fast die Vase, die beiden anderen am Bildrand liegen dicht nebeneinander.
Im Hintergrund steht neben dem weißen Teller eine klein braune Flasche mit Etikette. Die Harmonie der Farben ist bewundernswert.
Jeder Gegenstand scheint eine eigene Rolle zu spielen.
In dieser Komposition hat jeder Gegenstand einen eigenen Platz.
Die blaue Vase scheint sich bewegen zu wollen, da sie nicht gerade steht, sondern nach links geneigt ist. Sie scheint alle Blicke auf sich zu ziehen. Sie wirkt im Gegensatz zu den anderen Gegenständen kunstvoll, prächtig, so als wolle sie durch ihre Größe den anderen sagen: "Seht mich an, wie schön ich bin!"
Die Blumen scheinen schwer zu werden, sie haben ein umfangreiches Volumen und ergänzen sich perfekt zur Vase, als ob beide, Blumen und Vase, miteinander verbunden und nicht mehr auseinanderzubringen wären. Die Vase ist von den Blumen abhängig und umgekehrt. Beide brauchen einander. Zusammen erzeugen sie Kraft und strahlen auch Harmonie aus.
Die Vase scheint Einfluss auf die Apfel zu haben. Der kleine, rote Apfel liegt sehr direkt neben der Vase. Er wirkt hilflos, vielleicht hat er Angst vor den anderen Apfeln, die größer sind, und sucht neben der Vase Schutz. Der orangene und der gelbe Apfel scheinen sich vom kleinen Apfel und von der Vase abzusetzen, als ob sie kein Interesse an der blauen Vase hätten.
Hinter der Vase ist ein weißer Teller, der etwas von der blauen Vase verdeckt wird, sich aber dagegen nicht wehren kann.
Die Gegenstände sind in ruhiger Position, sie können ihre Lage nicht verändern, sie scheinen bewegungslos zu sein. Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein.
Man kann sagen, dass bestimmte Gegenstände sehr direkt beieinander liegen, wie zum Beispiel die blaue Vase und der kleine, rote Apfel oder die beiden größeren Apfel oder der Teller mit dem braunen Gefäß. Mit anderen Worten: In diesem Bild scheint es drei Gruppen zu geben. Die eine Gruppe ist die dominierende, die blaue Vase und der kleine Apfel. Die zweite Gruppe sind die beiden anderen Apfel, die dicht aneinander kleben und gar nicht getrennt werden möchten. Die dritte Gruppe sind der weiße Teller und das braune Gefäß neben ihm, wobei auffällt, dass das Gefäß in einer anderen Perspektive als der Teller erscheint, nämlich weiter hinten, aber dennoch in fast derselben Größe wie der orangene Apfel.
Man kann einen Rhythmus spüren. Die Wand ist links dünkler als rechts. Die Farben verschmelzen miteinander. Sie scheinen sich zu vertragen, strahlen Harmonie aus. Die Blumen zeigen sich von ihrer besten Seite, sie sind bunt und gesund, denn das Licht gibt ihnen Kraft. Sie scheinen einen starken Überlebensinstinkt zu haben. Auch sie verschmelzen miteinander und kommunizieren miteinander. Der helle Tisch lässt den Raum größer erscheinen.
Das Bild ist angenehm. Man könnte sagen, es ist ein Gemälde, das Ausdruck hat.
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