Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Warum ich dieses Thema ausgewählt habe
Otto von Bismarck - Kurzbiografie
Anton von Werner - Kurzbiografie
Bildanalyse
Die Geschichte der Bilder
Schlossfassung
Primäres Sujet
Sekundäres Sujet
Gehalt
Friedrichsruher Fassung
Primäres Sujet
Sekundäres Sujet
Gehalt
Vergleich
Ergebnis
Literaturverzeichnis
Anhang
Schlossfassung (1877):
Friedrichsruher Fassung (1885):
Danksagung
Erklärung
Einleitung
Ich habe mich entschieden, eine Facharbeit im Fach Geschichte zu schreiben, da es mir viel Spaß macht, mit geschichtlichen Quellen zu arbeiten und diese zu interpretieren. Insbesondere interessiere ich mich hierbei für die deutsche Geschichte der Neuzeit. In diesem Zusammenhang habe ich Bismarck herausgegriffen, da dieser einer der größten Charaktere der deutschen Geschichte und einer der fähigsten Politiker der Welt gewesen ist. In dieser Facharbeit will ich nun seine Bedeutung für die Reichsgründung Deutschlands am 18. Januar 1871 in Versailles herausarbeiten. Dazu habe ich exemplarisch zwei Bilder von Anton von Werner ausgewählt, die ich gegenüberstelle. Doch zuvor stelle ich kurz Otto von Bismarck und Anton von Werner anhand ihrer Biografien vor.
Otto Eduard Leopold von Bismarck wurde am 1. April 1815 in Schönhausen im heutigen Sachsen-Anhalt als Sohn von Ferdinand und Wilhelmine geboren. Seine Schulzeit verbrachte er in Berlin. Ab 1822 besuchte er die Plamannsche Erziehungsanstalt, die er 1827 verließ, um zum Friedrich-Wilhelm-Gymnasium zu wechseln. Da er sich dort nicht wohl fühlte, wechselte er 1830 erneut und besuchte nun das Gymnasium zum Grauen Kloster. Dieses schloss er 1832 mit dem Abitur ab, wobei er die Überzeugung gewonnen hatte, "dass die Republik die vernünftigste Staatsform sei" .
Danach begann er auf Wunsch seiner Mutter ein Jurastudium an der Göttinger Universität. Dort erhielt er aufgrund seines Aussehens den Spitznamen "Fuchs Rabenmark"[2] und trat der exklusiven Studentenverbindung Corps Hanovera bei. Aufgrund seines verschwenderischen Lebensstiles immatrikulierte er sich 1834 an der Berliner Universität, da er sich das Leben in Göttingen nicht mehr leisten konnte.
Nach seinem Abschluss 1835 wurde er Gerichtsreferendar und Beamter in Aachen. Weil er dort in Ungnade gefallen war, musste er im Frühjahr 1838 seinen einjährigen Militärdienst bei einem Jägerbataillon in Berlin antreten. 1839 übertrug sein Vater ihm dann die Verwaltung des Gutes in Pommern. In dieser Zeit machte er überwiegend durch verschiedene Eskapaden auf sich aufmerksam.
Nach verschiedenen Liebschaften entschloss er sich 1847, Johanna von Putkammer zu heiraten. Im selben Jahr wurde er Mitglied im preußischen Vereinigten Landtag, wo ihm aufgrund seiner Angriffe auf den liberalen Politiker Georg von Vincke der Spitzname "Vincke-Quäler"[3] gegeben wurde.
Während der 1848er Revolution versuchte er den König von seiner Idee zu überzeugen, Berlin vom Militär besetzen zu lassen und so die Ordnung wiederherzustellen, aber der König lehnte dies ab. Zu dieser Zeit war nichts mehr von seiner Meinung aus dem Jahre 1832 zu sehen. Er sah es als seine Pflicht an, "die Monarchie vor der Revolution zu retten"[4]. Nachdem die Revolution gescheitert war, wurde er 1849 Mitglied der Zweiten Preußischen Kammer und 1851 ernannte man ihn zum Gesandten Preußens beim Frankfurter Bundestag. Schon im Sommer desselben Jahres wurde er von Metternich, der immer noch die Politik des Bundes mit Interesse verfolgte, zu einem Treffen eingeladen, obwohl er 1848 zurückgetreten war. 1852 musste er den preußischen Botschafter in Österreich für einen Monat vertreten und lernte dort Kaiser Franz Joseph kennen. Während seiner Zeit als Gesandter unternahm er mehrere Reisen nach Frankreich und knüpfte dort Kontakte zu verschiedenen Politikern.
1859 wurde er von Graf Usedom als Gesandter abgelöst, er selber trat seinen Dienst als Gesandter in St. Petersburg an. Dort brach zum ersten Mal ein Nervenleiden aus, das auch körperliche Einschränkungen zur Folge hatte. Dies zwang ihn auch in den folgenden Jahren immer wieder zu Kuraufenthalten.1862 versetzte man ihn nach Paris, so dass er die Politik aller europäischen Großmächte - außer England - studieren konnte.
Aber schon im selben Jahr kam es zwischen dem Parlament und dem seit 1861 amtierenden König Wilhelm I. zu Auseinandersetzungen über eine Heeresreform. Der König wollte bereits abdanken, aber der Minister Roon schickte ein Telegramm an Bismarck: "[.] Periculum in mora"[5]. Daraufhin fuhr Bismarck nach Berlin und bot ihm den Dienst als Vasall an und wollte ohne das Parlament regieren. So wurde er zum preußischen Ministerpräsidenten ernannt. 1866 überlebte er dank einer kugelsicheren Weste ein Revolverattentat auf offener Straße.
Wegen des Streits um Schleswig-Holstein brach in diesem Jahr auch der Deutsch-Deutsche Krieg zwischen Preußen und Österreich aus, den Bismarck schon länger geplant hatte. Nachdem Österreich besiegt worden war, wurde er ein Jahr später Kanzler des Norddeutschen Bundes, an dessen Verfassung er maßgeblich mitgewirkt hat. Diesem gehörten 22 Staaten und freie Städte nördlich der Mainlinie an. Doch die süddeutschen Staaten wollten ihre Souveränität nicht aufgeben und Frankreich hatte Angst vor einem vereinigten Deutschland. So nutzte Bismarck 1870 den Streit um den Thronfolger Spaniens um einen Krieg zwischen dem Norddeutschen Bund und Frankreich durch eine veränderte Depesche zu provozieren. Entgegen allen Erwartungen schlossen sich auch die süddeutschen Staaten dem Bund an. Die aufgrund der Erfolge im Krieg positive Stimmung nutzte Bismarck, um einen Nationalstaat zu formen. Nach der Reichsgründung 1871 ernannte man ihn zum Reichskanzler. Dieser war nur vom Vertrauen des Kaisers abhängig, nicht vom Reichstag.
Innenpolitisch führte er einen Kampf gegen die katholische Kirche, den Kulturkampf, und verbot die Sozialdemokratie. Durch diese Maßnahmen stärkte er aber nur die SPD und das Zentrum. Während seiner Amtszeit entwickelte er ein ausgeklügeltes Bündnissystem, das Frankreich isolierte. Obwohl er mit Wilhelm I. einige Meinungsverschiedenheiten hatte, kam es erst unter Wilhelm II., der 1888 inthronisiert wurde, zu ernsthaften Konflikten, in dessen Folge Bismarck 1890 abdankte. Danach wandte er sich in Reden und Artikeln gegen den "Neuen Kurs" Wilhelms II.
Am 30. Juli 1898 starb er im Alter von 83 Jahren auf seinem Gut Friedrichsruh im Sachsenwald.[6]
Anton von Werner wurde am 09.05.1843 in Frankfurt/Oder geboren. Er studierte Malerei an der Berliner und Karlsruher Universität und verbrachte drei Studienjahre in Frankreich und Italien. Auf Einladung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen beobachtete er das siegreiche Ende des Deutsch-Französischen Krieges. Zudem wurde er zur Reichsgründung nach Versailles eingeladen, die er zum Gegenstand seines bekanntesten Gemäldes machte.
1875 ernannte man von Werner zum Direktor der Hochschule für bildende Künste, wo er umfangreiche Reformen einleitete. Dieses Amt hatte er bis 1915 inne. Zudem stand er in engem persönlichem Kontakt zur Familie des Kronprinzen. Kronprinzessin Victoria wurde sogar Taufpatin seines erstgeborenen Sohnes. Fortan konzentrierte er sich auf historische und politische Gemälde (z.B. "Die Eröffnung des Reichstags durch Wilhelm II."), die zwar von einem geringen künstlerischen Wert sind, jedoch durch ihre Exaktheit bis heute von Interesse sind.
Anton von Werner war einer der einflussreichsten Kulturfunktionäre im Reich Wilhelm II. und hatte Einfluss auf dessen konservative Politik. Doch die modernen Einflüsse setzten sich immer mehr durch, so dass er zum Schluss als "Vertreter einer erstarrten und überholten Kunstauffassung"[7] galt. Am 04.01.1915 starb er in Berlin.
Von dem Gemälde 'Die Proklamation des Deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal zu Versailles am 18. Januar 1871' existieren zwei verschiedene Fassungen. Die so genannte "Schlossfassung" wurde 1877 als Geschenk der deutschen Fürsten zum 80. Geburtstag Kaiser Wilhelms fertig gestellt und befand sich im Berliner Stadtschloss, das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde und dann von den Sowjets gesprengt wurde. Sie gilt also als Kriegsverlust. Daher ist diese Fassung nicht so bekannt wie die zweite Fassung, die nach dem Gut Bismarcks, wo sie sich auch heute noch befindet, "Friedrichsruher Fassung" genannt wird. Die kaiserliche Familie schenkte Bismarck dieses Bild 1885 zu dessen 70. Geburtstag, wobei der Kaiser Einfluss auf die Gestaltung des Bildes genommen hat. Im Anhang befindet sich eine Kopie beider Bilder, wobei ich die schlechte Qualität der ersten Fassung zu entschuldigen bitte, da das Bild mir nur in einem sehr großen und ungenormten Format vorlag, so dass ich das Bild nicht einscannen, sondern nur abfotografieren konnte.
Das Bild ist ein Gemälde von Anton von Werner, das 1877 entstand. Es liegt mir leider nur eine schwarz-weiße Kopie vor, da das Original im 2. Weltkrieg verloren ging und Farbfotos damals zwar schon vorhanden, aber noch nicht weit verbreitet und sehr teuer waren.
Auf dem Bild ist ein großer Saal zu sehen, in dem sich eine große Anzahl von Soldaten befindet, die meist eine dunkle Uniform tragen. Diese stehen durcheinander und drängen sich um eine Bühne, auf dem verschiedene Männer versammelt sind, ebenfalls in Uniform, aber relativ geordnet. In deren Mitte steht ein Mann mit grauem Vollbart, auf den eine andere Person mit der Hand zeigt. Zwischen diesen beiden Gruppen steht eine Person, die ein Blatt in der einen Hand hält, sonst aber nicht weiter auffällt, da sie genauso gekleidet ist wie die anderen Soldaten. Er hält seinen Helm aber ebenfalls in der Hand wie der Mann mit dem grauen Vollbart. Im Hintergrund haben einige Menschen ihre Helme in die Luft gehoben. Des Weiteren fallen die vielen verschiedenen Flaggen hinter der Bühne und die großen Spiegel im Hintergrund auf, durch die eine feierliche Atmosphäre vermittelt wird.
Auf diesem Bild wird die Proklamation des Deutschen Reiches im Spiegelsaal des Schlosses Versailles im Jahr 1871 dargestellt. Die Soldaten, die den größten Teil des Bildes ausmachen, sind die siegreichen Generäle und Offiziere des Deutsch-Französischen Kriegs und führende Politiker in Uniform. Durch das Hochreißen ihrer Helme signalisieren sie ihre Zustimmung zur erfolgten Proklamation. Die Person in der Mitte der Bühne kann man als den neuen Kaiser Wilhelm I. erkennen, der von seinem Sohn und Kronprinzen Friedrich Wilhelm durch dessen Geste in den Mittelpunkt gestellt wird. Die Männer, die mit Kaiser Wilhelm auf der Bühne stehen, sind die Fürsten der einzelnen deutschen Staaten. Zwischen der Bühne und den Soldaten steht Bismarck, ebenfalls in Uniform, obwohl er eigentlich Zivilist ist. In der Hand hält er ein Blatt, auf dem der Text geschrieben steht, den er zur Proklamation gerade vorgelesen hat. Die Fahnen im Hintergrund sind die Banner der einzelnen Armeeteile, die im Deutsch-Französischen Krieg gekämpft haben. Diese mussten sich auf Befehl des neuen Kaisers ganz dicht hinter ihn stellen.
Auf dem Bild kann man eine deutliche Unordnung erkennen, die durch die Spontaneität des Ereignisses hervorgerufen wird. So wusste von Werner gar nicht, welches Ereignis er beobachten würde. Zudem scheint er von der schlichten Form der Proklamation enttäuscht, da er viele dunkle Schattierungen benutzt. Dies könnte man aber nur anhand einer Farbkopie genauer untersuchen, da die Farbwahl eine wichtige Rolle zur Unterstützung dieser These ist.
Die Rolle Bismarcks bei der Reichsgründung wird in diesem Bild falsch in Szene gesetzt. Er hatte entscheidenden Anteil an der Einigung des Reiches, doch er nimmt eher eine Randposition ein, er ist nur ein Soldat unter vielen. Diese Position kann einen politischen Hintergrund haben. Das Bild wurde 1877 als Geschenk für den Kaiser erstellt. Im März dieses Jahres kam es zur so genannten "Kanzlerkrise", als Bismarck dem Kaiser seinen Rücktritt androhte, falls dieser nicht General von Stosch entlasse. Diese Krise kam zwar zu spät, um noch Einfluss auf das Bild auszuüben, da das Bild auch im März zum Geburtstag Wilhelms fertig gestellt wurde, doch es gab höchstwahrscheinlich im Vorfeld schon Auseinandersetzungen zwischen den beiden Männern.
Die Proklamation ist auch ein Rückgriff auf das Mittelalter. Genau wie dort wird der neue Herrscher in Deutschland durch die Fürsten ausgerufen. Er wollte ebenso wie sein Vater nicht durch das Volk eingesetzt werden, sondern die Kaiserwürde nur durch einen anderen Fürsten angetragen bekommen. Auch bei der Berufung Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten gab es einen Rückgriff auf das Mittelalter. Bismarck sah sich als Vasall seines Lehnsherrn König Wilhelm.
Bismarck wirkt ebenso wie der Kaiser grimmig und durch das feierliche Ereignis gar nicht bewegt. Dies liegt an Unstimmigkeiten zwischen diesen beiden Männern im Vorfeld der Proklamation über den Titel des Kaisers. Der Titel "Kaiser von Deutschland" wäre einer Enteignung der in Deutschland herrschenden Fürsten gleichgekommen, da somit die Unterteilung in einzelne Fürstentümer, die auch weiterhin bestehen bleiben sollte, wenn auch als Bundesstaat und nicht mehr als Staatenbund, aufgehoben worden wäre. Bismarck bevorzugte den Titel "Deutscher Kaiser", den er auch in seiner Autobiografie verwendet. Sein offizielles Statement dazu lautete jedoch: "Nescio quid mihi magis farcimentum esset"[10]. Wilhelm bezeichnete diesen Titel als Titel eines "Charaktermajors" , also als Titel ohne Macht und besondere Rechte. Doch es musste der Titel "Kaiser" eingeführt werden, da sonst die Könige von Bayern, Sachsen und Württemberg ihre Titel hätten niederlegen müssen. Der Großherzog von Baden, der den Kaiser hochleben lässt, entledigte sich dieses Problems, indem er weder den "Deutschen Kaiser" noch den "Kaiser von Deutschland" ausrief, sondern nur "Kaiser Wilhelm".
Trotzdem übertrug Wilhelm Bismarck die Aufgabe, die Proklamation zu verlesen, die jedoch in der ersten Person aus Wilhelms Perspektive geschrieben war.
Der Betrachter steht außerhalb der eigentlichen Szenerie. Er ist auf einer Ebene mit den Soldaten, die den Kaiser bejubeln. Dies bringt die Stellung des Malers zum Ausdruck. Er wurde vom Kronprinzen eingeladen und war auch nur von diesem erwünscht. Viele andere waren der Auffassung, dass "ein Zivilist bei solchen Zeremonien nichts zu suchen" habe. Dieser militärische Charakter hat auch das Bild des gesamten 2. Reiches im In- und Ausland bis zum ersten Weltkrieg geprägt. So befand sich auch der spätere Generalfeldmarschall und Reichspräsident von Hindenburg unter den Zuschauern. Das gemeine Volk hatte keinen Zugang zu dieser Veranstaltung, obwohl die Einigung des deutschen Volks die Ursache für die Reichsgründung gewesen ist.[12]
Das Bild zeigt einen großen Saal, in dem sich eine Vielzahl von Personen befindet, die sich um ein Podest versammelt haben, auf welchem drei Personen im Vordergrund und mehrere im Hintergrund stehen. Die große Menschenmenge, die Farbenvielfalt und der imposante Saal erwecken den Eindruck einer feierlichen Atmosphäre. Auffallend ist, dass alle Personen eine militärische Uniform tragen und zum Großteil bewaffnet sind. Die Menschen im Hintergrund halten ihre Schwerter und Helme in die Luft, während die Personen im Vordergrund ihre Schwerter zu Boden gerichtet und die Helme in der Hand halten. Die Person rechts auf dem Podest hat seine rechte Hand erhoben. Zwei Personen treten besonders aus der Menge heraus. Der Mann in der Mitte des Podests wird durch seine Position im Raum besonders betont, die Person mit der weißen Uniform durch die Farbe seiner Uniform und seiner Position im Bildzentrum. Hinter dem Podest befinden sich mehrere Flaggen. Im Hintergrund kann man zwei riesige Spiegel erkennen, in denen sich drei Fenster spiegeln.
Das Bild zeigt die Proklamation des Deutschen Kaiserreichs im Jahr 1871 im Spiegelsaal des Schlosses Versailles. Die Person im Zentrum des Bildes kann man aufgrund seines Gesichts als Bismarck identifizieren, auf dem Podest stehen von links nach rechts Kronprinz Friedrich Wilhelm, der neuen Kaiser Wilhelm I. und der Schwiegersohn Wilhelms, der Großherzog von Baden. Die Männer im Hintergrund, die mit Kaiser Wilhelm auf der Bühne stehen, sind die Fürsten der einzelnen deutschen Staaten. Rechts von Bismarck kann man noch den kommandierenden General von Moltke und den Kriegsminister Roon erkennen. Die Geste des Großherzogs ist ein Zeichen für die erfolgende Akklamation des Kaisers und ein darauf folgendes Hochleben desselben. Das Ziehen der Waffen der Soldaten im Hintergrund ist als Reaktion darauf zu verstehen. Während die meisten Personen fröhlich sind, gucken der neue Kaiser und Bismarck eher ernst. Die Fahnen im Hintergrund sind die Banner der einzelnen Armeeteile, die im Deutsch-Französischen Krieg gekämpft haben.[13]
In diesem Bild werden die Prinzipien des Deutschen Reiches unter Bismarcks Kanzlerschaft und dessen Mitwirken an der Reichsgründung deutlich. Da dieses Bild 14 Jahre nach der Reichsgründung gemalt wurde, kann und muss man auch das politische Wirken Bismarcks bis 1885 mit einbeziehen.
Bismarck ist aufgrund seiner Position und seiner Kleidung eindeutig Mittelpunkt des Ereignisses. Er war es, der aufgrund seiner Politik Österreich aus dem Deutschen Bund verdrängt hat und somit den Weg zur Reichseinigung freigemacht hat. Nachdem Österreich 1866 bei Königgrätz entscheidend besiegt worden war, musste Österreich seine Einflussnahme auf die süddeutschen Staaten zurückziehen und Preußen die Gründung des Norddeutschen Bundes erlauben. Doch bis zur Gründung des Deutschen Reichs war es noch ein langer Weg, da Frankreich erbitterten Widerstand gegen ein Deutsches Reich leistete. So kam es zum Deutsch-Französischem Krieg von 1870/1871, den Bismarck durch eine veränderte Depesche provozierte. An der Seite des Norddeutschen Bundes kämpften ebenfalls die süddeutschen Staaten. Im Verlauf des Krieges wurde auch der französische Kaiser Napoleon III. bei Sedan gefangen genommen. Nachdem Frankreich besiegt worden war, war der Weg frei für die Reichsgründung.
Nach dem Deutsch-Deutschen Krieg konnte sich Bismarck noch mit seiner Forderung, den Gegner nicht durch einen Triumphzug durch Wien zu demütigen, durchsetzen, doch mit der Kaiserkrönung im Spiegelsaal zu Versailles wurden die Franzosen bis aufs äußerste gedemütigt, was eine der Ursachen für den Ausbruch des ersten Weltkriegs war. Deshalb wurde auch der Friedensvertrag der Alliierten mit Deutschland nach dem ersten Weltkrieg in Versailles ausgehandelt. Jedoch verzichtete der Kaiser auf einen Triumphzug durch Paris, sondern nahm zusammen mit Bismarck, Roon und von Moltke eine Parade in Longchamps ab.
Der Kriegsminister Roon wurde auch abgebildet, obwohl er am Tag der Proklamation wegen Krankheit gar nicht anwesend war. Denn dieser hatte genauso wie General von Moltke einen großen Anteil am Sieg Deutschlands über Frankreich, da er einen schnellen Sieg zu erreichen suchte, um eine Einmischung der neutralen Staaten zu verhindern.
Die Einigung des Reiches wird auch durch die Monarchen auf dem Podest deutlich. Der neue Kaiser steht für den Norddeutschen Bund, während der Großherzog die süddeutschen Staaten repräsentiert. Dies soll die neue Zusammengehörigkeit symbolisieren, die durch das neue Reich zum Ausdruck kommt.
Wilhelm I. und Bismarck können sich aber nicht richtig freuen, da es Streitigkeiten über den Titel Wilhelms I. gegeben hatte, wie schon im Gehalt der ersten Fassung beschrieben wurde. Zudem war der Kaiser traurig, dass das preußische Königtum "begraben"[14] wurde. Es gefiel ihm nicht, dass das Volk die Ernennung Wilhelms zum Kaiser so vehement forderte. Diese Meinung vertrat auch sein Vorgänger Friedrich Wilhelm, der 1848 die ihm durch die Nationalversammlung angebotene Kaiserkrone ablehnte, da er kein Kaiser von "Volkes Gnaden" werden wollte. Deshalb überredete Bismarck Graf Holstein von Bayern Wilhelm die Kaiserkrone anzubieten. Ebenfalls spielen die oben aufgeführten Streitigkeiten über den Titel Wilhelms eine Rolle. Aus diesen Gründen schaut der Kaiser auf dem Bild über Bismarck hinweg.
Auch die Perspektive ist wichtig. Da der Betrachter auf Augenhöhe mit der Szenerie steht, wird er in das Geschehen mit eingebunden. Es wirkt ein bisschen wie eine moderne "Boulevardillustrierte"[16], die auch so nahe wie möglich an die Machthaber heranführen will. Dies ist aus der damaligen politischen Lage heraus sehr ungewöhnlich, da in Versailles, wie auf dem Bild zu sehen ist, nur Militärs anwesend waren.
Zwar stellt die erste Version das Ereignis historisch genauer dar, doch die zweite Fassung stellt die historische Bedeutung der Personen besser heraus. So gab es im Spiegelsaal kein Podest, auf dem sich der Kaiser hätte befinden können, sondern nur eine einfache Erhöhung wie auf der ersten Fassung zu sehen ist. Zudem trug Bismarck an diesem Tag eine blaue und keine weiße Uniform. Auch wurde der Kriegsminister Roon eingefügt, der während der Proklamation wegen Krankheit abwesend war. Durch diese drei wesentlichen Veränderungen werden in der zweiten Version Kaiser Wilhelm, Bismarck, Roon und von Moltke herausgestellt. Sie heben sich nun deutlich von der breiten Masse der anwesenden Soldaten und Fürsten ab. So wird auch ein Bezug zu den in der damaligen Zeit populären Reichsgründungsdenkmäler hergestellt, auf denen Bismarck, Roon und von Moltke dargestellt werden. Daher wirkt die zweite Version wie eine Reparatur der ersten, missglückten Fassung. Sie wurde politisch überarbeitet, so dass schließlich der Kaiser und Bismarck zufrieden waren.
Auch die unterschiedlichen Perspektiven sind wichtig. Hier ist auch die erste Version die historisch Korrekte und die zweite Fassung politisch korrigiert. Nach seinen Angaben, von wo aus er Bismarck nicht verstehen konnte, er muss also ein ganzes Stück entfernt gewesen sein. Dies ist auch durch den militärischen Charakter der Proklamation begründet, an der der "Zivilist" von Werner nur bedingt teilnehmen durfte. Durch die zweite Fassung wird der einfache Bürger mehr in den Mittelpunkt des Ereignisses gerückt. Zudem hatte Bismarck nicht das beste Verhältnis zum Militär. Er versuchte während der Schlachten häufig Einfluss zu nehmen, obwohl er nur den Pflichtwehrdienst geleistet hatte. Im Gegenzug probierten die hohen Offiziere ihn von Friedensverhandlungen, wie z.B. nach dem Deutsch-Deutschen Krieg, auszuschließen. Da dieses Gemälde als Geschenk für Bismarck gedacht war, ist es anzunehmen, dass der Kaiser als Auftraggeber Bismarck nicht an diese Probleme erinnern wollte.[18]
Bei meinen Recherchen bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass Bismarck entscheidenden Anteil an der Reichsgründung 1871 hatte. Er hat durch die Provokation der drei Reichseinigungskriege (Deutsch-Dänischer, Deutsch-Deutscher und Deutsch-Französischer Krieg) gegen den Widerstand vieler hoher Generäle und oft auch gegen den des Königs die Vorraussetzung für die Einheit Deutschlands geschaffen.
Für König Wilhelm war ein starkes Preußen wichtiger als ein vereinigtes Deutschland, so dass er erst einmal von den Vorteilen überzeugt werden musste. Nach der 1848er Revolution versuchte die Frankfurter Nationalversammlung einen kleindeutschen Nationalstaat zu gründen. Dies scheiterte jedoch an der ablehnenden Haltung des damaligen preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. Daran erkennt man, dass es einer sehr starken Persönlichkeit bedurfte, um die deutsche Einheit zu verwirklichen. Auch wenn er nicht immer sehr diplomatisch vorgegangen ist, konnte er doch seine Ziele verwirklichen und schaffte es, die europäischen Großmächte in ein Netz zu Gunsten von Preußen und Deutschland einzuspinnen.
Zudem war es sein persönlicher Verdienst, dass Russland sich nicht in den Deutsch-Deutschen und den Deutsch-Französischen Krieg eingemischt hat, da er Preußen davon abgehalten hat, sich in den Krimkrieg einzuschalten. Außerdem bestand durch Bismarcks Tätigkeit als Gesandter in St. Petersburg ein gutes Verhältnis zwischen Preußen und Russland.
Literaturverzeichnis
Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen
Busch, Moritz: Bismarcks große Tage, Holzminden 11990
Chronik Verlag: Chronik der Deutschen, Dortmund 11983
Gall, Lothar: Korken auf dem Strom der Zeit. Damals 2 (2003), S. 15 - 22
Gall, Lothar / Jürgens, Karl-Heinz: Bismarck Lebensbilder, Bergisch-Gladbach 11990
http://www.deutsche-schutzgebiete.de/bismarck.htm (08.12.2002)
http://www.kaiserinfriedrich.de/wernerbio.html (30.01.2003)
Kries, Andreas: Unterrichtsvorbereitung
Palmer, Alan: Bismarck, Düsseldorf 11976
Panofsky, Erwin: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, Köln
Schmidt, Hans-Günther: Historienmalerei als Quelle
Vyleta, Daniel: Schock bei Sadowa. G Geschichte 3(2002), S. 14 - 17)
Walter, Dierk: Ein Blick hinter die Legenden. Damals 2(2003), S. 30 - 35
Zentner, Christian: Illustrierte Geschichte des deutschen Kaiserreichs, München 11983
Danksagung
Ich möchte mich bei Herrn Nacken bedanken, der mir einige Bücher und Zeitschriften zur Verfügung gestellt hat, bei Stefan Jacobs, Melanie Königshausen und Christian Teske, bei denen ich über eBay je ein Buch ersteigert habe, bei Herrn Schnitzler, der mir während meiner Berufsorientierungswoche die Zeit dazu gab, an meiner Facharbeit zu arbeiten, bei meinem Vater, der diese Facharbeit ausgedruckt hat und bei meinem Computer, der mich während meiner Arbeit nicht im Stich gelassen hat.
Erklärung
Ich erkläre, dass ich diese Facharbeit eigenständig angefertigt und nur die im Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
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