Die Entwicklung des Rittertums
Durch die Kreuzzüge und die Gründung der Ritterorden fand der fehdenliebende
Adel sowohl im christlich motivierten Kampf gegen die Heiden als auch in der
beginnenden Ostkolonisation neue Betätigungsfelder. Diese Vorgänge
beschleunigten die Ausformung des abendländischen Rittertums als Stand und
Kultur.
Die Anfänge des Rittertums reichen wahrscheinlich bis in das Frankenreich
zurück, das die arabischen Reiterheere militärstrategisch nur durch Ritter,
also Kämpfer zu Pferde, abwehren konnte. Der Ausbildungs- und
Ausstattungsaufwand der Ritter erforderte nicht nur Eigenbesitz, sondern
begründete auch ein rechtliches und soziales System zwischen Lehnsherr und
Vasall (Ministeriale, Ritter). Die eigentliche Ausbildung des europäischen
Rittertums als sich gegenüber den Bauern abgrenzender Stand mit eigenem
elitären Ethos erfolgte vom 12. bis zum 14. Jahrhundert durch die Erfahrungen,
die in den Kreuzzügen gemacht wurden. Sozioökonomische Bedingungen der
mittelalterlichen Gesellschaft lieferten die Beweggründe für diese Entwicklung.
Der Soziologe Norbert Elias analysiert die Hintergründe in seinem Werk »Über
den Prozeß der Zivilisation«: »Die Spannungen im Innern dieser Gesellschaft
kamen nicht nur als Verlangen nach Boden und Brot zum Ausdruck. Sie lasteten
als seelischer Druck auf dem ganzen Menschen. Die Kirche gab dem Kampf um neue
Böden einen umfassenden Sinn und eine Rechtfertigung«. Dieser theologischen
Sinngebung entsprach die Idealisierung, die das ritterliche Leben in der
höfischen Kultur fand. Dabei spielten die »êre« (das Ansehen in der
Gesellschaft) sowie die »maze« (die zuchtvolle Lebensform) eine prägende Rolle
im Tugendkanon der Ritter.
Den Niedergang des mittelalterlichen Rittertums im 15. Jahrhundert begleiteten
durch Ritterbünde formulierte reichsrechtliche sowie wirtschaftliche und
soziale Ansprüche, die in der doppelten Frontstellung gegenüber Landesfürsten
und Städtebünden nicht durchgesetzt werden konnten.
Trotz des ritterlichen Alltags, in dem »die Frauen wenig geachtet und viel
geschlagen wurden« (Arno Borst), lebte die höfisch-ritterliche Kultur im
Minnesang weiter, in dem der Ritter die »frouwe« als schöne Herrin kultisch
verehrte. »Das alte ritterliche Ideal bewahrte seine Strahlkraft bis weit in
die Neuzeit« (Horst Fuhrmann). Das moderne Kavalierstum sucht an die
idealisierte Fiktion des in der Selbstbeherrschung aufgelösten
Geschlechtergegensatzes anzuknüpfen.
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