Die Bestimmung der USA
In seinem Bericht zur Lage der Nation am 29. 1. 1991 erklärte der
US-amerikanische Präsident George Bush im Zusammenhang mit dem Golfkonflikt:
»Seit 200 Jahren dienen die USA der Welt als leuchtendes Beispiel für Freiheit
und Demokratie. () Wir haben eine einzigartige Verantwortung, die harte
Arbeit der Freiheit zu leisten.«
Die von George Bush so skizzierte Bestimmung der USA, als Vorkämpfer der
internationalen Staatengemeinschaft für Freiheit und Demokratie einzutreten,
hat ihre Wurzeln im Entstehungs- und Gründungsprozeß der Vereinigten Staaten.
Schon jene Gruppe der Pilgerväter, die am 22. 12. 1620 mit der Mayflower nach
Amerika kam, verband in ihrem puritanischen Weltbild den persönlichen
Heilsglauben mit dem Bewußtsein der Auserwähltheit. Auch in der
Unabhängigkeitserklärung vom 4. 7. 1776 wird mit dem Hinweis »auf den Schutz
der göttlichen Vorsehung« jenem religiös motivierten Weltbild Rechnung
getragen.
Im Bewußtsein der Auserwähltheit begann die Expansion in die unbesiedelten
Gebiete des Westens, die mit der Verdrängung und Vernichtung der indianischen
Urbevölkerung einherging. Der Mythos der »frontier«, der offenen Grenze nach
Westen, an dem sich Pioniergeist und Abenteuerlust beweisen mußten, bildete
dabei eine entscheidende Antriebskraft für das Werden des neuen Staates.
Als Rechtfertigung für das territoriale Ausgreifen der USA wurde im 19.
Jahrhundert der Begriff »manifest destiny«, was soviel wie offensichtliche
Bestimmung bedeutet, in die politische Diskussion eingeführt. Dieser schnell
zur Leitvorstellung der US-amerikanischen Politik werdende Terminus beinhaltete
den Gedanken an die von Gott gestellte Aufgabe, die Vorstellung von einer
idealen Gesellschaft zu verwirklichen. Dadurch wurde implizit der Anspruch
erhoben, eine besondere Stellung gegenüber anderen Staaten zu haben. Sowohl die
Annexion Texas' 1845, der Kauf Alaskas 1867 sowie der Krieg gegen Spanien um
Kuba, Puerto Rico und die Philippinen 1898 fanden ihre ideologische
Rechtfertigung in diesem Begriff. Auch der Aufstieg der USA zur Weltmacht im
20. Jahrhundert war von politischen Visionen begleitet.
Das von George Bush im Zusammenhang mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes
entworfene Konzept einer von den USA bestimmten »neuen Weltordnung« der
Freiheit bildet somit den folgerichtigen Abschluß einer Entwicklung, die bei
den Pilgervätern ihren Ausgang nahm.
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