Deutschland nach 1945
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Vorwort:
Bei dem folgenden Text handelt es sich um ein Referat, welches ich in der 12. Klasse anzufertigen hatte. Er gibt einen Überblick über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Deutschlands nach 1945.
Contents
Die Stunde null
Demontage und Wirtschaftskrise
Die Währungsreform
Kontroverse um die Wirtschaftsordnung
Der Marshallplan
Das Wirtschaftswunder
Entwicklung des Sozialsystems
Wirtschafts- und Sozialpolitik 1955-60
Gesellschaftliche Entwicklung in der BRD
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Die Stunde null
Am 8.Mai 1945, dem Tag der Kapitulation, bot sich dem Betrachter ein schreckliches Bild von Deutschland. Deutschland glich auf den ersten Blick, aufgrund der exzessiven Bombardierung durch die Alliierten, aufgrund des Kriegsgeschehens im eigenen Lande und nicht zuletzt Hitlers ansatzweise verwirklichter verbrannte Erde Taktik einer öden Trümmerlandschaft. Die Menschen litten bittere Not, denn bisher hatte sich die dt. Wirtschaft bis zum äußersten verausgabt, um die Kriegsmaschinerie in Gang zu halten. Der Ausbau oder die Fortentwicklung der Lebensmittelerzeugung oder das Anlegen von Reserven waren vernachläßigt worden, und so schlug die schon vor der Kapitulation herrschende Knappheit jetzt, da keine übergeordnete Verwaltung die Produktion mehr kontrollierte und koordinierte in akute Not und Hunger um.
Die Erzeuger und Selbstversorger zogen es vor, ihre Erzeugnisse, statt sie für wertlos gewordene Zahlungsmittel bei offiziellen Stellen abzuliefern in Eigenverantwortung und auf Tauschbasis zu verteilen. Der hilflosen Verwaltung blieb nichts anderes übrig, als das wenige was sie noch zu verteilen hatte möglichst gerecht unter die Leute zu bringen.
Von einem geistig-politischem Gestaltungswillen und einer zukunftsorientierten kreativ-produktiven Aufbauphase konnte keine Rede sein, denn es galt mit der Not des Alltags, mit dem Jetzt fertig zu werden. Die Ernährung und Wohnung mußten gesichert und erhalten werden, die nötigsten Aufräumarbeiten mußten geleistet werden, zudem mußten Flüchtlinge und Heimkehrer betreut und versorgt werden und verschiedene Anordnungen der Alliierten waren auszuführen. Dies waren die praktischen Anforderungen des Alltags, die sich mit Sorgen, Trauer, Trostlosigkeit und Ungewißheit verbanden und so die depressiv-melancholische Gesamtstimmung in der Frühzeit nach der Kapitulation verursachten. Erschwerend hinzu kam der Hungerwinter 1946/47 mit Hunger, Krankheit und Kältetoten. Gesellschaftliches Leben war auf die Basis primitiven Tauschhandels zurückgefallen, Naturalien, Heizstoffe, Kleidung, Medizin, Zigaretten und Liebe hatten die inflationäre Reichsmark als Zahlungsmittel abgelöst und an ihrer Stelle bestimmten Schwarzmärkte das tägliche Leben. Auch in Zahlen läßt sich das Elend der ersten Tage nach der Kapitulation belegen: Der Ruhrkohlebergbau förderte '45 nur 25000t monatlich, gegenüber 400000t vor dem Krieg, die Stahlerzeugung war noch niedriger, im August arbeiteten nur 15% aller Werke und die tatsächliche Produktion betrug nur 5% der Gesamtkapazität. Viele dt. Häfen waren völlig zerstört und im Mai '45 waren im britischen Sektor nur der Eisenbahnstrecke befahrbar. Allerdings täuschte der äußere Schein, denn obgleich der abschreckenden Trümmerberge war in dt. Fabriken mehr intakt als man zunächst annahm. Es stellte sich heraus, daß einige dt. Häfen, darunter auch Hamburg den Luftkrieg fast unbeschadet überstanden hatten. Außerdem fand man heraus, daß nur ca. 30% der Maschinerie des Ruhrgebietes völlig zerstört und nicht mehr instandsetzbar war. Im übrigen Reichsgebiet waren sogar nur 15-20% der Maschinerie völlig zerstört. Bei der Bestandsaufnahme der dt. Industrie stellten die Alliierten außerdem fest, daß dt. Fabriken im Schnitt sogar höhere Materialreserven als viele englische Fabriken hatten ud zusätzlich lagen noch ca. 2 Mio. Tonnen Kohle auf Halde. Auch auf dem Sektor der Transportwege konnte vieles leicht wieder ins Lot gebracht werden, z.B. waren schon '46 nur noch der Eisenbahnstrecke des brit. Sektors nicht mehr befahrbar.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Zeit nach der Kapitulation geprägt war durch Hunger und Elend, durch rießige Flüchtlingsbewegungen und den Schwarzmarkt wohingegen konstruktive Tendenzen nur in kleinem Ausmaß vorhanden waren. Die Grundlage für einen erneuten Aufschwung war jedoch weitaus besser als das Ausmaß der Zerstörung erahnen ließ und in den westlichen Besatzungszonen sollte sich dieser Aufschwung dank der gemäßigten Haltung der westlichen Alliierten schon bald vollziehen.
Demontage und Wirtschaftskrise
Deutschland schlidderte nach der Kapitulation '45 unweigerlich in eine Wirtschaftskrise größeren Ausmaßes, die viele Gründe hatte. Zum einen war da die Diskrepanz zwischen einer rießigen Geldumlaufmenge (1938: 60 Mrd./ 1948: 400 Mrd.) und einem völlig unzureichendem Warenangebot, welche die Funktion des Geldes praktisch außer Kraft setzte und somit die Wirtschaft de facto lahmlegte. Die rießige Geldmenge hatte sich durch Hitlers Schuldenpolitik (Mefo-Wechsel) und die Kriegswirtschaft angehäuft und kaum jemand fand sich bereit für wertlose Papierscheinchen zu schuften oder gar kostbare Ware abzuliefern.
Das Ausmaß der wirtschaftlichen Notlage zeigte sich nicht sofort, denn für '46 reichten noch aus der Kriegszeit gerettete Rohstoffvorräte und Reserven welche für die Produktion der Existenzminimums gerade noch ausreichend waren, jedoch zeigte sich im Winter 1946/47, daß auf den 3 wichtigsten Volkswirtschaftlichen Bereichen, namentlich Ernährung, Energieversorgung und Verkehr der Zusammenbruch und damit die Katastrophe unausweichlich wurde. Die Alliierten mußten nun einsehen, daß ihre restriktive Wirtschaftspolitik und die Demontage nur zum totalen Zusammenbruch der dt. Wirtschaft führen konnte, womit Deutschland ihnen praktisch auf der Tasche gelegen hätte. Die restriktive Wirtschaftspolitik der Alliierten, welche ein Kind des kalten Krieges war, da sie durch die Ergebnisse der Konferenzen von Teheran('43), Jalta('45) und Potsdam('45) prädestiniert war, stützte sich im wesentlichen auf die Überzeugung, daß Deutschland ein erneuter Griff nach der Weltherrschaft unmöglich gemacht werden mußte. Ziele waren also die völlige Abrüstung Deutschlands einschließlich der Demontage der Rüstungsindustrie und Beschneidung aller kriegswichtigen Industriesektoren, Vernichtung des Nationalsozialismus, Demokratisierung und eine Zentralisierung von Verwaltung und Wirtschaft. Im Sinne dieser Ziele betrieben die Alliierten eine hemmende Wirtschaftspolitik. Sie konfiszierten große Teile der Produktion zur Deckung von Reparationsleistungen, viele funktionstüchtige Betriebe wurden demontiert und somit lahmgelegt und viele Produkte wurden wegen eventueller wehrtechnischer Verwendbarkeit mit einem Fertigungsverbot belegt. Festgelegt war diese hemmende Wirtschaftspolitik im Alliierten Industrieplan von 1946, der unter anderem vorsah, daß die Erzeugung der Industrie bis 1949 mengenmäßig nur ca. 55% der Erzeugung des Jahres 1938 erreichen sollte, was für die Gesamtindustrie einen Stand von 65% der Erzeugung von 1936 bedeutete. Angesichts der Zerstörung in Deutschland mögen schon die relativ geringen Werte des Wirtschaftsplanes utopisch erscheinen, jedoch erreichte die dt. Wirtschaft schon im 2. Halbjahr 1946 60% des nach Viermächteplanes für 1949 vorgesehenen Standes. War schon die mengenmäßige Begrenzung der gesamten Erzeugung und damit des Wachstums besorgniserregend, so gab es in einzelnen Wirtschaftszweigen noch härtere Beschränkungen. Verständlich war, daß kein Kriegsmaterial, keine Seeschiffe und Flugzeuge gebaut werden durften, jedoch war auch der Bau von Maschinen und Werkzeugen verboten die zur Herstellung kriegswichtiger Materialien verwendet werden konnten. Unter diese totale Sperre fielen z.B. Kugellager, Werkzeugmaschinen, Schlepperfahrzeuge, synthetische Treibstoffe und Alluminium. In anderen Bereichen gab es ebenfalls harte Beschränkungen: so durfte z.B. die Stahlherstellung nur 25% der Herstellung von 1936, Zement 50%, Elektroindustrie 50%, Automobilbau 20% und bei der Schuhproduktion 50% betragen. Außerdem waren fast 1800 Industrieanlangen zur Demontage vorgesehen, was die dt. Industrie enorm zurückgeworfen hätte. Auch der Außenhandel war den Deutschen völlig aus der Hand genommen. Die Wirtschaftskrise '46/47 förderte jedoch bei den Alliierten die Einsicht, daß ein verkrüppeltes Deutschland ihnen letztendlich nur auf der Tasche liegen würde und außerdem wurden sich die westlichen Alliierten der Tatsache bewußt, daß nur ein wirtschaftlich gesundes Deutschland ein wirksamer Verbündeter gegen den sich ausbreitenden Sowjetimperialismus sein würde.
Als Beispiel für die Bewußtwerdung der wirtschaftlichen Problematik kann die Kohlekrise 1946/47 angeführt werden. Kohle war der wichtigste Rohstoff der dt. Industrie, wichtigster Energieträger der privaten Haushalte und Voraussetzung für ein funktionierendes Verkehrs- und Transportsystem. Jedoch war Kohle aufgrund der Demontage, der mangelnden Effektivität der veralteten Anlagen und aufgrund mangelhafter Qualifikation der Bergleute Mangelware und somit Wirtschaftsproblem Nr.1! Die Alliierten unternahmen enorme Anstrengungen die Kohleförderung durch Schwerstarbeiterzulagen, Lohnerhöhungen und ein Prämiensystem zu steigern, jedoch waren diese Maßnahmen machtlos gegen die Strangulationsmaßnahmen die der dt. Wirtschaft ebenfalls durch die Alliierten aufgezwungen wurden. Die dt. Wirtschaft war in einem Teufelskreis, denn auf der einen Seite konnten die Kohlearbeiter nicht genug Kohle produzieren, da sie zuwenig zu essen bekamen, wohingegen auf der anderen Seite die Stickstoffproduktion größtenteils verboten war weshalb mangels Düngung die dt. Lebensmittelproduktion extrem niedrig war. Die Alliierten verlangten also einerseits Höchstleistungen bei der landwirt. Erzeugung und bei der Kohleproduktion um die Wirtschaftskrise zu überwinden und den schwarzen Markt auszuschalten, strangulierte aber andererseits durch Demontage und Produktionsverbote landwirtschaftliche und industrielle Erzeugung und begünstigte somit sogar die Verknappung und damit den Schwarzmarkt und obendrein zahlten sie dabei noch drauf, denn mit eigenen Steuergeldern kamen die Alliierten für die dt. Wirtschaftsmisere auf.
Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Entwicklung der dt. Wirtschaft durch den Teufelskreis von Demontage und Produktivitätsverlust enorm geschwächt wurde und dieses Defizit mußte durch die Alliierten gedeckt werden. Die Einsicht in diesen Sachverhalt und die Überlegung, daß Westdeutschland zukünftiger Partner gegen die Sowjetunion sein könnte bewirkten schließlich eine Umkehr in der Wirtschaftspolitik der westlichen Alliierten. Auch die Hauptaufgabe zur Überwindung der dt. Wirtschaftskrise, namentlich Aufhebung der restriktiven Wirtschaftspolitik und Sanierung der Währung wurden erkannt und in Angriff genommen.
Die Währungsreform
Die Währungsreform wurde rückblickend oft als hart, ungerecht aber letztendlich wirksam charakterisiert wobei mit Ungerecht das schlechte Abschneiden der Kleinsparer und das gute Abschneiden der Besitzer von Produktionsmitteln gemeint ist. Am 20 Juli '48 konnte jeder für 40 RM 40 DM eintauschen. Unternehmer und Freiberufler erhielten einen Geschäftsbetrag von 60 DM je Arbeitnehmer. Grundsätzlich wurden alle Reichsmarksverbindlichkeiten im Verhältnis 1:10 umgestellt, wiederkehrende Leistungen (Löhne/Renten/Mieten) wurden in alter Höhe beibehalten und verfallene Barbestände und Bankguthaben wurden im Verhältnis 10:100 umgetauscht und auf einem Festkonto eingefroren. Am 19.August konnten weitere 20 RM frei eingetauscht werden und am 1.Oktober folgte das 4. Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens, nachdem 70% der Gelder der Festkontos gestrichen wurden, 10% wurden auf ein Anlagenkonto, daß erst am 31.12.53 verfügbar war überwiesen und 20% wurden freigegeben, womit die Geldsparer mit einem effektivem Wechselkurs von 6.5:100 am schlechtesten abgeschnitten haben. Die Besitzer von Produktionsmitteln konnten dagegen nahezu Schuldenfrei in das aktive Wirtschaftsleben starten konnten und ihre Sachwerte und Fabriken erfuhren eine enorme Wertsteigerung, was man in kauf nahm, da die Unternehmer als Garanten einer goldenen Zukunft galten. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß mit der Währungsreform nicht etwa ein Lastenausgleich angestrebt war, sondern Ziel war es die alte Ordnung der freien kapitalistischen Wirtschaft wiederherzustellen und zwar auf Kosten der Kleinsparer und zugunsten der Unternehmer. Soziale Spannungen wurden jedoch durch die Einführung der sozialen Marktwirtschaft und das Wirtschaftswunder, welches Wohlstand für alle brachte aufgefangen und der kleine Mann begann wieder zu sparen. Auch der Staat profitierte von dem radikalen Währungsschnitt, denn er konnte sich auf diese Weise schnell und günstig entschulden. Banken und Versicherungsgesellschaften hatten daher das Problem, daß Barmittel und alle Forderungen gegen das Reich null und nichtig wurden. Zum Ausgleich ihrer Bilanzen wurden ihnen jedoch Ausgleichsforderungen zugestanden, die zunächst von den Ländern getragen wurden. Diese illiquiden, gering verzinsten und kleinen Schuldtitel in Höhe von 21 Mrd. stellten somit die Konkursmasse für die gigantische Reichsschuld dar, die Schulden fanden also in einer Art Staatsbankrott ihr Ende. Der neue Staat konnte also nahezu schuldenfrei mit seiner Finanzwirtschaft beginnen.
Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Währungsreform notwendige Grundlage für Wiederaufbau und Aufschwung war, jedoch hatten die Besitzer von Produktionsmitteln und der Großschuldner Staat durch sie die meisten Vorteile, wohingegen Kleinsparer die großen Verlierer waren, jedoch wurde das erneut entstehende soziale Gefälle eine kapitalistischen Wirtschaft durch Wiederaufschwung und die Vorteile der sozialen Marktwirtschaft teilweise aufgehoben oder übertüncht. Einer der großen negativen Aspekte der Währungsreform war jedoch andererseits die Zementierung der deutschen Teilung durch die Existenz zweier Währungen. Auch schaffte die Währungsreform keinen Lastenausgleich, sondern eher eine Restauration des alten kapitalistischen Wirtschaftssystems.
Kontroverse um die Wirtschaftsordnung
Einig war man sich im Bezug auf die Neuordnung der Wirtschaft zunächst eigentlich nur über die Tatsache, daß Wiederaufbau und Neuordnung im Sinne einer gerechteren Sozial- und Wirtschaftsordnung angegangen werden müsse und zunächst herrschte scheinbar Einigkeit darüber, daß die neue Wirtschaftsordnung mehr durch staatliche Planung und Lenkung geprägt sein sollte. Hierrin spiegelt sich sie Ansicht wider, daß die wirtschaftliche Notsituation, die durch den freien Markt ausgelöst worden war, einer der wesentlichen Faktoren war, die den Aufstieg Hitlers ermöglicht hatten und man hoffte, durch eine staatl. gelenkte und kontrollierte Wirtschaft zukünftige Wirtschaftskrisen besser verhindern zu können. So forderte forderte z.B. die SPD 1946 eine sozialistische Wirtschaft mit planmäßiger Lenkung und gemeinwirtschaftlicher Gestaltung, die Gewerkschaften forderten 1947 den Aufbau eines Systems geplanter und gelenkter Wirtschaft und auch die CDU stellte im Ahlener-Programm (1947) fest, daß ein System geplanter und gelenkter Wirtschaft für lange Zeit notwendig sein würde, wandte sich aber radikal gegen jede Form von Staatskapitalismus. Es wurde deutlich, daß die Frage ob Lenkung der Wirtschaft oder nicht für SPD und Gewerkschaften eine ideologisch dogmatisierte Grundsatzentscheidung mit Hinblick auf den Aufbau eines sozialistischen Wirtschaftssystems war, wohingegen die CDU aus pragmatischer Sicht eine geplante und gelenkte Wirtschaft für begrenzte Zeit für unumgänglich hielt. Einzig die FDP unterstützte ein liberales Wirtschaftskonzept, denn sie setzte auf freie Initiative und den Abbau von Wirtschaftsbürokratie.
Auch die Frage ob es Privateigentum geben sollte oder nicht war zunächst umstritten. SPD und Gewerkschaften standen auf dem Standpunkt, daß Privateigentum an Produktionsmitteln dem Neuaufbau und Aufschwung im Wege stehen würde und verlangten deshalb die Verstaatlichung wichtiger Schlüsselindustrien. Auch die CDU sprach sich im Ahlener-Programm für die Vergesellschaftung der Großindustrie aus und wiederrum war es nur die FDP die einen entgegengesetzten Kurs steuerte, denn ihr galt privates Eigentum als Grundlage einer gesunden Wirtschaft. Trotzdem setzte sich in den Länderverfassungen die Ansicht, daß Verstaatlichungen nötig seien durch und in extremen Fällen wurde, wie z.B. in Hessen die Großindustrie verstaatlicht, während die mesten anderen, gemäßigteren Verfassungen bei grundsätzlicher Bejahung des Eigentums sich gesetzliche Möglichkeiten zur verstaatlichung vorbehielten. Auch in anderen wirtschaftlichen Bereichen, wie z.B. der betrieblichen Mitbestimmung setzten sich in den Länderverfassungen sozialisierungstendenzen durch. Während die brit. Labour-Regierung diese Tendenzen mit wohlwollen sah, bewertete die USA die Sozialisierungstendenzen als grundsätzliche Abkehr von freiheitlichen Prinzipien, was ihrer Zielsetzung entgegenlief und setzte deshalb die Verstaatlichungsgebote der dt. Länderverfassungen außer Kraft.
Mit der Schaffung der Trizone wurden dann auch in den restlichen Ländern die amerikanische Linie durchgesetzt und Sozialisierungstendenzen Einhalt geboten. Dem Zweizonen-Wirtschaftsrat, der höchsten, überregional bedeutsamen wirtschaftlichen Institution mit dt. Beteiligung, der 1947 entstanden und 1948 große Kompetenz und Zuständigkeit besaß kam nun immer mehr Bedeutung bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Grundkonzeption der westlichen Zonen zu. 1948 wurde gegen die Stimmen der SPD Ludwig Erhard, der ein überzeugter Anhänger des Konzepts der soziale Marktwirtschaft, wie es die Mitglieder der sog. Freiburger Schule entwickelt hatten, war zum Direktor dieses Wirtschaftsrates gewählt. Nach der Freiburger Schule sollte die Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozialordnung zwar grundsätzlich freiheitlich-liberal gestaltet werden, jedoch sollten auch bestimmte soziale Verpflichtungen festgeschrieben werden. Somit wandte man sich zum einen gegen die liberale Wirtschaftsidee des 18. und 19. Jahrhunderts, die vom Staat wirtschaftliche Abstinenz forderte und sich auf das Kräftespiel von Angebot und Nachfrage zur Regelung der Wirtschaft verließ, und man wendete sich auch gegen das System der Planwirtschaft und erzwungenen Sozialisierung welches man für wachstumshemmend hielt. Beim Prinzip der soziale Marktwirtschaft ging man davon aus, daß der Staat die liberale Wirtschafts-, Gesellschafts- und Sozialordnung durch laufende Kontrolle, Regulierung und gesetzgeberische Aktivitäten bei gleichzeitiger Bejahung und Sicherung wirtschaftlicher Freiheit zu einem Höchstmaß von Wachstum, sozialer Sicherung und Gerechtigkeit führen würde. Wirtschaftliche Freiheit, Privatinitiative und Anreiz durch Profitmöglichkeiten sollten auf der einen Seite das wirtschaftliche Wachstum sichern und auf der anderen Seite sollte durch staatl. Kontrolle soziale Gerechtigkeit und Sicherheit gewährleistet werden. Das eine Standbein der soziale Marktwirtschaft waren Konsumfreiheit, Gewerbefreiheit, Produktions-, Handelsfreiheit und Wettbewerbsfreiheit und das andere Standbein waren staatl. Regulierungen, die ges. unerwünschte Ergebnisse und soz. Ungerechtigkeiten regulierten und ausglichen. Die Ziele der soziale Marktwirtschaft lassen sich wie folgt zusammenfassen:
möglichst breiter Wohlstand durch geordneten Wettbewerb,
stetiges Wirtschaftswachstum,
Vollbeschäftigung,
Außenhandelsfreiheit,
soziale Sicherheit und
Gerechtigkeit.
Erhard brachte die soziale Marktwirtschaft mit dem Gesetz über die wirtschaftlichen Leitsätze nach der Geldreform vom 24.Juni 1948 auf den Weg.
Die Opposition hielt dagegen, daß nur systematische Planung die Wirtschaft in Gang bringen könnte, daß eine liberale Preisgestaltung nur zu Lasten des kleinen Mannes erfolgen könne und das eine umfassende soz. Neuordnung stattfinden müsse. Außerdem forderte mann staatl. Kredite und Subventionen um Arbeitslosigkeit zu vermeiden und Einkommensunterschiede auszugleichen. Die soziale Marktwirtschaft stieß zunächst natürlich auf Probleme, ein Preisanstieg machte sich bemerkbar, die Arbeitslosigkeit stieg und die Außenhandelsbilanz wies ein großes Defizit auf, dennoch hielt die Regierung an der Überzeugung fest, daß die Inkraftsetzung marktwirtschaftlicher Grundsätze den Aufschwung herbeiführen würde und sie sollte Recht behalten.
Der Marshallplan
Der Marshallplan hatte seinen Ursprung in der Überzeugung Amerikas, das ein verkrüppeltes Deutschland, ein schwaches Europa letztendlich mehr Kosten würde als ein wirtschaftlich unabhängiges Deutschland, das ja eventuell einmal Bündnisgenosse gegen die Sowjetunion sein würde. Mit einer Kapitalunterstützung durch den Marshallplan von fast 400DM pro Kopf der Bevölkerung und nahezu unbegrenzten Krediten wurde die Wirtschaft natürlich stark angeheizt, jedoch ist das dt. Wirtschaftswunder eher auf die Freisetzung marktwirtschaftlicher Kräfte als auf die Hilfe durch den Marshallplan zurückzuführen.
Das Wirtschaftswunder
Das Wirtschaftswunder hatte viele Gründe von denen hier einige genannt werden sollen: Durch die Demontage war in Deutschland sozusagen eine tabula rasa geschaffen worden, denn die veralteten und unrentablen Industrieanlagen waren durch die Alliierten abgebaut worden. Durch den Einsatz neuer, moderner und rationeller Fertigungsmethoden, erreichte die dt. Wirtschaft sehr bald einen hohen qualitativen und quantitativen Standard, der sich in einem hohen Wirtschaftswachstum und einer großen Auslandsnachfrage niederschlug. Von '48-'61 vervierfachte sich die dt. Industrieproduktion, in 6 Jahren waren 3 Mil. Arbeitsplätze geschaffen, daß Stellenangebot war 1961 6-fach größer als die Zahl der Arbeitslosen obwohl bereits 500.000 Gastarbeiter in Deutschland arbeiteten, daß BSP verdoppelte sich, der Außenhandel nahm schneller zu als die Industrieproduktion und verzwölffachte sich bis 1960, der Anteil an der Weltausfuhr stieg auf 10% was Platz 2 hinter Amerika bedeutete und durch das andauernde Handelsbilanzaktivum konnte die Währungsreserve in Gold von 0 auf 15 Mrd. Mark ausgeweitet werden. Die Qualität dt. Waren und die Stabilität der Währung machten Deutschland zu einem der günstigsten und vertrauenswürdigsten Anbieter auf dem Weltmarkt. Auch das Deutschland vom Besiegten zum Verbündeten der westlichen Welt aufgestiegen war war seiner Reputation dienlich Wirtschaftshilfe). Außerdem gab es in Deutschland ein Heer leistungswilliger und qualifizierter Arbeiter, unter anderem auch Flüchtlinge und Vertriebene, die sich mit aller Kraft für den Wideraufbau engagierten. Aber auch durch eine großzügige Steuerpolitik wurde der wirtschaftliche Aufschwung angeheizt. Der hohe Umfang der Investitionsfähigkeit wurde z.B durch das Mittel der degressiven Abschreibung erreicht. Da diese durch nun geringere Abschreibungen den zu versteuernden Gewinn erhöhte bestand der Anreiz zwecks Erhöhung der Abschreibungsmöglichkeiten die Investitionstätigkeit auszuweiten, ja sie sogar soweit auszuweiten, das Gewinne in tragbare und steuerliche günstige Schulden umgewandelt wurden, die fiktiven charakter hatten, da die Unternehmen stille Reserven hatten. Ein weiterer Faktor des Wirtschaftswachstums war der innenpolitische Aufbaukonsens, der dem Wiederaufbau Priorität einräumte und z.B die Gewerkschaften veranlaßte nur bescheidene Lohnerhöhungen zu fordern. Doch trotz des allgemeinen Aufschwungs waren soziale Kontraste immer deutlicher spürbar und machten eine Revision und Erweiterung des Sozialsystems unumgänglich.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Aufschwung bedingt war durch die Freisetzung marktwirtschaftlicher Kräfte, die durch verschiedene außen- und innenpolitische Faktoren unterstützt wurden und schließlich Revisionen des Sozialsystems unumgänglich machten.
Entwicklung des Sozialsystems
Sozialpolitisch übernahm die BRD das System der sozialstaatlichen Sicherung das Bismarck eingeführt hatte, nämlich Kranken-, Unfall-, Altersversorgungs-, und Invalidenversicherung, die zunächst natürlich nur die notwendigsten Leistungen anbieten konnte, da der Staat nicht in der Lage war eine Anschubfinanzierung zu leisten und auf der anderen Seite sich die Versicherungen noch nicht ausreichend über Beiträge finanzieren konnten.
Die ersten Meilensteine in der Sozialpolitik waren die Kriegsopferversorgung (Zahlung von Renten/ ärztliche Versorgung/ Vermittlung bzw. Sicherung von Arbeitsplätzen), die Heimkehrerentschädigung (Rente für Kriegsgefangene, Heimkehrer, Angehörige von Kriegsgefangenen), der Lastenausgleich (Ausgleich für Schäden und Verluste der Vertriebenen, z.B. Hauptentschädigung, Wohnraumhilfen, Darlehen, Renten) und Wiedergutmachung (Ausgleich für erlittene Schäden von politisch Verfolgten/ Zahlungen an Israel). Trotz der allgemeinen Besserung der wirtschaftlichen Lage und der ersten sozialpol. Erfolge waren viele soziale Probleme, wie die ungleiche Einkommensverteilung, und die mangelnde Mitbestimmung und -beteiligung der Arbeiterschaft im Betrieb, plötzlich akut und verlangten weitere Schritte in Richtung Sozialstaat. Eine Kernfrage der Auseinandersetzung um soz. Gerechtigkeit war das Problem des Einkommens aus Kapital und der Produktionsmittelbesitz, denn diese Art des Einkommens lag in der Grauzone zwischen individueller Freiheit und sozialer Gerechtigkeit. Gesucht war ein Konsens zwischen diesen beiden Polen der einerseits diese Einkommensform begrenzte und andererseits auch den weniger begüterten einen Anteil an dem Kapital- und Produktionsmitteleinkommen sicherte. Ziel war einerseits eine neue Regelung der Verfügungsgewalt in den Unternehmen, damit die Arbeiter kreativ am Entscheidungsprozeß mitwirken konnten und andererseits die Erschließung von Möglichkeiten zu Vermögens- bzw. Eigentumsbildung für jeden Einzelnen und die Unabhängigkeit von sozial Schwächeren zu stärken und ihnen ebenfalls Einkommen aus Vermögen bereitzustellen und so soziale Sicherheit und Gerechtigkeit zu sichern. Der erste Schritt in diese Richtung war das Tarifvertraggesetz vom 9.4.1949, daß die Sozialpartner (Arbeitgeber/ Arbeitnehmer) wieder einsetzte und die Tarifautonomie (Verhandlungen ohne Eingriffe des Staates) wiederherstellte. 1951 folgte das Gesetz über die Mitbestimmung in der Montanindustrie. Die Gewerkschaften hatten mit Streik gedroht, falls das Gesetz nicht die gestellten Forderungen erfülle und Adenauer, der vor schweren außenpolitischen Verhandlungen stand wollte den sozialen Frieden waren und stimmte deshalb einer Parität zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern in Aufsichtsräten der Montanindustrie zu. 1952 folgte das Betriebsverfassungsgesetz, welches die Mitbestimmung in Industriezweigen außerhalb der Montanindustrie regelte. In kleinen Betrieben und Aktiengesellschaften war ein Betriebsrat mit bestimmten Mitwirkungsrechten zu bilden. Vom Ziel der paritätischen Mitbestimmung war man zwar noch weit entfernt, jedoch war das der erste Schritt zur Anerkennung der Arbeitnehmer als gleichberechtigte Wirtschaftspartner und die Gewerkschaften blieben dem neuen Staat wohlgesonnen.
Auch auf anderen Gebieten entfaltete der Sozialstaat BRD seine aus- und angleichende Wirkung. Durch das 1. Wohnungsbaugesetz (1950) wurde der soziale Wohnungsbau in Angriff genommen und auch den Kleinsparern wurde mit Sparprämien und Volks- und Betriebsaktien unter die Arme gegriffen.
Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Zeit des Aufschwungs auch eine Zeit des langsamen sozialen Ausgleichs war, der daß Wohlstandsgefälle des neuen Staates verminderte und den Grundstein für einen modernen Sozialstaat legte.
Wirtschafts- und Sozialpolitik 1955-60
Die Jahre 55-60 waren geprägt durch eine Konsolidierung der sozialen Marktwirtschaft. Das System der Sozialversicherungen wurde ausgebaut, der Wettbewerb, das Geldwesen und der Argrarsektor wurden neu geordnet und reguliert, die europäische Integration wurde vorangetrieben das Wirtschaftswunder hielt unvermindert an. Wirtschaftlicher Fortschritt wurde konsequent in soz. Fortschritt umgemünzt und die Sozialleistungen stiegen von 29 auf 77 Mrd. Mark. Der freie Wettbewerb wurde durch das Gesetz gg. Wettbewerbsbeschränkungen (Verbot der horizontalen, vertikalen Preisbindung/ Kartellverbot etc.) 1957 gewährleistet und auf dem Sektor des Geldwesens wurde die Bundesbank als Hüterin der Währung eingesetzt (Notenausgabemonopol/ Diskont-, Kredit-, Offenmarkt-, Mindestreservepolitik).
Auf dem Argrarsektor verpflichtete sich die Bundesregierung den Bauern bei Anpassungsschwierigkeiten zu helfen und auf europäischer Ebene wurde die europäische Integration vorangetrieben. Auch Wohnungsbaupolitik, Vermögenspolitik und Rentenpolitik wurden weiter ausgebaut und richteten sich auf das Ziel der Schaffung eines modernen Sozialstaates.
Gesellschaftliche Entwicklung in der BRD
Durch den Druck der veränderten pol. Konstellation (drohender Kalter Krieg) gaben die Alliierten den Plan auf vor dem wirtschaftliche Neuaufbau den politischen abzuschließen auf, und gingen daran, die Wirtschaft neu aufzubauen. In Deutschland gab es aber keine qualifizierte Gegenelite zu alten NS-Elite, denn die Weimarer Demokraten waren müde und überaltert, und so griff man auf die manageriellen und technischen Qualitäten der NS-Mitläufer zurück, ohne evtl. negative Entnazifizierungsbescheide zu berücksichtigen. Die pol. Führung wurde zwar radikal ausgewechselt, in nicht-politische Führungspositionen kehrten jedoch die früheren Eliten zurück, was zeigt, daß im sozialen Hintergrund der dt. Führungsgruppe trotz des Wandels des pol. Systems eine große Kontinuität herrschte. Vielen Deutschen kam diese restaurative Politik auch gerade recht, denn sie waren geschichtsmüde, ihr nationales Rückgrat war gebrochen, sie hatten sich geistig und ideell total verausgabt und überließen interesselos den alten Kräften das Feld und stürzten sich leidenschaftlich auf die Verbesserung des eigenen Lebensstandards. Sie hatten kein Gefühl mehr für Träume, Ziele oder Ideologien, die neue Ara war vielen einfach egal!
Das dt. Verfassungsrecht nach '45 knüpfte an Weimarer Tradition an, es sollte ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat entstehen. Sozialistische Tendenzen waren aber schließlich aufgrund amerikanischer Intervention im Grundgesetz nicht zu finden und mit der Währungsreform begann die Restauration der alten, kapitalistischen Besitz- und Eigentumsverhältnisse. An die Stelle einer demokratisch-sozialistischen Neuordnung wie zunächst geplant trat eine neoliberale Ersatzideologie, die letztendlich nur eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Restauration kaschieren sollte.
Autor: Stephan Ilaender 1991
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Deutschland nach 1945
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