Französische Revolution: das Jahr des Terrors
Alexis de Tocqueville spricht in seinem klassischen Werk »L'Ancien Régime et la
Révolution« von dem »Kontrast zwischen der Menschenfreundlichkeit der Theorien
und der Wildheit der Taten, der einer der seltsamsten Charakterzüge der
Französischen Revolution gewesen ist«. Dieser Kontrast trat am schärfsten
zutage im Jahr der »Schreckensherrschaft« vom Sommer 1793 bis zum Sommer 1794.
Im Jahr 1793 war die Revolution von außen und innen bedroht. Die verbündeten
Monarchien Europas rückten gegen das revolutionäre Frankreich vor. Überall im
Lande züngelten gegenrevolutionäre Aufstände. In Paris herrschte Hungersnot. In
dieser gefährlichen Lage steigerten sich die führenden Jakobiner in einen
Radikalismus hinein, der paranoide Züge annahm. Der diktatorisch regierende
»Wohlfahrtsausschuß« proklamierte la terreur (den Terror) als
Herrschaftsprinzip. Robespierre verkündete: »Der Terror ist nichts anderes als
sofortige, strenge, unbeugsame Gerechtigkeit. Er ist also ein Ausfluß der
Tugend.«
Ein Gesetz vom September 1793 erlaubte, alle »verdächtigen Personen« in Haft zu
nehmen. Als verdächtig galten z.B. alle, »die sich durch ihr Verhalten oder ihre
Beziehungen oder ihre Ansichten als Parteigänger der Tyrannen und Feinde der
Freiheit zu erkennen gegeben haben.« Ein anderes Gesetz wies dem
Revolutionstribunal die Aufgabe zu, »die Volksfeinde zu bestrafen«. Das Gericht
hatte nur die Wahl zwischen Todesurteil und Freispruch; eine Verteidigung war
nicht zugelassen. Das Gesetz definierte elf Kategorien von Volksfeinden in so
allgemeiner Form, daß niemand vor Anklage und Verurteilung sicher war.
(Bezeichnenderweise übernahm Stalin den Begriff »Volksfeinde« für die
wirklichen oder vermeintlichen Gegner seines eigenen Schreckensregiments.)
Das Pariser Tribunal fällte im Laufe des einen Jahres mehrere tausend
Todesurteile; zwischen Verhaftung und Hinrichtung lagen meist nur ein oder zwei
Tage. Der Terror wütete auch in den Provinzen, oft ohne jedes
Gerichtsverfahren; so wurden in Nantes zwei- oder dreitausend Menschen in der
Loire ertränkt.
Schließlich griff der Terror nach seinen Urhebern. »Linke« und »rechte«
Kritiker Robespierres endeten auf dem Schafott, und zuletzt er selbst. Mit
seiner Hinrichtung am 28. Juli 1794 war alles zu Ende. Die Gesamtzahl der Opfer
des Schreckensjahres ist nicht bekannt; sie wird auf 40.000 geschätzt. Im
Ausland erregte der Terror Entsetzen bei vielen, die - wie z.B. Klopstock und
Schiller - die Revolution anfangs begrüßt hatten.
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