Organisationen im Dritten Reich
Inhalt:
I. Vorwort
II. Die SA
II.a Geschichte der SA vor 1933
II.b Die Situation der SA ab 1933 und Eingliederung in das neue Herrschaftssystem
III. Die SS
III.a Geschichte der SS vor 1933
III.b Die Situation der SS ab 1933 und Eingliederung in das neue Herrschaftssystem
IV.a Geschichte der HJ vor 1933
IV.b Die Situation der HJ ab 1933 und Eingliederung in das neue Herrschaftssystem
VI. Erklärungsversuche für die zumeist von der SS durchgeführten Tötungen in den
Konzentrationslagern
VII. Literaturverzeichnis
Die Rollen und die Geschichte der drei tragenden Säulen des nationalsozialistischen Regimes, die SA, die SS und die HJ sollen hier näher erläutert werden. Ziel ist es, ein allgemeines Verständnis für die Wichtigkeit dieser Organisationen für die Entstehung und den Bestand des Dritten Reiches zu erwecken.
Die SA wird am 3. August 1921 aus ehemaligen Mitgliedern von Wehrverbänden und Freikorps gegründet. Laut Encarta 98® bestand die SA schon 1920 als "Ordnertruppe", d.h. Saalschutz für Propagandaveranstaltungen der NSDAP. 1921 wurde die Saalschutztruppe unter der Leitung ehemaliger Freikorpsoffiziere zum Teil mit Mitteln der Reichswehr in einen paramilitärischen Kampfverband umgewandelt und schon bald auch für propagandistische Zwecke und gezielte Terroraktionen gegen politische Gegner eingesetzt.[1] Organisiert wurden diese Mittel von Ernst Röhm, Hauptmann im Stab des Wehrkreiskommandos VII, welcher gleichzeitig als Bindeglied zwischen NSDAP und Reichswehr diente. Am 4. November 1921 trat die SA zum ersten Male bei einer Versammlung im Hofbräuhaus als Saalschutz auf. Nach Hitlers Willen sollte der SA- Mann den politischen Soldaten und den Ideenträger der nationalsozialistischen Bewegung verkörpern. Die SA wurde der Parteileitung unterstellt und als politische Kampftruppe ausgebildet.
Die oberste SA-Führung gliederte sich in folgende Amter und Abteilungen: Führungs-, Personal-, Gerichts- und Rechts-, Sanitäts- und Verwaltungsamt, Zentral- und Ausbildungsabteilungen.
Die SA war aufgebaut in Gruppe, Brigade, Standarte, Sturmbann, Sturm, Trupp, Schar, Rotte, SA-Mann.[4]
Besonders zu Anfang bestand die SA zum größten Teil aus jugendlichen Schlägern und ehemaligen Angehörigen von Wehrverbänden und Freikorps, die sich nach dem Ersten Weltkrieg nicht in die Gesellschaft der Weimarer Republik einfügen konnten. Sie stammten größtenteils aus armen Verhältnissen. Sie waren politisch unorientiert, und von dem eher jämmerlichen Machtkampf der Mehrheitsparteien in der Weimarer Republik abgestoßen. So wurden sie leicht Opfer der Propaganda der NSDAP unter Hitler, der ihnen die Illusion von Geborgenheit, Zusammengehörigkeit und einer Zielrichtung gab, nämlich die Rettung der arischen Gesellschaft vor den Juden und rassisch Minderwertigen. Auch waren sie angezogen von der Uniformität der SA, welche in der Kleidung, die aus einer braunen Uniform, Stiefeln und einer braunen Mütze bestand, deutlich wurde, und ihnen half, ihre soziale Not zu vertuschen.
Nach dem missglückten Putschversuch vom November 1923 wurde die SA genau wie die NSDAP verboten. Leiter der SA zu dieser Zeit war Hermann Göring, welcher von Ernst Röhm als Leiter der nun illegalen SA abgelöst wurde.[5]
Im Frühjahr 1925 begann Hitler die NSDAP neu aufzubauen. Er gewann Ernst Röhm für die Reorganisation der SA. Röhm jedoch strebte die Unabhängigkeit der SA von der Partei an, was nicht in Hitlers Konzept der Monokratie passte. Daher schied Röhm am ersten Mai 1925 aus der SA-Führung aus.[6] Damit waren von der SA nur noch unzuverlässige lokale Gruppen übrig. Am ersten November 1926 wurde unter Hauptmann Pfeffer von Salomon wieder eine Oberste SA-Führung geschaffen und die SA zentral organisiert. 1930 kam es zum Bruch zwischen Hitler und Pfeffer über den Einfluss der NSDAP auf die SA; Hitler übernahm selbst die Führung und setzte Röhm 1931 erneut als Stabschef ein. Die Mitgliederzahl stieg von etwa 30 000 (1924) auf 80 1932 hatte die SA etwa 220 Mitglieder; sie beherrschte mit ihren Aufmärschen und Gewaltaktionen schon bald das Straßenbild der in Auflösung begriffenen Weimarer Republik. Am 13. April 1932 wurde die SA wegen ihrer Terroraktionen kurzzeitig durch Reichsminister Groener verboten. Das Verbot wurde allerdings nach Groeners Rücktritt am 17. Juni 1932 wieder aufgehoben.[7] Als Hitler am 30. Januar 1933 Reichskanzler wurde, hatte die SA einen Bestand von ungefähr 300 000 Mann. Bis zu diesem Zeitpunkt war die SA ein Instrument des Terrors, zum Einschüchtern von politischen Gegnern und zum Schutz von NSDAP-Versammlungen. Sie schwebte immer am Rande zur Illegalität. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollte sich dies jedoch ändern.
II.b Die Situation der SA ab 1933 und die Eingliederung in das neue
Herrschaftssystem
Am 30. Januar 1933 wird Hitler von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Sofort mit der Regierungsübernahme Hitlers änderte sich auch die Rolle der SA in Bezug auf ihre Legalität. Hitler setzte die SA als Hilfspolizei ein, nun mit dem Ziel der Inhaftierung und Bekämpfung der politischen Gegner wie Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftsfunktionäre sowie der Juden. Noch mehr Macht und Möglichkeit zur Willkür erhielt die SA durch die von Hindenburg am 28. Februar 1933 - dem Tag nach dem Brand des Reichstagsgebäudes - unterzeichnete "Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat". Durch diese Verordnung wurden die Grundrechte der Verfassung auf unbestimmte Zeit außer Kraft gesetzt. Nun konnten Polizei und SA politische Gegner und Juden ohne gerichtliche Kontrolle verhaften. Durch ihre Rolle als Hilfspolizei hatte die SA nunmehr auch die Möglichkeit zu allgemeinem Straßenterror, ohne eine ernstliche gesetzliche Verfolgung fürchten zu müssen. Die erste Gelegenheit ergab sich am 1. April 1933, als im ganzen Reichsgebiet ein Boykott jüdischer Geschäfte durchgeführt wurde. Die SA ging bei solchen Aktionen äußerst unmenschlich und grausam vor. Nicht selten forderten die verübten Grausamkeiten Todesopfer, zumeist Juden. Nur sehr selten kam es deswegen zu Gerichtsverhandlungen, noch seltener zu Verurteilungen wie am 23. Juni 1939, als das Schwurgericht Köln SA-Leute verurteilte, die im Oktober 1933 einen angeblichen Kommunisten erschossen hatten.[8]
In den ersten Wochen und Monaten des neuen Regimes war es hauptsächlich die SA, die die sogenannten "frühen Konzentrationslager" einrichtete, beispielsweise im Berliner Columbia -Haus, in Cholditz (Sachsen), Dachau, Hamburg - Fuhlsbüttel, Oranienburg (nahe Berlin), Sonnenburg (Mark Brandenburg).Außerdem richteten einzelne SA-Einheiten für kurze Zeit in leeren Fabrikhallen oder ähnlichen Räumen unkontrolliert sogenannte "wilde Konzentrationslager" ein.[9] Viele Gefangene fanden in diesen Lagern den Tod, allerdings nicht systematisch, wie in den späteren Konzentrationslagern, sondern auf Grund einzelner Exzesse und Gewalttaten. Im März 1934 wurden diese Lager der SA aufgelöst. Es wurden große Lager unter der Aufsicht der "Inspektion der Konzentrationslager" eingerichtet.
Durch ihre Stellung als Hilfspolizei und ihre hohe Zahl der Mitglieder wurde die SA ein Konkurrent der Reichswehr. Dies führte zu einer Auseinandersetzung zwischen SA-Führer Ernst Röhm und den Generalen der Reichswehr und Hitler, da Röhm die SA und die Reichswehr zu einem Volksheer unter seiner Führung vereinigen wollte. Die Generale standen diesem Plan ablehnend gegenüber. Hitler entschied sich für die Reichswehr und die Generale, wohl auch aus Angst um seinen Führungsanspruch mit Röhm in einer derart machtvollen Position. Hitler ließ unter dem Vorwand des "Röhm - Putsches", einer von Hitler, Himmler und Göring fingierten Revolte der SA, Röhm und andere hohe SA-Führer am 30. Juni/1. Juli 1934 ermorden. Neuer Stabschef der SA wurde Viktor Lutze, doch die Macht der SA war gebrochen.[11] Im November 1938 erhielt sie jedoch noch einmal Gelegenheit, sich als Darsteller "spontanen Volkszorns" zu präsentieren, Synagogen zu demolieren oder in Brand zu stecken, jüdische Geschäfte und Wohnungen zu plündern und zahlreiche Juden festzunehmen oder zu töten. Anlass hierzu war die Ermordung des in Paris tätigen Legationsrates von Rath durch den jüdischen Emigranten Herszel Grynszpan am 7. November 1938. Dies hatte das in der Nacht vom 9. auf 10. November von Goebbels inszenierte Pogrom zur Folge, welches unter dem Namen "Reichskristallnacht" in die Geschichte einging. In den Nürnberger Prozessen 1946 wurde die SA zur "verbrecherischen Organisation" erklärt.
III. Die SS (Schutzstaffel)
Als Gründungsdatum für die SS gibt es verschiedene Angaben. Heinz Artzt beziffert das Gründungsdatum mit 1923, Encarta'98® datiert die Gründung mit 1925. Bei ihrer Gründung fungierte die SS zunächst als sogenannte "Stabswache" Hitlers. Sie existierte nur in München. Sie war aus den Reihen der SA hervorgegangen. Sie bestand zu Anfang aus ungefähr 200 ausgewählten Mitgliedern und war für den persönlich Schutz des Führers der NSDAP, Adolf Hitler, bestimmt. Nach dem Putschversuch Hitlers 1923 wurde zwar die Partei verboten, die kleine Elitetruppe der Stabswache, nun unter dem Namen "Stoßtrupp Hitler" bekannt, wurde jedoch übersehen. Sie löste sich jedoch nach Hitlers Inhaftierung selbst auf. Nach der Neugründung der NSDAP wurde auch die "Stabswache" wieder reorganisiert, und in anderen Städten wurden neue Trupps aufgestellt, die zusammen mit der Kerntruppe der "Stabswache" 1925 den Namen "Schutzstaffel" erhielt. Anfänglich bestand die Aufgabe der SS darin, höhere Parteifunktionäre zu beschützen und Absperrungen bei Propagandamärschen der SA zu übernehmen.
Die Abzeichen der SS waren die schwarze Mütze mit dem Totenkopf und die schwarz umrandete Hakenkreuzbinde. Die SS gliederte sich in Oberabschnitte, Abschnitte, Standarten, Sturmbanne und Stürme, ihre dienstgradmäßige Rangfolge war dem Schema der SA nachgebildet, welcher sie auch unterstellt war. Ab 1929 übernahm Heinrich Himmler die Führung der SS, und wurde von Hitler zum "Reichsführer der SS" ernannt. Ebenso wie in der SA war der Dienst in der SS freiwillig. Er wurde neben dem Beruf abgeleistet. Ihren ersten Einsatz als parteiinterne Polizei hatte die SS 1931 bei der Niederwerfung einer versuchten Revolte der Berliner SA unter Stennes. Als Dank verlieh Hitler der SS 1931 das Losungswort: "SS-Mann, Deine Ehre heißt Treue".[13]
Nach der Regierungsübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 wurde die SS zusammen mit der SA zur Hilfspolizei berufen, behielt aber trotzdem ihre innerparteilichen Aufgaben bei. Am 17. Juni 1933 schuf sich Hitler eine neue "Stabswache" aus 120 auserwählten SS-Leuten unter der Führung von Sepp Dietrichs, die in "Leibstandarte Adolf Hitler" umbenannt wurde, und am 9. November 1933 auf ihn persönlich vereidigt wurde.[14] Als Hitler mit Hilfe Himmlers und der SS 1934 die Führungselite der SA ermorden ließ, trat die SS aus dem Schatten der SA heraus und wurde eine eigenständige Organisation unter der Führung Himmlers.
Am 30. Juni 1934, nachdem die Konzentrationslager der SA aufgelöst waren, wurden neue Lager unter Bewachung der SS eingerichtet. Die SS-Wachmannschaften bekamen den Namen "Totenkopfverbände". Sie standen unter der Führung von SS-Oberführer Theodor Eicke.[15] Diese Verbände hatten 1936 eine Stärke von 3500 Mann, und 1938 eine Stärke von 8500 Mann.
Als Hitler am 16. März 1935 die Wiedereinführung der Wehrpflicht verkündete, verfügte er sogleich die Aufstellung einer SS-Verfügungstruppe als eine voll militärische Formation, die den Kern einer neu zu bildenden SS-Divison darstellen sollte. Diese Verfügungsdivision hatte strenge Aufnahmebedingungen, wie die Mindestgröße von 1,80 Metern und vor allem den Ariernachweis bis zur vierten Generation. Der Dienst in der SS-Verfügungstruppe galt als Wehrdienst.[18]
Am 30. März 1933 wurde unter Reinhard Heydrich der Sicherheitsdienst (SD) gegründet, der die Aufgabe der Personalauskunft hatte. Am 9. Juni 1934 wurde der SD von Hitler zum Nachrichten - und Abwehrdienst der Partei ernannt. Die Akten des SD trugen zur Verfolgung politischer Gegner und zur Vernichtung der Juden auch in den später besetzten Gebieten bei.
Im Juni 1936 schuf Himmler die Sicherheitspolizei (SIPO) als Exekutivinstrument zum Schutze der Reichssicherheit. Die Sicherheitspolizei war eine Vereinigung von Geheimer Staatspolizei (Gestapo) und Kriminalpolizei. Chef der SIPO wurde Himmler, allerdings blieb die Leitung Heydrich vorbehalten. Die Aufgabe der SIPO, insbesondere der Gestapo, war die Bespitzelung der Bevölkerung und die Überwachung politischer Gegner.[19]
Ein Erlaß Himmlers vom 27. September 1939 faßte die Amter des Chefs der SIPO und des SD unter Leitung Heydrichs zusammen. Dies wurde das Reichssicherheitshauptamt (RSHA), welches sich zur Zentralen Führungsstelle bei den Vernichtungsmaßnahmen entwickelte.
Nach Heydrichs Tod in Folge eines Attentats 1942 übernahm Ernst Kaltenbrunner die Leitung des RSHA. Leiter des "Juden - Referats" IV B4 und somit Hauptverantwortlicher für die Massenvernichtung der europäischen Juden wurde Adolf Eichmann, der ab 1942 in Folge der Wannseekonferenz die Einrichtung von Massenvernichtungslagern verfügte.[21]
Seit 1942 war eine der Hauptaufgaben der SS die systematische Vernichtung von Juden und politischen Gefangenen.
Neben den SS-Totenkopfverbänden, die der Lagerbewachung zugeteilt waren, wurde 1939 aus den SS-Verfügungstruppen die Waffen-SS gebildet, die neben der Wehrmacht auch an der Front kämpften. Die Waffen-SS wird für viele Massenexekutionen in den besetzten Gebieten in Zusammenarbeit mit den Einsatzgruppen und Sonderkommandos verantwortlich gemacht. Aus diesem Grund wurde in den Nürnberger Prozessen 1946 die Waffen-SS zusammen mit den übrigen SS-Verbänden zur "verbrecherischen Organisation" erklärt.
IV. Die HJ (Hitler Jugend)
Schon früh versuchte die NSDAP, neben dem Werben um die junge Generation auch die heranwachsende Jugend anzusprechen und unter ihren Fahnen zu sammeln. Der erste Versuch, eine nationalsozialistische Jugendorganisation zu gründen, ging von Gustav Adolf Lenk aus, einem in München geborenen Klavierpolierer. Lenk, früher Mitglied des Deutsch - Nationalen Jugendbundes, schloss sich 1921 der NSDAP an und setzte sich hier für die Schaffung eines Jugendverbandes ein. Daraufhin ordnete Adolf Hitler am 25. Februar 1922 die Gründung einer Jugendabteilung unter der Organisation der SA an.[22] Die Ortsgruppe München des neuen Jugendbundes stand unter Lenk und führte den Namen "Jungsturm Adolf Hitler". Sie war der SA unmittelbar unterstellt und trug die gleichen Uniformen. In der zweiten Hälfte des Jahres 1922 organisierte Adolf Lenk weitere Gruppen in Nürnberg, Zeitz, Dresden und Hanau. Als im darauffolgenden Jahr die Zahl der Ortsgruppen stieg, wurde Adolf Lenk von Hitler mit dem Aufbau einer Reichsorganisation des Jugendbundes der NSDAP betraut. Im Mai 1923 erschien als erste Zeitschrift der Nationale Jungsturm, Nachrichtenblatt des National-Sozialistischen Jugendbundes. Am 9. November 1923 wurde der Jugendbund jedoch zusammen mit der NSDAP im Zuge der Bestrafung des Hitler-Ludendorff Putsches verboten. Im Frühjahr 1925 fand in Plauen ein Führertreffen der sächsischen Führer der Großdeutschen Jugendbewegung statt. Hier kam es zu einer Festlegung des Bundes auf die neu entstandene NSDAP. Auf dem ersten Parteitag der neugegründeten NSDAP am 3. und 4. Juli 1926 wurde die Großdeutsche Jugend umbenannt in "Hitler-Jugend, Bund deutscher Arbeiterjugend". Sie zählte zu Anfang ungefähr 300 Mitglieder. Kurt Gruber, ehemaliger Führer der Großdeutschen Jugend wurde nun erster Reichsführer der HJ und zugleich Referent für Jugendfragen in der Reichsleitung der NSDAP. Somit wurde die HJ in den Parteiapparat der NSDAP eingebaut. Am 1. November 1926 wurde Franz Felix Pfeffer von Salomon oberster SA-Führer und verlangte die völlige Unterstellung der HJ unter seine Befehlsgewalt. Von dieser Zeit an galt die HJ als Jugendorganisation des Wehrverbandes der SA. Sie nahm an Parteitagen teil und veranstaltete Wanderfahrten und Heimabende sowie Abende zur politischen Schulung, an denen den 14-18 jährigen Jungen das politische Gedankengut der NSDAP eingeimpft wurde.
In den Jahren vor 1933 jedoch lag die HJ im Zwiespalt mit den anderen bündischen Jugendorganisationen, wie Adler und Falken, Schilljugend, Junge Front und auch dem NS-Studentenbund. Daher gelang es der HJ nicht, Einfluss auf die gesamte deutsche Jugend zu nehmen.
1930 war die HJ auf 18 000 Mitglieder angewachsen, hinzu kamen 2 300 Mitglieder der HJ in Österreich. Aufgrund ihrer Mitgliedsstärke und ihrer parteipolitischen Tätigkeit rief die HJ ab 1930 die ersten amtlichen Reaktionen hervor. Am 1. April 1930 wurde den Schülern an staatlichen Oberschulen und Berufsschulen die Mitgliedschaft in der HJ verboten.[24]
Nach dem Rücktritt Kurt Grubers am 29. Oktober 1931 übernahm Dr. Adrian Theodor von Rentel die Reichsführung der HJ. Nicht sehr geeignet als Jugendführer, wurde von Rentel durch Hitler am 30. Oktober 1931 durch Baldur von Schirach ersetzt. Ein Jahr später, 1932, zählte die HJ schon 100 000 Mitglieder.[25] In den letzten Jahren der Weimarer Republik bestand die Haupttätigkeit der HJ in Kundgebungen und Aufmärschen, in Klebeeinsätzen für Parteiaufrufe und Wahlplakate, in Protestaktionen gegen den Friedensvertrag von Versailles und den Youngplan, im Saalschutz für Parteiveranstaltungen und in der Teilnahme an Demonstrationen. Viele Aufmärsche, besonders in den Jahren 1931-1933 arteten in Straßenschlachten mit anderen Parteien aus. Während diesen Jahren finden offiziell 21 Hitlerjungen und 1 BDM - Mädchen den Tod.
"Mit dieser "Unsterblichen Gefolgschaft der HJ" wurde ein maßloser Totenkult betrieben, der seinerseits nur dazu dienen sollte, bei der HJ das Märtyrergefühl und den Radikalismus, die Einsatz- und Todesbereitschaft zu steigern. Der Mythos von Blut und Fahne, Kampf und Sieg, der durch die Lieder von SA und HJ geisterte, die pseudoreligiöse Gläubigkeit, die durch Fahnenweihe und jährliche Totengedenkfeier am 9. November planvoll gefördert wurde, mußten dazu herhalten, den Idealismus der jungen Generation dem "Führer" hörig zu machen."[26]
Am 13. April 1932 wurde die SA verboten, und mit ihr auch die HJ als eine Untergruppe, allerdings erreichte Baldur von Schirach eine Loslösung der HJ von der SA und somit eine Legalisierung.
Herrschaftssystem
Nach der Regierungsübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 arbeitete die HJ verstärkt auf die Gleichschaltung aller Jugendverbände und ihrer Eingliederung in die HJ hin. Wo die HJ aus eigener Kraft nicht erfolgreich sein konnte, bediente sie sich des Machtapparates und der Geldmittel des Staates soweit als möglich. Die HJ schreckte auch vor Gewalttaten gegen andere Jugendgruppen und deren Heime nicht zurück, um ihr Ziel zu erreichen.[27] Der größte Rivale der HJ war der Großdeutsche Bund. Die Angst, durch das Verpassen der günstigen Zeit nur ein Jugendverband unter vielen zu bleiben, veranlasste Baldur von Schirach und seine engsten Mitarbeiter dazu, die HJ durch Gewaltmaßnahmen und unter Umständen auch Rechtsbrüche vollendete Tatsachen schaffen zu lassen.
Am 5. April 1933 besetzte Carl Nabersberg mit 50 Hitlerjungen die Geschäftsstelle des Reichsausschusses der Deutschen Jugendverbände in Berlin. Der amtierende Vorstand wurde abgesetzt, und Baldur von Schirach setzte sich selbst als Führer des Reichsausschusses ein.[28] Durch die Haltung der Reichsregierung, die sich weigerte einzugreifen, motiviert, verfuhr die HJ ebenso mit den einzelnen Geschäftsstellen der Landesausschüsse. Damit hatte die HJ die deutschen Jugendverbände in der Hand. Zuerst wurden die sozialistischen und jüdischen Jugendorganisationen aus dem Bund ausgeschlossen. Dann wurde verfügt, dass alle staatlichen Förderungen nur noch Verbänden zugute kommen, die sich zum neuen Staat bekennen. Doch noch immer konnte die HJ nicht die Oberhand über die Großdeutsche Jugend gewinnen. Auf Drängen Schirachs verfügte Hitler am 17. Juni 1933:
"Es wird eine Dienststelle des Reiches errichtet, die die amtliche Bezeichnung "Jugendführer des Deutschen Reiches" trägt..der Jugendführer des Deutschen Reiches steht an der Spitze aller Verbände der männlichen und weiblichen JugendGründungen von Jugendorganisationen bedürfen seiner Genehmigung"
Als Jugendführer des Deutschen Reiches setzte er Baldur von Schirach ein, dessen erste Amtshandlung darin bestand, die Großdeutsche Jugend zu verbieten. In ähnlicher Manier entledigte sich Baldur von Schirach auch der anderen Jugendverbände.
Nun übernahm die HJ immer mehr Aufgaben im Staat, es wurden Geländemärsche abgehalten, Wehrübungen veranstaltet und die Jungen wurden, zwar in von der HJ geleiteten Schulen, aber dennoch von Offizieren der Wehrmacht einer vormilitärischen Ausbildung unterzogen. All diese Maßnahmen wurden durch Wettkämpfe unterstützt.[30]
Am 1. Dezember 1936 erließ Hitler ein Gesetz, das alle Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren zum Eintritt in die HJ verpflichtete.[31] Die HJ war damit von einer "Kampfjugend", über eine "Volksjugend" zu einer "Staatsjugend" gemacht worden.
Am 2. August 1940 wurde Baldur von Schirach zum Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien berufen, und in seiner Stellung als Reichsjugendführer von Arthur Axmann abgelöst. In der Struktur und Wirkungsweise der HJ änderte sich jedoch nichts.[32]
Es wurde immer die Illusion aufrechterhalten, die HJ sei eine Organisation für und zum Schutze der Jugend, aber schon früh zeichnete sich ab, dass die NSDAP die HJ benutzte, um sich konformen Nachwuchs heranzuziehen. Besonders mit Beginn der Wehrertüchtigungen zeichneten sich die Pläne für die spätere Verwendung der Jugend in dem von Hitler geplanten Krieg ab. Nach Beginn des Krieges bestanden die Aufgaben der HJ in Sammelaktionen und zivilen Diensten, mit fortschreitendem Kriegsverlauf wurden die Jugendlichen allerdings auch in den aktiven Militärdienst einbezogen, was seinen grausigen Höhepunkt im "Volkssturm" fand, wo Tausende Jugendliche sinnlos in den Tod geschickt wurden.
Hitler hätte ohne eine Organisation wie die SA nicht an die Macht kommen können.
In den frühen zwanziger Jahren und den jungen Tagen der Weimarer Republik bestimmte der Straßenkampf das politische Klima. Die extremen Gruppierungen beider Seiten, rechts wie links, hatten Schlägertrupps, die Versammlungen der Gegner stören und deren Organisation behindern sollten. Die SA nahm diese Funktion für die NSDAP wahr. Besonders die rechten Parteien benutzten Terror und Einschüchterung der Bevölkerung, bevorzugt Linksgerichteter, zum Erreichen ihrer politischen Ziele. Hitler benutzte die SA als Saalschutz für seine Veranstaltungen. Später ließ er viele Paraden veranstalten, um seine Macht zu demonstrieren und so Wählerstimmen zu gewinnen.
Auch die Hitlerjungen wurden als Wahlhelfer herbeigezogen. Die Jugendlichen nahmen an Kundgebungen und Aufmärschen, an Klebeeinsätzen für Parteiaufrufe und Wahlplakate, an Protestaktionen gegen den Friedensvertrag von Versailles und den Youngplan, im Saalschutz für Parteiveranstaltungen und an Demonstrationen teil. So wurden selbst die Jüngsten schon als Propagandahelfer benutzt. In den Kriegsjahren 1939-1945 leistete die HJ etliche Dienste an der "Heimatfront", die das Nationalsozialistische Regime unterstützten, wie zum Beispiel Sammelaktionen, Hilfsdienste für die Polizei und den Luftschutz, für Reichsbahn und Behörden. Viele Plätze, die eingezogene Wehrmachtssoldaten leer ließen, wurden von Hitlerjungen gefüllt. In den letzten Kriegsjahren mussten die Hitlerjungen auch in den aktiven Kriegsdienst, und wurden sinnlos als letzte Reserve in den Tod geschickt.[33]
Nach der Regierungsübernahme 1933 stellte die SA die Hilfspolizei, und tat sich besonders im Verfolgen politischer Gegner hervor. Die SA war es auch, die die ersten Konzentrationslager einrichtete, die später von der SS weitergeführt werden sollten.
Die SS war Hitlers wichtigstes Instrument zum Erhalt seiner Macht, nachdem die SA 1934 entmachtet worden war. Aus der SS ging die Gestapo hervor, welche die politischen Gegner aufs genauste beobachtete, und verdächtige Personen sofort inhaftierte. Sie garantierte somit die Sicherheit des Reiches vor inneren Feinden.
Außerdem war die SS das wichtigste Instrument zur geplanten Massenvernichtung der Juden. Die SS-Totenkopfverbände stellten die Wachmannschaften der KZ, und arbeiteten auch in den Gaskammern. Die Verbände der Waffen-SS und Sondereinheiten der SS waren damit beauftragt, in den besetzten Gebieten alle Menschen, die als rassisch minderwertig eingestuft waren, zu ermorden.
Die Frage ist, wieso Hitlers Anhänger ihm so fanatisch und blind folgten?
Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Zum Beispiel das Charisma Hitlers, wenigstens zu Anfang, später vielleicht die Angst vor Strafe. Vor allem aber waren die Menschen zu dieser Zeit noch nicht mit dem demokratischen System vertraut und die meisten achteten den Wert von Freiheit und Selbstbestimmung gering im Gegensatz zu der von Hitler versprochenen Ordnung in der chaotischen Zeit der Weimarer Republik.
den Konzentrationslagern
In den von der SS geleiteten Konzentrationslagern wurden unvorstellbare und unmenschliche Grausamkeiten begangen. Die Frage ist, aus welchen Gründen kann ein Mensch zu solchen Taten fähig sein. Dafür gibt es verschiedene Erklärungsmuster.
Die erste Erklärung ist der äußere Druck. Die Täter wurden gezwungen und handelten aus Angst vor Strafe.
Die zweite Erklärung sieht in den Tätern Menschen, die von blindem Gehorsam beherrscht waren, zurückzuführen auf Hitlers Charisma, eine allgemein menschliche Tendenz zum Gehorsam, eine besondere Neigung zur Autoritätshörigkeit und schließlich die Zerstörung des individuellen moralischen Empfindens durch eine totalitäre Gesellschaft, verbunden mit der Abrichtung darauf, alle übertragenen Befehle als notwendig anzusehen.
Der dritte Erklärungsversuch bezieht sich auf den Gruppenzwang. Der Druck der Kameraden und die in einen gesetzten Erwartungen sollen die Täter zu ihren Handlungen gezwungen haben. Es sei für den Einzelnen außerordentlich schwierig gewesen, dem Konformitätsdruck zu widerstehen.
Die vierte Deutung sieht in den Vollstreckern geduckte Bürokraten oder seelenlose Technokraten, die nur ihre Haut retten wollten, oder ihre technokratischen Ziele und Aufgaben verfolgten, wobei ihnen die Opfer gleichgültig waren.
Das fünfte Interpretationsmuster betont die Fragmentierung der Aufgaben, welche dazu geführt habe, dass der Einzelne nicht erkennen konnte, dass seine Arbeit ein Teil eines großen Vernichtungsprogramms war. Selbst wenn sie diesen Zusammenhang erkannten, habe man ihnen mit der Arbeitsteilung ermöglicht, die Bedeutung ihrer Mitwirkung zu leugnen und die Verantwortung anderen zuzuschieben.[35] Diese Deutungsmuster entstanden in der Nachkriegsliteratur. Als Kontrast hierzu hat Daniel Jonah Goldhagen in seinem Buch "Hitlers willige Vollstrecker" folgenden Erklärungsversuch hinzugefügt, nachdem er die bisher bestehenden angezweifelt hat.
Die ganz "normalen Deutschen" waren durch eine Art Antisemitismus motiviert, die sie zu dem Schluss kommen ließ, dass die Juden sterben sollten. Die Überzeugung der Täter, ihr spezifischer Antisemitismus, waren zwar offensichtlich nicht die einzige, aber doch eine entscheidende Ursache ihres Handelns. Die Täter, die sich an ihren eigenen Überzeugungen und moralischen Vorstellungen orientierten, haben die Massenvernichtung der Juden für gerechtfertigt gehalten, sie wollten nicht nein dazu sagen.[36]
VII. Literaturverzeichnis
Microsoft Encarta'98 Enzyklopädie®
Informationen zur politischen Bildung 123/126/127, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, München 1991
Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979
Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982
Daniel Jonah Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker, Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, 3. Auflage Berlin 1996
Informationen zur politischen Bildung 123/126/127, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, München 1991, S.3
Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979, S. 24
Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979, S.25
Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982, S. 120
Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979, S. 27
sinngemäß entnommen aus: Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979, S.28
Sinngemäß entnommen aus: Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979, S.28
Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979, S. 33
Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979, S. 34
sinngemäß entnommen aus: Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979, S. 35
sinngemäß entnommen aus: Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979, S. 45, 46, 47
sinngemäß entnommen aus: Heinz Artzt, Mörder in Uniform, Organisationen, die zu Vollstreckern Nationalsozialistischer Verbrechen wurden, München 1979, S.47, sowie Microsoft Encarta'98 Enzyklopädie®, Stichwort SS, Wannseekonferenz, Eichmann, CD-ROM
Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982, S. 22, 23
Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982, S. 118
Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982, S. 133, 134
sinngemäß entnommen aus: Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982, S.146, 147
Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982, S. 150, 151
Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982, S. 171
Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982, S. 180
Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982, S. 230
Hans-Christian Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Wege und Irrwege einer Generation, 2. Auflage Köln 1982, S. 228, 229
sinngemäß entnommen aus: Informationen zur politischen Bildung 123/126/127, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, München 1991, S. 21
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