Die Kaiserkrönung Karls des Großen
Das Kaisertum des bedeutendsten Herrschers des frühmittelalterlichen Europas
entstand aus der Synthese verschiedener Elemente: der hegemonialen
Königsherrschaft, der antiken Tradition, des christlich-theokratischen
Weltreichs und der Verleihung sakraler Würde durch den Papst.
Während der in der Peterskirche in Rom zelebrierten Weihnachtsmesse im Jahr 800
setzte Papst Leo III. Karl dem Großen die Kaiserkrone eigenhändig auf. Durch
die Akklamation des anwesenden römischen Volks und die Huldigung (»Proskynese«)
Karls durch den Papst wurde der Konstitutivakt der Kaiserkrönung abgeschlossen.
In der Geschichtsschreibung ist die Frage, inwieweit der Papst die Proklamation
überraschend und eigenmächtig vollzogen hat - wie Karls Biograph Einhard in
seiner »Vita Caroli Magni« überliefert - bis heute umstritten. Es scheint
möglich, daß der von Leo vollzogene Krönungsakt Karls Unwillen erregte, wurde
damit doch eine machtpolitische Überlegenheit des Papsttums demonstriert, die
in dieser Form nicht gegeben war. Denn es war der Papst gewesen, der 799 Karl
gegen seine Widersacher in der römischen Nobilität um Hilfe gebeten hatte.
Ein weiterer Punkt war die Tatsache der Akklamation durch die Römer, die
ebenfalls den realpolitischen Gegebenheiten nicht entsprach. Denn damit wurde
man dem Faktum nicht gerecht, daß das fränkische Königtum die Grundlage für die
Machtentfaltung Karls bildete, das eigentliche »Reichsvolk« also das fränkische
Volk war.
Trotzdem kann man von einer grundsätzlichen Bejahung der neuen Würde durch Karl
ausgehen, obwohl damit die Frage des doppelten römischen Kaisertums
(»Zweikaiserproblem«) virulent wurde, da seit dem Untergang des Weströmischen
Reichs 476 die oströmischen Kaiser in Byzanz (Konstantinopel) die universale
Anerkennung beanspruchten. Karl suchte einen Konflikt zu vermeiden, indem er
seinen Anteil am politischen Erbe Roms in einem Urkundentitel (vom Mai 801)
vorsichtig als »von Gott gekrönter, großer und friedbringender Kaiser, der das
römische Reich regiert« interpretierte. Die offizielle Anerkennung durch Byzanz
erfolgte dann 812.
813 erhob Karl zusätzlich in Aachen seinen dritten Sohn Ludwig zum Mitkaiser,
wobei er den Papst umging. Doch sollte diese sogenannte Aachener (»romfreie«)
Kaiseridee keinen Bestand haben, da das Papsttum sich machtpolitisch mit der
Kaiserkrönung in Rom durchsetzen konnte. Noch 1452 wurde hier Friedrich III.
zum Kaiser gekrönt.
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