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Der Investiturstreit

Der Investiturstreit


Heinrich IV. ist, als überhaupt einer von wenigen mittelalterlichen Momenten, dem kollektiven historischen Gedächtnis bis in unsere Zeit eingeschrieben, vermittelt durch Bismarcks Rede vor dem Reichstag aus Anlass des Kulturkampfes, seiner Bildhaftigkeit, seiner Prägnanz und seinen elementaren Zügen nach aber noch jenem Bericht folgend, den im Anschluss an das Ereignis Papst Gregor, wie sein Gegner Heinrich IV. ein Könner auf dem Felde der Propaganda und 'normierenden Information' (Harald Zimmermann), über das gesamte Reich verbreitet hatte. Der Canossagang von 1077 stellt einen Höhepunkt der Europa in Atem haltenden Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst dar, ohne jene Frage einer Lösung näher zu bringen, die wohl seit der Mitte der Siebziger Jahre Gegenstand des Konflikts ist, und von welcher die Ereignisse - sei es auch in einseitiger und andere ebenfalls zentrale Aspekte unberücksichtigt lassender Weise - den Namen 'Investiturstreit' tragen: ist es das Recht des Königs Bischöfe durch Vergabe von Ring und Stab in ihr Amt einzusetzen?




Der Begriff 'Investiturstreit' als Bezeichnung für die Epoche zwischen 1075/76 und 1122 lässt sich vom Ende der Auseinandersetzung im Wormser Konkordat her rechtfertigen. Zweifelhaft ist nur, wie v. a. Rudolf Schieffer feststellte, ob das Investiturproblem beim Ausbruch des Konflikts zwischen Papst und deutschem König schon die entscheidende Rolle gespielt hat.

Der Begriff 'Investiturstreit'


Königliche Kirchenhoheit

Weltliche und kirchliche Gewalten sind im 11. Jahrhundert eng miteinander verbunden. Eine Aristokratie, die in den Genuss weitgehender Autonomie von der Krone kommt und zugleich dem besonderen Schutz des Königs unterstellt ist, agiert oftmals im Bestreben auf Ausbau ihrer weltlichen Macht und ihres Einflusses. Das Amt des Reichsbischofs, dessen Träger sich in der Mehrzahl aus der Aristokratie rekrutierten, kam einem Herrschaftsinstrument mit sakraler Legitimation nahe, einer besonderen Form adligen Mitspracherechts im Reich.

Klerikale Aristokratie

Diese enge Verflochtenheit von kirchlichen Institutionen mit weltlichen Gewalten wussten besonders seit der ottonischen Zeit auch die deutschen Könige (und römischen Kaiser) als Instrument zur Festigung ihrer Machtbasis geschickt und erfolgreich zu nutzen. Durch Einbeziehung der kirchlichen Institutionen und Mandatsträger in die Regierung des Reiches und durch gezielte Besetzung wechselnder Bischofsstühle mit königstreuen Kandidaten erlangte das Reichskirchensystem entscheidende Bedeutung für die Festigung der Reichseinheit und war zugleich wichtige Voraussetzung für die sakrale Legitimation des Königtums, die v. a. unter Otto III. einen Höhepunkt erreichte. Im Zuge dieser Entwicklung und im Zuge der erhöhten Zentralisierung königlicher Herrschaft seit Heinrich II. verfestigte sich allmählich die tatsächliche Verfügungsgewalt des Königs über die Kirche.

Das ottonisch-salische Reichskirchensystem

Falsch wäre es, davon auszugehen, dass die Herrscher zu jeder Zeit und überall die Besetzung von Bistümern und Abteien fest in der Hand gehabt hätten. Als weltlicher Kirchenherr hatte der König entscheidenden Einfluss auf die Wahl der Bischöfe und übte, wohl spätestens seit Heinrich III., die Investitur mit Ring und Stab aus. Oftmals standen den königlichen Interessen aber Interessen des Adels oder das Prinzip der kanonischen Wahl durch Klerus und Volk bzw. durch die Mönche des jeweiligen Klosters entgegen, so dass der Einfluss des Königs immer von den situationsbedingten Begebenheiten abhängig blieb und sich z. T. auch nur als bloßer Konsens zur Wahl, als verbindlicher Wahlvorschlag oder gegebenenfalls als Ablehnung des gewählten Kandidaten äußerte; nur in gefestigter politischer Situation kommt die alleinige Entscheidung des Königs zum Zuge.

Königlicher Einfluss auf die Bischofserhebung

Die königliche Mitwirkung bei der Bischofserhebung wird spätestens unter Heinrich III. zu einem faktischen Besetzungsrecht, das in der Investitur durch Ring und Stab seine symbolische Realisierung findet. Die Übergabe von Ring und Stab bei vorausgehender Leistung von Handgang (commendatio) und Treueid (fidelitas) bindet den Bischof in ein quasivasallistisches Verhältnis zum Herrscher und bedeutet nicht allein die Übertragung der Gewere, des privatrechtlich verfügbaren kirchlichen Guts, sondern beinhaltet ebenso die Übertragung der geistlichen Qualität des Amtes. Petrus Damiani bezeugt, dass der König bei solcher Handlung 'accipe ecclesiam' sprach. Ring und Stab als Symbole für die geistliche Autorität des Bischofs bedeuten dessen geistliche Ehe mit der Kirche und das priesterliche Hirtentum. Mit dem Stab benutzt der Herrscher das selbe Rechtssymbol, das im geistlichen Akt der Bischofsweihe der Metropolit zu übergeben hat.

Praxis der Investitur


Höhepunkt der Kirchenhoheit unter Heinrich III.

Eine besonders kraftvolle Verkörperung erfährt die Verfügungsgewalt des Königs über die Kirche durch Heinrich III., der, selbst von tiefer Religiosität geprägt, mit größter Selbstverständlichkeit die Investitur mit geistlichen Symbolen vornimmt und seine Ansprüche bis auf den Papst ausweitet. In den Ereignissen des Jahres 1046 erfährt die sakrale Stellung des deutschen Königs ihren Höhepunkt, als in Vorbereitung der Kaiserkrönung Heinrichs III. auf den Synoden von Sutri und Rom unter Vorsitz des Königs die drei schismatischen Päpste Gregor VI, Silvester III. und Benedikt IX. abgesetzt werden. Auf der Synode von Sutri wurde sogleich zur Neuwahl eines Papstes geschritten, des Deutschen Suitger von Bamberg, der sich als Papst Clemens II. nennt. Für die Wahl, wie auch für die noch folgenden drei 'deutschen Päpste' war sicher der Einfluss des Königs ausschlaggebend, denn der römische Klerus wäre wohl kaum auf die Idee gekommen, einen deutschen Bischof zum Papst zu erheben.

Verfügungsgewalt über die Kirche bei Heinrich III.

Heinrichs III. Vorgehen in Sutri und Rom findet bei den Zeitgenossen weitgehend Zustimmung; lediglich zwei kritische Stimmen sind vernehmbar: ein anonymer Traktat aus Frankreich 'De ordinando pontifice' sowie die in den 'Gesta episcoporum Leodiensium' überlieferten Ansichten des Bischofs Wazzo von Lüttich. Letzterer allerdings bestreitet grundsätzlich jegliche Kompetenz des Herrschers in geistlichen Dingen; die Bischöfe seien ihm gegenüber nur in weltlichen Dingen zu Treue verpflichtet. Die Anschauungen des Lütticher Kirchenmannes können als Zeugnis einer Bewusstseinsänderung gesehen werden. Kritik an der königlichen Verfügungsgewalt über geistliche Dinge entzündet sich in dem Augenblick, wo man die Herrscherwürde und das Bischofsamt wieder schärfer voneinander zu trennen beginnt.

Bewertung von Heinrichs III. Vorgehen in Sutri und Rom

Bis aber diese Auffassung sich weiter ausbreiten kann, ist für das christliche Abendland ein universalistisches Weltbild bestimmend. Die Vorstellung von einer gottgewollten Weltordnung mit zwei sich komplementär zu einem heilsgeschichtlichen Ganzen fügenden Gewalten erhält modellarische Greifbarkeit und augenscheinliche Bestätigung (Beißwenger) im Zusammenwirken Heinrichs III. und Leos IX.: Der Kaiser verwendet sich mit der ihm zu Gebote stehenden weltlichen Gewalt für die Reformbestrebungen des ambitionierten Papstes und dieser wiederum stützt die Macht des Kaisers mit dem Gewicht seiner spirituellen Autorität. Im Zuge des Investiturstreits findet eine Neubestimmung des Verhältnisses von regnum und sacerdotium statt.

Universalistisches Weltbild

Ohne dem zeitlichen Ablauf, den gesicherten Eckdaten jener Entwicklung, die erst im Wormser Konkordat von 1122 einen vorläufigen Abschluss findet, zu folgen, sollen hier zunächst die geistesgeschichtlichen Grundlagen benannt werden, die dem Konflikt um die Investiturpraxis des weltlichen Herrschers unabdingbar vorausgehen mussten. Der Streit zwischen weltlichem Herrscher und Papsttum wurde außer in der Tagespolitik verhafteten Briefen in zahllosen theologischen Traktaten ausgetragen, deren Argumentationsstruktur einer seit dem 10. Jahrhundert sich ausbreitenden neuen Auffassung vom Verhältnis zwischen weltlichen und spirituellen Dingen verpflichtet ist.

Monastische Reform und Kirchenreform

Ihren Ausgang nimmt die theologische Argumentation in jener als Kirchenreformbewegung bezeichneten Bewusstseinswandlung, die Vorspiel, Begleiterscheinung oder Wirkung der sog. gregorianischen Reform war (L. Schmugge). Erst wo an Stelle der universalistischen Denkweise des frühen Mittelalters, die kirchliche und weltliche Interessen im gleichen Ziel vereint sah und derzufolge König und Papst mit den Worten des Papstes Gelasius als die zwei Schwerter des Christentums galten, die sich gegenseitig zu ergänzen haben, das Bewusstsein von der Verschiedenheit der weltlichen und sakralen Sphären trat (Unterscheidung von spiritualia und temporalia), ist die grundsätzliche Infragestellung des königlichen Investiturrechts überhaupt möglich. Ausgehend von monastischen und eremitischen Reformidealen des 10. Jahrhunderts breitete sich in der Kirche im 11. Jahrhundert der Wille zur Reform aus, dessen hauptsächliche Forderung nach libertas ecclesiae, der Befreiung der kirchlichen Sphäre von Einflüssen laikaler Gewalten, war. Ihren Ausgang und Mittelpunkt hatte diese monastische Reformbewegung in Cluny. Dort und von dort aus versuchte man ein an der (vermeintlichen) Urkirche orientiertes Ideal mönchischen Lebens durchzusetzen mit Rückbesinnung auf den Wortlaut der Regula S. Benedicti und den hier im Einzelnen nicht darzustellenden Forderungen nach Verwirklichung des christlichen Ideals im Jetzt des täglichen Lebens. Die normative Ausstrahlung von Cluny wird deutlich, wenn Abt Hugo die mönchische Gemeinschaft als modellarisches Abbild davon, wie die Kirche idealiter auszusehen habe, kennzeichnet, von deren caput Cluny Veränderungen in die vielen membra, die anderen Klöster in Europa, getragen werden. Die cluniazensische Idee, die sich u. a. in dem Bestreben nach Exemtion, d. h. Lösung der Klöster aus dem Diözesanverband und somit aus den Fängen weltlicher Macht, manifestiert, gewinnt rasch an Popularität, so dass zahlreiche Kirchenherren ihre Klöster und Priorate Cluny übertragen und sie somit der Reform öffnen. Nun ist Gegenstand dieser Darstellung nicht die Klosterreform, sondern deren Rolle als Ausgang und gewissermaßen Ideengeber einer allgemeinen Kirchenreform, in deren Zusammenhang die Kritik an der königlichen Investiturpraxis letztendlich erst möglich wurde. Wie sich dieses Übergreifen der monastischen Reformbestrebung auf den gesamten Bereich des Klerus im Einzelnen darstellte ist dabei noch weitgehend unklar, lässt sich jedoch schemenhaft recht plausibel darstellen.

Das Beispiel der cluniazensischen Reform, wo eine klare Trennung zwischen sakraler und laikaler Sphäre bei gleichzeitiger Tendenz zur Sakralisierung laikaler Schichten verwirklicht wurde, musste den Zeitgenossen als stete Mahnung erscheinen. Es erscheint plausibel, dass die durch die cluniazensische Reform bedingte Bewusstseinsänderung und neue Sorge um das Seelenheil eine emanzipatorische Kraft entfalten konnte, deren Auswirkungen sich nun auch auf weitere kirchliche Bereiche erstreckte.

Kirchenreform unter Papst Leo IX.

Wirkliche Aktivitäten zugunsten einer Reform können in Rom erst unter Papst Leo IX. (1049-1054) in Angriff genommen werden. Im Umkreis dieses Papstes kommen Reformer wie Hildebrand, Friedrich von Lothringen, Humbert von Moyenmoutier (später Bf. von Silva Candida) und Hugo Candidus nach Rom; der Grund für die Verwaltungsordnung und Zentralisation des kurialen Apparates wird gelegt, die Ausbildung des Kardinalkollegiums setzt ein und in zwölf Synoden wird die Reform weitergetragen, die v. a. Freiheit der kirchlichen Wahlen, moralische Erneuerung des Klerus und maßvoll vorgetragene Zöllibatsforderungen zum Gegenstand hat. Eine offene Infragestellung des Verhältnisses von Kirche und Welt findet hier noch nicht statt, doch mit der Thematisierung simonistischer Praktiken wird der Hebel bereits an den Punkten angesetzt, wo die weltliche Sphäre am offensichtlichsten in die Belange der Kirche eingriff: bei der Besetzung geistlicher Amter.

Simoniedebatte und Kritik an der Laieninvestitur

Der Begriff der Simonie, der aus der Apostelgeschichte hergeleitet ist, die vom Magier Simon berichtet, welcher den Aposteln materielle Werte für die Überlassung ihrer wundertätigen Fähigkeiten anbietet, was vom heiligen Petrus als Anmaßung verurteilt wird, findet im Zuge der Kirchenreform als zentraler Kampfbegriff Anwendung auf Tatbestände, bei denen bei der Vergabe geistlicher Amter materielle Werte oder allgemein weltliche Gegenleistungen im Spiel sind. Dass Simonie zu bekämpfen sei, ist bei den Reformern unumstritten; Meinungsverschiedenheiten gibt es lediglich in der Frage, welche theologischen Konsequenzen der Nachweis von Simonie bei der Besetzung eines geistlichen Amtes nach sich ziehen soll. Während Petrus Damiani im Liber Gratissimus (1051) die Auffassung vertritt, dass selbst die von einem Simonisten gespendeten Sakramente gültig seien, da der Priester bei der Erteilung eines Sakraments lediglich eine Mittlerrolle einnehme und Gott der eigentliche Spender ist (Petrus Damiani argumentiert bzgl. des Wesens der Sakramente analog zur Taufe Christi durch Johannes), vertritt Humbert in seinen Libri tres adversus simoniacos (1054-58) den schärferen Standpunkt, dass ein Kleriker, der sich der Häresie schuldig gemacht hat, grundsätzlich nicht die Integrität habe, gültige Sakramente zu spenden. Eine derartige Auffassung von der Freiheit der Kirche zwingt natürlich zu einer raschen Eliminierung aller Störfaktoren, impulsiven Behandlung der Simoniefrage und einer Prüfung der Vorgänge bei der Wahl eines jeden Bischofs. Ausdruck der von derartigen Auffassungen genährten geradezu panischen Angst um das Seelenheil der Gläubigen sind etwa die Ausschreitungen der Mailänder pataria im Zusammenhang mit dem dortigen Bistumsstreit.

Petrus Damianis und Humbert von Silva Candidas Kritik an der Simonie

In den Libri tres adversus simoniacos stellt Humbert von Silva Candida außerdem die laikale Investiturpraxis radikal in Frage. Im 3. Buch kennzeichnet er diese als Sonderfall der Simonie. Die principes saeculi und ihr Geld trügen Schuld daran, dass die Priesterschaft anstatt freier nur verächtlicher lebe als die anderen Menschen. Auch die Investitur durch den König sinkt für Humbert auf die Ebene der Laieninvestitur.


Grundsätzlicher theologischer Ansatzpunkt für die Kritik der Investiturpraxis weltlicher Herrscher ist die aus der in der Reformbewegung getroffenen klaren Trennung von spiritualia und temporalia gefolgerte Feststellung, dass der König, da ihm die priesterliche Weihe fehlt, ein Laie ist und demzufolge zu Investituren, die mit göttlicher Vollmacht (Dei gratia) geschehen, nicht berechtigt ist, da er als Laie über keine göttliche Vollmacht verfügt.

Trennung von spiritualia und temporalia




Das Programm Gregors VII.

Der Reformatio-Begriff des Mittelalters wird durch die Überzeugung bestimmt, dass jede Veränderung nichts anderes als einen Abfall von einem Zustand, den Gott vollkommen eingerichtet hat, darstellt. In der Zeit des Investiturstreits setzte mit dem Reformpapsttum Gregors VII. insofern eine neue Entwicklung ein, als bei ihm der Impetus des Kampfes um die libertas ecclesiae aus einem neuen Willen erwuchs, der alle traditionalistischen Widerstände mit revolutionärem Elan aus dem Wege räumte (vgl. J. Miethke). Dominus dicit: 'Ego sum veritas et vita', non ait 'Ego sum consuetudo'. Mit der ausdrücklichen Aufnahme dieses Kampfwortes Tertullians wurden die Grenzen des Anschlusses an die schon unübersichtlich gewordene Tradition abgesteckt. Unter Gregor VII., dies erweisen die uns sowohl in einem erhaltenen päpstlichen Ausgangsregister als auch in zahlreichen Empfängerexemplaren überlieferten Briefe dieses Papstes, werden die alten Texte nach dem Kriterium der 'Wahrheit' neu gesichtet; auch gegenüber der patristischen Tradition wird aber durchaus Gregors eigene Anschauung geltend gemacht. Mit seiner pneumatisch ambivalenten Haltung der Tradition gegenüber, so Jürgen Miethke, hat dieser Papst keine Zweifel daran, dass in der authentischen Tradition das zu finden wäre, was er als seine Maximen wusste.


Nach Heinrichs III. Tod im Jahr 1056 folgen bis zur Volljährigkeit des bereits gewählten Königs Heinrich IV. im Jahr 1065 Jahre der Regentschaft der Kaisergemahlin Agnes, des Kölner Erzbischofs Anno (nach dem Staatsstreich von Kaiserswerth 1062) und des Erzbischofs Adalbert von Hamburg-Bremen. In diesen Jahren war, zwar nicht so sehr, wie die ältere Forschung dies gerne behauptete, aber dennoch spürbar, ein Machtvakuum entstanden, in dem weltliche und geistliche Fürsten ihre Machtpositionen im Reich ausbauen konnten und viel Königsgut sowie königliche Rechte entfremdet wurden. Für das Papsttum endete mit dem Tod Viktors II. die Reihe der 'deutschen Päpste'; die folgenden Päpste seit Stephan IX. waren Kandidaten der radikalen Reformer (Ausnahmen sind die schismatischen Päpste Benedikt X., der vom römischen Adel unterstützt wird, und Honorius II. als Kandidat der Regentin Agnes) und lehnen sich an den stärksten politischen Nachbarn, Herzog Gottfried den Bärtigen, Markgraf von Tuszien an, einen Gegenspieler Heinrichs III., den dieser aus Lothringen verdrängt hatte. De facto brachte also schon der Tod Heinrichs III. und die Tatsache, dass sein noch jugendlicher Sohn die Regierungsgeschäfte nicht sogleich in dessen Manier fortsetzen konnte, ein Ende des von Stringenz und Einigkeit im Handeln von regnum und sacerdotium geprägten Zeitabschnittes mit sich.


Zum Bruch zwischen Kurie und deutschem Hof kommt es, als 1059 der Papst Nikolaus II. unter Hinweis auf Rechtstitel, die er in Nachfolge des Kaisers innehabe, die italienischen Normannenfürsten belehnt. Eine deutsche Synode von 1061 verurteilt den Papst und setzt Cadalus als Honorius II. zum neuen Papst ein. Das Schisma der zwei Päpste kann erst 1064 auf der Synode von Mantua mit der Deposition Honorius II. beseitigt werden



Offener Konflikt zwischen Kaiser und Papst

Zum Ausbruch des offenen Konflikts zwischen Kaiser und Papst ist es allem Anschein nach in Folge der Investituren des Sommers 1075 gekommen. Entgegen der Zusagen von 1073/74 setzt Heinrich seinen Kaplan Tedald als Mailänder Erzbischof ein und nimmt ferner Besetzungen der Bischofsstühle in Spoleto und Fermo vor, zwei Städten, die im Kirchenstaat und damit im Metropolitanbereich des Papstes, liegen. Für den König hatte sich zu diesem Zeitpunkt die Situation in Deutschland und Italien zum Besseren gewandelt, da es im Verhältnis zu den Fürsten zu einem Ausgleich gekommen war und in Mailand nach der Niederlage der pataria Anlehnung an den König gesucht wurde. Die Einsetzung Tedalds und der Bischöfe in Spoleto und Fermo mag somit ein Indiz dafür sein, dass der König sich nun stark genug fühlte, seine Herrschaft auch in Italien zu stärken

An wenigen Dokumenten lässt sich die Eskalation des Konflikts festmachen: Gregors Brief an Heinrich vom Dezember 1075, die Absageerklärung der Bischöfe sowie der Brief Heinrichs an Gregor vom Wormser Reichstag im Januar 1076, die Absetzung Heinrichs durch Gregor im Februar 1076.

Dokumente der Eskalation des Konflikts

Nicht eindeutig zu klären ist, ob schon auf der Fastensynode von 1075 ein allgemeines Verbot der Laieninvestitur verhandelt worden war, jedenfalls findet sich im Synodalprotokoll kein Hinweis auf einen derartigen Vorgang. In Arnulfs Gesta der Mailänder Bischöfe ist allerdings von einem eindeutigen Investiturverbot die Rede. Die ältere Forschung hatte sich in Anlehnung an Rudolf Schieffer darauf verständigt, dass es sich hierbei nicht um ein umfassendes Investiturverbot gehandelt habe, sondern lediglich um die zeitlich befristeten Rechtsfolgen einer Missachtung der Strafmaßnahmen gegen die simonistischen Räte. Neuerdings konnte Johannes Laudage jedoch aufzeigen, dass die Möglichkeit eines bereits auf dieser Synode ausgesprochenen Investiturverbots durchaus nachvollziehbar wäre, insofern sich ein Verbot zu diesem Termin in eine sinnvolle Ereigniskette füge. Somit wäre bereits in der Fastensynode von 1075 seitens der Kurie 'die Schwelle zur offenen Auseinandersetzung mit dem deutschen König überschritten' worden. Die überlieferten Schreiben des Papstes an Heinrich auch nach der Synode bezeugen jedoch, dass sich der König aus den deutschen Bistumsstreiten herausgehalten hatte und dass der Papst noch immer darauf hoffte, die Unterstützung des Königs für die Durchführung der Reformen zu gewinnen. Noch im Juli 1075 spricht der Papst dem König ein hohes Lob wegen seines Reformeifers aus. Das Streben nach gemeinsamer Durchsetzung der Ziele zeigt sich u. a. im Kreuzzugsplan des Papstes vom Dezember 1074. Trotz aller Beteuerungen des Papstes, die Gemeinsamkeit mit dem Kaiser zu suchen, ist in den Briefen nach der Fastensynode doch ein gewisser Wandel spürbar, wenn zunehmend gesteigerte Gehorsamsforderungen an den Kaiser den Geist der im Dictatus papae aufgestellten Leitsätze erkennen lassen. Letztendlich ist bis zum Winter der Jahre 1075/76 das Verhältnis des Papstes zur Reichskirche und zum deutschen König noch keinesfalls geklärt; ein offener Konflikt ist zu dieser Zeit aber noch nicht erkennbar.

Zur Frage eines Investiturverbots von 1075

Im Dezember 1075 ergeht ein Brief des Papstes an den Kaiser, in dem der Salier unter Androhung des Ausschlusses aus der Kirche in scharfer Form aufgefordert wird, das Investiturverbot zu achten und auf unrechtmäßigen Umgang mit Gebannten zu verzichten. Hier erhebt Gregor nun den Vorwurf, Heinrich habe ihn durch zahllose Briefe voll Ergebenheit und durch Gesandte Worte voller Demut zukommen lassen, ohne diesen Taten folgen zu lassen. Er wirft ihm ausdrücklich die Investituren des Sommers vor und begründet seinen Anspruch auf Unterwerfung des Königs unter Primat und Urteile des Papstes durch das Argument der von Matthäus 23 ausgehenden Binde- und Lösegewalt des Papstes als des Nachfolgers Petri. Als Indiz für ein Investiturverbot des Frühjahrs 1075 könnte die Erwähnung eines Dekrets gewertet werden, welches von vielen als unerträgliche Last empfunden werde. Der Brief des Papstes wurde, wie der Reichstag von Worms zeigen sollte, als klare Kampfansage empfunden.

Brief des Papstes im Dezember 1075

Am 24. Januar 1076 kommen in Worms der König, zahlreiche Vertreter des Reichsepiskopats sowie einzelne weltliche Fürsten zusammen. Von diesem Reichstag geht eine Absageerklärung der Bischöfe (24 Bischöfe und 2 Erzbischöfe kündigen dem Papst den Gehorsam auf, weil seine Erhebung illegal gewesen und sein Lebenswandel unmoralisch sei) und ein Schreiben des Königs an den Papst. Ob die Initiative dazu von Heinrich oder von den Bischöfen ausging, ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls trafen sich beide Gruppen von unterschiedlichen Voraussetzungen her in ihrer gemeinsamen Abwehr der päpstlichen Herausforderung.

Reichstag in Worms 1076

Der Brief des Königs enthält die Vorwürfe, Gregor habe sich gegen Reichsrechte in Rom und Italien vergriffen, was als Anspielung auf sein Bündnis mit der Mailänder pataria sowie auf die päpstliche Belehnung der Normannen mit süditalienischen Reichsgebieten verstanden werden kann, sowie der Vorwurf, er habe wider göttliches und menschliches Recht gehandelt, indem er an die Bischöfe Hand angelegt habe und indem er dem König die erbliche Würde entrissen habe. Heinrich verweist auf seine Unantastbarkeit als erblicher König und befiehlt dem Papst kraft seiner Würde als Patrizius der Römer (diesen Titel hatte Heinrich III. 1046 nach seiner Kaiserkrönung auch für seinen Sohn erhalten), von seinem Stuhl herabzusteigen. Der Brief wird vervielfältigt und erfährt als wirkungsvolle Propaganda Verbreitung über das Reich.

Brief des Königs an Gregor VII. im Januar 1076

Heinrichs Brief konnte keine andere Reaktion als die Exkommunikation des Herrschers hervorrufen (diese wird mit dem Umgang mit Gebannten begründet). Auf der römischen Fastensynode des Jahres 1076 ging der Papst jedoch noch einen Schritt weiter, wenn er den Salier als König absetzte. Da die Exkommunikation die Entbindung der Untertanen vom Treueid nach sich zieht, scheint die Königsdeposition, obgleich ein bislang beispielloser Vorgang, eine unmittelbare Folge des Anathems zu sein. Dennoch ist die Absetzung des Königs, die Gregor in einer effektvollen Inszenierung als Gebet vor dem Apostelfürsten Petrus vorträgt, rechtlich fraglich. Wolfram von Steinen betont, dass der König sein Amt nicht vom Papst, sondern von den Fürsten habe und deswegen nur diese zu einer Absetzung berechtigt seien. Allerdings hätte eine Exkommunikation des Herrschers wegen des Verbots des Umgangs mit Exkommunizierten eine Absetzung der Fürsten nach sich ziehen müssen. Der Akt auf der Fastensynode kann als eine erste und konsequente Erprobung des Anspruchs auf Suprematie des Papstes gelten, der in den Sätzen des Dictatus papae deklariert wurde. In einem Brief an Hermann von Metz rechtfertigt Gregor seine Handlung durch Hinweise auf die Exkommunikation des Theodosius durch den heiligen Ambrosius und Pippins durch Papst Zacharias, die, wie schon die Zeitgenossen wussten, nicht den historischen Fakten entsprachen.

Die Fastensynode 1076

Die Bannung eines Herrschers durch den Papst erschütterte das christliche Weltbild der Zeit und musste von Heinrich als politische und existentiell hoffnungslose Bedrohung empfunden werden. Entscheidend für die folgenden Ereignisse scheint die Tatsache, dass die Bannung, obgleich dem Papst zuvor der Gehorsam gekündigt worden war, eine ungeheure Wirkung zeigte und man in der schnellstmöglichen Aufhebung des friedlosen Zustandes des Königs die dringendste Notwendigkeit sah. Das Einvernehmen zwischen dem König und den Bischöfen jedenfalls war zerstört und statt dessen bildete sich mit den sächsischen Fürsten, süddeutschen Fürsten und einem großen Teil des Episkopats eine feindliche Koalition gegen den König; die gebannten Bischöfe suchen mit dem Papst schnell Frieden. Für Heinrich stellte sich in dieser ausweglosen Lage die Verhandlung mit den Fürsten und Bischöfen als einzige Möglichkeit dar. Auf dem Fürstentag zu Tribur, während dessen Heinrich am anderen Rheinufer in Oppenheim lagert, wird der Entschluss gefasst, den Papst zu einer Versammlung in Augsburg im nächsten Jahr einzuladen. Der König müsse ein Jahr nach seiner Bannung vom Bann wieder loskommen, andernfalls würde ein neuer König gewählt.

Letztlich gelingt es Heinrich, einen Zusammenschluss Gregors mit der fürstlichen Opposition im Reich doch noch zu verhindern. Obwohl die Alpenpässe von seinen Gegnern blockiert sind, kann der König unter abenteuerlichen Umständen die winterlichen Alpen überqueren und, indem er vor der Burg Canossa, wie die päpstliche Quelle berichtet, drei Tage lang barfuß und barhäuptig Buße tut, vom Papst die Loslösung vom Bann erreichen. Gregor war zu diesem Zeitpunkt schon auf den Weg nach Deutschland aufgebrochen und hatte sich, als er vom Nahen des Königs erfuhr, auf die Burg seiner Verbündeten Mathilde zurückgezogen. Da nun der König christliche Buße ablegte, kam der Papst, durch seine Berater, u. a. Hugo von Cluny, zur Nachsicht gedrängt, nicht umhin, ihn wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufzunehmen. Zwar musste der Salier in einem Eid bekennen, sich fortan dem Urteilsspruch des Papstes zu fügen und dessen Reise nach Deutschland nicht zu behindern, doch obwohl er durch diese Geste den Primatsanspruch des Papstes faktisch bestätigte, ist der Canossagang zumindest als Teilerfolg für den König zu werten, wenngleich außer Frage steht, dass sich die Bewertung 'Canossas' als Schande (v. a. die Rezeption seit dem 19. Jahrhundert) auf die zeitgenössische Quelle Lampert von Hersfelds stützen kann. Schon die Zeitgenossen empfanden die Zwiespältigkeit des Vorgangs: einerseits akzeptierten sie die in der Buße ausgedrückte religiöse Gesinnung des Königs, andererseits hielten sie es für unwürdig, dass der König um eines augenblicklichen Vorteils willen eine Kehrtwendung vollzogen hatte. Die Bewertung des Bußgang als eines taktischen Erfolgs Heinrichs IV. (A Brackmann) ist demzufolge ebenfalls als überholt anzusehen. Über die Beurteilung der tatsächlichen rechtlichen Konsequenzen der Rekonziliation des Saliers herrscht ebenfalls Unklarheit. Es ist davon auszugehen, dass Gregor erst in ganz neuer Situation (Fastensynode 1080) die Exkommunikation und die Wiederaufnahme des Büßers so interpretiert hat, als sei der Bann eine Amtsenthebung und die Rekonziliation noch keine Wiedereinsetzung gewesen. Der Anspruch auf päpstliche Idoneitätsprüfung oder gar auf Approbation weltlicher Herrschaft, wie er im 13. Jahrhundert von Bonifaz VIII. vorangetrieben wurde, steckte noch in ersten, juristisch völlig unsicheren Anläufen








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