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Vor 50 Jahren Die Nurnberger Prozesse

Vor 50 Jahren: Die Nürnberger Prozesse


Am 20. November 1945 wurde im Schwurgerichtssaal 600 der erste internationale Kriegsverbrecher-prozeß der Geschichte eröffnet. Zwei Jahre zuvor hatte Stalin in Teheran noch mit Roosevelt und Churchill angestoßen. 'Ich trinke auf die möglichst rasche Justiz für alle deutschen Kriegsverbrecher', sagte der sowjetische Diktator und fügte hinzu: 'Ich trinke auf die Justiz einer Erschießungsabteilung Es müssen ihrer mindestens 50.000 sein.' Erst nach langem Zerren setzten die Amerikaner statt der Standgerichte ein ordentliches Gerichtsverfahren durch. Heute sind die Nürnberger Prozesse das wichtigste Vorbild für die Bosnien-Verfahren des internationalen Gerichtshofs."




Vorgeschichte


Vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946: Tagung  im Schwurgerichtssaal (Saal 600) des Nürnberger Justizgebäudes in der Fürther Straße des Internationalen Militärtribunals (IMT)

beruhte auf Beschlüssen der Großen Drei (Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion und Großbritannien) auf den Konferenzen in Moskau (1943), Teheran (1943), Jalta (1945) und Potsdam (1945)

Organisation des Verfahrens durch amerikan. Bundesrichter Robert H. Jackson (während der Prozesse US-Hauptankläger) im Auftrag des US-Präsidenten Truman

Jackson: Empfehlung Nürnberg als Prozeßort

Da: nur in Nürnberg ein ausreichend großes, während des Bombenkrieges nur unwesentlich beschädigtes Justizgebäude

22.000 qm Nutzfläche mit ca. 530 Büroräumen und ca. 80 Sälen, in der nähe unzerstörtes Gefängnis

Sowjetunion: Forderung Berlin zum Prozeßort zu bestimmen

Einigung im Rahmen des Londoner Viermächte-Abkommens über die Verfolgung von Kriegsverbrechen vom

8. August 1945 darauf, daß Berlin ständiger Sitz des Gerichtshofes ist, daß das erste Verfahren (von mehreren geplanten) in Nürnberg durchgeführt wird

Stellung eines Richters + Stellvertreters durch die vier Großmächte (inzwischen war Frankreich dazugekommen)

auch Anklagebehörde mit Angehörigen der vier Mächte besetzt

18. Oktober 1945: Eröffnungssitzung des IMT im Kammergerichtsgebäude in Berlin (Sitz des Alliierten Kontrollrates)

Vorsitz führte der sowjetische Richter Iola T. Nikitschenko

Ankläger reichten die Anklageschrift gegen 24 Hauptkriegsverbrecher sowie gegen sechs 'Verbrecherische Organisationen' (Korps der politischen Leiter der NSDAP, SS, SA, Reichsregierung, Generalstab, Gestapo und Sicherheitsdienst) ein


2. Der Prozeß


"Berlin (Reuter) - 'Wir werden Ihnen unwiderlegbare Beweise für unglaubliche Vorfälle unterbreiten', kündigte US-Ankläger Robert Jackson an. 'In der Liste der Verbrechen wird nichts fehlen, was krankhafte Überhebung, Grausamkeit und Machtlust nur ersinnen konnten'. Mit der Verlesung von Jacksons Anklageschrift begannen vor 50 Jahren die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse. 21 prominente Nazis, unter ihnen Reichsmarschall Hermann Göring, saßen auf der Anklagebank. 218 Tage dauerte dieser erste Prozeß gegen Kriegsverbrecher. 240 Zeugen wurden gehört, 16.000 Protokoll-Seiten gefüllt. Nach fast einem Jahr wurden zwölf Todesurteile verkündet."


vom 20. November 1945 bis zum 31. August 1946 in Nürnberg weitergeführt

Vertreter der Mächte:

für die USA: Justice Robert H. Jackson

für Großbritannien: S.M. Generalstaatsanwalt Sir Hartley Shawcross

für Frankreich: Francois de Menthon, Auguste Champetier de Ribes

für die UdSSR: General R.A. Rudenko

Vorsitz: britische richterliche Mitglied des Gerichtshofes, Lordrichter Geoffrey Lawrence

218 Verhandlungstage

Aussagen von 360 Zeugen in das Verfahren eingeführt

200.000 'Affidavits' (eidesstattliche Versicherungen) als Beweismittel verwertet

Verfahrensordnung vom anglo-amerikanischen Recht geprägt

im Nürnberger Justizgebäude mehr als 1000 Mitarbeiter (Vernehmungspersonal, Dolmetscher, Schreibkräfte usw.) eingesetzt

am 30. September und am 1. Oktober 1946: Verkündung der Urteile

12 Todesstrafen; 7 teils lebenslange, teils zeitliche Freiheitsstrafen; 3 Freisprüche

Hinrichtung der zum Tod Verurteilten fand in den frühen Morgenstunden des 16. Oktober 1946 in der alten Sporthalle des Nürnberger Gefängnisses statt

Leichen der Hingerichteten anschließend in einem Münchener Krematorium verbrannt

Asche wurde in einen Nebenbach der Isar ausgestreut

die zu Freiheitsstrafen Verurteilten: Verlegung am 18. Juli 1947 ins Alliierte Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau

Heß: beging dort im August 1987 Selbstmord

entgegen der ursprünglichen Planung: weitere internationale Verfahren unterblieben

von 1947 bis 1949 zwölf US-Militärprozesse gegen Politiker, Militärs, Juristen, Wirtschaftsführer, Mediziner in Nürnberg

Protokolle des Internationalen Militärtribunals wurden 1947/49 in d. sog. Blauen Reihe veröffentlicht; umfassen 22 Bände mit 14.638 Seiten

Anklagepunkte:

Verschwörung gegen den Weltfrieden

Planung, Entfesselung und Durchführung eines Angriffskrieges

Verbrechen und Verstöße gegen das Kriegsrecht

Verbrechen gegen die Menschlichkeit


3. Die 24 als Hauptkriegsverbrecher angeklagten Nazi-Größen


3.1 Die Behandlung und Situation der Gefangennen


Zitate aus: "Deutsche Geschichte - Zeitschrift für historisches Wissen", Nr. XXIII


"S. 25: Dem Roten Kreuz wurde der Zutritt zu den Häftlingen verwehrt. Hunger und Kälte machte es den Angeklagten kaum möglich, sich auf ihre Verteidigung angemessen vorzubereiten. Die Zellenfenster waren meistens zerbrochen, beheizt wurden die Zellen den gesamten Winter über nicht. Der ehemalige Herausgeber des 'Stürmer', Julius Streicher, wurde fünf Tage lang gefesselt und bekam nur verfaulte Kartoffeln zu essen. Zusätzlich verabreichte man ihm Peitschenhiebe, amerikanische Soldaten spuckten ihm in den Mund. Keitel plagten Geschwüre im Nacken, die nicht behandelt wurden.


S. 27: Als die Hinrichtung begann, hatten sich 45 Personen in der Turnhalle versammelt, einer davon, der sich freiwillig gemeldet hatte, diesem würdelosen Spektakel zuzusehen, war der spätere bayerische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner.


S. 28: Cecil Catling, Korrespondent des Londoner 'Star', ein erfahrener Gerichtsberichterstatter, erklärte später, daß für die Verurteilten nicht genug Fallraum vorhanden gewesen sei. Während beim Tod durch den Strang sonst Genickbruch eintritt, wurden die Angeklagten langsam erdrosselt. Bei Ribentrop trat der Tod erst nach vierzehn Minuten ein. Darüberhinaus, beklagte Catling, seien die Angeklagten nicht richtig aufgeknüpft worden, so daß ihnen beim Aufprall auf die Plattform schwere Kopfverletzungen zugefügt worden seien. Ein qualvoller Tod. Den bedrückenden Schlußakkord dieses Prozesses spielte ein Deutscher selbst. Er war nach den aufrechten Worten der Angeklagten der traurige Vorbote eines neuen Deutschlands der nationalen Selbstentäußerung. 'Diese Hinrichtungen', meinte Wilhelm Hoegner, 'sind Ausdruck der Gerechtigkeit der Geschichte. Ist es nicht eine Schande, daß diese Elenden es wagten, Deutschland anzusprechen, obwohl gerade sie sein Unglück hervorgerufen und es mit Ruinen bedeckt haben?'


S. 43: US-Untersuchungskommission über die Verhörmethoden bei sog. 'Kriegsverbrecherprozessen'. Eine Zwei-Männer-Zivil-Kommission, die auf Ersuchen von Staatssekretär Royal eine Übersicht über die Verfahren herstellte, kam nach den USA zurück und berichtete, daß die folgenden Methoden angewendet worden waren, um Geständnisse zu erzwingen:

Schläge und brutale Fußtritte.

Ausschlagen von Zähnen und Zertrümmerung von Kinnbacken.

Scheinverfahren.

Einzelhaft.

Quälereien mit brennenden Spänen.

Vortäuschung von Priestern.

Außerst herabgesetzte Essensrationen.

Entziehung geistlichen Zuspruchs.

Versprechen von Freispruch."


Die Angeklagten wurden im Gefängnis während der Prozesse mißhandelt.

Ein Anklagepunkt aber war "Menschenrechtsverletzung". Das  zeigt, wie schnell aus Tätern Opfer und aus Opfern Täter werden können.


3.2 Die Liste der Verurteilten


Bormann, Martin, geb. 1900. Landwirt. Seit 1933 Stabsleiter bei Rudolf Heß; während des 2. Weltkrieges engster Mitarbeiter Hitlers im Führerhauptquartier. Sein Schicksal bei Kriegsende ist ungewiß. Angeklagt wegen 1, 3 und 4; verurteilt wegen 3 und 4 zum Tod.

Dönitz, Karl, geb. 1891. Großadmiral. Er bildete nach Hitlers Tod am 2. 5. 1945 eine 'Geschäftsführende Reichsregierung'. Angeklagt wegen 1, 2 und 3; verurteilt wegen 2 und 3 zu 10 Jahren Haft. Entlassen 1956. Gestorben 1980.

Frank, Hans, geb. 1900. Rechtsanwalt. Seit 1939 Generalgouverneur in Polen. Angeklagt wegen 1, 3 und 4; verurteilt wegen 3 und 4 zum Tod.

Frick, Wilhelm, geb. 1877. Reichsinnenminister. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 2, 3 und 4 zum Tod.

Fritzsche, Hans, geb. 1900. Journalist. Seit Mai 1933 Leiter des Nachrichtenwesens in der Presseabteilung des Propagandaministeriums. Gewissermaßen Ersatzangeklagter an Stelle von Goebbels, der Selbstmord begangen hatte. Angeklagt wegen 1, 3 und 4; Freispruch. Sodann im Entnazifizierungsverfahren zu 9 Jahren Arbeitslager verurteilt. Entlassen im Herbst 1950, Gestorben 1953.

Funk Walter, geb. 1890. Wirtschaftsjournalist. Reichswirtschaftsminister und ab 1939 Präsident der Deutschen Reichsbank. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 2, 3 und 4 zu lebenslanger Haft.1957 wegen Krankheit entlassen. Gestorben 1960.

Göring, Hermann, geb. 1893. Schuf als preußischer Innenminister das 'Geheime Staatspolizeiamt', das sich später zur Geheimen Staatspolizei (GeStaPo) entwickelte. Mobilisierte ab 1936 die Wirtschaftskräfte des Reiches für die Wiederaufrüstung. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zum Tod. Beging am Vorabend der Hinrichtung Selbstmord durch Einnahme von Zyankali. Die Herkunft der Giftkapsel ist nicht eindeutig geklärt.

Heß, Rudolf, geb. 1894. Seit 1933 Stellvertreter des Führers in der NSDAP. Flog in nicht geklärter Mission am 10. Mai 1941 nach Schottland. Wurde dort interniert. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1 und 2 zu lebenslanger Haft. Beging im Alliierten Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau 1987 Selbstmord.

Jodl, Alfred, geb. 1890. Generaloberst. Chef des Wehrmachtführungsamtes und Berater Hitlers in strategischen und operativen Angelegenheiten. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zum Tod.

Kaltenbrunner, Ernst, geb. 1903. Rechtsanwalt. Chef der Sicherheitspolizei und des Reichssicherheitshauptamtes. Angeklagt wegen 1, 3 und 4; verurteilt wegen 3 und 4 zum Tod.

KeiteI, WiheIm, geb. 1882. Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zum Tod.

Krupp von BohIen und Halbach, Gustav, geb. 1870. Angeklagt als Repräsentant der Deutschen Schwer- und Rüstungsindustrie wegen 1, 2, 3 und 4. Im Hinblick auf eine durch einen Verkehrsunfall im Jahre 1944 verursachte Verfahrensunfähigkeit wurde das Verfahren gegen ihn 1945 eingestellt. Gestorben 1950. Der sog. Krupp-Prozeß fand 1948 vor einem US-Militärgericht in Nürnberg statt. Krupps Sohn Alfred wurde dabei zu 12 Jahren Haft und Einziehung des Gesamtvermögens verurteilt.

Ley, Robert, geb. 1890. Chemiker. Beseitigte im Jahre 1933 die freien Gewerkschaften und führte seither - streng ideologisch ausgerichtet - die Deutsche Arbeitsfront. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4. Beging im Nürnberger Gefängnis am 26.10.1945 Selbstmord.

Neurath, Konstantin von, geb. 1873. Seit 1908 im diplomatischen Dienst. Von März 1939 bis 1943 (ab 1941 beurlaubt) Reichsprotektor von Böhmen und Mähren. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zu 15 Jahren Haft. 1954 wegen Krankheit entlassen. Gestorben 1956.

Papen, Franz von, geb. 1879. Vizekanzler im ersten Kabinett Hitlers 1933. Später Botschafter in Wien und Ankara. Angeklagt wegen 1 und 2. Freigesprochen. Im anschließenden Entnazifizierungsverfahren zu 8 Jahren Arbeitslager verurteilt. 1949 entlassen. Gestorben 1969.

Raeder, Erich, geb. 1876. Seit 1943 Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Angeklagt wegen 1, 2 und 3; verurteilt wegen 1, 2 und 3 zu lebenslänglicher Haft. 1955 wegen Krankheit entlassen. Gestorben 1960.

Ribbentrop, Joachim von, geb. 1893. Kaufmann. 1938 - 1945 Reichsaußenminister. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zum Tod.

Rosenberg, Alfred, geb. 1893. Seit 1941 Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zum Tod.

Sauckel, Fritz, geb. 1894. Seit 1942 Generalbevollmächtigter Hitlers 'für den Arbeitseinsatz' und als solcher verantwortlich für die Zwangsarbeit von über 5 Millionen Männern und Frauen aus allen besetzten Gebieten Europas in Deutschland. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 3 und 4 zum Tod.

Schacht, Horace Greely Hjalmar, geb. 1877. Bankier. Präsident der Reichsbank und Wirtschaftsminister. Seit 1944 im KZ Flossenbürg. Angeklagt wegen 1 und 2; freigesprochen. Von deutschen Behörden inhaftiert bis 1948. Gestorben 197O.

Schirach, Baldur von, geb. 1907. Reichsjugendführer und (ab 1940) Gauleiter von Wien. Angeklagt wegen 1 und 4; verurteilt wegen 4 zu 20 Jahren Haft. 1966 entlassen. Gestorben 1974.

Seyß-Inquart, Alexander, geb. 1892. Rechtsanwalt. 1940-1945 'Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete'. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 2, 3 und 4 zum Tod.

Speer, Albert, geb. 1905. Architekt. Seit 1937 Generalbauinspekteur für Berlin. 1942-1945 Reichsminister für Bewaffnung und Munition. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 3 und 4 zu 20 Jahren Haft. 1966 entlassen. Gestorben 1981.

Streicher, Julius, geb. 1885. Volksschullehrer. Als publizistisches Organ der von ihm betriebenen Judenhetze gründete er 1923 das Wochenblatt 'Der Stürmer', dessen Eigentümer und Herausgeber er bis 1945 - auch nach seiner Absetzung als Gauleiter von Franken im Jahr 1940 - blieb. Angeklagt wegen 1 und 4; verurteilt wegen 4 zum Tod.


4. Quellenangabe


http://mainz-online.de/old/95/11/16/topnews/nuernberger_prozess.html

http://www.thulenet.com/texte/bewaelt/text0028.htm, Quelle: "Deutsche Geschichte - Zeitschrift für historisches Wissen", Nr. XXIII

http://www.justiz.bayern.de/olgn/imtd.htm, ©1998 Oberlandesgericht Nürnberg, Fürther Straße 110, 90429 Nürnberg, Autor: Dr. Klaus Kastner, Präsident des Landgerichts Nürnberg-Fürth






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