Selbstdarstellungen:
Einleitung
Über Roma - Angehörige weiß man heute eigentlich nur relativ wenig, ebenso über ihre authentische Literatur, in der sie ihre Erfahrungen aus der Vergangenheit und ihre heutige Situation festhalten. Selbst Ceija Stojka erzählt in ihrem Interview mit uns: "Es ist die Zigeunerwelt sehr klein, sehr jung mit dem Schreiben und überhaupt mit Aussagen. Bis jetzt waren sie ja im Verborgenen und die meisten sind es heute noch."[1] Ceija Stojka und ihr Bruder Karl zählen zu dem kleinen Kreis der Volksgruppe, der sich mit ihren Erzählungen sowohl literarisch als auch musikalisch und künstlerisch an die Öffentlichkeit wendet.
Anhand dieser Roma - Schriftsteller sieht man sehr gut wie zwei Geschwister ihre gemeinsamen Erfahrungen unterschiedlich erleben, verarbeiten und in ihren Werken wiedergegeben haben.
In Laufe unserer Literatursuche konnten wir feststellen, daß Werke der Roma - Schriftsteller nur sehr spärlich vorhanden sind und teilweise kaum in der Sekundärliteratur erwähnt werden. Einige zaghafte Schritte findet man nur in analytischen Sammelwerken, in denen die Werke zwar kurz erwähnt und angeschnitten werden, jedoch nicht ausführlich verglichen und interpretiert werden. Daher haben wir beschlossen "Feldsuche" auf eigener Faust zu betreiben, um ungeklärte Fragen der Zigeunerin Ceija Stojka selbst zu stellen.
Wenn wir in unserer Arbeit von "Zigeunern" sprechen, dann verwenden wir diesen Begriff ohne negative Assoziation, da die beiden Autoren sich bereits auf den Titeln ihrer Werke als Zigeuner deklarieren ( "Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom - Zigeunerin.", "Reisende auf dieser Welt. Aus dem Leben einer Rom - Zigeunerin.", "Auf der ganzen Welt zu Hause. Das Leben und Wandern des Zigeuner Karl Stojka." ).
In unserer Arbeit wollen wir die Werke dieser beiden Geschwister näher betrachten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausfinden und besonders Ceija Stojka mit "Ein Teller voller Dukaten" von Miro NikolitC vergleichen.
2. Die Verfolgung der Roma in der NS- Zeit
Die Verfolgung und Diskriminierung der Roma ist nicht eine Erfindung der Nationalsozialisten: Ihre Geschichte zeigt, daß sie schon sehr lange vor Hitler eine Art "Sündenbockfunktion" darstellten. Nach und nach wurden ihnen negative Verhaltensweisen zugeschrieben, die zu tiefsitzenden Vorurteilen und somit zu zahlreichen Diskriminierungen und Verfolgungen führten.
Während der NS- Zeit, in der ihre Verfolgung einen grausamen Höhepunkt erreichte, wurde jedoch auf pseudowissenschaftlicher Ebene gegen Roma vorgegangen: Bereits seit 1931 begann die SS mit der Erfassung und Registrierung der Zigeuner[2] in Deutschland. 1936 folgte dann die Gründung des "Rassenhygiene- Instituts" in Berlin unter der Leitung des "Humangenetikers" Dr. Robert Ritter, in dem auf völlig unwissenschaftlicher Ebene Erbwissenschaftsforschung betrieben wurde. Aber auch in Österreich wurden bereits vor der NS- Zeit alle Zigeuner von Dr. Robert Ritter und seiner Assistentin Eva Justin untersucht und photographiert. Auch Karl Stojka und seine Familie wurden auf diese Art und Weise von den beiden Pseudowissenschaftern in Wien registriert. Dr. Robert Ritter bezeichnete aufgrund dieser "Studie" die Burgenlandzigeuner als Mischlinge, mit den niedrigsten Elementen verschiedener Rassen ausgestattet sind. Seine Gutachten dienten als Grundlage für die Verfolgung der Zigeuner . So galten Roma bereits 1935 in den "Nürnberger Gesetzen" als "Träger artfremden Blutes".
Die treibende Kraft bei den ersten Verfolgungsschritten von österreichischen Nationalsozialisten gegen diese Volksgruppe war Dr. Tobias Portschi- der damalige Gauleiter des Burgenlandes. Er verfaßte 1938 die Denkschrift "Die Zigeunerfrage", in der er Roma- Angehörige den Juden gleichstellte und Vorschläge zur ihrer Ausmerzung einbrachte.
Seit dem 17.10.1939 mußten Zigeuner aufgrund des "Festsetzungserlasses" ihr Wanderleben aufgeben und durften nicht mehr ihren Wohnort verlassen. Dadurch wurde die Registrierung erleichtert, da alle Roma leichter geortet werden konnten. Danach folgte nach und nach die Deportation in Ghettos und Konzentrationslager, wo sie zu Zwangsarbeit gezwungen wurden. Der sogenannte "Auschwitzerlaß" vom 29.1.1943, der vom damaligen Reichsinnenminister Heinrich Himmler veranlaßt wurde, führte zur Deportation der restlichen Zigeuner aus Österreich und den besetzten Ländern Europas ins KZ Auschwitz- Birkenau.
Dem grausamen Treiben der Nazis fielen rund eine halbe Million Zigeuner zum Opfer, die an Unterernährung, Seuchen, Mißhandlungen und Menschenversuche in den KZs ihr Leben lassen mußten. Allein in Wien haben- laut Karl Stojka- von den rund 3500 verschleppten Roma nur circa dreißig überlebt- darunter ein großer Teil der Familie Stojka.[3]
Die Biographie von Ceija Stojka
Anhand der zwei Bücher "Wir leben im Verborgenen" und "Reisende auf dieser Welt", versuchte ich eine chronologische Biographie von Ceija Stojka zu erarbeiten. Ich wollte ihr Leben in einer Art "Lebenslauf" darstellen und ordnen, wie es in unserer "westlichen" Kultur üblich ist. Diese tabellarische Biographie war nicht so leicht zu verfassen, weil es sich herausstellte, daß Ceija Stojka eine andere Auffassung von Zeit und Raum hat, als wir es gewohnt sind. Daher mache ich zuerst den Versuch einer tabellarischen Biographie und gehe dann auf die eigentliche Darstellung von Zeit und Raum im Werk genauer ein.
Auch im folgenden Gedicht berichtet sie über ihren Entschluß, die Erlebnisse schriftlich festzuhalten:
"Haustor
ein alter Hut
eine zerbrochene Feder
eine verwelkte Blume
eine zerwelkte Blume
ein morscher Baum
ein Kuß, der der letzte ist
ein Haus ohne Dach
4 zerrissene Socken
eine alte Teekanne
eine Peitsche
ein Strumpfband
5 Deka Butter
große Gefühle
es gefällt
du mußt gehen
Zahnschmerzen
4 Blätter durcheinander
wenn du schon wieder da wärst
solange es dich gibt und ich noch da bin
wirst du immer so lieb sein
und für mich schreiben
3. 1. Versuch einer tabellarischen Biographie von Ceija Stojka
1933 in Kraubath bei Knittelfeld (Steiermark) als eines von sechs Kindern einer Roma-Familie (Romagruppe Lovara) geboren.
1939 wird das "Herumzigeunern" in Österreich verboten. Die Familie zieht nach Wien und baut sich ein kleines Holzhaus.
1941 wird Ceijas Vater von der Gestapo abgeholt und im Konzentrationslager Dachau ermordet. Im selben Jahr wird Ceija mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach Auschwitz deportiert.
Danach folgen noch Deportationen in das Frauenlager Ravensbrück und Bergen-Belsen, wo sie das Kriegsende erlebt.
Die teilweise überlebende Familie lebt eine zeitlang nach dem Krieg in verlassenen Nazi-Wohnungen. Ab 1947 sind sie wieder als reisende Roma unterwegs.
1949, als Ceija fünfzehn Jahre alt ist, bekommt sie ihr erstes Kind, ihren Sohn Willi. Es war ihr letztes Reisejahr, so wie auch für viele andere Roma in dieser Zeit die Tradition des Reisens zu Ende ging.
1951 bekommt Ceija ihr zweites Kind, die Tochter Silvie und 1955 den Sohn Jano.
Ceija verdient ihr Lebensunterhalt mit Stoff- und Teppiche Verkauf.
1979 stirbt ihr Sohn Jano.
1988 erscheint ihr erstes Buch "Wir leben im Verborgenen", in dem sie als erste Romni in Österreich von den Erinnerungen aus dem KZ schreibt.
1992 schreibt Ceija ihr zweites Buch "Reisende auf dieser Welt". Darin beschreibt sie ihr Leben nach den Lagern, von der Ausgrenzung und Einsamkeit, die sie durchleben muß. Außerdem gibt sie uns einen Einblick auf den Stellenwert der Musik und die Problematik des Reisens bei den Roma.
Ceija schreibt auch Lieder und tritt in der Öffentlichkeit auf.
1988 beginnt sie zu malen, damit ihre Erinnerungen aus den Lagern nicht verlorengehen.
3. 2. Unterschiede zur tabellarischen Biographie
In ihrem ersten Werk "Wir leben im Verborgenen" schildert uns Ceija das Leben aus dem Konzentrationslager. Es wird aus der Perspektive eines Kindes beschrieben. Das Abgetrenntsein vom Rest der Welt, während der Zeit im KZ, wirkt sich auf Ceijas Wahrnehmung von Raum und Zeit aus. Aber auch später, nach dem Krieg, spürt Ceija eine Ausgrenzung und damit verbunden auch eine Einschränkung ihrer Person. Als eine Angehörige der Roma, und damit einer anderen Kultur, unterscheidet sich ihre Wahrnehmung der Zeit und des Raumes von jener "unserer westlichen" Kultur, was in ihrem zweiten Buch "Reisende auf dieser Welt" zum Ausdruck kommt.
3. 2. 1. Vertextung der Zeit im Werk
Der "logische" Anfang einer tabellarischen Biographie stellt normalerweise die Nennung des Eigennamens und des Geburtsdatums dar. Ceija erwähnt diese Daten erst in ihrem zweiten Buch, als sie eine Situation beschreibt, in der eine Amtsperson ihre Personalien aufnehmen will.
"Also trug ich meine Bitte an dieses Amt vor: "Ich heiße Margarete Stojka, geboren am 23. 5. 1933 in Kraubath, Bezirk Leoben in der Steiermark, und ich bitte Sie, mir einen Identitätsausweis auszustellen."
Das Amt repräsentiert unsere Gesellschaft, in der man die Menschen nach Zahlen und nach bestimmten Schemata einordnen möchte. Ceija mußte sich damals einen Identitätsausweis besorgen, damit sie in die "ordentliche und legale" Gesellschaft hineinpaßte. Wie sich Ceija dann mit ihrer "neuen Identität" fühlte, sagt sie uns eine Seite weiter: "Ein paar Zeilen und ein Stempel bestätigten meine Identität".[6]
In Ceijas ersten Buch erfährt man von ihrer Zeitauffassung wenn sie von ihrer Zeit im Lager erzählt. Die Zeitorientierung passierte dort ohne Stütze eines Kalenders oder einer Uhr:
"Die Zeit verging ohne einen Kalender, so wußten wir auch nicht, ob es Montag oder ein anderer Tag war."[7]
Der Tagesablauf im Lager wird durch das ständige Apellstehen und durch Zählen gekennzeichnet:
"Die SS-Frauen mit den Hunden kamen in die Baracke und riefen: 'Alles zum Apell antreten, Marsch, Marsch!' Nun stand das ganze Lager. Es waren so viele Menschen. Sie standen in Fünferreihen mit je einem Meter Abstand voneinander. [] Die Zählung dauerte sehr lange, es wurde schon Abend, die Nacht zog langsam über das Lager."[8]
Die Zahl der Hiebe und weiterer strafender Mittel ist auch ein Anhaltspunkt:
"Wenn manche weniger als 25 Hiebe bekamen, so wurden die gleich in der Baracke ausgeteilt. Man legte die Häftlinge über den langen Schlauchofen, zwei SS-Männer gaben den zwei Kapos die Anweisung, wieviel derjenige bekommen sollte. [] und das wiederholte sich täglich."[9]
Woran Ceija im Lager noch ihre Zeitwahrnehmung mißt, ist der Wechsel der Jahreszeiten (Witterungsverhältnisse). Das heißt, daß sie eine zyklische Wahrnehmung der Zeit hat:
"Inzwischen war der Winter vorbei, Weihnachten und Neujahr gingen lautlos vorüber. Es war ein Tag wie jeder andere []"[10]
Die einzige konkrete Zeitnennung aus dem Lager ist das Weihnachtsfest im Jahre 1944, als die Nazis die Kinder zu einer Feier einladen. Die Wahrnehmung der Zeit geschieht so in einer Umgebung, die nicht "ihre" ist, sondern sie wird durch eine "höhere Macht" präsent: "Ein Kalender zeigte den 24. Dezember 1944."[11]
In einem Interview berichtet uns Ceija nachträglich ihre Erinnerungen an die Zeit im Lager:
"Jeder Tag dort drinnen war ein Jahr, jede Stunde war eine Ewigkeit."[12]
Das Leben während des Reisens nach den Lager wird auch zyklisch - nach dem Wechsel der Jahreszeiten und der Witterungsverhältnisse wahrgenommen:
"Die Sonne schien schon ziemlich warm, da konnte man keinen Rom mehr aufhalten. Unsere zwei Wagen rollten aus dem Gasthof."[13]
Die Feiertage sind auch als bedeutende Punkte zur Zeitmessung anzusehen. Es sind die Tage, an denen die Familie zusammenkommt. Auffallend ist vielleicht, daß Geburtstagsfeiern keine Relevanz in den Erzählungen haben, was wieder davon zeugt, daß das genaue Geburtsdatum keine große Wichtigkeit besitzt.
Auf die Gesellschaft bezogen, bringt uns Ceija die Zeit mit dem Fortschritt in Verbindung. Der wirtschaftliche Fortschritt beendet die lange Tradition des Reisens der Roma und bedrohte somit ihre finanzielle Existenz. Ohne Arbeit und dem Leben mit der Natur verloren viele Roma einen Teil ihrer Identität:
"Die Zeit blieb nicht stehen, man merkte den Fortschritt. Vereinzelt tauchten die Traktoren auf, und mit den Viehmärkten ging es immer mehr bergab. Unsere Reise mit Pferd und Wagen lohnte sich nicht mehr."[14]
Durch die Anderung der wirtschaftlichen Verhältnisse beginnt damals ein neuer Zeitabschnitt für die Roma:
"Langsam und mit schwerem Herzen fuhren wir weiter. Das sollte unsere letzte Reise mit Pferd und Wagen sein. Unsere Rösser wurden in Wien zu einem Schlachthof gebracht und unsere Wagen kaufte ein alter Fiaker. Somit ging für uns eine sehr alte Zigeunertradition zu Ende."[15]
Die einzige Stelle, wo Ceija Zeitangaben sehr ausführlich schildert, sind jene Tage und Minuten, in denen Ceija spürt, daß mit ihren Sohn Jano etwas nicht in Ordnung ist und er schlußendlich stirbt. Das Kapitel, in dem sie vom Tod ihres Sohnes erzählt, beginnt mit dem Satz: "Es war am 10. November 1979."[16]
An diesem Tag muß Ceija zu einem Jahresmarkt fahren und läßt ihren Sohn zurück. Von dem Zeitpunkt an quält sie eine gewisse Unruhe und gleichzeitig beginnt sie, die Zeit genau wahrzunehmen und zu schildern. Sie nennt das genaue Datum des nächsten Tages und beschreibt ihn folgendermaßen:
"Für mich war dieser Tag endlos und ruhelos."[17] Zwei Seiten weiter erwähnt sie wieder die Zeit in Verbindung mit ihrer Aufregung:
"Ich dachte an meine Kinder, an Jano, um den ich ständig Angst hatte, und an meine kleine schwarze Puppe Silvia und ihre Tochter Simona. Die Gedanken an die Kinder und die Autobahn hielten mich in ihrem Bann. Meine Autouhr zeigte 22 Uhr."[18]
Anschließend an diese Szene spürt sie Janos Hand und hört seine Stimme, die sagt, daß er schon gestorben ist. Ihre Verzweiflung steigert sich zwei Stunden später: "Die Uhr zeigte 24 Uhr. Ich lag im Bett und starrte durch das offene Fenster."[19] Ceija versucht, sich zu beruhigen, indem sie zu stricken beginnt. "Nach zwei Stunden war die schöne, kleine Weste fertig. Es war genau drei Uhr morgens." Und dann doch die letzte Meldung:
"Es war entweder ein paar Minuten vor oder nach fünf, als das Telefon läutete."[21] Der Anruf teilt den Tod des Sohnes mit.
Es ist interessant zu sehen, daß Ceija den Tod so wie das Leben als eine "ewige Reise" bezeichnet: "Nachdem sich mein Jano auf die ewige Reise gemacht hatte und dort drüben auf mich wartet, blieb ich mit meiner Tochter Silvia [] zurück []"[22]
Ab dem Tod ihres Sohnes verändert sich für Ceija die Perspektive ihrer Zeitwahrnehmung:
"Die Jahre vergingen für mich mit einem anhaltenden, nie aufhörenden Entzug von meinem geliebten Kind."[23]
3. 2. 2. Vertextung des Raumes im Werk
In ihrem ersten Werk "Wir leben im Verborgenen" schildert uns Ceija kurz die Ereignisse aus ihrer glücklichen Kindheit, wo sie in der vertrauten Umgebung ihrer Familie das freie Leben der Reisenden genoß: "1939 fuhren wir Rom noch mit Wagen und und Pferden frei in Österreich herum."[24]
Im gleichen Jahr wird das "Herumreisen" verboten. Das Verbot des Reisens beschneidet das Bedürfnis nach Freiheit, wodurch ein Gefühl der Beengung entsteht. Ceija erzählt in einem Interview, wie diese Ereignisse über ihre Familie gekommen sind:
"Was man zum leben gebraucht hat, ist immer enger geworden, die Frauen durften keine Stoffe mehr verkaufen. Auch der Raum wurde immer beengter, obwohl wir im Freien waren. Wenn wir uns irgendwo hinstellten, wurde es uns verboten."[25]
Die Familie zieht dann nach Wien, wo sie sich ein kleines Holzhaus bauen muß, damit sie nicht auffällt. Das Leben beginnt für Ceija eine "Ordnung" zu bekommen: "Wir Kinder kamen wieder in die Schule, meine älteste Schwester Mitzi in eine Papierfabrik."[26]
Man kann hier eine Einschränkung oder Beengung des Raumes erkennen. Wie wichtig das naturverbundene Leben, weit weg von unserer "schematischen" Welt, für die Roma ist, beschreibt Ceija in einer kurzen Geschichte:
"Eine wahre Geschichte:
Ein Pfarrer verurteilte einen armen, alten Zigeuner, denn er zahlte keine Steuer. Der Priester dachte so vor sich hin: "Warte nur du böser Wicht, auch für dich wird das Stündlein schlagen, doch auf meinen Friedhof kommst du nicht!"
Ja, wie gerecht war dieser Priester, es zu sagen, ist nur recht. Der Zigeuner ging zur Kirche, denn er war gewiß sehr fromm. Er bat um Gnade, denn sein Stündchen war sehr nah. Man begrub ihn außerhalb des Friedhofes, und so war es auch gerecht.
Die Seele des Zigeuners freute sich so sehr, sie dachte: "Ach, wie gut sind die lebende Priester zu mir, sie haben mich nicht am Friedhof eingekerkert, ich liege außerhalb des Friedhofes, ich bin selig und zufrieden, denn ich bin draußen und ich bin frei!"
Den Kindern wird später die Schule verboten und es ist gefährlich für sie, sich überhaupt im Freien zu befinden. Die Beschränkung des Raumes für Ceija steigert sich immer mehr. Die Nazis legen ein spanisches Gitter um ihr Haus und somit ist jeder Versuch, sich außerhalb des Häuschen zu bewegen, eine Gefahr:
"Die Gestapo legte ein spanisches Gitter um unser kleines Holzhaus und verbot uns, uns außerhalb dieses Gitters aufzuhalten. Ja, wir spürten Auschwitz schon in der Freiheit."[28]
Dann folgt die schlimme Zeit, die Ceija im KZ verbringen muß. Das Eingesperrtsein im Konzentrationslager ändert Ceijas Wahrnehmung von der Welt. Schon der Titel des ersten Kapitels ihres ersten Buches deutet auf die eingeschränkte Perspektive hin: "Ist das die ganze Welt?"
Für Ceija repräsentiert das Lager eine eigene Welt. Erst ca. fünfzig Jahre später erfährt sie bei einem Besuch in Bergen-Belsen, daß es neben ihrer Abteilung auch andere gab:
"Obwohl der Abteil sehr groß war, wußte ich nicht, daß unmittelbar neben uns noch ein Abteil ist. Gell. Weil sagen wir diesen Abteil, den Du hier siehst, der war umrahmt von lauter Bäumen. Da gab es einen Zwischenraum von fünf Metern. Nachdem die nicht schreien durften und wir auch nicht, haben wir gar nicht gewußt, daß da noch ein Abteil ist, und noch einer, und noch einer Erst von oben, nach vierundfünfzig Jahren habe ich das Ausmaß der Größe gesehen, daß es noch ein Abteil gibt. Am Anfang als ich herausgekommen bin von dort hab' ich geglaubt das ist alles, wo wir waren. Daweil war ein russisches Lager dort, dann waren Austauschjuden dort."
In einem anderen Interview erwähnt sie noch einmal die Orientierungslosigkeit:
"Oft haben wir uns gefragt, wo sind die Menschen rundherum? Gibt es Österreich nicht mehr? Sind nur mehr wir da und das andere existiert nicht mehr?"[30]
Im Lager gibt es in den Baracken noch "kleine Buchsen", wo sie mit den vielen Menschen untergebracht sind: "Wir krochen in die Buchse, sie war 2,40 x 2 m. In der Baracke waren so viele Menschen und eine Buchse um die andere."[31]
Im Lager hat Ceija keine Chance, sich von den anderen Menschen und erschütternden Ereignissen zurückzuziehen. Eine "intime Sphäre" gibt es nicht, und wenn einem etwas passiert, haben gleich alle Angst um ihr Leben:
"Im ganzen Lager sah es schrecklich aus. Die langen Gräben und die vielen Toten und dazu der viele Regen. Es war grauenvoll. Wir hatten schon drei Tage keine Suppe bekommen. Die Menschen konnten sich nicht mehr bewegen. Manche waren schon tot, aber man ließ sie noch in der Baracke."[32]
Nach der Befreiung wird die Frage nach der Herkunft für Ceija wieder aktuell. Sie berichtet von einer tragikomischen Situation, als ein Besatzungssoldat zu ihr sagt:
"Ich bin Engländer. Ihr seid jetzt alle frei. Von wo bist du?' Ich sagte: 'Ich bin von Austria', meinte aber die Papierfabrik im 16. Bezirk neben der Paletzgasse, die Austria hieß. Ich kannte ja sonst nichts."[33]
Die Raumwahrnehmung nach dem Lager ist auch eingeschränkt. Ceija fühlt sich fremd und einsam in der "großen Welt" außerhalb des KZ, die nicht viel Verständnis für ihr Schicksal hatte:
"Und auch nach 1945 war das sehr schwer. Wir sind rausgekommen und jetzt kommst du rein in die Stadt, unter Menschen, die von dem Ganzen nichts wissen. Der kennt ja meine Gefühle nicht, der weiß nicht, was ich hinter mir hab, wo ich gewesen bin. Das ist nicht leicht. Und trotzdem mußt du dich auf die Füße stellen, sonst verkommst du, du mußt ja leben."[34]
Das Gefühl der Freiheit hat Ceija trotz der räumlichen Einschränkung behalten, was von ihrer Positivität spricht:
"Im Wohnwagen hatten wir wenig Platz, und auch der Raum, den wir neben dem Wagen benützten, war beschränkt. Aber wir haben Augen gehabt, wir haben die Ferne gesehen und den Flug der Vögel und die Bäume, wenn sie getanzt haben."[35]
3. 2. 3. Die Einschränkung der Identität
Am Beispiel der Behandlung der Juden vor dem Zweiten Weltkrieg weist Ceija auf das ähnliche Schicksal der Roma hin: "Der Jude war zuerst der "schöne Nachbar", dann nur ein "Jud'", und dann ein "Nichts", das im KZ vernichtet wurde:
"Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts gibt es sogar noch Massengräber. So wie damals der Jude auch der schöne Nachbar im Haus war, ist das heute wieder Dein Nachbar. Er hat der armen Bürgerin Brot gegeben, ihr Schilling geborgt und plötzlich war's der Jud. Man hat ihnen alles weggenommen."
Das Leben im Konzentrationslager ist von der gewohnten Außenwelt völlig getrennt. Die Identität im Lager kennzeichnet nur die Tätowierungsnummer: "Am nächsten Tag mußten wir uns alle zu fünft aufstellen und in den Tätowierungsblock marschieren. Ich bekam die Nummer Z 6399."[37]
Im Lager Ravensbrück bekommen die Häftlinge auch eine Nummer:
"Anschließend bekamen wir alle eine Registriernummer: ein weißer, länglicher Stoffstreifen mit einem schwarzen Winkel, das hieß arbeitsscheu. (Aber wie konnte ich arbeitsscheu sein, ich war ja noch ein Kind!) Den Streifen mußten wir uns auf die linke Seite nähen. Nun waren wir alle gekennzeichnet: der letzte Abschaum der Menschheit."[38]
Der zunehmende Identitätsverlust wird beim Aufenthalt in den verschiedenen Lagern sichtbar:
"Nein! Nicht mehr in Bergen-Belsen. Da warst Du nichts mehr. Da warst Du kein Zigeuner, da warst Du ein Niemand. In Bergen-Belsen, da hast Du keine Registriernummer mehr gehabt. Da hast Du keinen Namen gehabt. Da warst du Nichts."[39]
Als sie aus dem KZ kommen ist, hat sie wieder mit der Einschränkung der Identität zu kämpfen. Ausgegrenzt, weil sie eine Romni ist, spürt sie auch die Einengung bei der Erziehung ihrer Kinder. Ihren Sohn Jano holt man von zu Hause weg und steckt ihn in eine Erziehungsanstalt, weil er in der Schule schwänzt:
"Ich konnte es nicht fassen. Da plagte man sich für seine Kinder, und ein anderer nahm sie und machte mit ihnen was er wollte. Für mich ging alles unter, ohne meinen Jano konnte ich nicht mehr leben. In meinen Träumen sah ich sein Gesicht. [] Es war mir unbegreiflich, wieso sie mein Kind in ein Heim steckten. Es war Winter 1968 und ich spürte die Kälte von Auschwitz."[40]
Auch jetzt versucht man die Roma-Identität zu leugnen. Ceija kritisiert, daß das Schicksal der Roma in der Öffentlichkeit zu wenig präsent ist:
"Es ist auch eine Behandlung, die ungerecht ist. Es wird alles nur über die Juden gesprochen und die Zigeuner haben nichts erlebt. Wir werden unter den Minderheiten noch diskriminiert. [] und als Frau."[41]
Die geschlechtliche Diskriminierung der Frau ist ein wichtiger Punkt, besonders in der jungen "Zigeuner-Literatur". Ceija hat als Frau große Probleme mit ihren männlichen Verwandten, als sie zu schreiben beginnt:
"Und da ist aber der Machtkampf zwischen den Männern - jetzt sind wir wieder dort: Männer. Hätte er früher (zu schreiben begonnen), hätte ich keine Chance, überhaupt eine Aussage zu machen."[42]
Verwandtschaft spielt eine große Rolle in Ceijas Leben. Gerne erinnert sie sich an die schöne Zeit ihrer Kindheit, wo noch die gesamte Familie zusammen ist. Zugleich bereitet ihr die Erinnerung einen stetigen Schmerz, da mit ihr der Verlust der geliebten Personen verbunden ist. In ihrem ersten Buch spricht Ceija von einem Haus im sechzehnten Bezirk, in dem die Familie vor der Deportation ins Lager gelebt hat. Am Haus befinden sich die ersten 'Identitätsspuren' ihrer Kindheit, das 'Gekritzel', das sie als Kinder an die Mauern geschrieben haben. Diese schriftlichen Zeugnisse sind für sie wichtige Anhaltspunkte für ihre Identität. Sie besucht oft diesen Platz, damit sie der Erinnerung freien Lauf geben kann.
"Es gibt eine Mauer, an der so viel Gekritzel von uns steht, unsere Namen, wer alles da war. Heute noch kann man viel davon lesen. Es ist schon sehr blaß, aber man kann es noch sehen. Stundenlang sitz ich dort. Das lebt in mir. [] Manchmal denk ich, könnt ich die Zeit nur halten. Oder die Sekunde verwünschen, wo mein Vater gerade zu Hause war. Er war eh nur selten da, [] Diese Sekunde, wo er zu Hause war und der Wagen gekommen ist, die könnt ich verfluchen."
3. 3. Beweggründe, warum Ceija Stojka ihre Lebensgeschichte aufzeichnete
Im Gegensatz zu vielen anderen KZ-Häftlingen ist Ceija Stojka bereit, über ihre Erlebnisse im KZ zu berichten und so das Schweigen zu brechen. Sie bringt zwei Bücher an die Öffentlichkeit. Vorerst hat sie nicht die Absicht, die Bücher einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wie sie selbst in einem Interview sagt, wollte sie ihre Lebensgeschichte ihren Kindern und Enkelkindern schriftlich überliefern. Für sie selbst ist der Prozeß des Schreibens eine Art von "Therapie", um über die noch unausgesprochenen Erlebnisse im KZ hinwegzukommen.
"Als ich das Buch geschrieben habe - und das ist die Wahrheit - vor zehn Jahren, da hab' ich mich gelöst, also den Druck aus meinem Bauch, wo man immer gesagt hat "Auschwitzlüge" und "das Gelogene", wo dann mein Bruder, also ich habe nicht geschrieben für die Öffentlichkeit, ich hab' für mich geschrieben. Und wenn ich einmal meine Augen zumache: für meine Kinder. Ich hab' nie gedacht, daß es an die Öffentlichkeit kommt. Ich hab' auch nicht gerechnet, daß es jemand nimmt und zu einem Verlag Ich wär' sowieso nie damit gegangen!"[44]
Mit ihrer Geschichte illustriert sie nicht nur ihre individuelle Erfahrung, sondern viel weiter, die Geschichte eines ganzen Volkes. Sie will erreichen, daß man nichts vergißt oder verheimlicht, was damals geschehen ist. Außerdem ist es ihr Ziel, die Roma-Tradition weiter leben zu lassen: "Es ist gut, daß es Menschen gibt, die wissen wollen, wer ich bin!"[45]
Ceija hat kein Interesse daran, ein hochliterarisches Werk zu verfassen. Ihr Werk lebt nicht von der Fiktion, sondern von der Geschichte, von den Greueltaten der Nazis, aber auch vom Reichtum der Roma-Kultur. Über ihr Volk sagt sie folgendes:
"Aber im Grunde ist auf uns nie etwas Gutes zugekommen. Wir Rom sind ein Volk, das sehr im Hintergrund lebt, seit Jahrhunderten. Wir haben uns nie gerühmt, wir können das und das, wir sind eine große Persönlichkeit, obwohl wir das vielleicht hätten sagen können. Wir haben uns immer, egal ob Rom oder Sinti, im Verborgenen gehalten und nur gewartet, was auf uns zukommt. Leider Gottes ist auf uns nur Böses zugekommen, egal, ob vor dem KZ oder nachher."[46]
Die Diskriminierung der Zigeuner erklärt Ceija zum Teil als eine "Eifersucht" der "Gadje" ihrem Volk gegenüber. Der Rom lebt sein Leben viel unförmlicher und freier. Diese Unterschiede sieht man schon bei den Kindern:
"Vielleicht sind die Gadje heute, in dieser Zeit, wo wir fast zum 21. Jahrhundert gehen, auch schon ein biß´l lockerer geworden und lassen den Kindern ein biß´l mehr Freiheit. Aber im großen und ganzen werden sie darauf getrimmt: Das mußt du tun und das darfst du nicht."
Ceija schreibt auch Gedichte, in denen sie sich kritisch über die Vergangenheit und über zeitgenössische Probleme äußert. Sie schreibt sehr ehrlich und offen ihre Kommentare und Bemerkungen, ihre Kritik an der damaligen und heutigen Gesellschaft. Die bitteren Erfahrungen der Ausgrenzung sind für sie heute noch aktuell:
"Warum
hat man nicht in Auschwitz geschrien:
Ausländer raus
und warum müssen erst 50 Jahre vergeh'n
war es damals nicht erlaubt
und jetzt ist es gestattet zu schrei'n:
3. 4. Die Art und Weise wie Ceija Stojka ihre Erlebnisse darstellt
Ceija besitzt die Kunst, uns die einzelnen Situationen, von denen sie berichtet, äußerst lebhaft darzustellen. Sie läßt den Lesern an ihrer Gefühlswelt teilnehmen und damit durchbricht sie die Distanz zu den Geschehnissen der Vergangenheit und ruft eine gewisse Unmittelbarkeit hervor. Die Kunst, uns die Situationen so wahrheitsgetreu darzustellen, liegt auch vermutlich darin, daß Ceijas Hauptaugenmerk nicht am literarischen Stil liegt, sondern, daß ihr wichtig ist, natürlich zu erzählen. Sie verbindet die KZ-Welt mit ihrem bisherigen Leben. Und so können wir uns die ganzen Schilderungen sehr gut vorstellen. Es ist eine Perspektive, die uns sehr ans Herz geht. Sie baut Antonyme auf, in dem sie trotz der Welt im KZ, die Schönheit der Außenwelt nicht vergißt. Es kommt so oft zu Situationen, die objektiv gesehen schrecklich sind, aber an denen Ceija doch etwas "Positives" findet:
"Aber ihr kleiner dreijähriger Junge lag auf dem Totenhaufen. Er lag auf dem Rücken. Schöne schwarze Augen hatte er und schwarzes Haar. An seinem Körper trug er einen dunkelblauen Angorrapullover. Er war ein schönes Kind gewesen, aber nun war er schon acht Tage tot."[49]
Selbst bei einem Besuch im KZ denkt sie nicht nur an die schreckliche Zeit, die sie darin verbringen mußte, sondern läßt die Natureindrücke auf sich wirken. Sie empfindet den Regen als einen Begleiter, der ihr Schicksal kennt und mit ihr weint und sie trotzdem positiv stimmt:
"Es hat furchtbar geregnet, wir waren patschnaß, aber es war herrlich, ein Empfang für uns, eine Begrüßung. Es war ein warmer Regen."[50]
Ceija vermittelt uns sehr stark und bildhaft ihre Gefühle, ihre enge Verbundenheit mit der Natur und den Glauben an das Leben. Von der Mutter hat sie die Stärke bekommen, die ihr Selbstvertrauen und eine Persöhnlichkeit gaben. Dieser Glaube an sich selbst rettete ihre Identität in der Zeit im KZ, wo man sie zu vernichten versuchte:
"Früher hat sie öfter zu mir gesagt: Du bist du, Ceija, du darfst keine andere sein, du mußt immer schau'n, daß du deine Art, die dir der liebe Gott gegeben hat, behältst, und daß du sagst: Ich bin ich, was willst du von mir? - Wenn man das nicht ist, wird man ein Mauerblümchen und kann aus seinem Leben nichts machen. Hätt ich mich immer verkrochen, wo wäre ich hingekommen? Wär ich wahrscheinlich in Auschwitz geblieben."[51]
Ceija glaubt auch an ein Weiterleben der Verstorbenen nach dem Tod. Hier finden wir eine "archaische" Vorstellung , nämlich jene, daß sich die Seelen der Verstorbenen in Tiere verwandeln:
"Und in dem Moment rennen zwei Hasen vorbei, bleiben dort stehen, setzen sich auf und spielen miteinander. Ist denn so etwas möglich, hat der Karli gesagt, wenn du das jemandem erzählst, das glaubt dir kein Mensch, aber du siehst es mit deinen eigenen Augen. Mir kommt das so vor, als wären es der Kurti und unser Ossi. [] Ja du hast recht, sie haben uns gesehen, das sind ihre Seelen. Du glaubst, sie sind in die Tiere hineingeschlüpft, um uns diese Freude zu machen. [] Ein Bodenwind ist gegangen, ein leichter. Kein normaler Wind. Für mich war das ein Wind der Begrüßung, von den Menschen, deren Seelen dort sind. Mit dem Wind hab ich gesprochen: Ich bin eh da, wir haben es geschaft."
Die Sinneswahrnehmungen spielen eine große Rolle in ihrem Werk; die Erinnerungen werden durch Gerüche oder Geräusche hervorgerufen. Die Empfindungen, die sie dann verspürt, sind stark wie damals:
"Sonne, Wind, bei einer Mauer, gell. Und plötzlich kam durch das Feuchte, durch die Wärme kam der Geruch aus dem Stein raus, als wäre es jetzt genau wieder so, wie es damals war. Ja, könnt ihr das verstehen?"
Ein wichtiger Punkt in Ceijas Werk sind ihre Träume. Meistens sind es Alpträume, die sie seit der Kindheit plagen, aber auch Visionen oder Voraußdeutungen die in wichtigen Situationen kommen. Durch ihre Träume erlöst sie sich vielleicht von den Ereignissen aus dem KZ und wandelt sie in etwas Erwünschtes und Gerechtes um:
"In dieser Nacht träumte ich. Ich erwachte und lachte über meinen Traum. [] Ich sah das Lager Bergen-Belsen von damals und darin ein großes Grabmal. Ich sah, wie sich das größte Grab mit seinen Toten in die Luft hob. Es sah aus, als hätte es keine Kraft, ziemlich wackelig schwebte es in der Luft. Plötzlich schlossen sich die kleineren Gräber dem Rumpf an, und alle Gräber von Bergen-Belsen bildeten einen Riesenvogel. Er formte sich aus der Erde der Gräber, die unzähligen Leichen bildeten seine Federn, die Totenköpfe schauten überall aus dem Gefieder hervor. Der jetzt kraftvolle Vogel schwebte über Bergen-Belsen. Doch er sah nicht traurig aus. Er flog zu jenen, die am Tod der vielen Menschen schuldig waren."[54]
Ceija verspürt keinen Haß gegen die Menschen, die ihr die Qualen im KZ angetan haben. Sie hat Mitleid mit ihnen und versucht sie auch zu verstehen:
"Wenn dieser junge Mann, der gerade eine Frau geheiratet hat und ein Baby kriegt und verliebt ist und der muß nach Auschwitz rein und den Wahnsinn dort miterleben muß, dann ist es ja ganz klar, daß er sagt: "Diese Kreatur, wenn die nicht da wäre, dann wäre ich zu Hause." Und so war es. Und es ist so. Es waren nicht alle böse. Es hat Ausnahmen auch damals gegeben. Ein Nazi ist auch nur ein Mensch. "Nazi" ist nur die Bezeichnung für das, was er tut in seinem Leben, wo er sich hinwendet, aber in Wirklichkeit ist er ein Mensch!"
Die Genugtuung für Ceija ist die, daß die Nazis die selbe Luft wie die Gefangenen einatmen mußten. Nach dem Leben im KZ versucht sie eine Erklärung für die Menschen mit Vorurteilen zu finden. In ihrem Buch "Reisende auf dieser Welt" beschreibt sie eine Situation, wo sie sich den Identitätsausweis holen mußt. Sie stößt auf einen Beamten, der sie erniedrigt. Kritisch, die Scheinmoral entdeckend, und doch voll Gefühl, erzählt sie uns diesen Vorfall:
[] "Aber höre jetzt gut zu, du Zigeunerin. Daß du dir ja nich erlaubst, irgendwann einmal bei unserer Gemeinde zu betteln. Hast du mich verstanden? Ich will dich hier bei uns nie wieder sehen!" Dann fügte er noch hinzu: "Mia san ka Bett'lamt und schon gor net für euch." Mein Blick erreichte eine Zimmerecke, von wo mich der Gekreuzigte barmherzig ansah. Dann sah ich das Lächeln eines Mannes auf einem Bild: Der damalige österreichische Bundespräsident.
Meine Beine versteiften sich. Nein, nicht aus Haß oder Angst, sondern aus reinem Stolz. Es lag überhaupt nicht in meinen Gedanken, von dieser Gemeinde etwas zu erbetteln. Ich dachte so vor mich hin: "Mein Gott, ist dieser Mensch arm, arm an seinem eigenen verbissenen Leben." Ich war auch damals als Reisende zufrieden und glücklich, während dieser Bedienstete am Joiser Amt Angst hatte, daß ihn die Roma anbetteln könnten."
Sie beschreibt, wie es im KZ unter den Gefangenen keine Diskriminierung gibt:
"Wir waren alle zusammen an einem Platz. Aber für uns ist es ja nicht um die Grenzen gegangen. Für uns hat der Mensch gezählt."[57]
Ceija stellt sich nicht als eine leidende Heroin ins Bild, sie schildert ihr Leben nicht als eine riesige Heldentat, sondern erzählt über sich im Hinblick auf das Schicksal anderer Menschen.
4. Ceija Stojka "Wir leben im Verborgenen"
4.1. Entstehungszeit
Schriftliche Literaturen der Roma sind uns in Österreich erst seit wenigen Jahren bekannt. Sie zählen zu der Gruppe der Minderheiten, die aus Angst vor noch stärkerer Diskriminierung und Unterdrückung lange davor zurückschreckten, ihr Schicksal schriftlich festzuhalten. Das Leben der Sinti und Roma ist von einer Geschichte der Verfolgung bestimmt. Seit Ankunft der Zigeuner im Mitteleuropa im 14.und 15. Jahrhundert war das Mißtrauen der seßhaften Bevölkerung gegenüber dieser Minderheit sehr groß. Im 15. Jahrhundert, zum Beispiel, wurden Zigeuner auf einem Reichstag für "vogelfrei" erklärt, was natürlich vollkommene Rechtlosigkeit bedeutete. Später galten sie sogar als Schuldige bei Seuchen und standen in den Augen der abergläubischen Bevölkerung im Bund mit dem Teufel.[58] Zweifelsohne erreichte ihre grausame Verfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus ihren Höhepunkt:
"Gemeinsam mit Juden, politischen Häftlingen, Behinderten und Homosexuellen werden die Zigeuner zu Opfer des totalitären Regimes. Der rassenideologische Blut und Boden Mythos des Dritten Reiches sowie darauf aufbauendes anthropologisches und biologische Schrifttum stempeln den Zigeuner zum Untermenschen, zum Parasiten des deutschen Volkes."[59]
Die Erinnerungen an diese Grausamkeit in den Konzentrations- und Vernichtungslagern und Träume, in denen ihre Erlebnisse bis zum heutigen Tag gegenwärtig bleiben, brachten Roma dazu, jahrelang ein Gespräch über diese Zeit zu verweigern.
Vor allem der Verlust von Angehörigen und Freunden war groß und in den wenigen, die der Verfolgung entkommen waren, hat somit "das Schweigen alle Sätze aufgefressen. Andere haben niemals geredet - Ihr sprachliches Entsetzten hält an." Weil das Erzählen oft zu schmerzhaft war, sind uns viele Geschichten ihres Leidens und ihres Überlebenskampfes verlorengegangen .
Erst in den letzten Jahren, genauer gesagt seit Ende des Zweiten Weltkrieges, haben einige Zigeuner den Weg in die Öffentlichkeit gewagt. Auch wenn es kein leichter Schritt war, begannen sie erstmals schriftlich Zeugnis über ihre Unterdrückung im Nationalsozialismus zu geben. Einerseits schreiben viele, um ihr Leben aus der Anonymität zu holen, aber auch um die schrecklichen Erfahrungen der Diskriminierung zu verarbeiten.
Trotzdem ist an dieser Stelle zu erwähnen, daß heute ein nur recht geringer Prozentsatz unter den Zigeunern, dieses für sie neue Medium verwendet, um ihre Umwelt, Lebensweise, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu beschreiben. Häufig findet nämlich eine solche Auseinandersetzung mit der jeweiligen Lebenssituation durch musikalische Ausdrucksmittel oder auch im Bereich der bildenden Kunst statt.[61]
Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom - Zigeunerin. zählt somit zu den ersten und wenigen Aufzeichnungen, in denen Roma und Sinti ihre Erinnerungen und Schrecken der Konzentrations- und Vernichtungslager schriftlich festhalten. Genau gesagt ist Ceija Stojka die zweite Autorin, die über ihre Erlebnisse als Gefangene berichtet. Ihre Autobiographie erschien erst drei Jahre nach der Herausgabe des Werkes "Zwischen Liebe und Haß" von Philemona Franz. Laut Beate Eder war Stojka und ihrer Herausgeberin Karin Berger diese Autobiographie noch nicht bekannt. "So erklärt sich auch folgender Hinweis im Vorwort Bergers zu Wir leben im Verborgenen: Ihre Aufzeichnungen sind die bisher einzigen von Roma oder Sinti schriftlich festgehaltenen Erinnerungen an die Schrecken der Konzentrations- und Vernichtungslager. In einem weiteren Aufsatz erwähnt Beate Eder, daß Roma - Autoren in den meisten Fällen einander gar nicht kannten. Dadurch ließe sich auch die Gemeinsamkeit in der Auswahl der Themen unter den Roma - Autoren erklären.
Das Erscheinungsjahr des Werkes Wir leben im Verborgenen ( 1989 ) fällt genau mit der Gründung der ersten offiziellen Vertretung von Roma in Österreich, dem Verein "Roma und Sinti - Verein zur Förderung von Zigeunern", zusammen. Dieser Verein hofft vor allem auf ein neues und integratives Zusammenleben von Roma und Nichtroma. Unter der Volksgruppe begann mit dieser Gründung ein Selbstbewußtsein, sie beginnt sich zur Romaidentität zu bekennen. Es kam natürlich sehr rasch zu Publikationen von Literaturen dieser "Minderheit" und engagierte Autoren und Autorinnen hatten nun die Gelegenheit mit zeitgenössischen Schriftstellern dieser Volksgruppe in Kontakt zu bleiben.
4. 2. Entstehungsbedingungen
Roma und Sinti, die ihre Erlebnisse und Lebensweisen schriftlich festhalten, werden bei ihrer Arbeit mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. In erster Linie wollen sie mit ihren Verschriftlichungen ihrem jeweiligen Land als gleichberechtigte Bürger anerkannt und nicht als Minderheit an den Rand der Gesellschaft gerückt werden. (An dieser Stelle möchte ich auf das Interview mit Ceija Stojka hinweisen. Sie war in den letzten Jahren vergebens darum bemüht, das Wort Minderheit nicht länger für die Volksgruppe der Roma und Sinti zu verwenden. Ceija Stojka nennt Zuwanderer, Migranten, Flüchtlinge und Angehörige ethnischer Minderheiten Wenigerheiten, da sie ja eigentlich dem Merheitsvolk angehören. ) Zuerst stellt sich dem Schriftsteller aus einer Volksgruppe natürlich die essentielle Frage: In welcher Form soll das literarische Werk veröffentlicht werden?
Die Angst vor Diskriminierung führt in vielen Fällen zur Verleugnung der Identität. Dennoch wählen viele Roma - Schriftsteller aus Liebe zu ihrer Volksgruppe und aus Angst vor einem möglichen Aussterben bewußt ihre eigene Sprache, das Romanes. Diese indoeuropäische Sprache besteht aus einer Vielzahl von Dialekten und ist in ihrer schriftlichen Form bis heute noch nicht standardisiert. Natürlich kam es in Laufe der Zeit in allen Ländern, in denen das "wandernde Volk" gelebt hat, zur Aufnahme von Lehnwörtern. "Der Wortschatz der Romadialekte ist vergleichsweise gering: Er setzt sich aus durchschnittlich 1200 Wörtern zusammen, davon entfallen 400-600 auf indische Ursprungswörter, der Rest setzt sich aus Lehnwörter zusammen." Heute wachsen Roma, wenn sie auch nicht mehr auf ständiger Reise sind, meist zweisprachig auf. Sie beherrschen neben ihrem Dialekt die jeweilige Landessprache. Auch Ceija Stojka spricht in ihrem Interview mit Karin Berger über den Gebrauch ihrer Sprache. Auf die Frage, in welcher Sprache die Zigeuner untereinander reden, antwortet sie: "Das Romanes haben wir schon in der Wiege mitgekriegt. Wir haben Romanes gesprochen und wenn wir unter Gadje waren, Deutsch. Es kommt auf meine Laune an."[66]
Meist ergeben sich für die Gruppe, die ihrer Muttersprache bei der literarischen Verarbeitung treu bleibt, bei der Publikation eine Reihe von Problemen. Sie werden oft mit der Tatsache konfrontiert, daß nur wenige Verlage Bücher in Romanes veröffentlichen. Die Chancen steigen, wenn es sich um zweisprachige Texte handelt.
Andere Autoren und Autorinnen wählen die jeweilige Landessprache, um ihre Anliegen Zigeunern sowie Nicht - Zigeunern näher zu bringen. Doch in diesem Fall ergeben sich wieder schwierige Umstände. Wie sollen sie in der jeweiligen Landessprache epische Werke, Gedichte und Theaterstücke veröffentlichen, wenn doch ihr Leben vor der Gefangenschaft von mangelnder Schulbildung gekennzeichnet war? Die Autorin Ceija Stojka war nach dem Konzentrationslager selbst um den Erwerb von schulischen Grundkenntnissen bemüht, da sie ohne Schulbildung keine Chancen zum Überleben sah. In einem Interview mit Karin Berger erwähnt sie, daß sie nach ihrer Entlassung nicht einmal "gescheit" ihren Namen schreiben konnte.[67] Auch wenn es für sie nicht einfach war im Alter von dreizehn Jahren gemeinsam mit Kindern aus der 2. Schulstufe den Unterricht zu besuchen, hat sie Lesen und Schreiben gelernt.
Aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten bei der Textproduktion kommen dann viele Roma - Schriftsteller zu Herausgebern, mit denen sie gemeinsam das Werk nochmals durcharbeiten. Herausgeber sehen ihre Aufgabe darin, Autoren und Autorinnen, die Schwierigkeiten mit der Sprache haben, zu unterstützen, ihre Texte zu perfektionieren und womöglich die "richtigen Worte" zu finden. Sie unterstützen sie vor allem darin, in der immer noch fremden Sprache das auszudrücken, was ihnen ein Anliegen ist. Auch Ceija Stojka erzählt im Gespräch mit uns, wie es zur Veröffentlichung ihrer Autobiographie gekommen ist:
"Ich hab´ einen lieben Menschen kennen gelernt - das ist Karin Berger. ( ) Sie hat sich bemüht, ist zu einem Verlag gegangen und der Verlag, der Verlag wollte die Originale haben. Die wollt ich nicht herausgeben, weil so viele Fehler drin sind, weil ich ja nicht lesen und schreiben . Also ja, dann hat sie das also in einem also richtig getippt."[69]
Wir leben im Verborgenen erschien dann unter der Herausgabe von Karin Berger. Stojkas literarischer Beitrag wurde auch noch durch ein Interview ergänzt, um so dem Leser mehr Eindruck in die Lebensgeschichte, Denkweisen und Anliegen der Minderheiten in Österreich zu geben. Durch gewisse Leitfragen die in den Gesprächen immer wieder präsent waren, wie zum Beispiel: "Woher kommen Sie?" "Wie wurden Sie in Österreich aufgenommen?" "In welchem Umfeld sind Sie aufgewachsen?" "Wie und warum haben Sie zu schreiben begonnen?" erfahren wir über die jeweilige Lebenssituation der Autoren.
Der Schreibbeginn ist für viele Roma, die als Außenseiter und Unterdrückte im ganzen Land abgestempelt werden, eine schwierige Zeit des Durchhalten. Vor allem Frauen stehen während ihrer Arbeit am Manuskript vor weiteren Problemen.[70] Von der Volksgruppe werden derartige schriftliche Verarbeitungen nicht als sinnvolle Beschäftigungen, denen eine Frau nach traditionellen Vorstellungen der Roma - Familien nachgehen soll, anerkannt. Auch Ceija Stojka, die ihre Biographie vor allem während ihrer Haushaltsarbeit geschrieben hat, erzählt in unserem Interview über die unterschiedlichen Reaktionen der Verwandten und nächsten Bekannten. Anfangs wurde "das Geschreibe" von ihrem Bruder als Gekritzel abgewertet. Stojka reagierte auf solche und ähnliche Aussagen mit Antworten wie: "Ich muß geduldig sein und ich muß mir Zeit lassen, irgendwann einmal werden sie einsehen, daß es der richtige Weg ist, nicht." . In ihrer Geduld hat sie sich dann auf den besten Weg einer Bestsellerautorin gemacht. In Deutschland ist die Autobiographie fast auf jedem Tisch - was Kultur anbelangt - zu finden und im Laufe der Jahre hat es Japan und Amerika erreicht. Natürlich sind die Geschwister ab einem gewissen Berühmtheitsgrad stolz auf Schriftstellern und Schriftstellerinnen in der Familie. Es kommen sich dann alle Angehörigen irrsinnig wichtig vor, wenn diese kleine Frau plötzlich mit der Welt zu tun hat, die Hand den Höchsten gibt und mit ihnen Gespräche führt.
4. 3. Textsorte: Autobiographie
In Ceija Stojkas Autobiographie Wir leben im Verborgenen steht die bittere Zeit des Nationalsozialismus, der sich die Roma als erste Sündenböcke erwählt hat, im Mittelpunkt ihres Erzählens. Die schriftliche Fixierung ihrer Vergangenheit mag unter dem Volk der Roma und Sinti sehr wohl ein neues Ausdrucksmittel sein. In den vergangenen Jahren wurde die Lebensweise dieser Volksgruppe zwar durch Liedtexte, durch ihre Musik, in Legenden und Märchen ans Tageslicht gebracht, blieb aber vor allem auf die mündliche Form beschränkt. Daher stellt sich bei näherer Betrachtung von Stojkas Werken die Frage: Was hat Ceija Stojka bewegt, ihre Erinnerungen und Schrecken der Konzentrations- und Vernichtungslager in der Erscheinungsform einer Autobiographie schriftlich zu fixieren?
Das Schaffen von Literatur erhält für Autoren und Autorinnen durchaus auch eine psychologische und therapeutische Funktion. Durch das "Aufschreiben" sollen die Erlebnisse aus der Vergangenheit bewältigt werden. Gerade in der schwierigen Situation der Zuwanderer, Migranten, Flüchtlingen und Angehörige ethnische "Wenigerheiten" kann Schreiben zur Überlebensstrategie werden. In ihrer Identitätssuche bedeutet Schreiben zum einen ein Nachdenken über sich selbst und die Gesellschaft, aber für Angehörige des "Mehrheitsvolkes" auch ein Einblick in das Leben fremder Kulturen. Für Ceija Stojka war vor allem die Diskriminierung und Verfolgung unter dem Nationalsozialismus ein wichtiger Auslöser die Vergangenheit schriftlich zu fixieren. Sie selbst erzählt über ihren Schreibbeginn:
"Als ich das Buch geschrieben habe - und das ist die Wahrheit - vor zehn Jahren, da hab ich mich gelöst, also den Druck aus meinen Bauch, wo man immer gesagt hat "Ausschwitzlüge" und "das Gelogene", wo dann mein Bruder .., also ich hab nicht geschrieben für die Öffentlichkeit, ich hab für mich geschrieben."[74]
In den Jahren nach dem Aufenthalt im Konzentrationslager gab es in ihrem Leben keine Bezugsperson, mit der sie Erfahrungen und Erlebnisse ihrer Verfolgung austauschen konnte oder die ihren Erzählungen zugehört hätte. All den Bekannten und Familienangehörige, die die Zeit in den Vernichtungslagern miterlebt haben, fiel es schwer, sich ihre Erinnerungen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Es gibt zwar auch heute noch viele Menschen, vor allem Jugendliche, die über das Leben in den Konzentrationslagern erfahren wollen, doch meist können sie nicht konzentriert zuhören oder sich nur schwer in die Zeit der Verfolgung und Ausbeutung zurückversetzen.
In ihrem Gespräch bedauert Ceija Stojka, daß sie eigentlich nie mit ihrer Mutter über die Verfolgung der Zigeuner gesprochen hatte. Sie hatte ja ohnehin soviel Kummer gehabt und deshalb wollte sie Ceija nie damit belasten. Da sie auf ihrer Wanderung durch das weite Land mit ihrer Mutter auf engsten Raum zusammengelebt hatte, kam es natürlich immer wieder zum Austausch von Erinnerungen:
" während ich mit meiner Mutter immer wieder - auch als ich schon Frau war ja, und schon Großmutter geworden bin - Erinnerungen ausgetauscht habe. Zum Beispiel von der Kartoffelschale, die eine Frau, also eine Weißrussin, verloren hat. Und ja, da hab ich gesagt: "Mama kannst dich erinnern?" und sie hat immer gesagt: "Ja, wenn du schälst eine Kartoffel - dann schäl sie dick!" Das sind die Erinnerungen die in mir stark hochgekommen sind: "Mama, kannst du dich erinnern, wenn das noch stärker gewesen wäre, hätten wir noch mehr Kraft gehabt."[75]
Doch der Schmerz war immer zu groß. Es kam nie zu einer Fortsetzung der Gespräche oder zu einer Bewältigung der Vergangenheit. "Ja sie hat immer nur angedeutet, aber sie konnte nie etwas ganz zu Ende - dann ist schon der Schmerz gekommen. Und dann waren ihre Augen schon ganz gläsrig gell, diese blauen Augen, und ich mußte schon mit meiner Stimme spielen"[76] Somit könnt diese Autobiographie auch als Ersatzmedium zur Konversation mit der Mutter betrachtet werden.
Wieder an einer anderen Stelle in unserem Gespräch erzählt die Autoren: "Ich hab für mich geschrieben und wenn ich die Augen zumache: für meine Kinder."[77] Musik und Gesang spielen
im Leben der Roma und Sinti ja eine äußerst wichtige Rolle. In einem anderen Interview mit Karin Berger im Anschluß an das Werk Reisende auf dieser Welt erzählt sie:
"Der Wald rauscht, die Vögel fliegen über dich, die Sonne lacht, du spürst das Gras wachsen, zwischen den Zehen, da kann man nicht einfach nur stumm sein. Man muß, ob man will oder nicht, sich irgendwie ausdrücken, ob es in Liedform ist oder in Gedichten oder indem man Geschichten erzählt. Und der Rom singt. Er singt über alles, es gibt nichts, worüber er nicht singt."[78]
Durch Lieder werden Geschichten erzählt, Lebenserfahrungen ausgetauscht, Gesetzte vermittelt, Traditionen weitergegeben aber auch Gäste willkommen geheißen und geehrt. Im Volk der Zigeuner war die Weitergabe traditioneller Romamelodien und Liedtexten vor allem den Frauen zugeschrieben. Ceija Stojka ließ sich diese Aufgabe und Stellung natürlich nicht nehmen. In ihren Augen mußte die Weitergabe von Traditionen eine lebendige sein und da auf Grund der geänderten Lebensumstände eine Weitergabe durch Musik kaum mehr vorhanden ist, hält sie ihre Lebenserfahrungen für die nachkommenden Generationen in schriftlicher Form fest.
Es gibt unterschiedliche Gründe, die zur Produktion schriftlicher Literatur geführt haben. Sicher jedoch ist, daß Ceija Stojka in ihrer Autobiographie die schrecklichen Erlebnisse aus der Vergangenheit zu verarbeiten versucht. Andererseits holt sie mit ihren Werken die Volksgruppe der Roma und Sinti aus der Anonymität und dem Verborgenen und kämpft engagiert um deren Anerkennung unter dem "Mehrheitsvolk".
4. 4. Handlungs- und Erzählzusammenhänge
In ihrer Autobiographie Wir leben im Verborgenen berichtet Ceija Stojka von den unfaßbaren Schrecken in den Lagern des Hitlerregimes. Es ist sehr schwierig anhand dieses Werkes eine chronoligische Biographie von dieser Roma - Schriftstellerin zu erstellen. In den Konzentrationslagern war ihr Zeit- und Raumgefühl komplett anders als in den übrigen Jahren ihres Lebens. In den Lagern konnte sie keine genauen Tage, Monate und Jahre wahrnehmen und fand einzig und allein an den Jahreszeiten ihre Orientierung. So nennt sie in Wir leben im Verborgenen nur ungenaue und wage Datumsbezeichnungen, wie zum Beispiel: "Es muß einen Tag vor Jahreswechsel gewesen sein."[79] Trotzdem erzählt sie all die Stationen in der Zeit ihrer Verfolgung in chronologischer Abfolge: Kurz vor der Beerdigung ihres Vaters wird die Familie nach Birkenau gebracht, wo ihr kleiner Bruder an den Folgen von Bauchtyphus stirbt. Als Birkenau aussortiert wird, kommt es zur Trennung der Familie. Ceijas Brüder müssen andere Wege gehen, und die Schwester Mitzi wurde schon zuvor einem anderen Arbeitslager zugeteilt. Gemeinsam mit ihrer Mutter kommt das kleine Mädchen nach Ausschwitz. Nach einem kurzen und grauenvollen Aufenhalt geht es dann weiter in das Frauenlager Ravensbrück, wo ihrer Aussage nach die SS - Frauen noch schlechter als jeder Satan waren . Mit viel Glück gelingt ihnen der Transport auf einem Lastwagen in das Arbeitslager Bergen - Belsen, wo sie nach einer schrecklichen Zeit, die wiederum von Hunger und Not gekennzeichnet war, endlich von den Engländern befreit wurden.
Das Buch selbst besteht aus zwei Teilen. Im ersten Abschnitt wird der Leser mit den Erfahrungen und Erlebnissen der NS - Zeit aus der Sicht eines Zigeunermädchen konfrontiert. Anschließend spricht die Erzählerin in einem Interview mit der Herausgeberin Karin Berger als Erwachsene über die aktuelle Situation der Roma in Österreich. Sie erinnert sich an die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, in der sie mit ihrer Familie und anderen Roma mit Roß und Wagen durch Österreich reist.
In der Autobiographie, im ersten Teil des Buches, hingegen wählt die Autorin nicht die Perspektive des zurückblickenden Erwachsenen sondern die eines Kindes, das erlebt, beobachtet und beschreibt[81]. Sie selbst hat ja auch den Aufenthalt in den Konzentrationslagern, der sie für das weitere Leben sehr geprägt hat, als Kind erlebt.
Wie schon zuvor erwähnt, bedeutet dieses Erzählen aus der Sicht eines Kindes ein "Sich - Zurückversetzten" und ein "Wieder - Erleben", genau wie all ihre späteren Besuche in den ehemaligen Arbeitslager. Aus Gesprächen mit ihr geht hervor, wie genau sie in Erinnerung behält, wo all die Baracken gestanden sind, wo das Krankenlager war, in dem ihr kleiner Bruder Ossi gelegen und gestorben ist. Jedesmal hat sie den Berg der Toten unmittelbar vor den Augen und in jedem Regenguß und Wind, der durch ihr Haar weht, sieht sie eine Begrüßung von den Familienangehörigen und Freunden, die dort ihr Leben lassen mußten.[82]
Auffallend ist auch, daß im Laufe der Erzählung nie von Krieg die Rede ist. Stojka verwendet diesen Ausdruck kaum und beschreibt auch keine genaue Daten aus den Kriegsjahren. Wichtig erscheinen für sie einzig und allein die Jahre 1939, als Zigeunern das Herumreisen verboten wurde, und 1943, das Jahr ihrer Verhaftung. Ihre Unwissenheit über das Kriegsgeschehen kommt vor allem ans Tageslicht wenn sie schreibt: "Er war "Reinarier" und irgendwo in Österreich eingerückt."[83]
4. 5. Eigenarten ihres Schreibens
Als kleines Zigeunermädchen erlebt Ceija Stojka die Ausbeutung in den Vernichtungslager auf ihre eigene Art und Weise, wie sie es später auch auf Papier bringt. Typisch für diese Erzählung aus der Perspektive eines Kindes sind die kurzen und einfachen Sätze. So verzichtet sie bewußt auf eine komplizierte und "hochtrabende" Sprache, wodurch ihre Erzählung einem Gespräch gleicht. Dementsprechend unterstreicht auch die Wahl der Wörter ihre kindliche Tendenz. Neben der Form "meine / unsere Mutter" benutzt sie des öfteren den Ausdruck "meine Mama", der uns ja aus den Mund eines Kleinkindes bekannt ist. Diese kindliche Sprache und Sichtweise bieten dem Leser die beste Möglichkeit, das Erlebte möglichst genau erahnen zu können, sich mit dem Leben der verachteten Minderheiten zu identifizieren und gibt das Gefühl, direkt am Schauplatz des Geschehen anwesend zu sein.
Kennzeichnend für diese kindliche Erzählweise sind unter anderem der wiederholte Stimmungswechsel und die Gabe Kleinigkeiten als "schön" bzw. "herrlich" zu empfinden.[84] Als das Zigeunermädchen über den Transport von Auschwitz in das Frauenlager Ravensbrück erzählt, spürt der Leser zum ersten Mal eine Erleichterung unter den KZ - Häftlingen, da ja bekannt ist, daß sich in Auschwitz die meisten Gaskammern befinden. Den Gefangenen ist es verboten, auf der Fahrt nur ein einziges Wort miteinander zu sprechen, und daher bringt die Autorin ihre Beobachtungen aus der Landschaft, die sie mit einem "Personenzug" durchqueren, auf Papier. Es ist für sie einfach ein herrliches Gefühl, in einem "richtigen Personenzug" mit vier oder fünf Waggons und Bänken darin, auf denen sie sogar Platz nehmen durften, zu fahren. Auch hier wird dem Leser wieder bewußt, welch eine Aufmerksamkeit das Mädchen den Kleinigkeiten und alltäglichen Dingen schenkt, wie sehr sie bei ihren Beobachtungen ins Detail geht. Auf dieser Fahrt wundert sie sich weiters über "richtige" Menschen, die auf dem Acker arbeiten und über "richtige" Bauernhäuser. Für sie ist es ein besonderes Erlebnis den Alltag der "freien" Bevölkerung bewundern zu können, da ihr die Gefangenschaft in den Konzentrationslagern das Gefühl gab, alleine auf der Welt zu sein und als niedriger und unwürdiger Mensch zu leben. Für die Menschen hingegen war dies kein besonderer Zug, denn alle Züge, die von einem Vernichtungslager zum anderen unterwegs waren, glichen einander. Wenn auch Gefangene auf diesen Zügen transportiert wurden, mußten sie nur tatenlos zusehen und widerstandslos schweigen.
Auffallend an dieser Stelle ist auch, mit welcher Art von Adjektiva die Autorin die Landschaft beschreibt:
"Also schauten wir alle aus dem Fenster, wir waren ja in der Freiheit. Wir sahen richtige Menschen, die auf dem Acker arbeiteten. Die einen mähten das Gras, die anderen setzten irgendetwas in den guten Boden. Wir sahen braune, schöne Kühe und Arbeitspferde, mitunter sogar einen Hasen und fröhliche, gutaussehende Kinder mit ihren Müttern. Für Minuten vergaßen wir alles. Der Zug fuhr etwas langsamer, wir sahen richtige Bauernhäuser mit Vieh und Menschen. Für sie war es kein besonderer Zug, denn es war ein Zug wie jeder andere. Bald fuhr der Zug immer schneller, die Bauernhäuser wurden immer kleiner. Nun ging es auf einer langen Ebene dahin, es gab keine Straßen und keinen Weg, nur Wiesen und Wald."[86]
Der "gute Boden", die "schönen Kühe", der Anblick eines "Hasen", "die fröhlichen und gutaussehenden Kinder mit ihren Müttern" zeigen die positive und glückliche Stimmung des kleinen Zigeunermädchens. Die wunderschöne Landschaft mit "dem frisch gemähten Gras", dem "guten Boden" und die "Wiesen und Wälder" geben den Gefangenen ein Gefühl der Freiheit. Für kurze zeit wird hier vielleicht ein Traum von einer anderen, besseren Welt war. Für Minuten vergaßen sie sogar ihr Schicksal, die Gefangenschaft und Trauer um die sterbenden Freunde und Familienangehörige. Dieser Ausschnitt erinnert genau an die Erzählungen von Ceija Stojkas weiteren Werk Reisende auf diese Welt. Aus dem Leben einer Rom - Zigeunerin. In diesem Buch erzählt die Schriftstellerin über die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, als sie mit ihrer Familie und Freunden durch Österreich unterwegs war. Auch diese Reisen mit "Roß und Wagen" schenkten ihnen eine Reihe von schönen Naturbildern, die dem Mädchen auf der Fahrt in das Frauenlager wieder ins Gedächtnis kommen. Gerne denkt sie zurück an die Zeit, als sie an einem Lagerplatz vor dem Wald Rast gemacht haben, beim Lagerfeuer getanzt und gesungen und manchmal sogar im Freien übernachtet haben.
Kurz darauf wird das Zigeunermädchen zusammen mit ihren Genossinnen in das Frauenlager eingeliefert. Es kommt zu einem plötzlichen Stimmungswechsel. Wie ein Kind, dem beim Lachen noch die Tränen von zuvor über das Gesicht laufen, schreibt sie nun in einer ganz anderen Sprache, verwendet eine unterschiedliche Art der Adjektiva. Im Gegensatz zu den wunderschönen Landschaftsbildern mit den saftgrünen Wiesen und Wäldern, regiert hier die nüchterne und bittere Sprache des Konzentrationslagers. Das Mädchen hat nun wieder die braungrüne Uniform der SS - Soldaten vor den Augen, die Beleuchtung war ziemlich düster und noch dazu war es schon finster, als sie das Lager betraten:
"Sie waren bei Gott keine sanften Frauen. Sie übernahmen das Kommando und schrien: "Alles antreten. Marsch, Marsch!" Nun standen wir alle wieder beisammen. Die Beleuchtung war ziemlich düster. Wir mußten nicht weit gehen, schon waren wir durch das Tor: Das war das Frauenlager Ravensbrück. Wir marschierten, es war schon ganz finster.. Ein Knüppelschlag machte dem ein Ende."[87]
In all ihren Werken verwendet Ceija Stojka Bilder aus der Natur und ganz unterschiedliche Landschaftsbilder. In einem Gespräch erzählt sie einmal: "Natur ist mein Leben, ich halte mich gerne an einen Baum an."[88] Auch aus dem Arbeitslager in Bergen - Belsen wird ihr ein Baum, der vor ihrer Baracke gestanden ist, ewig in Erinnerung bleiben. Sie nannte diesen schönen Baum, dessen kräftige Aste bis auf den Boden reichten, Lebensspender, denn er löschte immer wieder Durst und Hunger, gab neue Energie und Kraft, die ja lebensnotwendig war. Er hatte schöne, dicke hellgrüne Blätter und durfte natürlich in ihrer Erzählung nicht fehlen. Die dicken Blätter enthielten einen süßlichen Saft, der für die Kinder als Lebensspender wirkte. Des öfteren gab ihr die Mutter den Rat: "Nimm und iß, es die dicke, gelblich, weiße Masse aus den blättern des Baumes ist sehr gut, du wirst sehen. Nun wirst du so stark wie dein Lebensspender."[90]
Im Laufe der Erzählung stößt der Leser immer wieder auf Zitate aus der Bibel. Im Frauenlager Ravensbrück wird ihr zum ersten Mal der Unterschied zwischen den hübschen SS- Frauen und den abgemagerten Gefangenen bewußt. Als die Kinder einen Streifen mit der Aufschrift "Arbeitsscheu" auf die linke Seite ihrer Kleider nähen mußten, fiel Ceija das Zitat aus der Bibel ein: "Nun waren wir alle gekennzeichnet: Der letzte Abschaum der Menschheit"[91] In ihrer Not beteten sie öfters zu Gott, und als ihre Mutter einmal die "Stubenfreunde" mit den Worten beruhigte: "Vielleicht hilft uns jetzt Gott, wir müssen alle fest daran glauben.", hatten die Frauen plötzlich nicht mehr so viel Angst und ihre Hoffnung wuchs von neuem. Diese Ausdrücke und Ausrufe zeigen, wie fest sie an Gott glaubt und trotz ihrer Not und Elend auf ihn beharrt. Immer wieder schöpft sie neue Kraft aus dem Glauben und hält durch bis zum Ende.
Hier stellt sich natürlich die Frage, ob Ceija Stojka durchgehend in ihrem Werk ein Kind erleben und erzählen läßt. Die Erzählerin unterbricht auch öfters ihre Schilderung mit Ausrufen, die sie in Klammer setzt. In den Überlegungen: "Aber wie konnte ein Kind arbeitsscheu sein?" oder "Wir waren gekennzeichnet: der letzte Abschaum der Menschheit" spricht sicherlich nicht ein Kind, sondern die Erwachsene, die über das Geschehen reflektiert.[93] Leider Gottes bleibt der wahrhaftige Grund für diese Einschübe, die in der Autobiographie eher selten sind, jedoch auch noch nach unserem Gespräch mit der Roma - Schriftstellerin ungeklärt .
6. Figurendarstellungen
6. 1. Darstellung der Mutter
Ceija Stojkas Erzählung kreist immer wieder um die Gestalt ihrer Mutter. Als ihr Vater, noch bevor sie in das Konzentrationslager gebracht wurden, sterben mußte, bleibt die Mutter die einzige Bezugsperson für die Kinder und für Ceija über ihren Tod hinaus. Ihre Mutter war eine "tapfere und kluge Frau" und für Ceija galt sie als "Vorbild", wie eine Frau ihr Leben meistert, und ein Hoffnungsschimmer in jeder aussichtslosen Situation in den Konzentrations- und Vernichtungslagern. Mit nur wenigen Worten erzählt die Rom - Schriftstellerin über die Beziehung zur Mutter:
"Man muß sich vorstellen: ein Kind das immer bei der Mutter ist, gell. Und erst, ah, dann losgelassen wird, wenn es also das Leben fordert. Ich war immer im KZ mit der Mama. Wär´ sie nicht gewesen, hätt´ ich nicht durchg´ halten, und bin dann auch sehr früh Mutter geworden - mit 16 hab ich schon einen Buam g´ habt und hab mein Leben gemeistert heut. Und das Leben was mich geprägt hat, ist auch heute noch in mir drinnen."[94]
Auch nach der Verhaftung des Vaters hat die Frau, obwohl sie mit ihrer Familie vor den Trümmern ihrer Existenz stand, das Leben tapfer gemeistert. Im ersten Teil der Erzählung Weihnachten, schildert Ceija die grauenvollen Tage nach dem Tod ihres Vaters. Als sich die Feiertage um Weihnachten näherten, stand sie mit sechs Kindern alleine in der elenden Welt.
Nichts desto trotz faßte sie den Mut, ein traditionelles Fest mit Weihnachtsmenü und einen reichlich geschmückten Christbaum zu gestalten.
In ihrer Autobiographie Wir leben im Verborgenen legt Ceija Stojka besonderen Wert, die Verhaltensweise und Einstellungen der Mutter herauszuarbeiten. Ihre Verzweiflung und Mißhandlungen, die sie in Gefangenschaft erdulden muß, prägen sich dem Kind besonders im Gedächtnis.[95] Bis zum heutigen Tag blieben die Tage nach dem Tod ihres Vaters in Erinnerung. Einzig und allein die Mutter war es, die alle Versuche unternommen hatte, die Urne aus Dachau zu bekommen. Die Knochen gab sie dann in ein eigens dafür angefertigtes Täschchen, das sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt um den Hals gebunden hatte. Im Konzentrationslager kam eines Morgen ein SS - Mann herangetreten und schrie: " "Du Kreatur, was hast du um deinen Hals?" Er riß ihr das kleine Täschchen mit Vaters Knochen herunter und warf es in den Abfluß. Dann schlug er ihr ins Gesicht." Das Mädchen wußte zu diesem Zeitpunkt genau, auf welch einer Art und Weise diese Gewaltanwendung für die Mutter Schmerz hervorrief, da sie eine gläubige Zigeunerin war und nach den Traditionen der Roma lebte.
In ihrem Werk präsentiert Ceija Stojka die Mutter als eine "Überlebenshilfe" für die Familie wie auch für Mitbewohner in den Baracken. Schon vor ihrer Verhaftung, als die Familie sozusagen "Auschwitz in der Freiheit spürte" sorgte die Mutter um das tägliche Brot für die Kinder. Sei schreckte niemals davor zurück, die kleine Holzhütte, die von den SS - Leuten mit einem Gitter umzäunt wurde, zu verlassen und von irgendwoher Brot, Milch und an besonderen Tagen sogar einen Topf voll Gulaschsuppe zu organisieren. Sie war es, die ihren Sprößlingen den Umgang mit den SS - Frauen und Männer lehrte und immer offenes Ohr für neue Organisationen hatte. So lehrte sie, zum Beispiel, was die Kinder sagen sollten, wenn die SS - Soldaten Fragen stellten: "Dann sollten wir sagen: "In diesem Kamin und in diesem Ofen dort wird für uns alle das tägliche Brot gemacht." Doch wir wußten alle, um was es ging."[97] Ein weiteres Mal versucht ihre Mutter heimlich Rüben von einem Lastauto zu stehlen, wird dabei aber ertappt. Ein SS - Mann schlägt ihr mit einem Holzkübel auf die Hand, sie war ganz blutunterlaufen. Die Wunde erinnerte sie bis ans Lebensende an diese Heldentat. Die Rübe jedoch ließ sie nicht fallen und "sicherte" den Kindern und Mitbewohnern ein Überleben für weitere Tage. Wie ihre Mutter suchte auch das Mädchen Ceija immer wieder nach einer Gelegenheit, wo sie etwas organisieren könnte. "Wenn mir meine Mama nicht gesagt hätte, du bist du, dann hätte ich mich gar nicht getraut," erzählt sie später im Gespräch mit Karin Berger. Im Gespräch mit ihr beschreibt sie ihre Mutter:
"Und für mich war meine Mutter das äh wenn sie mich mit ihren Augen gesehen hat, habe ich den Hunger und den Durst und alles vergessen, weil es war jemand da, der ein Stück mir gehört, wo ich Fleisch und Blut bin, ja. Das war diese Wärme, obwohl es eiskalt war, aber sie hat zu mir gesagt: "Du mußt durchhalten, wir müssen stark sein! Du bist du, Ceija, du bist du. Nur du kannst deinen Füßen jetzt das sagen, daß sie laufen und daß sie warm werden."[99]
Stojka schildert genau die Verhaltensweisen der Mutter. Sie beschreibt all das Elend, das sie durchhalten muß. Aber dennoch beharrt sie im starken Glauben an Gott und hält durch bis zur Befreiung durch die Engländer.
Bewundernswert ist auch, wie sehr Liebe und körperliche Nähe in ihrer Familie zählt. Liebe, Freiheit und körperliche Nähe bedeuten einen inneren Schutz, der im schrecklichen KZ Alltag neue Kraft verleihen kann. Ihre Mutter unterstützt sie in schwierigen Lagen mit den Worten: "Haltet euch immer an mir fest."[100] Auch in den Baracken "sicherte" der Zusammenhalt der Mütter das Leben, denn sie teilten stets Brot oder Kartoffeln untereinander. Als sie im Frauenlager Ravensbrück am ersten Abend in die vorgesehenen Baracken kamen, durften sie nicht miteinander reden, aber ihre Hände streichelten einander. Wieder ein anderes Mal erzählt sie über ihren kleinen Bruder Ossi, der im Krankenlager an Bauchtyphus starb. Nachts schlich sie zu ihm ins Bett und versuchte ihn mit aufmunternden Worte zu trösten.
6. 2. Darstellung des Vaters
Wie schon zuvor erwähnt kreist Stojkas Erzählung vor allem um die Gestalt der Mutter, während ihr Vater in der Autobiographie nur selten erwähnt wird. Vielleicht auch deshalb, weil er kurz vor der Verhaftung der Familie verstorben ist. Er wurde im Jahre 1941 von der Gestapo verhaftet und seitdem hat ihn die Familie nicht wieder gesehen.
Dennoch ist ihr Vater bis zum heutigen Tag in Erinnerung geblieben. Er war ein sehr charmanter Mann, beliebt unter den Zigeunern sowie den Nicht - Zigeunern. Heute sieht sie den Vater noch vor ihren Augen: "Seinen Pepitaanzug hat er angehabt, er war so ein fescher Mann. Wir waren immer sehr stolz auf ihn. Im Auto hat er sich noch umgedreht und gewunken. Das war das Letzte von ihm für mich. Für uns Kinder war es ein Schock, daß er nicht mehr gekommen ist."[103]
Ihr Vater war ein sehr geschickter Mann, er hat immer Sensationen hervorgebracht. Einmal ist er gekommen und hat Ceija einen wunderschönen Sonnenschirm gezeigt, doch er war kaputt. Säuberlich hat er den Stoff, er war reine Seide, gelöst und einen "Sonnenrock" daraus genäht. Mit diesem Rock ist sie dann auch verhaftet worden und hat ihn bis nach Auschwitz gebracht. Dort wurde er dann weggenommen, genau wie die Gestapo der Familie den Vater weggenommen hat.
Noch heute trauert sie ihm nach, vor allem wenn sie andere Mädchen beobachtet, die stolz mit ihrem Vater auf der Straße spazieren.
6. 3. Darstellung der SS - Männer und Frauen
In der Autobiographie konfrontiert die Erzählerin ihr Leserpublikum mit einer ausführlichen Berichterstattung des Alltags in den Konzentrations- und Vernichtungslagern. Die Männer, die die Gefangenen in den Lagern tyrannisieren und laut ihrer Erzählung wie Tiere behandeln, beschreibt sie immer wieder als "groß und schlank", "mit einer Zigarette im Mund" und auch die "hochpolierten Stiefeln, die in der Sonne glänzten und bei jedem Schritt, den sie machten, knirschten" werden ihr in ewiger Erinnerung bleiben: "Die SS - Männer waren sehr groß und schlank, ich sah immer nur auf ihre hochpolierten Stiefeln. Sie rauchten eine Zigarette um die andere und man konnte sehen wie sie sich amüsierten."[104]
Das Bild der "hochpolierten Stiefeln" kehrt in der Erzählung immer wieder und ist auch für Ceija Stojka zu einem beliebten Motiv, das sie in ihren Bildern und Gedichten verarbeitetet, geworden. Diese Stiefeln müssen für das Kind so bedrohlich wie Maschinengewehre gewirkt haben. Mit ihnen konnten die Gefangenen ja auch getreten werden, was in den meisten Fällen für die Opfer auch tödlich endete.
Die SS - Männer waren so arg, daß auch Tiere nicht so böse sein konnten, denn selbst ein wildes Tier wird einmal müde und gibt auf. Für die Gefangenen nahmen die Qualen jedoch nie ein Ende, die SS - Soldaten gaben niemals auf.[105] Auch an Hand ihrer Sprache erkennt der Leser die Einstellung der SS - Männer zu den Gefangenen. In nur kurzen und prägnanten Sätzen teilen sie ihre Befehle aus und zeigen keinerlei Gefühle für die verfolgten und gejagten Gruppe der Gesellschaft.
Vergeblich versucht das Zigeunermädchen immer wieder vom Außeren eines Menschen innere Werte abzuleiten.[106] In ihrer kindlichen Naivität ist es für sie unvorstellbar, daß "hübsche" und elegant gekleidete Soldatinnen kein Mitleid für die leidenden und verfolgten Frauen verspüren. Ceija Stojka erzählt auch einige Szenen aus dem Frauenlager und beschreibt sehr ausführlich das Aussehen und die Verhaltensweise der SS - Frauen: Sie waren meist große, vollschlanke, blonde und elegant gekleidete Frauen. Ihre Haare waren zu einem kunstvollen Knoten zusammen gesteckt und die Mütze saß immer perfekt. Wieder bleiben ihr die wunderschönen Lackstiefeln in Erinnerung und ihr Blick wirkte sehr streng und eisig kalt. In der Sprache unterscheiden sich die Frauen kaum von ihren männlichen Genossen. Wieder schreien sie, ohne die Miene zu verziehen oder Gefühle zu zeigen: "Los, alles raus, aber dalli dalli!"
Im Unterschied zu den SS - Frauen sahen die Gefangenen ganz erbärmlich aus. Die Frauen waren abgemagert und ganz grau im Gesicht. Sie hatten keine Kleider mehr, nur kaputte Decken hingen über ihre Schultern wie auf Kleiderhacken. Auch die gesunden und gut ernährten SS - Männer standen im krassen Gegensatz zu den Gefangenen. Das Mädchen mußte sich an den Anblick Kranker, Sterbender und Toter in den KZ gewöhnen. Der Haufen von Toten türmte sich vor den Baracken, Juden wurden verbrannt und der Menschenstaub wehte durch die Lager, in denen die Soldaten aber auch die Gefangenen den Staub einatmeten. In den Vernichtungslager wurden Zigeuner wie auch andere Randgruppen der Gesellschaft ihrer Identität beraubt, nicht mit Namen angesprochen sondern mit Registriernummern abgestempelt. Frauen und junge Mädchen wurden durch Sterilisation unfruchtbar gemacht, um somit ein Aussterben der Minderheit zu sichern.
An einigen Stellen versucht Ceija Stojka die Verhaltensweise der SS - Männer und Frauen zu rechtfertigen. Auf ihrer Fahrt in das Frauenlager erzählt die Autorin über SS - Männer die keine Freude gehabt haben, sie wären viel lieber bei ihrer Familie geblieben. Doch sie mußten auch ihren Dienst tun und ließen ihren Frust einfach an den Insassen aus.[109] Für Stojka ist es ganz klar, daß diese Männer, die vielleicht gerade geheiratet haben, eine Familie zurückgelassen haben und dann in Auschwitz diesen Wahnsinn miterleben mußten, folgende Worte von sich gaben: "Diese Kreatur, wenn die nicht da wäre, dann wäre ich zu Hause!"
6. 4. Darstellung zwischenmenschlicher Beziehung
Ceija Stojka schreibt in ihrer Autobiographie auch über die zwischenmenschliche Beziehung in den Konzentrationslagern, über den Zusammenhalt der Frauen und über die diversen Gelegenheiten, in denen sich neue Freundschaften gebildet haben. Hat eine Frau einen breiten Rock getragen, dann hat sie sofort einen Teil abgeschnitten und zu ihren Bekannten gesagt: "Du, du kannst aus den den Kindern Unterhemderln machen." Auf dieses Art und Weise haben die Frauen mit ihren Kindern auch überleben können und jederzeit anderen Leidenden soweit es möglich war Hilfe geleistet.[111] Für einen Zigarettenstummel haben die Frauen von ihren männlichen Nachbarn öfters ein Stück Brot erhalten; es gab sehr einfallsreiche Methoden des Tauschhandels.
Die Minderheiten haben sich untereinander niemals diskriminiert. Alle Gefangenen haben miteinander gelitten und es ist selten vorgekommen, daß der einen den Nachbarn nach seiner Identität gefragt hätte.
Im Frauenlager Ravensbrück waren es die Mütter, die immer sehr fest zusammenhielten. Ceijas Mutter organisierte öfters Brot oder Kartoffeln für ihre Kinder aber auch andere Mitbewohner aus den Baracken. Unter den Gefangenen herrschte dann Freude, ein herrliches und unvergeßliches Gefühl, das sie durch ihre Lieder zum Ausdruck brachten.
In unserem Gespräch mit der Autorin erzählte sie auch über ein kleines Mädchen namens Resi. Als Kind suchte sie immer wieder Gelegenheiten, um in den Baracken und dort gegründeten Gemeinschaften irgendwas organisieren zu können. Einmal war es die Stubenälteste, die Hilfe benötigte, und ein anderes Mal half sie einfach den Mist zu beseitigen.[112] So lernte sie auch das Mädchen Resi kennen, die um einige Jahre älter als sie war. Da Resi ohne ihre Eltern in der Baracke lebte, sagte Ceija zu ihrer Mutter: "Mama, die hat niemanden!" Ab diesen Zeitpunkt sind die Mädchen immer wieder zusammen umhergezogen, bis Resi abgeholt wurde und nach der Sterilisation verstorben ist.
Der Zusammenhalt in den Vernichtungslagern und die freundschaftliche Beziehung, von der bei Ceija Stojka immer wieder die Rede ist, haben bei einigen wenigen zum Überleben beigetragen. Gemeinsam haben sie es geschafft, die Not und Qualen zu ertragen und waren stets zu gegenseitiger Hilfe bereit.
7. Funktion ihres Schreibens und Adressatenbezug
Der Leser stellt sich natürlich nach ausführlicher Lektüre eines Werkes die Frage: "Was will der Autor / die Autorin mit diesem Buch aussagen?". Um die Frage in diesem Fall beantworten zu können, werfen wir einen Blick auf die letzte Seite der Autobiographie. Hier schreibt Ceija Stojka über das Schicksal ihrer Volksgruppe: "Aber wir müssen hinausgehen, wir müssen uns öffnen, sonst kommt es noch so weit, daß irgendwann alle Romani in ein Loch hineinkippen."
Mit ihren Werken will die Roma - Schriftstellerin auf die Situation der Zigeuner aufmerksam machen. Einerseits zeigt sie das Schicksal der unterdrückten Minderheiten in der NS - Zeit und andrerseits beschreibt sie das Leben der Roma und Sinti in der heutigen Zeit, nachdem ihnen das Herumreisen verboten wurde.
Sie kann einfach das Schweigen über die Vergangenheit nicht länger akzeptieren und belebt durch die "Niederschrift" ihrer Erlebnisse die eigenen Vergangenheit. Laut Beate Eder heißt "im Verborgenen leben" für viele Angehörige der Minderheiten, ihr Rom - Sein zu verheimlichen, um nicht die damit die verbundenen Nachteile der Diskriminierung in Kauf nehmen zu müssen.
Heute haben schon einige "schreibbegeisterte" Roma - Schriftsteller den Weg in die Öffentlichkeit gewagt. In Stojkas Erzählungen fällt allerdings das Fehlen von Aggressivität auf.[113] Ceija Stojka geht es einzig und allein darum, die Wahrheit ans Tageslicht zubringen und niemals wollte sie eine bestimmte Gruppe der Gesellschaft für ihr Leiden verantwortlich machen. Laut ihren Aussagen hat sie niemals für die Öffentlichkeit geschrieben oder gar an ein Bestsellerbuch gedacht. So sagte sie vor der Veröffentlichung der Autobiographie Wir leben im Verborgenen: "Es soll kein Bestseller werden." Sie war schon glücklich, wenn ein junges Mädchen sein letztes Taschengeld opfert, das Buch kauft, es liest und dann voll Begeisterung der besten Freundin mit den Worten weitergibt: "Ja, das war´s. Du, lies es auch!" Erst wenn dieses Buch durch mehrere Hände gegangen ist und am Ende nicht mehr festzustellen ist, wie viele Hände es erreicht hat, dann bezeichnet sie die Autobiographie als Bestseller und großen Erfolg.
Wie schon zuvor erwähnt, wendet sich Ceija Stojka nicht direkt an einen bestimmtes Leserpublikum, ihre Erzählungen wirken auf keine Weise appelativ. Möglicherweise adressiert die Roma - Schriftstellerin mit ihren Werken die Gruppe der jugendlichen Leser. Sie hält auch Lesungen in Schulen und führt anschließend Diskussionen mit Jugendlichen, denn in ihren Augen kann nur die Jugend verhindern, daß so etwas wieder passiert und Auschwitz wieder Geschichte macht. Heute blickt Ceija Stojka sehr optimistisch in die Zukunft und ist sich ganz sicher, daß sich Jugendliche nicht mehr von ihren Eltern und Erwachsenen manipulieren lassen und eine solch grausame Form der Unterdrückung in Zukunft nicht wieder zulassen. [115]
5. Ceija Stojka: "Weihnachten" und "Mit Roß und Wagen"
Auch in ihren Erzählungen Weihnachten und Mit Roß und Wagen verarbeitet die Roma - Schriftstellerin ihre Erlebnisse aus der Gefangenschaft in den Konzentrations- und Vernichtungslagern und ihre Erinnerungen an die "guten alten" Zeiten, in denen sie mit ihrer Familie durch Österreich unterwegs war. Diese kurzen Erzählungen erinnern den Leser an Passagen aus ihrer Autobiographie Wir leben im Verborgenen und dem weiteren Werk Reisende auf dieser Welt. Durch Veränderungen in der Wortwahl, Satzkonstruktion und Aufbau werden diese Auszüge an die gegebene Erzählsituation und das vorhandene Leserpublikum angepaßt.
Besonders die einfache Sprache und Satzkonstruktion in Weihnachten erinnern an ein Gespräch, das Ceija Stojka mit einer Gruppe von jugendlichen Zuhörern führt. Vielleicht sind es ihre Enkeln und Enkelinnen, die über Bräuche, Religion und Festlichkeiten in der Tradition der Roma erfahren wollen. Die Erzählung selbst, sie ist im Jahre 1995 in der Zeitschrift des Roma-Vereins "Romano Centro" erschienen, gibt uns dazu keinen direkten Hinweis. Sicher ist nur, daß Ceija Stojka über drei ganz unterschiedliche Weihnachtsfeste berichtet, die ihr Leben jeweils auf ihre eigene Art geprägt haben. Vor allem die Feiertage um das Weihnachtsfest, als die Familie die Nachricht vom Tod ihres Vaters erhalten haben, werden Ceija ewig in Erinnerung bleiben. Die Mutter stand nun mit ihren Kindern alleine in der elenden Welt. Dennoch faßte sie den Mut, ein traditionelles Weihnachtsfest mit Festtagsmenü und einem reichlich geschmückten Baum zu gestalten. Die Worte, mit denen die Mutter das Weihnachtsfest nach all den Turbulenzen abschließt: " der liebe Gott ist nicht gut auf uns zu sprechen. Ihr werdet noch sehen, was in diesem Jahr auf uns zukommen wird." deuten auf die Schicksalsschläge, die in den nächsten Jahren über sie kommen werden.
Im zweiten Abschnitt berichtet Ceija Stojka über eine ganz andere Weihnachtsfeier im Konzentrationslager. Während in den übrigen Jahren ihrer Gefangenschaft Weihnachten und Neujahr lautlos vorübergingen, prägte sich das Weihnachtsfest im Jahre 1944 besonders in ihrem Gedächtnis. Damals betraten die SS - Frauen ganz unerwartet die Baracke in diesem elenden Lager und luden die Kinder samt der Aufseherin, der Stubenältesten, zum Feste. Die ersten Sätze dieses Abschnittes könnten als Einleitung betrachtet werden, sind aber als solche formal nicht gekennzeichnet. Kurz und prägnant erklärt hier die Autorin dem Leser die Situation in der Gefangenschaft, ihre Familienverhältnisse und die brutale Behandlungsweise im Frauenlager Ravensbrück. Auch diese Passage finden wir in Ceija Stojkas Autobiographie wieder, doch wie schon zuvor erwähnt, in einer veränderten Wortwahl und Satzkonstruktion. Auffallend ist, daß dem Zigeunermädchen in ihrem Werk Wir leben im Verborgenen der Kalender mit der Aufschrift "24. Dezember 1944" sofort ins Auge fällt. In den Konzentrationslagern konnte sie keine genauen Tage, Monate und Jahre wahrnehmen, da ihr genaue Zeitwahrnehmungen an Hand eines Kalenders oder einer Uhr fehlten. Somit war in der Gefangenschaft das Zeit- und Raumgefühl komplett anders als in den übrigen Jahren ihres Lebens. Im ersten Weihnachtsfest, das Ceija ihren Zuhörern erzählt, war es die Mutter, die für die Kinder liebevoll das Fest organisiert und Hühner, Gänse, Enten, Grammel und Reis nach Hause brachte und ein wunderbares Esse bereitete. Bei der Weihnachtsfeier im Konzentrationslager hingegen hatte jedes Kind nur einen Gedanken: Sie alle sorgten um das Wohl der Mütter und unternahmen alle möglichen Versuche, ein Stück Brot oder Metwurst unter das Hemd zu schieben.[116]
Last but not least beschreibt die Roma-Schriftstellerin ein traditionelles Weihnachtsfest, wie sie es im Jahre 1995 mit ihrer Familie gestaltete. Heute ist es einfach ein Fest mit einem ausgiebigen Festtagsmenü zu organisieren. Nach der Roma-Tradition kommen Hühner, Enten, Schweinefleisch, Kraut, Pogatschen, Strudeln auf den Tisch, und die ganze Familie ist geladen. Natürlich wollen alle Zigeuner bei diesem Fest voll Stolz zeigen, wie gut sie singen können und mit Segenswünschen wird viel Glück, Gesundheit und Erfolg für das kommende Jahr gewünscht.
In der weiteren Erzählung Mit Roß und Wagen erinnert sich Ceija Stojka an die "guten alten Zeiten" vor ihrer Verfolgung. Wie in der Autobiographie Reisende auf diese Welt beschreibt sie das Leben der Zigeuner, wie sie mit Roß und Wagen durch Österreich unterwegs waren. Auffallend ist jedoch, daß die Autorin in ihrem Werk Reisende auf dieser Welt in Ich-Form erzählt, während sie in der Erzählung Mit Roß und Wagen die auktoriale Erzählerhaltung bevorzugt. Mit dieser Weise steht sie als Erzählerin über dem Geschehen, kennt die Romanfiguren genau und weiß Bescheid über ihr Fühlen, Denken und Handlungsweise. Sie hat die Macht, das Geschick zu lenken. Vielleicht schafft sie sich Kraft ihrer Phantasie mit dieser Erzählerhaltung eine neue, schönere Welt. Diese Welt ist jedoch nur eine Wunschvorsttellung, die sie als handelnde Figur nicht mehr miterlebt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde den Zigeunern nämlich das Herumreisen verboten. Deshalb denkt sie heute noch gerne an die Zeit zurück, als sie an einem Lagerplatz vor dem Wald Rast gemacht haben, vor dem Lagerfeuer getanzt und gesungen und untereinander Geschichten und Erfahrungen ausgetauscht haben. Damals waren sie glücklich und frei. Auf der ganzen Welt waren sie zu Hause, denn ihre Heimat waren die Wiesen und Wälder.
6. Ceijas Bruder Karl Stojka
Ceijas Bruder Karl, ist der zweite in der Familie der Stojkas, dessen künstlerisches Werk ein Zeugnis der Verfolgung und Vernichtung der Roma durch die Nationalsozialisten in den Konzentrationslagern darstellt.
Der 1931 im Bezirk Baden geborene ältere Bruder von Ceija, hat einen äußerst schicksalhaften Geburtstag, den er immer besonders herausstreicht. So auch in seinem Buch "Auf der ganzen Welt zu Hause", wo er berichtet: "Ich bin 1931, am 20. April, geboren, ich habe also mit Adolf Hitler denselben Geburtstag, mit jenem Mann, der mein ganzes Leben, das meiner Familie und das der Roma so beeinflußt hat."[118] Daß er seinen Geburtstag gerade mit diesem verhaßten Mann teilen muß, der bei seiner Geburt genau 42 Jahre alt war, läßt ihn immer noch sehr wütend werden. Im Wintersemester 1997/98 hatte ich zwei Mal die Möglichkeit, Herrn Stojka persönlich in einer Vorlesung, die sich mit der NS- Zeit beschäftigte, über seine Vergangenheit berichten zu hören. Auch bei dieser Gelegenheit kam er bereits im ersten Satz seines Berichtes auf diese Gemeinsamkeit zu sprechen.
1943 wurde auch er als Zwölfjähriger ins Konzentrationslager Auschwitz- Birkenau eingeliefert. Danach folgten zwei lange und harte Jahre in Buchenwald und Flossenbrüg, bis er schließlich als Vierzehnjähriger auf dem sogenannten "Todesmarsch" von Soldaten der alliierten Truppen befreit wurde.
Seine tragische Vergangenheit bewältigte der heute 67-jährige, wie seine Schwester, zuerst vor allem durch seine künstlerische Betätigung als Maler. In seiner Austellung "Eine Kindheit in Birkenau- A Childhood in Birkenau" zeigt Karl Stojka Bilder der tragischen Erinnerungen seiner Kindheit. Sie wurde unter anderem 1992 im U.S. Holocaust Memorial Museum in Washington D.C. gezeigt.[120]
Erst später entschloß er sich, seine Erlebnisse aufzuschreiben, und 1994 erschien schließlich sein Werk "Auf der ganzen Welt zu Hause"- sechs Jahre nach dem Erfolg von Ceijas KZ- Biographie "Wir leben im Verborgenen". Wahrscheinlich wollte er- nachdem bereits seine Schwester sehr erfolgreich war- ebenfalls ein Buch schreiben, das sich mit ihrem gemeinsamen Schicksal befaßt. Vielleicht war er eifersüchtig auf seine Schwester und wollte sie übertrumpfen: Tatsache ist jedoch, daß beide als Zeitzeugen durch ihre schonungslose Berichterstattung, über die unmenschlichen Verhältnisse im Konzentrationslager, dem Leser ein genaues Bild dieser grausamen Zeit bieten können.
Heute lebt Karl Stojka mit seiner zweiten Frau wie seine Schwester Ceija in Wien.
7. Ceija Stojkas "Wir leben im Verborgenen" im Vergleich zu Karl Stojkas "Auf der ganzen Welt zu Hause"
7. 1. Funktion des Schreibens- Schreibbeginn
Die beiden Geschwister Ceija und Karl Stojka begannen aus unterschiedlichen Gründen ihre beiden Werke zu schreiben. Ceija war es, die mit ihrem Buch das Schweigen über ihre Vergangenheit nicht mehr akzeptieren wollte. Sie wollte mit jemandem darüber reden und sie sagte im Interview mit Karin Berger: "Es war aber niemand da, der mir zugehört hätte, und - Papier ist geduldig."[121] Aber auch in einem Gespräch mit Christa Stippinger erklärte sie: " Ich schreibe, weil ich niemanden habe, mit dem ich reden kann, wenn mich etwas bewegt. Die Kinder willst du nicht belasten. Der Mann hat auch keine Geduld, will das auch gar nicht hören. Ein Blatt und ein Bleistift sind aber geduldig." Scheiben war fürCeija einen ungewohnte Tätigkeit, da ihr als Rom der Schulbesuch während der NS- Zeit verboten worden war. Sie ging zwar nach dem Krieg in eine Schule und konnte zumindest die Grundbegriffe des Schreibens und Lesens lernen, doch das Scheiben bereitete ihr dennoch Probleme. Sie selbst erzählte uns, daß sie dem Verlag die Originalnotitzen nicht geben wollte, da so viele Fehler drinnen waren. Mit der Zeit schossen ihr dann jedoch die Erinnerungen nur so heraus , und die Blätter in der Küchenlade wurden immer mehr . Anerkennung oder Unterstützung hatte sie keine. Ihr Mann- wie bereits erwähnt- hatte kein Verständnis dafür, und auch von ihrem Bruder Karl kamen keine aufbauenden Worte: Denn als sie ihm ein Blatt zum Lesen gab, sagte er nur: "Geh, das Gekritzel, schmeiß' weg." Daher blieben ihre Memoiren vorerst weiter in der Küchenlade. Den Grund für diese Reaktion ihres Bruders glaubt Ceija in der Eifersucht zu finden, daß sie vor ihm zu schreiben begonnen hatte. Ceija sagt, daß sie nicht für die Öffentlichkeit , sondern für sich selbst geschrieben hat. "Und wenn ich einmal meine Augen zumache: für meine Kinder. Ich hab' nie gedacht, daß es an die Öffentlichkeit kommt." Daß es aber dann so ein "Bestseller" wurde, glaube ich, war der ausschlaggebende Grund für Karls Schreibbeginn. Sein Werk erschien vier Jahre nach Ceijas Buch - nämlich 1994. Ich bin auch der Meinung, daß er es nicht ertragen konnte, zu sehen, wie seine kleine Schwester plötzlich durch ihre Memoiren im Rampenlicht stand. Er, der ja die selbe Erfahrung wie seine Schwester machen mußte, war nicht zuerst auf die Idee gekommen, diese niederzuschreiben! Das bestätigte mir auch Ceija persönlich in unserem Interview: Sie, die "kleine Frau hat mit der Welt zu tun, gibt die Hand den Höchsten und redet mit ihnen." Dies konnte Karl, der sich immer in den Mittelpunkt drängen möchte, nicht verkraften.
Karl Stojka selbst jedoch, nennt in seinem Buch andere Beweggründe für seinen Schreibbeginn: Daß es heute immer noch Ausschreitungen gegenüber Zigeunern gibt, macht ihn sehr traurig, und er meint, daß sie auch in Österreich vor der Auslöschung stehen:
"Einst waren die Zigeuner die Sterne am Firmament Europas, isoliert zwar, aber verbunden durch das gemeinsame Licht, das sie ausstrahlten, haben sie die Nacht erhellt. Hitler hat die Sterne vom Himmel geholt, hat sie weggewischt in seinen Konzentrationslagern und hat den Himmel der Zigeuner verdunkelt. Die wenigen, die übergeblieben sind, sind nun zu weit voneinander entfernt, das Licht verbindet sie nun nicht mehr miteinander, und langsam verlöschen auch sie."[127]
Aber auch die moderne Zeit setzt der Zigeunerkultur ein Ende. Bald werden nur mehr "Karikaturen übrig sein, die geigenden Zigeuner in den Lokalen, die den Touristen vorspielen, wie es nie gewesen ist.Und die Touristen werden nie begreifen, was es einst hieß, ein stolzer Zigeuner zu sein." [128] Daher möchte Karl mit seinem Werk versuchen, diese Zeit des Umbruch zu beschreiben - all das, was er in den letzten 60 Jahren erlebt hat.
7. 2. Handlungs- und Erzählzusammenhang
Ceijas Buch "Wir leben im Verborgenen" ist eine KZ- Autobiographie. Hier steht die Zeit während der NS- Herrschaft- der Zeit der Verfolgung- im Mittelpunkt der Erzählung. Die Vorgeschichte, die die Ereignisse ab 1939- also die Zeit vor ihrer Inhaftierung- schildert, ist äußerst knapp gehalten und bietet nach der Beschreibung ihrer Familie[129] einen kurzen Einblick in die Situation bevor ihr Vater verhaftet wurde.
Der Hauptteil ihrer Erinnerungen stammt aus dem Alltagsleben in den verschiedenen KZs. Hier beschreibt sie die grausamen Bedingungen und ihre Erlebnisse in den Lagern Auschwitz- Birkenau, Ravensbrück und Bergen- Belsen in chronologischer Reihenfolge. Aber auch auf die Zeit nach der Befreiung durch die Alliierten kommt Ceija kurz zu sprechen. Dabei steht vor allem das Wiedersehen mit den, in den Lagern getrennten, Geschwistern im Vordergrund.
Umrahmt werden Ceijas Erinnerungen durch ein Vorwort der Herausgeberin Karin Berger zu Beginn und durch ein Interview mit Ceija am Ende des Buches. Im Vorwort schildert Karin Berger ihre Beweggründe für die Herausgabe dieses Buches; sie erzählt von Ceija, deren Schreibbeginn, von der Situation der Roma zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und deren Probleme heute. Den Schluß bildet dann ein Gespräch von Karin Berger mit Ceija Stojka. Hier berichtet die Roma- Angehörige über ihre Kindheit, ihre Eltern, über die Zeit im KZ und über die Zeit danach. Dabei kommt sie auch auf das Bild der Zigeuner zu sprechen und auf die "Wiedergutmachung" durch den Staat. Dieses "Eingebettet- sein" von Ceijas Erzählung in das Werk der Herausgeberin, verdeutlicht meiner Meinung nach Ceijas Aussage, daß sie das Buch nicht für die Öffentlichkeit schreib und damit nie alleine zu einem Verlag gegangen wäre.[130]
Karl Stojka hingegen präsentiert sein Werk ohne Herausgeber. Jedoch nicht ganz ohne Hilfe, da auch ein Co- Autor aufscheint, auf den jedoch nicht weiter eingegangen wird und dessen Rolle ungeklärt bleibt. Im Vorwort spricht Karl über seine Schreibmotivation und über die Zeit des Umbruches der Zigeunerkultur. Danach schildert er seine Erlebnisse aus der Zeit, in der er mit seiner Frau und seinen Kindern in Amerika unterwegs war. Dabei blickt er in Rückblenden auf seine Geburt, seine Kindheit, auf die Aufenthalte in den KZs, den Todesmarsch und auf das Leben nach der Befreiung zurück. Er erzählt von den Ereignissen der letzten 60 Jahren, wie er es im Vorwort bereits ankündigt.[131] "Die 17 Kapitel sind kurz gehalten, die einzelnen Erzählungen vordergründig situationsgebunden, und dennoch zieht sich ein dünner Faden durchs ganze Werk, gebildet durch ein splitterhaftes Aufzeigen von Elementen der Romakultur. Die groben Teile dieses "Puzzles" bilden das Leben des Karl Stojkas als Händler mit Stoffen und Teppichen
Daher kann man einen Bericht aus der Sicht eines zurückblickenden Erwachsenen vorfinden, der jedoch auch manchmal kindliche Erlebnisse und Eindrücke schildert.
Ceija hingegen erzählt ihre Geschichte nicht aus der Perspektive eines Erwachsenen, sondern aus der eines Kindes, das erlebt, beobachtet und beschreibt.[133] Es bedeutet für sie ein Wiedererleben und ein Sichzurückversetzen.
Durch diese beiden Erzählperspektiven unterscheiden sich die Werke der beiden Geschwister gänzlich.
7. 3. Eigenart der Sprache
Entsprechend der gewählten kindlichen Perspektive, hat Ceija auch die kindliche Sprache in ihrem Werk verwendet. "Die Sätze sind kurz und einfach strukturiert, die Wahl der Wörter unterstreicht die kindliche Tendenz"[135]. Wenn Ceija zum Beispiel von ihrer Mutter spricht, zu der sie ja eine ziemlich enge Beziehung hatte, so nennt sie sie neben "meine / unsere Mutter" auch einfach liebevoll "meine Mama"- wie ein Kind, das sehr an seiner Mutter hängt. Kennzeichnend sind auch "der wiederholte Stimmungswechsel und die Gabe, Kleinigkeiten schön bzw. "herrlich" zu finden.
Die Erzählung ist auch nicht völlig ident mit der Wirklichkeit. In ihrem Werk steht nicht die Vermittlung von Fakten im Vordergrund, sondern die Vermittlung von persönlichen Einstellungen. Man hat das Gefühl, daß es sich um eine Erzählung handelt, in der sie all ihre persönlichen Eindrücke und Erinnerungen - v.a. die, die sie als Kind wahrgenommen hat- eingebaut hat. Dennoch kann man an manchen Stellen einen Wechsel der Perspektiven feststellen. Wenn sie berichtet: "Die kleinen Kinder weinten, wir hatten ja kaum etwas an"[137], dann wechselt sie im Satz von der rückblickenden Erwachsenenperspektive, in die eines erlebenden Kindes. So versucht sie die Erinnerung aus der Sicht eines Erwachsenen einerseits, mit ihren alten Empfindungen, die sie damals als Kind hatte, andererseits, zu verknüpfen.
Ceija kam sich nicht nur klein vor, weil sie noch ein Kind war, sondern auch weil sie als Rom- Zigeunerin, genauso wie alle andere, machtlos gegenüber der NS war. Das sieht man sehr deutlich in der Schilderung über die Großrazzien der SS- Leute: "Sie drückten unsere kleine Tür ein, rissen uns aus den Betten und hielten uns ihre Leuchtbatterien in die Gesichter."[138] Die Beschreibung "unsere kleine Tür", drückt meiner Meinung nach ihre Macht- und Hilflosigkeit aus, ihren Eindruck, daß sie keinen Schutz mehr hatten gegen all die Attacken durch die SS-Leute. Obwohl sie in dieser Zeit sehr viel Leid miterleben mußte, fehlt in ihrem Werk- aber auch in ihren Aussagen bei Interviews- jegliche Aggressivität. Dennoch bietet sie eine schonungslose Berichterstattung über den Alltag in den Konzentrationslagern, die jedem Leser "unter die Haut" gehen muß. Auch in unserem Interview mit ihr sagte sie zu uns: "[] -ich bin nicht einmal auf Hitler böse, weil ich sage, er war ein Narr: er hat seine eigenen Menschen vernichtet. Er muß ein Irrer gewesen sein! Er hat Kinder an die Front geschickt!" Diese Einstellung kann man auch in ihrem Buch "Wir leben im Verborgenen" wiederfinden, wo sie immer wieder versucht, das brutale Verhalten der Aufseher und Aufseherinnen zu begründen und zu entschuldigen. So zum Beispiel auch bei ihrem Bericht über ihre Ankunft im Frauenlager Ravensbrück: "Die Aufseherin war schon ziemlich ungeduldig, es war ja ziemlich spät." Bei ihren kindlichen Beobachtungen versucht Ceija auch immer wieder vergeblich vom Außeren eines Menschen innere Werte abzuleiten. Für sie war es unverständlich, wie so schöne Frauen- wie sie die Wärterinnen beschreibt- überhaupt kein Herz haben konnten.
Sich selbst und die anderen Häftlinge, vergleicht sie oft mit Tieren. Bei ihrer Ankunft im Lager Auschwitz beschreibt sie die Insassen dort als "Menschen, die wie Tiere aussahen, dürr, geisterhaft []"[142]
Bezüglich ihrer Sprache ist auch auffallend, daß sie Gebete, Ausrufe usw. in ihrem Buch immer zuerst auf Romanes schreibt und erst danach die deutsche Übersetzung in Klammer hinzufügt. Dabei sind es meist die emotionalem Ausrufe und Aufforderungen der Mutter, die sie auf diese Art und Weise "getreu" wiedergibt und an die sie sich heute noch erinnert.
In ihrem Buch ist auch ein Lied abgedruckt, das im Lager Auschwitz entstanden ist. Dieses Lied, das allerdings auf deutsch geschrieben ist, drückt die Gefühle, Angste und Stimmungen der Insassen aus- all das, was sie sonst nie zeigen durften, denn es mußte immer nach außen hin den Anschein haben, daß es allen gut geht.
Obwohl sich Ceija noch genau an Aussprüche, Lieder usw. aus dieser Zeit erinnert, erinnert sie sich nicht an genaue Datumsangaben , bzw. will sie sich nicht daran erinnern. In ihrer Biographie fehlen jegliche Zeitangaben, da sie für sie nicht wichtig waren. Im Interview mit Christa Stippiner erklärt sie: "Die vier Jahreszeiten sind unser Kalender gewesen"[143]
Karl hingegen spart nicht mit genauen Zahlen-, Datum- und Ortsangaben. Er erinnert sich noch genau an Zahlen, die bei Ceija nicht erwähnt werden, und an Gassennamen, z. B. an die Paletzgasse, wo sich seine Mutter vor der Verhaftung bei Ceijas Taufpatin versteckt hat. [144]Ich habe das Gefühl, daß er ein Präzessionsmensch ist, der immer alles perfekt und genau machen möchte. Bei ihm fehlt auch diese kindliche Tendenz, die wir bei seiner Schwester finden und er verzichtet auf Formulierungen wie "meine Mama" usw.
Aber auch bei der Formulierung der Erzählung drückt sich Karl etwas gewählter als Ceija aus - so als wollte er sie mit seinem Werk überbieten. Er verwendet zwar ebenfalls eher kurze und einfach gebaute Sätze, die jedoch sachlicher und stilistisch besser geschrieben sind. So etwa schreibt er zum Beispiel über den Transport nach Auschwitz: "Ich kann also sagen, ich bin 2. Klasse auf dem Weg in die Hölle auf Erden gebracht worden."[145] Ceija verzichtet auf solche überschwenglichen Formulierungen. Sie schreibt nur darüber, daß sie in einen Waggon hineingepreßt wurden. Aber auch Karl kann sich an die Aussprüche und Gebete der Mutter, und die seines Bruders auf Romanes erinnern, und man findet diese auch in seinem Buch wieder- natürlich mit Übersetzung danach. Dadurch behält das Buch auch noch die Ahnlichkeit zu einer mündlichen Erzählung, wie es auch bei seiner Schwester der Fall ist.
Für mich war sein Buch jedoch viel schockierender als das von Ceija, da er detailgenau von den Grausamkeiten der NS- Leute berichtet. So schildert er zum Beispiel die Exekution eines Häftlings auf dem Todesmarsch folgendermaßen: "Der SS-Soldat trat hinter ihn, legte ihm die Mündung des Gewehres an den Kopf und schoß. Aus dem Loch schoß eine Blutfontäne, zuerst 25 Zentimeter hoch, ich konnte den Blick nicht abwenden, dann wurde sie immer weniger, 15 Zentimeter, zehn Zentimeter, fünf Zentimeter und dann nur noch leises Getropfe []".[147]Darauf verzichtet Ceija, aber man hat dennoch einen genauen Eindruck, wie schrecklich das Leben im KZ gewesen sein muß.
Man findet auch in Karls Werk ein Lied, das die russischen Gefangenen in Buchenwald immer gesungen haben und das ihm heute noch in Erinnerung geblieben ist,[148] aber auch ein Kochrezept seiner Mutter, das zum Nachkochen einlädt.
Fraglich ist natürlich, was in diesem Buch aus der Feder des Co- Autors Reinhard Pohanka stammt. Denn es scheint in keinem Teil des Buches auf, in welcher Weise er Karl Stojka geholfen hat. Er wird eigentlich nur auf dem Umschlag kurz erwähnt, wo man seinen Werdegang lesen kann. Ich persönlich vermute, daß Reinhard Pohanka Karls Erinnerungen für ihn zu Blatt brachte, da jener selbst bereits zahlreiche Bücher publiziert hatte, wie man es dem Umschlag entnehmen kann.
7. 4. Darstellung der eigenen Person
Über ihre eigne Person erfahren wir in Ceijas Buch eigentlich recht wenig. Sie erzählt hauptsächlich von den Menschen, die ihr am Wichtigsten waren- nämlich von ihrer Mutter und ihren Geschwister. Dabei hat man den Eindruck, daß sie ihren kleinen Bruder Ossi am meisten gemocht hat. Auch in ihrem Werk schreibt sie, daß sie - obwohl es verboten war- in die Krankenstation zu Ossi schlich. Als sie aber dann ein Wärter entdeckte, schlug er ihr auf den Kopf, doch das machte ihr nichts aus, denn ihr Schmerz, daß ihr geliebter Bruder gestorben war, war ja größer.[150]
Über sich selbst sagt sie nur: "Die Angst machte mich zum Meister."[151]- nämlich als sie, um die Selektion zu bestehen, mit einer viel zu großen Schaufel Schutt einschaufeln mußte. Diese Angst, so sagt sie, hat sie heute nicht mehr: "Meine Angst ist in Auschwitz geblieben, und in den Lagern." In all der schrecklichen Zeit, gab es immer wieder kurze Momente für sie, die sie wieder aufbauten. So zum Beispiel war es für sie ein herrliches und unvergeßliches Gefühl, als ihre Schwester in der Baracke einmal zu singen begann , oder als sie einmal kurz die Möglichkeit hatten, Tempelhüpfen zu spielen, vergaß sie für eine Weile ihr Elend.
Daß sie ein herzensguter Mensch ist, konnte sie auch unter Beweis stellen, als sie nach der Befreiung in Bergen- Belsen einem SS- Mann mit seiner Pistole über den Kopf hätte schlagen sollen. Sie aber schreibt: "Er zeigte es mir, aber ich konnte es nicht tun."[155] Das zeigt auch, daß sie keine Aggressivität oder Haß verspürte, obwohl sie zuvor derart leiden hatte müssen.
Ich glaube, ihr Bruder Karl hätte in dieser Situation anders reagiert, da er heute noch mehr Haß empfindet als Ceija. Er schreibt zwar, daß er den Deutschen nicht böse ist[156], aber in seinen Aussagen spiegelt sich tiefer Haß wider, wie ich es selbst in einer Vorlesung erlebt habe.
Karl bezeichnet sich selbst als ein Produkt der Zwischenzeit, da er sowohl noch die alte Romakultur durch seine Eltern erleben durfte, aber dann nach dem Krieg dieses alte Leben gegen den Wohlstand eintauschte. Gänzlich konnte er sich jedoch an dieses neue Leben nicht gewöhnen, denn er erzählt: "Manchmal hat mich zwar noch der alte Geist gepackt, ich habe alles aufgegeben und bin mit Frau und Kindern ins Ungewisse aufgebrochen, habe alles zurückgelassen und dort neu angefangen, weil ich es nicht ausgehalten habe, so lange auf einem Platz zu sein."[157]
Karl besitzt auch keinen Mangel an Selbstbewußtsein, da er sich das ganze Buch hindurch immer nur selbst rühmt und über sein Aussehen spricht. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Stelle, in der er von einer Bekanntschaft mit einer Deutschen in Florida berichtet, die mit ihrem Mann dort lebte. "Irgendwie hatte ich gemerkt, daß ich der alten Lady gefiel, was auch kein Wunder war, denn ich war wirklich ein schöner Mann damals. Ich hatte schwarze Haare und Locken, ich war braungebrannt von der Sonne Floridas, und dazu war ich noch von Natur aus braun, ein richtig fescher Zigeuner."[158] Aber auch sonst streicht er immer seine wichtige Position heraus und er hält sich für irrsinnig wichtig, wie uns auch seine Schwester bestätigte. Er schreibt nämlich zum Beispiel über Auschwitz: "Trotzdem wären wir alle umgekommen, wenn ich nicht durch Zufall in die Kantine versetzt worden wäre." Ceija hingegen erwähnt nur, daß ihr Bruder in der Kantine arbeitete . Für sie war es die Mutter, die die wichtigste Überlebenshilfe darstellte. Karl ist aber fest davon überzeugt, daß er damals der "Held" war, denn er sagt: "Damals habe ich als Kind meine Familie durchgebracht, und meine Mutter hat später oft gesagt, wenn ich nicht gewesen wäre, hätte keiner überlebt."
Wir haben Ceija bei unserem Interview darauf angesprochen, und ihre Reaktion war folgende: "Das ist alles nicht richtig"[162]. Sie erzählte uns außerdem, daß es einen gewissen Machtkampf zwischen Aussagen und Aussagen zwischen den beiden gibt und daß Karl lange gesagt hatte: "Meine kleine Schwester, die kann das gar nicht wissen- die war viel zu klein!"
So berichtet Karl zum Beispiel in seinem Buch, daß sein Vater nach Mauthausen gebracht wurde, während Ceija beweisen kann, daß er in Dachau gestorben ist. Dennoch aber beharrt Karl aber noch auf seiner Aussage.
Ceija schreibt in ihrem Buch nur sehr wenig über Karl. Sie berichtet hauptsächlich über ihren kleinen Bruder Ossi , den sie "unser kleiner Liebling Ossi"[164] nennt, und über ihre Schwester Kathi. Aber auch bei Karl erfahren wir recht wenig über Ceija oder über seine Beziehung zu ihr und er erwähnt nur ihren Namen. Ossi dürfte auch für ihn sehr wichtig gewesen sein, denn abgesehen von seinem Bruder Hansi, mit dem er die Zeit im KZ verbrachte, kommt er auch auf ihn zu sprechen.
Der Grund, warum beide recht wenig über den anderen berichten, kann darin liegen, daß Karli und Hansi bereits nach Auschwitz vom Rest der Familie getrennt wurden. Ceija berichtet dann nur, daß sich ein ältere Mann um Karli und Hansi angenommen hat. Ceija gestand uns aber auch im Interview, daß sie schon immer ihre Probleme mit Karl hatte, weil er sich immer so wichtig vorkommt und immer im Mittelpunkt stehen möchte. Möglicherweise ist das der Grund, warum beide so wenig über einander berichten.
7. 5. Darstellung der Mutter
Ihre Mutter war für Ceija Vorbild, "Überlebensretterin", Hoffnungsschimmer und Schutz in dieser schrecklichen Zeit. Jede Minute ohne sie war schrecklich. Als die zum Beispiel in den Krankenblock mußte, schreibt Ceija:" Gott sei Lob und Dank kam unsere Mama wieder aus dem Krankenblock, nun waren wir nicht mehr so allein."[166] Ihre Mutter war es auch, die immer das Essen für alle Kinder aufhob und gerecht verteilte- sie war daher in ihren Augen eine Überlebenshilfe: "Unsere Mutter organisierte immer von irgendwoher ein Stück Brot oder ein paar Kartoffel. Wir Kinder krochen immer in unsere Mutter. Ohne sie hätte ich kaum überlebt" , sagt Ceija heute über sie. Sie lehrte den Kindern, was sie den SS- Leuten bei Fragen zu antworten hatten, um sie vor Schlägen zu beschützen, und Ceija wußte, daß sie keinen Fehler machen durfte, da sonst ihre Mama darunter leiden hätte müssen. . Ihre Mutter sorgte auch stets für trockene Kleidung und gab Anweisungen für ihr Überleben. Sie sorgte nicht nur für ihre Familie, sondern sie nahm sich auch anderer Frauen an, die Hilfe benötigten, und sie teilte auch das Essen mit anderen Freundinnen und deren Kindern. Ceija bezeichnet ihre Mutter als "tapfere Frau" und als sehr "erfinderisch" . Sie erkläre uns im Interview: "Und für mich war meine Mama das äh wenn sie mich mit ihre Augen angesehen hat, habe ich den Hunger und den Durst vergessen, weil es war jemand da, der ein Stück- ja mir gehört, wo ich Fleisch und Blut bin, ja."
Karl hingegen beschreibt seine Mutter immer nur in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter. Bei ihm fehlt, meiner Meinung nach, diese enge Bindung, die Ceija mit ihr hatte. Karl berichtet zum Beispiel nur, welche Probleme seine Mutter nach dem Seßhaftwerden hatte- nämlich daß sie nichts mit Herd und Ofen anfangen konnte und lieber vor dem Haus auf dem offenen Feuer gekocht hätte.[173] Weiters betont er, daß sie bei ihrem Wiedersehen nach dem KZ kräftig auftischte, da er schreibt: "Und sie begann zu kochen, soweit es die wenigen Lebensmittel des Jahres 1946 in Wien zuließen."
Karl erklärt auch: "Bei den Roma besorgte die Frau das täglich notwendige Geld"[175], und ich glaube, daß er bis heute noch an dieses Rollenverteilungs- Schema glaubt. Daher ist es für ihn wichtig, daß seine Mutter kräftig aufgetischt hat usw. Er sagt von ihr auch: "Meine Mutter war, wie man auf Romanes sagt: Harniko, fleißig." Aber auch ihre Religiosität ist für ihn erwähnenswert. Von der kurzen Zeit im KZ mit ihr berichtet er aber auch, daß er sich mit seinen Geschwistern nicht von der Pritsche herunter traute, wenn sie gerade arbeiten mußte und so nicht bei ihnen sein konnte. Und als Ossi krank wurde, war sie es, die ihn in die Krankenbaracke brachte. Außerdem rettete sie sein und Ceijas Leben, als sie den Wärtern bei einer Selektion erklärte, daß die beiden Zwerge wären.
Für beide Geschwister war die Mutter sehr wichtig, doch ich glaube Ceija hatte einfach ein engeres Verhältnis zu ihrer "Mama" als Karl. Ceija selbst erklärte uns, daß das möglicherweise an der Trennung in den KZs lag- als sie nicht mehr zusammen sein durften, da Männer und Frauen getrennt wurden. Damals stand Karl dann ohne seine Mutter da, während Ceija diese immer noch schutzbietend an ihrer Seite hatte.
7. 7. Darstellung des Vaters
Über ihren Vater erzählt Ceija nicht viel. Vielleicht deshalb, weil er bereits 1942 in Wien von der SS verhaftet und weggebracht wurde, da er ein Zigeuner war. An ihre Kindheit, die Reisen und das Herumziehen mit ihm kann sie sich aber noch gut erinnern. Besonders aber an den Tag, der für alle Kinder äußerst aufregend ist: "Ich erinnere mich noch an meinen ersten Schultag, mein Vater Wackar brachte mich dahin. Ich war mächtig stolz."[178] Das ist die Sicht eines kleinen Mädchens, das- wie jedes andere- stolz auf seinen Vater ist. Sie bewunderte ihn auch, da er sehr geschickt war: Er machte nämlich aus alten Schuhen neue für seine Familie. "Mein Vater hat immer Sensationen hervorgebracht." , berichtet sie, als er ihr aus einem alten Sonnenschirm mit seinen eigenen Fingern einen "Sonnenrock" nähte. Mit diesem Rock wurde Ceija später verhaftet, jedoch er wurde ihr in Auschwitz abgenommen. Ihr Vater war zu diesem Zeitpunkt schon längst tot: Er starb im Alter von 33 Jahren in Dachau. Ihr Bruder Karl behauptet jedoch, er wäre in Mauthausen gestorben- so auch in seinem Buch. Im Interview mit Ceija hörten wir über den Aussagenkonflikt der beiden Geschwister: Obwohl Ceija eine Bestätigung fand, daß ihr Vater in Dachau ermordet wurde, behauptet Karl immer noch, er wäre in Mauthausen gestorben. Ceija dazu: "Ich als Schwester, bei Zigeuner also, da muß ich immer einen Schritt zurück sein, gell. Aber umgekehrt wollte ich mir auch meine Rechte nicht nehmen von ihm und meine Behauptung gelten lassen- was wahr ist, was stimmt, nicht." Über eine negative Erinnerung mit ihrem Vater erzählte sie uns im Interview: Als sie alle registriert wurden, stand Ceija mit ihrer Familie wartend am Gang. Da gab der Vater den Buben ein Stück Knackwurst, und Ceija ging leer aus, da nicht genug für alle da war. Sie sagte zu uns: " Wir waren alle sehr schnell wieder draußen. Aber ich habe die Wurst im ganzen KZ- Sein, mein Vater war schon tot, nie vergessen. ich hab' immer gesagt: 'Wenn mein Vater gelebt hätte, hätte ich ihn fragen können, warum er mir von dieser Wurst nicht auch ein Stückchen geben hätte können'".
Während Ceija hauptsächlich über die väterlichen Eigenschaften spricht, erfährt man in Karls Buch eher mehr über die Rechte und Sitten des Mannes bei den Zigeunern. Er schreibt, daß die Mutter die Familie ernähren mußte und daß der Vater erst dann Geld hergab, wenn zum Beispiel ein Pferd krank oder ein Rad gebrochen war- also erst, "wenn sie Familie in Not war"[183]. Ich glaube, das ist für ihn selbstverständlich, da er sagt, daß es damals so üblich war: "Der Mann hat immer die Hosen angehabt und hatte das Sagen in der Familie. Ein Mann konnte durch seine Frau auch unrein werden. Wenn er zum Beispiel gesessen ist, und eine Frau ist über seine Füße gestiegen, so war er unrein und wurde für ein paar Tage von den anderen gemieden." Auch diese Roma-Sitte läßt er in seinem Werk völlig ohne Kommentar im Raum stehen. Ich glaube, daß diese alte Einstellung noch immer tief in ihm drinnen steckt und daß er sie nicht ablehnt.
Aber auch sein eigenes Handeln versucht er durch das seines Vaters zu rechtfertigen. Seine Mutter hatte ihm nämlich erzählt, daß sein Vater von Zeit zu Zeit all seine Rösser verkauft, sein bestes Gewand angezogen hatte und mit weißen Glacéhandschuhen im Wiener Nachtleben untergetaucht war. Die Mutter hatte dann immer besonders fleißig gearbeitet, da sie gewußt hatte: spätestens nach einer Woche kommt er pleite nach Hause. Sie hatte damals nie etwas gesagt, sondern ihm ihr bestes Essen vorgesetzt und ihm Geld für neue Pferde gegeben. Der Vater hatte sich dann immer geschämt, jedoch viel genützt hatte es nicht[185]. Da das "Ausreißen" daher quasi in der Familie liegt, rechtfertigt Karl damit auch seine eigenen Ausbrüche aus dem zivilisierten Leben: Auch er hatte nämlich einmal seine Frau einfach verlassen und war- ohne ihr eine Nachricht zu hinterlassen- nach Lissabon gefahren, da ihn das Reisefieber gepackt hatte .
Über die Verhaftung seines Vaters weiß Karl noch, daß er einen Pepita- Anzug trug, als er ins Polizeigefängnis Rosauerlände gebracht wurde. Im sogenannten Zweier Landesgericht am Hernalser Gürtel versuchte er ihn noch einmal durch die Eisenstäbe zu küssen, jedoch diese waren zu dick.[187] Das war auch das letzte Mal, daß er seinen Vater sah, bevor dieser starb.
7. 7. Darstellung der NS- Männer und Frauen
Ceija geht vor allem immer auf das Aussehen der Wärter und Wärterinnen ein. Wie bereits erwähnt, versucht sie immer vom Außeren auf innere Werte zu schließen. So auch bei den Wärterinnen. So beschreibt sie zum Beispiel eine Aufseherin: "Sie war eine große, vollschlanke blonde, sehr elegante Frau, sehr streng und eiskalt. Ihre Haare waren kunstvoll zu einem Knoten hochgesteckt, sie hatte wunderschöne Lackstiefel an, ihre Mütze saß perfekt, es fehlte nichts an ihr."[188] Da diese Frau so perfekt zu sein schien, konnte sich Ceija nicht vorstellen, wie eine so schöne Frau kein Herz haben konnte. Aber auch die SS- Männer beschreibt sie immer als "sehr groß und schlank" und sie spricht auch immer von ihren "hochpolierten Stiefeln" Als Kind war sie ja noch ziemlich klein und blickte daher bei den SS- Leuten immer zuerst auf diese Stiefel, die ihr heute noch in Erinnerung geblieben sind. Über die SS- Männer schreibt sie: "Die SS- Männer waren so arg, daß kein Tier so böse sein konnte, denn selbst das wildeste Tier wird einmal müde und gibt auf. Aber die SS konnte niemand müde machen." Die Frauen waren jedoch noch schlimmer als die Männer in Auschwitz, und Ceijas Mutter sagte einmal zu ihr: "Wir müssen aufpassen daß wir nicht auffallen, denn diese Aufseherinnen sind zu allem fähig." Ceija sagt auch, daß sie von den Wärterinnen den Eindruck hatte, daß es für sie das schlimmste war, die gleiche Luft mit den Gefangenen einzuatmen. Sie versucht aber auch immer die brutalen Aktionen der Wärter zu rechtfertigen, indem sie sagt, daß sie viel lieber bei ihrer Familie wären und daher ihren Zorn an den Häftlingen auslassen. Auf allzu genaue und vor allem schreckliche Schilderungen über brutale Folterungen oder Hinrichtungen verzichtet Ceija bewußt, da sie meint, daß sich jeder vorstellen kann, wie schrecklich diese Zeit war.
Karl hingegen schildert vor allem die Grausamkeiten, die Prügel und Ungerechtigkeiten der NS und deren Verhalten, da zum Beispiel jede auch noch so unbedeutende Bemerkung die Ursache für Prügel oder den Tod sein konnte. Er schreibt auch, daß die SS- Leute mit der Zeit immer grausamer wurden und die Zigeuner wie Vieh behandelten. Aber auch vor allem Menschen mit Tätowierungen verschwanden immer wieder.[194]
Er berichtet auch von einem Österreicher namens Kurt, dem brutalsten Aufseher, der es besonders auf Kinder abgesehen hatte. Er schlug und prügelte sie immer, wenn er sie nur sah. Karl mußte ihm auch einmal in der Nacht in seinen Raum folgen. Dort mußte er seine Kleider ausziehen und sich drehen, während der Wärter wohl erregt war. [195]
Aber auch er hat die selbe Meinung über die Wärterinnen wie Ceija: "Nach der Selektion in Auschwitz, durch die wir wie durch ein Wunder alle hindurchgekommen waren, wurden die Mutter und die Schwestern ins Frauen-KZ nach Ravensbrück gebracht. [] Sie haben fürchterlich dort gelitten unter den Aufseherinnen, die vielleicht schlimmer waren als all die SS-Männer, die uns bewachten."[196]
Karl bezeichnet die Nazis auch als "schlau", da die zuerst die Männer verhafteten und Frauen und Kinder zunächst in Ruhe ließen, da diese ihnen nicht so leicht davonlaufen hätten können. Über das Aussehen der Aufseher und SS-Leute berichtet er nichts. Ich glaube, für ihn scheint immer nur deren Verhalten erzählenswert, während sich Ceija auch mit deren Aussehen auseinandersetzt.
7. 8. Beschreibung der Situation im KZ
Für Ceija war vor allem der Zusammenhalt zwischen den Häftlingen sehr wichtig. Sie schreibt, daß es immer einen engen Zusammenhalt im KZ gab, um das Leid zu mindern- vor allem unter den Müttern, die stark zusammen hielten[197]. So retteten alle Frauen unter anderem einem kleinen Buben das Leben, indem sie ihm Frauenkleidung anzogen, da er sonst als Bub in die Gaskammer gekommen wäre. Aber auch manche anderen Lagerinsassen waren nicht nur auf das eigene Überleben bedacht: So gab es zum Beispiel manchmal eine Weißrussin, die ihnen eine Kartoffel schenkte, oder die die Kartoffel so dick schälte, daß sich die Gefangenen mit der Schale stärken konnten. Daran kann sie sich heute noch beim Kartoffelschalen erinnern. Ceija fand auch einige Freundinnen: Tante Ria, die Blockälteste, der sie immer half, eine alte Polin, Resi, die an den Folgen ihrer Zwangssterilisation starb, und einige andere. Aber sie berichtet auch, daß sich ein älterer Mann- der auch Stojka hieß- nach der Trennung der Buben von der Mutter, um Karli und Hansi angenommen und als deren Großvater ausgegeben hatte.
Karl erwähnt das jedoch mit keinem Wort.
Ceija erzählt außerdem von der Weihnachtsfeier am 24.12.1944, die von der Lagerleitung für die Kinder veranstaltet wurde, wo alle "Stille Nacht" singen mußten, und von der grausamen Sterilisation, der sie jedoch durch Glück entkommen konnten.
Karl erklärt sowohl in seinem Buch, als auch bei seinen Vorträgen, daß es überhaupt keinen Zusammenhalt im KZ gab, daß jeder nur auf sein eigenes Überleben bedacht war und daß höchstens die Familien zusammenhielten. Er und sein Bruder Hansi hätten nur überlebt, da sie raffinierter als viele andere Kinder waren: "Wenn auf einer Pritsche ein alter ausgemergelter Mann saß und sein Brot in der Hand hielt, so sausten wir vorbei, einer gab ihm einen Stoß, der andere klaute ihm das Brot aus der Hand, und wir überlebten wieder einen Tag." Daß heißt, daß es keinen Zusammenhalt gab, sondern eher einen Kampf ums Überleben. Um auch an Essen und sonstiges zu gelangen, gab es sogar im Lager Tauschhandel und sogar so etwas wie Prostitution: "Frauen, die nichts zu tauschen hatten als ihren Körper, stellten sich manchmal an den elektrischen Zaun am Russenlager und hoben die Röcke und ließen sich von allen Seiten bewundern, dafür haben die Russen Zigaretten und Brot über den Zaun geworfen." Karl berichtet aber auch von Kannibalismus unter den Häftlingen: "[] einmal hat ein Häftling versucht, an unserem Feuer ein Stück Fleisch zu rösten, von dem man sehen konnte, daß es Menschenfleisch war." Keiner sagte etwas darüber, und er selbst rechtfertigt es damit, daß jeder das Recht zu überleben hat.
Von vielen Freundschaften erwähnt er nichts. Nur sein Bruder und ein Freund namens Fredl halfen ihm auf dem fürchterlichen Todesmarsch, als er unter Durchfall litt und sie ihn beim Gehen stützten.
Wie man sieht, gibt es auch hier konträre Aussagen und unterschiedliche Ansichten über die Zeit, die die beiden Geschwister im KZ verbrachten. Klar ist, daß jeder diese schreckliche Zeit auf unterschiedliche Weise erlebte und in Erinnerung behielt. Es sind schließlich zwei verschiedene Menschen, die nur das selbe Schicksal teilen mußten. Ausschlaggebend für all diese Unterschiede im Stil, der Beschreibung von Situationen und Menschen ist sicher auch, daß Ceija eine Frau ist, während Karl sich als eitler und stolzer Rom zeigt.
Ceija sagte im Interview zu uns: "Hätte er früher [geschrieben], hätte ich keine Chance überhaupt, eine Aussage zu machen. Bei mir hat er alle Chancen: Ich bin eine Frau!"[204] Ich persönlich muß auch sagen, daß sich auch die Persönlichkeit der beiden in ihren Werken widerspiegelt: Ceija, die kleine sympathische Schwester und der große, stolze, selbstsichere Bruder. Beide haben jedoch ein individuelles Werk geschaffen .
8. Exkurs: Vergleich mit " und dann zogen wir weiter" von Miso Nikolic
Miroslav (Miso) Nikolic stammt, gleich wie Ceija Stojka, aus einer Romagruppe der Lovara. Er ist 1940 in Serbien, auf der Landstraße zwischen Pozarevac und Petrovac na Mlavi geboren. Bereits anhand dieser genauer Angabe von Ort und Zeit seiner Geburt ist ein Unterschied zur Lebensdarstellung von Ceija Stojka zu erkennen. Miso besucht in Serbien die Schule. Während des Krieges muß sich seine Familie vor den Nazis verstecken. Seine früheste Kindheitserinnerung ist ein Vorfall zur Zeit eines Fliegeralarmes:
"Am Straßenrand haben ein paar Leute zwei kleine Kinder in weiße Laken eingewickelt. Wie sie die Kinder weggetragen haben, habe ich gesehen, wie das Blut aus den Leintüchern geronnen ist und eine blutige Spur auf der Straße hinterlassen hat. Das werde ich nie vergessen. Das ist meine früheste Kindheitserinnerung."[205]
Man kann sagen, daß Miso ein "Kriegskind" ist, während Ceija Stojka auch das Leben vor dem Krieg in seiner Sorglosigkeit kennt. Im Gegensatz zu Ceija war Miso nicht im KZ. Es ist bemerkenswert, daß Ceija in ihrer Autobiographie nie das Wort "Krieg" benutzt, sondern nur von den Ereignissen spricht, die der Krieg mit sich brachte, während hingegen Miso den Krieg als Zeitangabe verwendet und auch versucht, die Gründe, warum es zum Krieg kommt, zu erklären:
"Am 6. April 1941 marschierte die deutsche Armee in Jugoslawien ein. Da mein Vater ein gebildeter Mann war, hatte er geahnt, daß ein Krieg ausbrechen wird. Seit der Ermordung von König Aleksandar Karadjordjevic in Marseille war in Jugoslawien eine sehr große Spannung und schwere Krise. Weil mein Vater immer die Nachrichten gehört und die Zeitung gelesen hat, wußte er genau, was in Europa alles geschah. Natürlich begann jetzt auch in Jugoslawien eine große Verfolgung von Juden und Zigeunern."[206]
In dem Zitat wird klar, daß Miso die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge erkennt, und daß sein Vater informiert ist.
Miso verdient seinen Lebensunterhalt als Maler und Anstreicher, Teppichhändler, Musiker etc. Er reist viel und letztendlich entscheidet er sich für ein Leben mit seiner Frau Ruza Lakatos in Österreich. 1995 beginnt er die Geschichte seiner Familie und seines eigenen Lebens zu schreiben. 1997 wird sein Buch "und dann zogen wir weiter" herausgegeben. Darin erzählt er uns die Lebensgeschichte seiner Familie von 1896 bis in die sechziger Jahre unseres Jahrhunderts. Das Werk ist in zwölf Kapitel unterteilt. Im Vergleich zu Ceija Stojkas Werk "Wir leben im Verborgenen", schreibt Miso Nikolic über Geschehnisse die vor seiner Geburt passiert sind. Er erzählt uns die Geschichte seiner Eltern, wo sie geboren sind, wie sie sich kennengelernt haben Er ordnet die Geschehnisse exakt zeitlich und räumlich ein. Da er das Erzählte nicht selbst erlebt haben kann, hat er es vermutlich von einem Angehörigen der Familie gehört. Man kann auch annehmen, daß ein großer Teil des Werkes fiktive Geschehnisse präsentiert, wodurch das Werk einen anderen Stellenwert bekommt, als Ceijas autobiographische Schriften. Ihr ist es wichtig, die Geschehnisse wahrheitsgetreu wiederzugeben und dadurch wirkt sie, meiner Meinung nach, authentischer als die von Nikolic. Miso versucht seine Geschichte auf eine literarische Ebene zu bringen, was bei Ceija Stojka nicht der Fall ist. Er versucht, aus seiner Geschichte und seinen Darstellern etwas Besonderes zu machen.
Im Vergleich zu Ceijas Bescheidenheit, versucht Miso die hervorragenden Eigenschaften seiner Familienangehörigen und von sich selbst hervorzuheben. Er erwähnt z.B. des öfteren das gute Aussehen seines Vaters: "Ljubomir ging dann zur Schule und wuchs zu einem gesunden jungen Mann heran, der auch gut aussah."[207]
Außerdem betont er die gute Bildung seines Vaters:
"Da mein Vater von einer feinen Familie abstammte, hatte er als Kind eine Schule besucht und konnte dadurch lesen und schreiben. Außerdem sprach er mehrere Fremdsprachen, und zwar Serbokroatisch, Russisch, Bulgarisch, Tschechisch, Polnisch, Rumänisch, Italienisch,, etwas Französisch, Deutsch, Englisch und natürlich seine Muttersprache Romanes."[208]
Miso stellt seine Familie als sehr vornehme Leute dar: "Auf einmal kamen alle Menschen aus den Zelten heraus, um die vornehmen Leute zu sehen, []"[209]
Auch bei der Beschreibung der eigenen Person, spart Miso nicht an Lob, wie z.B. beim Fußballspielen: "Ich spielte in seiner Gruppe, gewonnen haben natürlich wir, mit einem sehr hohen Resultat, und die ganzen Mitspieler bewunderten mich, wie gut ich spielen konnte."[210]
In der Schule ist Miso auch einer von den besten Schülern: "Ich und Jovo waren ganz im Gegensatz zu meinem Bruder Dragi in der Schule so gut, daß wir ein Vorbild für die anderen Schüler waren."[211]
Im Zuge der Aufgabenstellung meiner Arbeit habe ich mich besonders mit dem zwölften Kapitel auseinandergesetzt, das den Titel "Ein Teller voll Dukaten" trägt. Darin erzählt Miso eine Episode aus dem Leben seiner Eltern, wo die besondere Stellung der Frau in der Roma-Gesellschaft zum Ausdruck kommt. In diesem Kapitel wird die Spielsucht des Vaters Ljubomir beschrieben, die eines Tages so weit führt, daß er sein Hab und Gut verspielt. Als er nach Hause kommt, um seine Güter unter den Schuldnern zu verteilen, ist er so verzweifelt, daß er sogar seine Frau von einer Brücke stoßen will. Mileva sieht, daß ihr Mann nicht zurechnungsfähig ist, weil er betrunken ist. Mit weiblicher List gelingt es ihr, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, indem sie sagt, daß sie ein kleines Vermögen versteckt hat:
"Betrunken und verzweifelt sagte Ljubomir zu Mileva:
- Du bist das einzige, was ich jetzt noch habe, und da ich alles verloren habe, stoße ich dich jetzt von der Brücke hinunter.
Obwohl sie Analphabetin war und dazu noch ungebildet, reagierte sie blitzschnell und meinte:
- Du dummer Kerl, wenn du mich jetzt von der Brücke hinunterstößt, erfährst du nie, wo ich das ganze ersparte Geld versteckt habe. Und mit diesem Geld kannst du dir alles wieder kaufen, was du verloren hast."[212]
Auf der Suche nach dem Geld muß Ljubomir viele Steine heben. Durch die körperliche Anstrengung wird er wieder nüchtern. Da erkennt er, daß er falsch gehandelt hat und ist froh, mit so einer klugen Frau verheiratet zu sein.
"Er hob die Steine auf, einen nach dem anderen, aber es war nichts zu finden. Mit der Zeit wurde Ljubomir langsam nüchtern. Als er dann mit nüchternen Augen sah, wie Mileva verzweifelt herumsuchte, mit verweinten Wangen, bat er sie, zu ihm zu kommen. Mileva sah ihn an und ging dann mit Tränen in den Augen zu ihm. Er umarmte sie und sagte ihr, sie sei eine sehr kluge Frau. Und so gingen beide zurück zu den Kindern."[213]
Die Episode erinnert an ein moralisierendes Märchen, in dem die Überlegenheit der Frau dem Mann gegenüber thematisiert wird.
Nach diesen Vorfall, muß Mileva die Familie mit dem Essen versorgen. Sie geht in die Stadt, um wahrzusagen. Als sie verzweifelt auf der Straße sitzt, weil sie zu wenig verdient hat, kommt ein Reiter an ihr vorbei der sie aus der Not rettet. Er scheint wie eine Figur aus einer Heldensage zu sein. Diese Situation wird auch sehr "märchenhaft" beschrieben und nimmt ein glückliches Ende, wo Ljubomir und Mileva weiter unbeschwert leben können:
"Während sie auf dem Trottoir saß, voller Gedanken und Trauer, kam plötzlich ein Reiter auf einem Schimmel vorbei. In ihrer Verzweiflung rief sie nach dem Reiter:
" - Edelmann Lasar, mit dreißig Dinar in der Tasche, komm runter, damit ich dir aus der Hand die Zukunft lesen kann!
Er ritt ein Stückchen weiter, dann blieb er stehen. Er stieg vom Pferd und ging auf Mileva zu, um ihre Zigeunermutter zu beschimpfen. Doch dann sagte der Mann:
- Vielleicht kennst du mich und weißt, daß ich Lasar heiße, aber woher wußtest du, daß ich genau dreißig Dinar in der Tasche habe?
- Aus dem Grund, weil ich eine Hellseherin bin, meinte Mileva."[214]
In seinem Buch hebt Miso oft die guten Eigenschaften seines Vaters hervor. Er war für ihn vermutlich ein großes Vorbild. In dieser Geschichte weist Miso auf die Weisheit seiner Mutter hin, obwohl sie im Gegensatz zu seinem Vater, nicht gebildet ist. Man kann vielleicht eine Parallele zwischen den Beziehungen Miso - Vater und Ceija - Mutter ziehen. Beide Elternteile waren für die Kinder von sehr großer Bedeutung.
Meiner Meinung nach, schreibt Miso, was seine Erlebnisse betrifft, in einem nüchternerem Stil als Ceija. Er beschreibt sie mehr analytisch, während bei Ceija die Sinneswahrnehmungen - das Riechen, Hören und Spüren - eine bedeutende Rolle spielen. Ihre Visionen, ihre Gefühle umhüllen das ganze Werk. Miso schafft eine Distanz bei den Beschreibungen von seinen Gefühlen:
"Nach dem Tod meines Vaters trug ich ein schwarzes Hemd und trauerte ein volles Jahr. Ich tanzte nicht, ich sang nicht und ich ging nie dorthin, wo Musik spielte. Ich wußte schon, was das bedeutet für einen jungen Menschen, wenn er Trauer trägt. Den Vater haben wir ganz plötzlich verloren, er war kerngesund, als er umgebracht worden ist. Doch die Mutter war bettlägerig und sehr krank, deswegen trauerte ich nach meiner Mutter nur sechs Wochen."
Die Toleranz, die das Leben von Ceija Stojka begleitet, ist bei Miso nicht so stark spürbar:
"Ich habe erlebt, wie die Kinder uns nachgelaufen sind und "Zigeuner, Zigeuner!" gerufen haben. Am liebsten hätte ich sie zusammengeschlagen. Ich bin von Belgrad gekommen, war ein guter Schüler und tausend Mal fortschrittlicher als die dummen Bauernkinder, die gar nicht richtig sprechen konnten."[216]
Sicher ist es auch eine Frage des Geschlechtes, wenn man vergleicht, wie Miso Nikolic und Ceija Stojka schreiben. Ceija meint:
"[] die Ehrlichkeit liegt in dem kleinen Buch "Wir leben im Verborgenen", ja! [] Und das andere ist dann also sie wollen etwas erreichen. Das ist jetzt das selbe, wenn ich jetzt sage: 'Du schreib', du wirst besser als ich! [] Aber haben wir jetzt nicht ein Leben vor uns, wir vier, das auch ein Stück wert zu schreiben ist? Wie das Leben läuft uns wie das Leben ist."
Doch eines ist ihnen gemeinsam: beide möchten die Geschichte der Roma weiterleiten, damit sie nicht vergessen wird.
"Du, Du. Du hast Angst
vor der Finsternis
auf diesem langen Waldesweg.
Du, ich sage D
wo der Weg menschenleer ist
dann brauchst Du Dich auch nicht fürchten."
Interview mit Ceija Stojka
Wir: Erzählen Sie uns doch bitte über Ihren Schreibbeginn und über die Reaktionen Ihrer Mitmenschen auf Ihr Schreiben!
Ceija Stojka: Als ich begonnen hab' zum Schreiben überhaupt- als Zigeunerin, als Außenseiterin- also als Unterdrückte- und, und, und .
Wir: Sie waren die erste?
Ceija Stojka: Ja, ja, von Österreich überhaupt, als Zigeunerin, die etwas geschrieben hat und äh, dann hatte ich natürlich auch mit meinen Verwandten Probleme, gell . Bis sie dann- ich hab' gesagt, ich muß geduldig sein und ich muß mir Zeit lassen, irgendwann einmal werden sie das einsehen, daß es der richtige Weg ist, nicht. Aber es hat sich dann ergeben, na daß er selber geschrieben hat, gell.
Wir: Denn am Einngang hat der Karl ja gesagt, daß ihr Geschreibe nur Gekritzel ist. Das habe ich in einem Interview gelesen.
Ceija Stojka: Der Karl? Echt ?
Wir: Ja! Das steht in ihrem Buch "Wir leben im Verborgenen".
Ceija Stojka: Wirklich?- Ja , das ist schon richtig.
Wir: Und daß er dann nachher selber zu schreiben beginnt, da haben wir gedacht, das ist vielleicht
Ceija Stojka: Das ist aber schön, daß ihr mir das sagt. Das find ich Ja, ihr müßt euch vorstellen, ihr seid's Mädchen, sagen wir jetzt, Frauen und habt eine Familie, habt dann Kinder, und da sind Brüder dazwischen, die sich also irrsinnig wichtig vorkommen. Und diese kleine Frau hat mit der Welt zu tun, gibt die Hand den Höchsten und redet mit ihnen. Und in diesem Raum da, wo ihr jetzt seid's, da sind schon ganz große Menschen gewesen und ganz kleine. Und jetzt kommt er. Ich habe auch heute noch- aber es ist schön, es freut mich unhamlich, daß ihr mir das gesagt habts, und es wär' auch schön, wenn s'mir so a Blatt zukommen lassen würdets.
Wir: Das ist in ihrem Buch drinnen, "Wir leben im Verborgenen", im Interview mit der Karin Berger. Da sagen sie das am Anfang über ihren Schreibbeginn, daß Sie ihm das gezeigt haben und daß er es dann abgewertet hat.
Ceija Stojka: Ja, das ist schön, daß ihr das also wieder . Ja, es ist ja auch später dann immer wieder abgewertet worden. Und es ist, daß ihr das behalten habt's und daß ihr über das reden wollt's und auch das Ganze auseinandernehmen wollt's, das ist etwas Wunderbares- wenn das geschieht, gell. Es ist die Probleme zwischen den älteren Brüdern- er ist nicht viel älter, um zwei Jahre, aber doch. Und jetzt muß man sich vorstellen: er, der eitle Karl Stojka, gell, wird von der kleinen Schwester- alsound da hat man so gewisse . Er hat auch zu mir gesagt: "Dieses Gekritzel wird nie jemand lesen !" Und ich hab' gesagt: "Das macht nichts"- "Ja", sagt er, "und wie viele Bücher werden da vielleicht."- "Na", hab ich g'sagt, "vielleicht sind's zwanzig oder zehn, oderdann liegen eben zehn Bücher irgendwo in einem Haushalt, wo man darüber reden kann. Und das eine Buch wandert von einem zum anderen, und irgendwo in Österreich liegen zwei, drei Bücher. Und das is' ja schon was! Und das hätten sie sich nie gedacht, daß es dann so ein also daß es so eingeschlagen hat. Und ich hab' noch heute meine Probleme mit den Geschwistern. Aber er ist dann vier Jahre später mit einem Buch herausgekommen, gell, und ich weiß, daß ich heute noch sehr, sehr daran zum Nagen hab', gell, weil er ist ja doch ein Mann, gell! Und ich denk' mir: "Ach Gott, ich muß ja nicht überall dabei sein!" Aber er versucht also dann überall dabeizusein, wo er dann glaubt, er könnte alles in einem riesen Karton einschnüren und verstecken- nur ergell, also .
Wir: Das ist uns eh auch aufgefallen, daß Sie eigentlich kaum über ihn schreiben in ihrem Buch, sondern eher über den Ossi oder über die Kathi, aber weniger über ihn. Und er aber auch! Er macht sich auch irrsinnig wichtig, also er setzt sich immer in den Vordergrund, er bezeichnet sich immer als schön, er sagt, daß er die Familie gerettet hat,
Ceija Stojka: Das ist alles nicht richtig . Ich hab' zu ihm gesagt: "Karli, das ist das erste Buch, was rausgekommen ist". Als ich das Buch geschrieben habe- und das ist die Wahrheit- vor zehn Jahren, da hab' ich mich gelöst, also den Druck aus meinem Bauch, wo man immer gesagt hat "Auschwitzlüge" und "das Gelogene", wo dann mein Bruder, also ich habe nicht geschrieben für die Öffentlichkeit, ich hab' für mich geschrieben. Und wenn ich einmal meine Augen zumache: für meine Kinder. Ich hab' nie gedacht, daß es an die Öffentlichkeit kommt. Ich hab' auch nicht gerechnet, daß es jemand nimmt und zu einem Verlag Ich wär' sowieso nie damit gegangen!
Wir: Wie ist das passiert?
Ceija Stojka: Ich hab' einen lieben Menschen kennen gelernt- das wär' ich euch auch erzählen- das ist die Karin Berger. Die hat mich gesucht, die hat einen Hinweis- von wo weiß ich bis heute nicht . Und diese junge Frau war damals so 30, gell, und die hat g'sagt: " Könnt' ich ein Interview haben von Ihnen. Sie sind eine Zigeunerin und mir fehlt in meinem Buch ein, ein ganz kurzer wenigstens zwei Wörter." Sie hat ein Buch herausgegeben und das heißt "Ich gebe dir einen Mantel, den du in der Freiheit auch noch tragen kannst". Und es war niemand bereit, ihr ein Interview zu geben. Und ich hab' g'sagt: "Warum eigentlich nicht!". Ich hab' sie bestellt, und wir sind zur Schwester gefahren und da hab' ich ihr das Interview gegeben. Und im Laufe der Zeit, waren meine Blätter- so wie ihr jetzt da habt's- Blätter, nur Blätter, und da hat ihr meine Schwester gesagt: "I sag' dir was: Die hat auch geschrieben- alles was sie im KZ erlebt hat." Das hat sie behalten und dann ist sie immer gekommen auf einen Café , immer auf einen Café . Ich wußte schon, warum sie kommt, gell, daß sie da reinschauen wollte. Aber ich hab' ihr das nicht gezeigt, und fast ein Jahr nicht, gell. Und der Café wurde immer länger, länger, länger, bis ich einmal g'sagt hab': "Jetzt kenn' ich dich so gut, okay, da hast du alles und mach' daraus etwas, weil ich werd' mich natürlich nie also bei einem Verlag oder so ." Ja, sie hat sich bemüht, hat das geschrieben und ist zu einem Verlag, und der Verlag, der Verlag wollte aber die Originale haben, gell. Die wollt' ich nicht rausgeben, weil so viel Fehler drinn sind, weil ich ja nicht lesen und schreiben . Also ja, dann hat sie das also in einem also alles richtig getippt. Es muß alles richtig geschrieben sein. Wenn's ich lesen kann, kann's ein anderer auch lesen, aber deswegen werd' ich das nicht so an die Öffentlichkeit geben. Und es ist so schnell gegangen dann mit der, mit der Öffnung, gell, also mit der Präsentation. Ja, und es ist also hat fast Amerika, dann Japan, und es ist sehr . In Japan gibt's es auch das Buch- und übersetzt. Und ich kann sagen, daß fast in Deutschlandalso ist es, äh, fast auf jeden Tisch- was Kultur anbelangt.
Wir: Aber hier auch. In den Bibliotheken, das finden wir super, wir haben es in jeder Buchhandlung gefunden.
Ceija Stojka: Ja, dann hab' ich natürlich mit den Geschwistern die wahnsinnigen Probleme gehabt
Wir: Warum? Wollten sie nicht, daß es veröffentlicht wird?
Ceija Stojka: Ja, also mein Bruder, nein, er wollte eben nicht. Er wollte eben kein Zigeuner also nicht das zeigen .
Wir: Aber er hat ja selbst schon gemalt zu der Zeit, oder ?
Ceija Stojka: Er hat zu dieser Zeit schon, richtig
Wir: Vielleicht weil Sie eine Frau sind. Wahrscheinlich weil sie an die Öffentlichkeit gegangen sind als Zigeunerin und noch als Frau.
Ceija Stojka: Noch drauf. Aber dann die Anerkennung, gell, weil in diesen Räumen waren so viele Menschen - kleine, große. und das hat er für sich nicht verkraften können. Ja, ja , er will immer der . Ich bring' euch jetzt den Café!
[Ceija serviert uns Café mit Gugelhupf]
Wir: Ihre Beziehung zur Natur ist auch irgendwie ganz anders. Das kann man auch in ihren Büchern herauslesen.
Ceija Stojka: Ja, naja, man muß sich vorstellen: Ein Kind, das immer bei der Mutter ist, gell. Und erst , ah, dann losgelassen wird, wenn es also das Leben fordert. Ich war immer im KZ mit der Mama. Wär' sie nicht gewesen, hätt' ich nicht durchg'halten, und bin dann auch sehr früh Mutti geworden- mit 16 hab' ich schon einen Buam g'habt- und hab' mein Leben gemeistert heut'. Und das Leben, was mich geprägt hat, ist auch heute noch in mir drinnen, ja.
Wir: Sie haben da von diesem Baum da geschrieben- dem "Lebensspender"
Ceija Stojka: Ja, da hab' ich also . Also nach dem Buch, gell, ist das sehr rasch- das Buch kam raus und es hat sehr rasch, also, Deutschland und so, die KZ auch gleich erreicht, und da wurde gleich schnell eingeladen, 50 oder 52 Jahre danach- nein 51 Jahre danach- in Bergen Belsen, gell. Ja, und man kann sich vorstellen, wenn man da hingeht, mit der Enkelin, die ziemlich jung war damals, mit meiner Schwiegertochter . Und es ist alles dort flach, gell, also grün- wie eine Heide. Nur mit diesem Wind, ja, und ich hab' zu meinen Kindern g'sagt, ich kann mit den allen Juden nicht gehen also es wäre für den nächsten Tag ein großes, also Treffen, mit zwei- oder dreitausend Juden . Und ich hab' gesagt: "Ich war da drinnen. Ich hab' da drinnen geschlafen, gegessen und ich bin dort gequält worden. Ich muß alleine gehen, weil nur so kann ich das Ganze wieder, also, aufnehmen und eventuell etwas finden." Und als wir reingegangen sind, sagt meine Schwiegertochter: "Du mußt zu dieser Tafel gehen! Die Tafel- dort gehen alle hin, immer zu dieser Gedenkstätte. Da muß eine Tafel sein und da stehen Namen drauf."- Sag' ich: "Die Tafel hat's ja früher nicht gegeben! Also die ist ja erst viel später gekommen. Aber laßt's mich in Ruh'!" Und ich bin dann gegangen, über Hügeln und über dieses Gras da. Plötzlich stand ich vor einem Abschnitt ja, und ich hab' meine Mama gesehn -in diesen Hügeln, diesem Wahnsinn. Und ich war auf diesem kleinen Fleck, wo ich rausgegangen bin vor 54 Jahren. Wenn man das wiederelebt, auf einer Fläche, wo man kaum etwas finden kann, wo man sich nichts vorstellen kann.
Wir: Wir finden das überhaupt sehr beeindruckend, wie Sie das beschreiben, wie Sie ihre Gefühle beschreiben, daß sie so viel schon im Vorhinein spüren können- das ist so esoterisch Also für uns ist es ein total ungewöhnliches Buch!
Ceija Stojka: Als ich dort reingekommen bin, gell, und ich geh' und steh' so . Ja, das ist es, das ist es: Ich spür' meine Mama dort sitzen- nur ohne Gras, der trockene Boden . "Aber jetzt eine Bestätigung," sag' ich, " die müßte ja da sein!" Und das war der Baum. Aber der Baum- es hat ja alles gebrannt, beim Verlassen, gell- aber er war so jung, der Baum, daß er auch den Brand überstanden hat. Und das Schöne ist, er muß noch viele, viele Jahre -also wunderschön g'wachs'n. Er hat Millionen Asterln g'habt, kleine Aste- wie eine graue Frau, die uralt wird und die Haare ganz unten am Boden . Und die Kinder sind unten, also durch, durch die Aste, da hab' ich g'sagt: "Schaut's einmal mitten, wo der Ast sich also auseinandergeht, da muß ein Einschnitt sein- wenn es dieser Platz ist und dieser Baum ist, der jetzt schon zehn Mal so groß ist." Und die Kinder sind durch und da haben sie zum Weinen, zum Schreien ang'fangt. Und wenn ich daran denke, muß ich auch weinen, weil dieser Ast, der ist noch immer dort gewesen- mit dem Einschnitt! Natürlich sind dort ganz, ganz viele Einschnitte.
Wir:[] Bei dem Versuch eine chronologische Biographie zu schreiben, haben wir uns sehr schwer getan, da es manchmal zum Beispiel Widersprüche und so gibt. Dann haben wir aber begonnen die Bücher unter einem anderen Aspekt zu lesen, nämlich daß die Zeit und das Raumgefühl für Sie komplett anders sind, als diese "Schemawelt". Wir möchten nicht unangenehm sein, aber es ist total wichtig für unsere Analyse, daß wir Sie fragen, ob es bewußt eingesetzt ist- manche Fehler
Ceija Stojka: Nein, nein! Es ist meine Geschichte. Und wenn in dem Buch Fehler vorhanden sind, dann hat es sicher entweder war es Karin Berger, die also mit der Zeit gegangen ist und den Fehler nicht auskorrigiert hat, oder es sind Fehler unterlaufen. Aber von mir aus ist alles richtig!
Wir: Denn es gibt einen witzigen Fehler: Am Anfang schreiben Sie, daß Sie 6 Jahre alt waren und irgendwann ist rausgekommen, daß Sie 10 waren.
Ceija Stojka: Naja, das ist der Fehler von, von, von der, die das ausgebessert hat.
Wir: Und daß der Vater um zwei Jahre jünger war als die Mutter [während ein anderes mal geschrieben steht, daß die beiden gleich alt waren] und daß der Vater [laut Karl] nach Mauthausen geführt wurde und einmal [laut ihrer Aussage] nach Dachau.
Ceija Stojka: Nein, nein, mein Vater ist in Dachau gestorben. Karl, mein Bruder, behauptet, er ist in Mauthausen gestorben. Das sind so Fehler . Schau, man muß das auch ,ah, er war ein Junge gell, und ziemlich ein wilder Junge und war nie zu Hause und hat sich nie gekümmert um etwas. Und auch nach dem KZ hat es ihn nicht interessiert, während ich mit meiner Mutter immer wieder, immer wieder- auch als ich schon Frau war ja, und schon Großmutter geworden bin- immer wieder noch zur Mama und Erinnerungen ausgetauscht. Zum Beispiel von der Kartoffelschale, die eine Frau, also eine Weißrussin, verloren hat. Und ja, da hab' ich gesagt. "Mama, kannst dich erinnern?" und sie hat immer gesagt: "Ja, wenn du schälst eine Kartoffel- dann schäl' sie dick!". Das sind dann diese Erinnerungen, die in mir stark hochgekommen sind: "Mama, kannst du dich erinnern, wenn das noch stärker gewesen wäre, hätten wir noch mehr Kraft gehabt". Aber das war's nicht.
Wir: Sie erwähnen in einem Interview auch, daß Sie nie mit Ihrer Mutter wirklich darüber gesprochen haben, daß das immer eine Lücke geblieben ist.
Ceija Stojka: Ja, sie hat es immer nur angedeutet, aber sie konnte nie etwas ganz zu Ende- dann ist schon der Schmerz gekommen. Und dann waren ihre Augen schon ganz gläsrig gell, diese blauen Augen, und ich mußte schon mit meiner Stimme also spielen, und sie hat immer g'sagt: "Jetzt geh' aber raus. Trink' deinen Café und geh' raus in den Garten! Ja, das ganze ist nicht einfach und Buben . Er hat, mein Bruder,- ich liebe ihn und er liebt mich auch, sicher ich bin seine Schwester- aber da ist ein Machtkampf zwischen Aussagen und Aussagen. Weil er der Mann ist, glaubt man, er müßte alles wissen nicht, und ich tu' auch mit meiner Schwester, die mich sehr gut versteht -Kathi- die immer sagt: "Ja, du weißt doch eh wie die Buam sind! Und der kann es nicht wissen." Und er weiß heute noch sehr wenig.
Wir: Ich habe ihn schon persönlich in einer Vorlesung gesehen, in der er allen irgendwie ein schlechtes Gewissen eingeredet hat, weil wir die Nachkommen der Generation sind, die ihm das alles angetan haben. Er war ziemlich aggressiv usw.
Ceija Stojka: Ja, aber das kann man nicht , man kann nicht also das auf andere Menschen übertragen.
Wir: Es waren auch alle ziemlich geschockt, denn wie kann er uns Schuldgefühle einreden!
Ceija Stojka: Nein, das darf man nicht. Er ist ziemlich ich komm auch mit ihm nicht zurecht. Ah, es sind zum Beispiel Kleinigkeiten: Ich sag' zu ihm: "Morgen hat mein Schwager Geburtstag- der 31. Mai, nicht". Das war für mich so selbstverständlich wie wenn man Café kaufen geht und Zucker. Und er sagt zu mir: "Du bist blöd! Es gibt doch keinen 31. Mai!" Da hab' ich gesagt: "Karli bitte, es gibt einen 31. Mai, immer." Dann hat er also so mit den Fingern abgezählt und ist auf die Höhe gekommen, nicht. "Ich will ja nichts sagen- du bist ja mein Bruder und ich liebe dich." Aber es sind so Kleinigkeiten und viele andere Sachen, wo er nach Amerika schreibt und geschrieben hat, und sagt: "Meine kleine Schwester, die kann das nicht wissen- die war viel zu klein!" Jetzt hat man ihm aber zurückgeschrieben: Herr Karl Stojka, können Sie nicht zurückdenken, wie alt war ihre Schwester wirklich? Ich kenne Menschen, die sich ab drei Jahre erinnern können. Wie alt war ihre Schwester und wie ist ihr Erinnerungsvermögen? Jetzt hat er es zum ersten Mal nach so langer Zeit zugegeben, daß ich mich doch erinnern kann.
Wir: Wir alle haben bemerkt, daß Sie keinen Haß verspüren und auch niemandem Vorwürfe machen. Bei Karl ist das ja umgekehrt. Glauben Sie, daß es auch mit dem Alter zutun hat?
Ceija Stojka: Weil er um zwei Jahre älter ist? Nein, nein, das glaub' ich nicht! Er hat vielleicht mehr wie soll ich sagen es ist die Zigeunerwelt sehr klein, sehr jung mit dem Schreiben und überhaupt mit Aussagen. Bis jetzt waren sie ja im Verborgenen und die meisten sind es heute noch , ja. Jetzt gibt es aber einen kleinen Teil, der sich öffnet und dann sagt man: "Wieso hab' ich nicht vorgegriffen?" Es gibt Frauen bei uns - bei den Zigeunern- die sagen: "Wenn ich schreibe, dann muß es ein Bestseller werden!" Ich sage, es soll kein Bestseller werden. Ich bin glücklich, wenn ein Buch gekauft wird und wenn ein junges Mädchen, das nicht mehr Geld hat, und es für dieses Buch opfern muß- ich hab' sowieso nichts davon- kauft es, liest es und sagt: "Ja, das war's." Und sagt zu ihrer Freundin: "Du, lies es auch!" Und die nächste gibt es dann weiter. Dann ist mein Buch ein größerer Bestseller, dann ist dieses kleine Buch durch mehr Hände gegangen daß man nicht zählen kann, durch viele Hände gegangen, ja. Und da ist aber der Machtkampf zwischen den Männern- jetzt sind wir wieder dort: Männer. Hätte er früher, hätte ich keine Chance überhaupt, eine Aussage zu machen. Bei mir hat er alle Chancen: Ich bin eine Frau! Ich weiß, was ich sage, ich rede mit Menschen, und wenn er glaubt, daß er auf diese Art- also seinen Haß auf das Geschehene geben muß, daß er andere Menschen dadurch in den Schmerz hereinbringt- das ist nicht richtig! Weil, was kann die nächste Generation- ich bin nicht einmal auf den Hitler böse, weil ich sage, er war ein Narr: er hat seine eigenen Menschen vernichtet. Er muß ein Irrer gewesen sein! Er hat Kinder an die Front geschickt !
Wir: An manchen Stellen im Buch sind wir uns nicht sicher, ob sie zynisch und kritisch schreiben. Zum Beispiel bei der Schilderung über die "armen" Nazis, die auch gerne zu Hause gewesen wären mit ihren Familien- aber weil sie es nicht konnten, haben sie einfach den Frust auf die Insassen abgelassen.
Ceija Stojka: Ja, bin ich auch, aber es ist so: Wenn dieser junge Mann, der gerade eine Frau geheiratet hat und ein Baby kriegt und verliebt ist und der muß nach Auschwitz rein und den Wahnsinn dort miterleben muß, dann ist es ja ganz klar, daß er sagt: " Diese Kreatur, wenn die nicht da wäre, dann wäre ich zu Hause". Und so war es. Und es ist so. Es waren nicht alle böse. Es hat Ausnahmen auch damals gegeben. Ein Nazi ist auch nur ein Mensch. "Nazi" ist nur die Bezeichnung für das, was er tut in seinem Leben, wo er sich hinwendet, aber in Wirklichkeit ist er ein Mensch!
Wir: Uns ist auch aufgefallen, daß Ihr Bruder Ihre Mutter nur in ihrer Rolle als Mutter gesehen hat, also er beschreibt immer nur, wie gut ihr Essen war und was ihre Pflichten waren und was üblich war für Roma damals. Sie hingegen beschreiben sie eher von der mütterlichen Seite, aber nicht im Dienste einer Frau, sondern als Mutter und "Lebensretterin".
Ceija Stojka: So war es auch. Ich war damals also 12 - also mit nicht ganz 10 kam ich nach Auschwitz, mit 10 Jahren ist man schon ein großes Mädel, und wir haben das beste daraus gemacht. Es ist ein Kleiner gestorben und Karli und Hansi, Mitzi und Kathi sind alle weg gewesen. Die Kathi war noch mit uns bis Ravensbrück, gell. Dann war Kathi auch weg und ich kam mit Mama am Ende nach Bergen-Belsen. Also Auschwitz war ja die Hölle, und dann dieses Frauenlager, wo die Frauen schlechter waren, schlechter als die Männer. In diesem schrecklichen Ravensbrück, wo die Frauen also.wirklich unbeschreiblich, daß kann man nicht .Da gab es eine, die hat Pinz geheißen und sie war schlimmer wie jeder Mann! Sie fuhr mit die Rädern in die Frauen hinein, hat ihnen die Füße mit dem Rad aufge.äh, also es ist eh klar. Und wir haben alle gefrorene und geschwollene Füße gehabt- wir haben ja alle keine Schuhe gehabt und wenn man einmal einen Fetzen erwischt hat, den man sich über die Füße gerollt hat, haben sie, und hat eine, meiner Mama ihren Kopf geschlagen und mich geschlagen. Sie hat nur geschlagen, sie war böse.
Und für mich war meine Mama das ähwenn sie mich mit ihre Augen angesehen hat, habe ich den Hunger und den Durst und alles vergessen, weil es war jemand da, der ein Stück -ja mir gehört, wo ich Fleisch und Blut bin, ja. Das war diese Wärme, obwohl es eiskalt war, aber sie hat zu mir gesagt: "Du mußt durchhalten, wir müssen stark sein! Du bist du, Ceja, du bist du. Nur du nur du kannst deinen Füßen jetzt das sagen, daß sie laufen und daß sie warm werden. Und nur du kannst in deinem Kopf jetzt das ganzedaß du keinen Hunger hast. Du mußt durchhalten, denn wir müssen raus und Karli, Hansi wartet, Kathi, Mitzi wartet." Das wäre anders nicht möglich gewesen, es sind ja täglich so viele gestorben. Und es wär' anders nicht möglich gewesen. Oft haben auch ein Gefühl gehabt, wo wir g'sagt haben: "Wer weiß, was mit den anderen ist. Wir machen die Augen zu", und in der Früh, also, wären wir weg gewesen, weil die Kraft ja nicht da war, wir hätten ja rübergeschlafen, aber sie war immer diejenige, die immer wieder gesagt hat: "Schau, hast g'hört: irgendwo ist ein Vogel!" Obwohl er nicht über das Lager geflogen ist. Weil es hat in diesem Lager so gestunken, daß sogar kein Vogerl nicht hingekommen ist, oder eine Ratte, ich habe keine Ratte gesehen. Und wenn es einewahrscheinlich haben sie die anderen schnell gegessen.
Wir: Im Gegensatz zu Karls Buch, beschreiben sie die Tatsachen nicht so grausam bis in das letzte Detail.
Ceija Stojka: Ich habe nie, also, an ein Buch gedacht, das in die Öffentlichkeit kommt und ich mich protzen will mit was ich geschrieben hab, ich habe etwas geschrieben für meine Kinder, damit die Urenkel einmal sagen können, was da einmal wirklich war. Was war mit unserer Urgroßmutter? Die wollen das wissen. Damit die Kinder da einmal Einblick haben. Nur hat sich, wie das Leben halt sich abspielt und wie die Strahlenwährend ich da geschrieben habe, haben sich irgendwo, so wie ihr jetzt, auch drei Mädchen zusammengetan, die auch geschrieben haben über Widerstandskämpferinnen damals, gell. Und die sind dann auf mich zugekommen. Und ich habe dem einen Mädchen dann gesagt: "Da hast du das Geschriebene und kümmere dich darum, daß es in die Öffentlichkeit kommt, denn mein Bruder hat zu mir gesagt: "Schmeiß' doch den Dreck weg. Wer wird denn das lesen?". Da habe ich gesagt: "Mein Gott na, und wenn es nur zwei lesen oder werden es vielleicht fünfzig Bücher"-"Na stell dir vor was du da sagst: fünfzig Bücher! Das ist ja irrsinnig viel!"
Wir: Sie beschreiben auch den engen Zusammenhalt der Frauen im KZ, daß sie viele Freundinnen gefunden haben, während ihr Bruder jeglichen Zusammenhalt abstreitet. War es wirklich so, daß man zusammengehalten hat?
Ceija Stojka: Ich denke, daß es damit zutun hat, daß er das Leid, das er dort mitgemacht hatschon alleine, wie er die 75 Hiebe bekommen hat, gell, und ich ihn gepflegt habe - ab diesem Zeitpunkt vor den Augen eine Rollo herunterlassen hat und einfach nur darauf gelebt hat und nicht registriert und nicht aufgenommenUnd dadurch ist es auch in seiner Niederschriftes war nicht nur böse, denn wir Insassen, wir Opfer, wenn die eine einen breiten Rock gehabt hat, dann hat sie ein Teil abgeschnitten, rausgenommen und gesagt: "Du, du kannst aus dem den Kindern Unterhemderl machen. Oder aus einer alten Decke.Und es istauf diese Art und Weise hat man auch überleben können. Ich hab' zu ihm gesagt: "Karli, wenn du deine ganze Geschichte noch einmal überdenkst und den wahren Weg gehst, den du wirklich erlebt hast- die Wahrheit- dann ist es viel schöner, einfacher und schöner, ja. Aber dieses Übertreiben, das bringt nichts und hat auch keinen Sinn!
Wir: Er schildert ja auch bis ins Detail, wie die Gefangenen umgebracht wurden. Vielleicht wollte er ja auch schockieren!
Ceija Stojka: Ja sicher, er wolle schockieren, aber es ist schlimm, es ist schlimm! Es kommt immer drauf an, wie weit man reingehen kann ,gell. Sicher hätte ich viel stärkere Sachen gehabt, um in dem Buch zu geben, aber man soll damit gut umgehen können! Das Böse weiß der Mensch ja dann selber. Man hat ja selber
Wir: Sie haben ja alles viel symbolischer ausgedrückt. Zeit hat für Sie immer bedrohlich gewirkt, es war immer eine Eingrenzung in der Gadsche- Welt. Kennen Sie Miso Nicolic´?
Ceija Stojka: Ja, ja, ich bin bei ihnen also Vice- Obfrau in diesem Verein! Im Romano- Centro.
Wir: Wir wollen nämlich auch seine Erzählweise mit ihrem Schreibstil vergleichen. Sie beschreiben nämlich, was Sie selbst alles erlebt haben. Er hingegen schreibt nur über seine Eltern.
Ceija Stojka: Ja, ja, ein Gedicht kenn' ich von ihm: "Das Bündel", glaub ich.
Wir: "Ein Teller voll Dukaten" kennen Sie nicht?
Ceija Stojka: Au! Na Moment, Moment! Jetzt bin ich Miso. Nein, ich mein den Illias!
Wir: Ich hab' mir auch überlegt, ob ich nicht auch zu ihm gehen soll, aber mir kommt auch vor, daß er sich ein bißchen wichtig macht.
Ceija Stojka: Bitte, darf ich dir jetzt etwas sagen- diese ganzen die Ehrlichkeit liegt in dem kleinen Buch "Wir leben im Verborgenen" , ja! Das ist die Wahrheit. So war es im KZ, und so haben wir gelebt. Und das andere ist dann also sie wollen etwas erreichen. Das ist jetzt das selbe, wenn ich jetzt sage: "Du schreib', du wirst besser als ich!". Das kann nicht sein! Dieses kleine Buch "Wir leben im Verborgenen", das kann niemand wiederholen. Und es kann niemand einholen, weil es war einmalig, es war nicht beabsichtigt, was da rausgekommen ist, und es ist einmalig. Und das kann niemand erreichen. Und es geht immer nur um ihr Werk und um ihre Aussage, ja, und ich weiß, daß der Miso ein jeder möchte versuchen, etwas zu bringen, zu sagen- es ist ja schön das Leben! Aber haben wir jetzt nicht ein Leben vor uns, wir vier, das auch ein Stück wert zu schreiben ist? Wie das Leben läuft und wie das Leben ist.
Wir: Wann verwenden Sie eigentlich die deutsche Sprache und wann sprechen sie Romanes? Wenn Sie schimpfen, tun Sie das dann eher auf Deutsch?
Ceija Stojka: Ja, auch! Schimpfen tu' ich auch auf Deutsch.
Wir: In ihrem Buch schreiben Sie auch oft zuerst auf Romanes und dann erst die deutsche Übersetzung.
Ceija Stojka: Ja, die Mama! Ja, ja. Sie war eine ewige Österreicherin, die ewig den Einschlag ein biß'l also nie richtig Deutsch hat können, gell. Man hat das sehr stark g'spürt bei ihr-aber sie war so super!
Wir: Was ist eigentlich mit ihrem Vater?
Ceija Stojka: Mein Vater, also der ist in Dachau gestorben, gell, und der Karli behauptet- das ist ja eben dieser Unterschied, der der mir das Leben ziemlich schwer g'macht hat, gell: Ich als Schwester, bei Zigeuner also, da muß ich immer einen Schritt zurück sein, gell. Aber umgekehrt wollte ich mir auch meine Rechte nicht nehmen von ihm und meine Behauptung gelten lassen- was wahr ist, was stimmt, nicht. Und ich habe die ganzen Unterlagen bekommen, gell, von Dachau- wo mein Vater war- auch es scheint sein Name genau auf, gell, und ich hab' schon früher gewußt, wie mein Vater umgekommen ist dort in diesem KZ.
Wir: Durch wen?
Ceija Stojka: Ja, ich hab' Suchaktionen also eingeleitet. Ich war- wie soll ich sagen- als KZ-Kind bin ich nie damit fertig geworden, gell, obwohl die anderen schon immer das eigene Leben gelebt haben, hab' ich mich noch als 18-jährige gefragt: Wieso ist das eigentlich geschehn? Warum ist das geschehn ? Wieso mein Vater? Ich war ein Mädchen mit 18 Jahren- wie gern' wär' ich mit meinem Vater
Wir: Sie waren schon stolz auf ihn, oder?
Ceija Stojka: Ja, ja.
Wir: Sie erwähnen ja such oft, wie sehr er ihnen gefehlt hat- als Vorbild usw.
Ceija Stojka: Und wieso? Ich war jetzt 18, 19, 20 und dann hab' ich geschrieben an die Konzentrations- und Vernichtungslager. Hab' ich geschrieben und hab' nie eine Antwort zurück bekommen. Und eines Tages kam aber eine Antwort, und da steht drinnen: Karl Horvarth Wackar, wohnhaft - wo er gewohnt hat, die Gasse, alles, wo wir gewohnt- und die Bestätigung. Nur können sie nicht ganz genau sagen- das ist auch verständlich- wo er gestorben ist und wann, nicht. Weil die Papiere, die wir damals bekommen haben, die sind ja auch mit denen unserer Verhaftung an Ort und Stelle geblieben und da ist nichts mehr da, nicht. Da gibt's nichts.
Wir: Bei Karl ist uns auch aufgefallen, daß er sein eigenes Verhalten durch das seines Vaters gerechtfertigt hat, da dieser auch öfters seine Familie einfach allein gelassen hat- wie ihre Mutter erzählt hat- und im schönsten Anzug das Geld für Frau und Spiel ausgegeben hat.
Ceija Stojka: Ich kann das nicht sagen. Ich kann das nicht behaupten, ich weiß das nicht. Ich kann das nicht sagen. Ich hab' das nicht erlebt. Ich hab' meine Eltern nur von einer Seite kennen gelernt, die arm waren, die nicht viel gehabt haben, die unter dem braunen Regime auch noch unterdruckt worden sind, von ihrer Reise auf einen kleinen Platz- also in den 16. Bezirk- mußten, sie mußten auch- wie sagt man- registriert, gemeldet sein. Und mehr weiß ich da nicht, also kann ich nicht sagen: "Mein Vater war ein so ein Typ, der davongelaufen ist". Ich weiß nur: Wenn er verkauft hat, dann hat er es der Frauund wir haben gelebt davon und wir haben miteinander diesen Wahnsinn mitgemacht. Ich kann mich auch an Sachen erinnern, wo sich meine Schwester- meine älteste Schwester, die jetzt die älteste ist- gewundert hatich hab' sie vor zwei oder drei Jahren gefragt- das steht aber nicht im Buch drinnen-: "Sag' einmal Kathi, ich hab' eine Erinnerung, ich kann schlecht umgehen damit, aber es kommt immer: Und zwar ein, ein, ein Platz, wir wurden registriert, wir mußten alle hingehen, ein Sessel, der immer g'quietscht hat bei jeder Drehung- links, rechts - und Scheinwerfer. Und ich kann mich erinnern, mein Vater ist draußen mit uns am Gang gestanden voller Angst, meine Mama auch, und dann hat er denan Buam' jeden ein Stückl Knackwurst gebn - a Wurst- und mir hat er keine gegeben. Und wahrscheinlich ist es ja auch deswegen: Wenn er mir auch eine Wurst gegeben hätte, von der Knackwurst, dann hätte ich das wahrscheinlich auch vergessen. Aber daß mir mein Vater nichts gegeben hat, weil nur ein Stückerl war da, denan Söhnen aufgeteilt hat, und mir nichts dadurch ist die Erinnerung auch so stark bei mir drinn. Er hat mir nichts gegeben. Hab' ich ihn aber nie g'fragt, weil wir sind ja dann Z'aus, und hab' ihn nie g'fragt: "Warum hast du mir denn kein Stückerl gebn?" Aber es kommt ja etwas Interessantes aus dieser Sache heraus: Meine Schwester hat damals gesagt: "Wieso weißt du das? Also, ich hab' das vergessen, aber das stimmt- es ist war! Du bringst jetzt in mir etwas hoch, das was 50 Jahre da drinnen war. Ich hab' das total vergessen, aber es stimmt!" Sag' ich: "Also hat das gestimmt? Stimmt das? Sind wir auch geknipst worden?"
Wir: Vom Dr. Ritter und der Eva Justin? Wirklich?
Ceija Stojka: Ja, ja. Kein Mensch würde das erkennen. Kein Mensch. Ich kann mir nicht vorstellen, daß meine Schwester oder irgend jemand diesen Menschen da erkennt. Wenn das Bild da liegt, ganz ein kleines Bild, ich seh' aber schlecht, ich hab´ nur ein Auge Ich hab´ geglaubt ich bin in Auschwitz, ich hab einen Anfall gekriegt. Da ist das mein kleiner Bruder, da Ossi. Ein Bild, das weder von unseren Eltern gemacht wurde oder von unsren Freunden, sondern eben von dieser Justin, gö. Und wahrscheinlich war das auch diese Situation, wo ich die Wurscht nicht bekommen habe. Diese ganzen Bilder hat sie gebracht, mich, mein Bruder Karl, die Mitzi, die älteste Schwester, die Kathi, in Hansi, meinen Vater, meine Mutter, meine Großmutter, die ganze Familie liegt vor mir in den Bildern. Aber lauter Bilder, die keiner kennt. nicht einmal Karl Stojka, ja o.k.? Und natürlich ich war auch schockiert, ich muß Euch das ehrlich sagen. Aber meine Bestätigung, daß ich das damals eine Erinnerung gehabt hab hat sich bestätigt mit diesen Bildern. Sagte ich: Karin, wie hast Du das geschafft? Von wo hast Du die Bilder? Das sind Bilder lang vor unserer Verhaftung, das ist drei Jahre zuvor. Wir sind also 1940, ehhh ´43, verhaftet worden. Die Bilder sind aber beschrieben mit ´43. ahhh mit ´40. Wir sind ´43 verhaftet worden und mit ´40 sind diese Bilder alle registriert. alle Bilder. Darunter war sogar ein ganz kleines Farbphoto.. damals zu dieser Zeit.. wie ein Dias, ein farbiges. Und da frag ich mich, was haben sie vorgehabt mit diesen Bildern. Und ich kann mich erinnern, daß wir unsere Füße auch auf ein Kasterl gelegt haben, ich kann mich erinnern, aber gut das gibt's nicht. es wird vielleicht irgendwo vergraben sein.
Wir: Waren die Leute damals freundlich, oder war die Registration eher zwanghaft?
Ceija Stojka: Schau meine ganzen Geschwister haben diese Szene vergessen. Ich hab diese Szene immer in mir drinnen gehabt, vor allem dieser knackige Sessel, der sich immer, bei jeder Drehung, gezackt hat, und dann die Teilung von der Wurscht, von der Knackwurst, was ich nicht vergessen hab. Das war für ein Mädchen . der Vater hat mir ja nichts gegeben, die Buam hab´n nur kriegt und i nix, und es war für mich die Bestätigung plötzlich da durch diese Bilder. Wie es sich damals das ganze abgespielt hat war ganz normal. Das heißt man ist, es sind ja alle in einem Raum, wahrscheinlich auch alle Juden, auf diese Art und Weise registriert worden, ohne daß es den anderen aufgefallen wäre sind wir vorgeladen worden, sind fotografiert worden. Das ist so schnell gegangen, daß es viele wieder vergessen haben.
Wir: Das hat Karl Stojka ganz anders erzählt.
Ceija Stojka: Das kann nicht anders gewesen sein, man sieht ja die Bilder auf drei Seiten, links, rechts, das kann nicht anders sein. Man sieht auch den Sessel, man sieht die Mauer. Das kann nicht auf der Wankostätten sein.
Wir: Er hat auch ein Bild gezeigt.
Ceija Stojka: Das ist möglich, das kann ich aber nicht sagen. Er hat zu mir gesagt: "Schau auf das Bild! Ist das nicht die Großmutter?" Ich kann mich aber nicht auf den Wohnwagen erinnern . ein Wohnwagen, wie der andere. Ein Reihenhaus wie das andere, gell, da kann man sich nicht mehr so erinnern. Aber das weiß ich ganz genau, daß diese Bilder, diese Bilder, die ich meine, nur in einem Gefängnis, sagen wir Landesgericht, in einem kleinen Raum Ich kann mich erinnern, es war ein Licht, ein schreckliches Licht. Und vor allem hab ich Angst gehabt, weil der Weg von der Mutter zum Sessel und das Drehen und es ist immer geknipst worden Wer geknipst hat, das weiß ich nicht. Ich kann mich nur auf die Bewegungen erinnern. Vor allem an den schrecklichen Sessel. Und das ist sehr schnell gegangen. Wir waren auch alle sehr schnell wieder draußen. Aber ich habe die Wurst im ganzen KZ-Sein, mein Vater war schon tot, nie vergessen. Ich hab immer gesagt: "Wenn mein Vater gelebt hätte, hätte ich ihn fragen können, warum er mir von dieser Wurst nicht auch ein Stückchen geben hätte können." Ich hab das nicht überwinden können
Wir: Haben die Männer bei den Roma das Hauptwort?
Ceija Stojka: Nein! Nur zum Schein. In Wirklichkeit kann es ja nicht sein, denn die Frau bekommt ja die Kinder, sie hat die Probleme.
Wir: Wie ist das bei Ihnen mit der Heirat? Sie erzählen ja nie in Ihren Bücher: "Jetzt habe ich mich verliebt." Es ist einfach der Sohn auf die Welt gekommen. ( zum Beispiel die Geschichte, als der Vater das Kind weggenommen hat ) Ware Liebe nicht wie ein Spiel?
Ceija Stojka: Das ist so und ich komm nicht wieder darüber hinweg. Ich kann es nicht mehr ändern.
Wir: Aber der schönste Satz ist: "Reisende kann man nicht aufhalten."
Was wir auch nicht verstanden haben: In Bergen-Belsen haben sie von einem Engländer eine Dose zum Essen bekommen. Sie sind von dieser Dose blind geworden.
Ceija Stojka: Schau , das werdet Ihr gleich verstehen. Wenn Du Dir dem
Körper alles entziehst, Du hast nur Rüben und einmal alle drei Monate eine
Kartoffel, und Regenwasser oder rostiges, schmutziges Wasser. Zum Glück hast Du
einen Magen, der alles gut verdaut. Du trinkst viel Regenwasser. Du trinkst
viel Tee, den Du Dir aus Brennesseln machst. Du ißt das, was Du Dir gestohlen
hast, eine Rübe, oder irgendwo gefunden hast. Du ißt alles, aber viel zu wenig.
Du hast keine Vitamine. Du hast kein Brot. Du hast keine Milch. Du hast keine
Butter. In Ausschwitz gab es noch Butter, wo anders aber nicht mehr. Wenn Du
das drei Jahre machst und dann kommen die Amerikaner und bringen Dosen.. Die
Dosen haben wir miteinander vergewaltigt dann kam das Fleisch mit dem
Schmalz und wir haben es gleich gegessen. Das kann der Körper nicht
aufnehmen. Es hat sich sofort auf meine Augen geschlagen, da bin ich sofort
blind geworden. Aber es war bald auch wieder vorbei. Momentan, nach 5 Minuten
ungefähr, hat meine Mama zu mir gesagt: "Du bleibst jetzt hier, ich geh zu den
Amerikanern. Ich komm gleich wieder zurück." Währenddessen haben wir die Dosen
aufgemacht und gegessen. Bis meine Mutter nach 10 Minuten zurückgekommen ist, war
mein Augenlicht weg. Also hat sie mich bei der Hand genommen und hat gesagt:
"Schnell, schnell, ich hab Dir ein Zelt aufstellen lassen. Du bekommst dort
alles, Häferl, Glaserl, Brot." Ich habe dann gesagt: "Ja Mama, das ist alles
sehr schön." Ich bin dann aber geflogen, ich habe mir es zuerst nicht sagen
getraut. Wenn sie das gehört hätte. "Ja was ist denn los mit Dir? Schnell
renn!" Nun mußt ich ihr das sagen: "Mama i siech nix." Aber sie war so
gescheit, sie hat gleich gewußt, was los ist. "Du hast das Fleisch gegessen,"
sagt sie.
Dann ist sie zu den Leuten gegangen, zu den Engländern. Sie haben mich in das
Zelt gebracht. Dann hat einer gesagt: "Gib bitte die Zunge heraus!" " Nein das
mach ich nicht!" Zwei Sekundendas ist gleich zergangen auf der Zunge. Sie
haben das ja gewußt.
Wir: Wir haben gedacht die NAZIS wollten Euch vergiften.
Ceija Stojka: Nein! Diese Schmalzbrot habe ich nicht angebissen, ich habe es nur angegriffen. Er hat gesagt: "Nimm Dieses Brot! Ich habe auch so eine Klene wie Du." Ich hätte das Brot nie gegessen, weil dazu sind wir von Ihnen zu sehr gezüchtigt worden. Die Dose, die ich von den Alliierten bekommen habe, die haben wir gegessen. Das Schmalz und das Fleisch war natürlich zu stark für meinen Körper. Und da habe ich mein Augenlicht verloren und die Alliierten haben auch gewußt, daß Menschen, die leiden, gewisse Medikamente brauchen. Das Pulverl war so klein, kaum zu sehen. Es ist sofort auf der Zunge zergangen und plötzlich sind meine Augen wieder da gewesen. Aber was sein muß, muß sein. Das Schicksal hat mich eingeholt. Vor fünf Jahren bin ich doch an dem einen Auge erblindet.
Wir: Was war die Ursache?
Ceija Stojka: Wenn Ihr das zweite Buch auch gelesen habt, wißt Ihr, ich hab einen zweiten Sohn auch noch gehabt. Er war ein schöner, fescher Mensch, ein super Musiker. Er war meine Sonne! Er war mein Leben, wie alle meine Kinder. Da gibt's keine Ausnahme, nicht das eine mehr, das andere weniger. Aber er war viel zu sensibel, viel zu schön für diese Welt. Diese reichen, hochgestellten, diese berühmten Menschen.. er als Zigeunerkind war ein zu sensibler Mensch.
Wir: Es hat uns so fasziniert, daß sie nie jemanden abgestempelt haben. Sie haben auch einmal erwähnt, daß die Süchtigen in unserer Gesellschaft gemieden und abgestempelt werden. Sie haben jedoch versucht, die schwierige Zeit mit ihrem Sohn durchzumachen, während andere Eltern ihre Kinder in eine Anstalt schicken .
Ceija Stojka: Ich würde jedes Kind von denen wegnehmen, weil diese Kinder haben keine Chance. Abschieben ist immer das einfachste.
Wir: Gehen wir vielleicht wieder zurück in die Zeit ihres KZ-Aufenthaltes. Für uns wäre es der größte Horror mit der Angst zu leben, vergewaltigt zu werden. War das auch bei Ihnen der Fall? Sie haben einmal in ihrer Autobiographie von den Weißrussinnen erzählt, die den KZ-Männern so gefallen haben. Waren sie Ihre Mädels, sozusagen?
Ceija Stojka: Das war sicher der Fall, aber wir nicht.
Wir: Waren sie sich zu gut dafür?
Ceija Stojka: Nein, nein! Das war ganz anders. Sie hätten schon gerne Zigeunermädchen gehabt. Am Anfang war es auch so, daß sie sich so manche herausgeholt haben und sie vergewaltigt haben. Aber das wußte ich damals nicht. Meine Mutter hätte mir das nie erzählt und hätte mich nie damit gequält. Ich hatte davon wirklich keine Ahnung, das hat mir meine Mama aus den Augen genommen. Aber als ich dann älter war hat sie mir das dann erzählt und daß diese Frauen sich dann auch selbst umgebracht haben. Die meisten haben Selbstmord gemacht, weil bei den Zigeunern ist es ganz schlimm, wenn eine Frau von anderen Männer Sie kann dann ihren Mann und dem Vater nicht mehr in die Augen schauen. Das ist eine gewisse Erziehung.
Wir: Je älter Du als Frau im KZ gelebt hast, je mehr hast Du noch diese zusätzliche Angst.
Ceija Stojka: Nur waren diese Mädchen und Frauen später, sie hatten das Glück, weil man ja verschiedene Krankheiten gehabt hatte. Und diese Frauen, die schönen Frauen, haben sich so manchen Dreck in die Augen geschmiert und haben sich so manche Wunden zugeführt, damit man sagt, sie haben Krebsen. Oder sie haben gesagt, sie haben irgendeine Geschlechtskrankheit. Und dann sind sie von ihnen in Ruhe gelassen worden.
Wir: Bei der Sterilisierung haben wir nicht genau verstanden, welches Gerät sie benützt haben.
Ceija Stojka: Ja, das war schlimm . Das war so ein Gerät Ein Lockenwickler. Da gibt es ja solche mit Strom. Solche Stäbe waren das. Ich hab's gesehen, weil ich stand mit meiner Schwester ja vor der Tür. Wir haben Glück gehabt. Er hat gesagt: "Leider heute ist nichts, heut ist kein Strom." Es war Stromausfall.
Wir: Sind diese Frauen sofort gestorben?
Ceija Stojka: Nein! Ich hatte eine liebe Freundin, die Resi, .. Ach Gott, sie hat keine Mutter gehabt. Ich glaube sogar, daß die Resi um ein oder zwei Jahr älter war wie ich. Von der Größe und in der Erscheinung. Ja und sie hatte niemanden und ich war klein und immer irgendwo. Kann ich etwas organisieren? Wo gibt´ s eine liebe Stubenälteste, die eine Hilfe braucht, wo man aufpassen tut, oder den Mist raustragt. Dann kriegst Du einen Kartoffel. Da habe ich die Resi halt mitgezogen und zur Mama gesagt: "Mama, die hat niemanden." Und Resi, ja, sie wurde abgeholt und dann ist sie am Wagen gelegen. Da waren so viele auf diesem Wagen.
Wir: Gibt es da nicht auch ein Buch über diesen Leichenbretterwagen?
Ceija Stojka: Ja Moment. Es gibt ein Buch, das auch von Wissenschaftlern herausgebracht wurde und hier wird beschrieben: Was sagt uns Ceija? Ich hab die einzelnen Gegenstände so beschrieben, wie sie da drinnen benannt wurden. Bretterwagen da waren die Leichen oben. Es war kein normaler Wagen, die Toten kamen irgendwo hinauf. Es gab nicht einen besonderen Leichenwagen für verstorbene Menschen. Es war für sie Wurscht. Hauptsache sie sind tot. Hauptsache sie sind krepiert.
Wir: Wieviel waren Sie zum Schluß ungefähr?
Ceija Stojka: In Ravensbrück, Bergen-Belsen oder Ausschwitz?
Wir: Wieviel waren Sie nach Bergen-Belsen?
Ceija Stojka: In Bergen-Belsen, das ist auch sehr interessant. Obwohl der Abteil sehr groß war, wußte ich nicht, daß unmittelbar neben uns noch ein Abteil ist. Gel. Weil sagen wir diesen Abteil, den Du hier siehst, der war umrahmt von lauter Bäumen. Da gab es einen Zwischenraum von fünf Metern. Nachdem die nicht schreien durften und wir auch nicht, haben wir gar nicht gewußt, daß da noch ein Abteil ist, und noch einer, und noch einer Erst von oben, nach vierundfünfzig Jahren habe ich das Ausmaß der Größe gesehen, daß es noch einen Abteil gibt. Am Anfang als ich herausgekommen bin von dort hab ich geglaubt das ist alles, wo wir waren. Daweil war ein russisches Lager dort, dann waren Austauschjuden dort.
Wir: Waren Zigeuner immer in einer Gruppe?
Ceija Stojka: Nein! Nicht mehr in Bergen-Belsen. Da warst Du nichts mehr. Da warst Du kein Zigeuner, da warst Du ein niemand. In Bergen-Belsen da hast Du keine Registriernummer mehr gehabt. Da hast Du keine Namen gehabt. Da warst Du nichts.
Wir: Haben sie damals schon gewußt, daß der Krieg bald zu Ende sein wird?
Ceija Stojka: Ja, sicher. Man hat sich in Bergen-Beslen, das war ein Abteil ich habe Ausschwitz erlebt, ich habe Ravensbrück erlebt, ich habe von anderen gehört, aber es war ein Wahnsinnsort, dieses Bergen-Belsen. Diese Totenhügel und Leichenhügel, so groß wie dieser Raum hier. So hoch und eine Leiche über der anderen. Mitten drinnen Kinder, die noch geatmet haben. Das kann sich niemand vorstellen, all die Leute, die noch gelebt haben . mit offenem Mund, man hat ihnen die Augen zugemacht.
Wir: Es sind sicher sehr viele an Seuchen, Pest, Hunger gestorben?
Ceija Stojka: Seuchen jeder Art .
Wir: Warum glauben Sie, hat man zum größten Teil nur Juden und nicht auch Roma vergast?
Ceija Stojka: Das kann man nicht sagen. Es steht doch auf keinen Kopf jetzt, wenn wir jetzt runter gehen, da steht nicht geschrieben: wer ist Zigeunerin, wer ist Rumänin, wer ist Jugoslawin. Am Ende, sagen wir 1943, wurde alles was an dieser Straße nicht diesen hellen Gesichtern entspricht eingesperrt. Ich möchte nicht wissen, wieviel Zigeuner unter den Juden waren. Es ist auch eine Behandlung, die ungerecht ist. Es wird alles nur über die Juden gesprochen und die Zigeuner haben nichts erlebt. Wir werden auch unter den Minderheiten noch diskriminiert. Das ist das schlimme, das ich nicht verstehe. 50 Jahre Mauthausen. Ich hab aufgepaßt ob einmal jemand ein Wort von Zigeunern erwähnt und auch Roma oder Sinti. Vor kurzem wurde der Befreiungstag gefeiert. Mein Bruder war auch dort. Es hat niemand eine Erwähnung gemacht. Es hat auch keiner irgendeine Erwähnung gemacht, wenn irgend etwas passiert ist. So sehe ich es, daß wir unter den Minderheiten noch diskriminiert werden. und noch als Frau. Sicher waren zwischen uns auch Ungarn, Jugoslawen. Wir waren alle zusammen an einem Platz. Aber für uns ist es ja nicht um Grenzen gegangen. Für uns hat der Mensch gezählt. Man hat gelitten, man wollte helfen. Es ist auch selten vorgekommen, daß man gefragt hat, von wo bist Du. Du atmest, Du redest, Du lebst, Du bist noch am Leben. Man hätte da drinnen nie jemand gefragt: "Du bist aus Bosnien?" Da hätte man diesem Menschen weh getan. Dann hätte es geheißen: "Wieso weiß sie das? Sogar sie unterscheidet mich."
Wir: Traurig ist, daß so etwas heute wieder passiert.
Ceija Stojka: Heute in Deutschland .. Das ist schlimm, was bei uns alles passiert.
Wir: Kann man das wirklich verändern?
Ceija Stojka: Ich bin ganz glücklich, ich weiß ganz sicher, daß sich die Jugend heute von den Eltern nicht mehr manipulieren läßt und von den Alteren so ziehen läßt, wie noch zu meiner Jugendzeit. Das gibt mir die Kraft weiter zu leben, zu atmen. So weiß ich auch, daß . ein Teil von Euch das nicht zulassen. Aber die Alteren kommen von ihrer Einstellung nicht mehr heraus. Zu dieser Zeit damals haben sich auch einige Mädchen und Burschen getraut, Zetteln im Parlament zu verteilen. Dieser kleine Teil hat uns die Chance gegeben, um weiter zu leben. Versteht Ihr, was ich meine? Solange es diese Menschen gibt Man muß auf alle Fälle reden können. Ich hab immer gesagt: "Ich habe überhaupt keine Angst." Meine Angst liegt in Ausschwitz. Ich hab immer gedacht, egal was geschieht, ich werde es den Nazi sagen: Du bist ein armer Mann. Du bist ein armer Mensch, eine arme Frau, wenn Du so denkst. Weil Dein Leben nicht geklappt hat, müssen tausend andere darunter leiden. Es müssen tausend Kinder auf der Straße sterben. Du haust eine Bombe in ein Haus hinein, oder zündest es an. In Wirklichkeit sind das für mich arme Menschen. Ich habe Mitleid mit Ihnen. Ich lad´ gerne einmal einen ein und möchte mit ihm seine Gedanken austauschen.
Wir: Aber es ist sicherlich sehr schwierig, wenn jemand von seiner Sache so überzeugt ist.
Ceija Stojka: Ja, sicher. Die bringst Du nie weg. Er stirbt auch mit dem. Das was man ihm eingelegt hat Du mußt Dir vorstellen: ein Mensch, ein kleiner brauner Mensch, ist Adolf Hitler. Dabei war er auch nicht ein blonder Mensch, er war ja auch ein eher schwarzer Typ. Dann mußt Du Dir vorstellen, da stehen Millionen Menschen auf der Straße. Dieser eine Mensch kommt und alle brüllen: "Heil Hitler". Das zeigt, keine eigene Meinung zu haben.
Wir: Heute merken wir besonders wie Medien vor allem junge Menschen manipulieren können.
Ceija Stojka: Es ist schön, daß Ihr diese Einstellung habt. Was ist das in Kroatien wenn Menschen die eigenen Brüder . Wo gibt es denn so etwas. Ich schreibe ja täglich meinen Lebensablauf, was ich sehe, was mir gefällt, was im Fernsehen gezeigt wird. Ich schreibe täglich was passiert. Und wenn ich dann nachblättere, dann denke ich: "Ach, da hast Du schon wieder etwas über Serbien geschrieben." Ja, weil es mich immer wieder aufdrängt. Im Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts gibt es sogar noch Massengräber. So wie damals der Jude auch der schöne Nachbar im Haus war, ist das heute wieder Dein Nachbar. Er hat der armen Bürgerin Brot gegeben, ihr Schilling geborgt und plötzlich war´ s der Jud´. Man hat ihnen alles weggenommen. Diese schönen Kinder. Ich muß immer weinen .. Der Pullover war dunkelblau . so ein blau, wie die Nacht. Diese langen Haare, der schöne Kopf. Das Kind mit den dunkelschwarzen Haaren und das blasse Gesicht. Seine wunderschöne Mutti. In Ausschwitz war sie in der Schreibstube und sie ist von diesem Kind nicht weggegangen. Meine Mama ist hingegangen und hat mit ihr geredet. Sie konnte nicht weggehen.
Wir: Was ist dann mit der Mutter passiert?
Ceija Stojka: Ich glaube, daß sie noch am Ende gestorben ist. Vor allem auf der Befreiung. Das schnelle Essen. Da sind noch sehr viele gestorben. Auch Theo. Theo war so ein schönes Kind und er hatte Lungenentzündung. Er war Lungenkrank.
Wir: Auch die Vorfälle mit Typhus konnten wir nicht verstehen.
Ceija Stojka: Ja, die Typhusläuse wurden eingezüchtet. Wenn ich heute über das nachdenke, hätte Mengeli und andere den Krieg gewonnen, so hätten heute manche zwei, drei Köpfe. Weil zu dieser Zeit hat doch dieser eine da mit den Zwillingen ermittelt: wieso haben die grüne Augen, wieso haben die braune Augen. Das alles haben diese Menschen in Deutschland unternommen. Die Forschung hat nie aufgehört.
Wir: Gab es auch im Lager Versuche?
Ceija Stojka: Natürlich, auf jede Art und Weise hat es die gegeben. Man hat ihnen die Haut abgezogen, man hat den Kindern das Geschlechtsteil weggeschnitten, man hat den Kindern den Bauch aufgeschnitten, man hat Zwillinge am Rücken zusammengenäht. Weißt du, er wollte wissen, ob es siamesiche Zwillinge geben kann, künstliche.
Wir: Das haben sie alles mit lebenden Menschen gemacht?
Ceija Stojka: Ja, Ja. Kinder waren das.
Wir: Haben Sie das selber gesehen?
Ceija Stojka: Nein, das habe ich, Gott sei Dank, nicht gesehen. Ich glaube, das hätten wir nicht geschafft, zu überleben. Nein, nein, das war ein ganz anderes Abteil. Dieser Mann, wie hat er geheißen? Mengele und? Eichmann! Der andere war Eichmann. Eichmann war der, der die Juden in den Ofen brachte, gell. Und Mengele war derjenige, der
Wir: Der die Versuche gestartet hat?
Ceija Stojka: Die Versuche gestartet
Wir: Wurden die Juden lebend verbrannt?
Ceija Stojka: Natürlich.
Wir: Das war billig
Ceija Stojka: Nicht wegen dem billig Sein allein. Es war Platz gleich zu machen, gell, weil, oft sind die ausgebrochen, weil sie nicht reingegangen sind. Jetzt waren aber zwanzig Juden mehr da, vielleicht war ein Bosnier dazwischen, vielleicht ein Zigeuner, daß weiß ja keiner. Auf jeden Fall sind die Leute herumgelaufen und wir haben das von oben gesehen und haben geschrien und gebrüllt. Ja, da ist ein Schacht gewesen - ich hab' irgendwo Bilder - Ja, diese Situation habe ich gemalt, gell, wo diese Menschen hineinfliegen, in diesen Schacht. Und da haben sie Öl draufgeschmissen. Öl oder Holz; es war ja Holz genug dort, im Wald, nicht? Und angezündet, es hat
Wir: Der Geruch muß schrecklich gewesen sein.
Ceija Stojka: Der Geruch eben. Die Haare und
Wir: Ich würde es mein lebenlang überall riechen.
Ceija Stojka: Ich war erst jetzt vor kurzem im "Fünfzig Jahre Ravensbrück". Ich bin mit einer Gesellschaft runtergefahren. Mit Frauen aus vierzig verschiedenen Ländern haben wir uns dort getroffen. Die sind von überall gekommen, nur wegen mir, um dort zu beten, in Ravensbrück. Für die Frauen, die erschossen worden sind. Die, wo die Seele keinen Frieden finden kann. Und, da waren diese Frauen, so - die konnten das auch nicht verstehen, so wie Ihr jetzt, ja. Und wir saßen, erstarrten und saßen. Teilweise gesessen, teilweise sind wir gestanden. Sonne, Wind, bei einer Mauer, gell. Und plötzlich kam durch das Feuchte, durch die Wärme, kam der Geruch aus dem Stein raus, als wäre es jetzt genau wieder so, wie es damals war. Ja, könnt Ihr das verstehen? Also, es riecht bis Also, dafür ich kann heute, wenn, wenn ich so ein Geselchtes habe ich Probleme mit dem, also, umzugehen. Es riecht genau so, gell. Nein, das kann man nicht essen, das geht nicht. Und wir haben dort Frieden getrommelt mit den Frauen, und dann sind wir nach Bergen-Belsen auch noch gezogen. Diese Frauen sind dann bis also von Auschwitz angefangen - geendet haben sie dann in Japan. Also das war
Wir: So ein Kreis?
Ceija Stojka: Ja, Kreis! Und so kann man schon dann, sehr stark sein, auch im Schmerz, den man nach so vielen Jahren Daß es solche Menschen gibt, die heute so was auf sich nehmen, um der Welt zu beweisen, daß es auch Menschen gibt, die gegen Unterdrückung, gegen alle Menschen sind, die sagen: "Raus!". Da ist eine Frau jetzt, die ihr Kind im Spital gelassen hat. Von Bosnien ist sie, ich glaube. Jetzt wird sie hinausgewiesen, obwohl sie in Österreich geboren ist. Ich kann das nicht verstehen. Sie hat gestern gesagt, sie war im Fernsehen und hat gesagt: "Ich habe schon ein Kind, das ist vier Jahre. Mein Mann ist weg, ich hab' ein kleines Kind, neugeboren. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich hab' nicht einmal Brot, geschweige Milch." Da verstehe ich nicht dieses Land Österreich. So ein großes Land, so ein reiches Land, so ein herzloses Land.
Wir: Und überall wird es als das schönste und herzlichste Land präsentiert; überhaupt Europaz.B. in der "Kronenzeitung"die ziemlich beliebt ist
Ceija Stojka: O ja, natürlich, wenn die Schauspieler kommen, auf den Opernball und die werden bezahlt von einem Herrn Lugner, dann ist es natürlich die schöne Seite, nicht? Aber die andere Seite; Österreich hat zwei Gesichter, oder drei. Du darfst nichts sagen. Du mußt dir deinen Teil denken, mußt denken darüber. Dann lebst du gut. Für mich war es schon eine Genugtuung, daß sie die Luft eingeatmet haben, wo wir waren.
Wir: Das haben Sie auch geschrieben. Und was machen Sie jetzt? Sie machen Lesungen in den Schulen?
Ceija Stojka: Ich mache Lesungen, ich - du siehst - Ausstellungen, ich male, also
Wir: Die Bilder, Sie malen Naturbilder oder auch Erinnerungen?
Ceija Stojka: Auch! Sehr viele. Ihr habt einen Katalog, aber da gibt's auch etwas. Wenn eine von euch da schauen will ihr könnts da Also, da gibt es z.B. eines: ein Kind hockerlt meistens. Wenn es spielt, dann geht's ins Hockerl. Und ich hatte immer - ich war so klein, ich habe immer nur die Stiefeln gesehen. Die Männer waren so groß. Diese "Braune Gesellschaft", die SS
Zusammenfassung und Schlußbemerkung
Wie wir in unseren Beobachtungen feststellen konnten, hat sich einerseits die Kultur der Roma in den letzten fünfzig Jahren gänzlich verändert. Angehörige dieser Volksgruppe, wie zum Beispiel Karl Stojka beschreiben sich selbst als "Produkt der Zwischenzeit", da sie sowohl Teil des herumfahrenden Volkes waren, aber sich auch an die zeitgenössischen Lebensweise angepaßt haben. Andrerseits aber ist der Drang, ihre Tradition und Bräuche wiederzugeben, größer denn je.
Dies versuchen sie mit ihren Verschriftlichungen den Zigeunern wie auch den Nicht - Zigeunern näher zu bringen. Damit nie wieder jemand in unserer Gesellschaft den Vorwurf einer "Ausschwitzlüge" vorbringen kann, sollten authentische Bücher über ihre grausame Situation in den Konzentrationaslagern bereits in den Schulen in den Mittelpunkt gerückt werden. Denn Ausschwitz spüren wir noch heute, nämlich in der Form von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhaß. Diese Thematik betrifft uns schon in unserer unmittelbaren Umgebung und ist immer eine aktuelle Situation.
11. Literaturverzeichnis
1. Primärliteratur
Nikolic, Miso: und dann zogen wir weiter. Lebenslinien einer Romafamilie. - Klagenfurt / Celovec: Drava 1997.
Stojka, Ceija: Reisende auf dieser Welt. Aus dem Leben einer Rom-Zigeunerin. Hrsg. v. Karin Berger. - Wien: Picus 1992.
Stojka, Ceija: Weihnachten. - In: Romano Centro 11 (1995)
Stojka, Ceija: Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin. Hrsg. v. Karin Berger. - Wien: Picus Verlag 1988.
Stojka, Karl u. Reinhard Pohanka: Auf der ganzen Welt zu Hause. Das Leben und Wandern des Zigeuners Karl Stojka. - Wien: Picus Verlag 1994.
11. 2. Sekundärliteratur
Eder, Beate: Geboren bin ich vor Jahrtausenden . Bilderwelten in der Literatur der Roma und Sinti. Mit einem Vorwort von Erich Hackl. Hrsg vom Slowenischen Institut zur Alpen- Adria- Forschung. - Klagenfurt: Drava Verlag 1993.
Eder, Beate: Literatur einer Minderheit. - In: Stimme 17 (1994).
Ich geb' Dir einen Mantel, daß Du ihn noch in der Freiheit tragen kannst. Wiedersehen im KZ. Österreichische Frauen erzählen. Hrsg. v. Karin Berger. - Wien: Promedia 1987.
Jeder ist anderswo ein Fremder. Eine Anthologie mit Texten und Interviews der Autoren und Autorinnen der Schreibwerkstatt für ZuwanderInnen und Angehörige ethnischer Minderheiten in Österreich 1995/96 im Amerlinghaus. Hrsg. v. Christa Stippinger. - Wien 1996 (= Interkulturelle Reihe des Vereins Exil im Amerlinghaus. Bd. 1).
Meier - Rogan, Patrizia (Hrsg.): Ceija Stojka. Bilder & Texte. 1989 - 1995. - Wien 1995.
Nitsche, Gerald (Hrsg.): Österreichische Lyrik und kein Wort Deutsch. - Innsbruck: Haymon 1990.
Rohringer, Margit: Ein Leben durch Welten. Karl Stojka/ Reinhard Pohanka, Auf der ganzen Welt zu Hause. Das Leben und Wandern des Zigeuners Karl Stojka. Wien: Picus Verlag 1994. - In: Stimme 14 (1995).
Roma: das unbekannte Volk. Schicksal und Kultur. Hrsg. v. Mozes F. Heinschink und Ursula Hemetek. - Weimar: Böhlau 1994.
Stippinger, Christa: Jeder ist anderswo ein Fremder. Bericht einer interkulturellen Schreibwerkstatt. - In: Ide. Informationen zur Deutschdidaktik. 20 (1996).
Stippinger, Christa: Schreiben zwischen den Kulturen. Eine Anthologie. Wien 1997.
Wege zu Minderheiten. Ein Handbuch.- Hrsg. v. Ursula Hemetek für die Initiative Minderheiten. - Klagenfurt: Drava-Verlag 1998 (= Edition Minderheiten. Bd.2).
Anmerkung: Da die Autoren sich z.T. selbst als "Zigeuner" bezeichnen, verwenden auch wir diesen Ausdruck ohne negative Assoziation für Roma- Angehörige.
Stojka, Ceija: Reisende auf dieser Welt. Aus dem Leben einer Rom-Zigeunerin. Hrsg. v. Karin Berger. - Wien: Picus 1992. S. 33.
Stojka, Ceija: Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin. Hrsg. v. Karin Berger. - Wien: Picus 1988. S. 28.
Vgl. Nitsche, Gerald (Hrsg.): Österreichische Lyrik und kein Wort Deutsch. - Innsbruck: Haymon 1990. S 7.
Ich geb' dir einen Mantel, daß du ihn noch in der Freiheit tragen kannst. Wiedersehen im KZ. Österreichische Frauen erzählen. Hrsg. v. Karin Berger. - Wien: Promedia 1987. S. 7.
vgl. Roma: das unbekannte Volk. Schicksal und Kultur. Hrsg. v. Mozes F. Heinschink und Ursula Hemetek. -Weimar: Böhlau 1994. S. 129.
Eder, Beate: Geboren bin ich vor Jahrtausenden. Bilderwelten in der Literatur der Roma und Sinti. -Klagenfurt: Drava 1993. S. 127.
Stippinger, Christa: Jeder ist anderswo ein Fremder. Bericht aus einer interkulturellen Schreibwerkstatt. - In: Ide. Informationen zur Deutschdidaktik 20 ( 1996 ) S. 85.
Jedermann ist anderswo ein Fremder. Eine Anthologie mit Texten und Interviews der Autoren und Autorinnen der Schreibwerkstatt für ZuwanderInnen und Angehörige ethnischer Minderheiten in Österreich 1995 / 96 in Amerlingerhaus. Hrsg. v. Christa Strippinger. Wien 1996 ( = interkulturelle Reihe des Vereins Wxil im Amerlinghaus Bd. 1 ). S. 233.
Anm.: Die Vorlesung fand unter der Leitung von Prof. Neugebauer mit dem Titel "NS-Herrschaft in Österreich zwischen 1938-45" statt.
Haupt | Fügen Sie Referat | Kontakt | Impressum | Nutzungsbedingungen