Chruschtschow wurde am 17. April 1894 in Kalinowka in der Ukraine geboren. Die fromme Familie Chruschtschow lebte in ihrer Hütte aus Lehm und Holz mit den Tieren unter einem Dach. 1908 verliess die Familie das Dorf und zog in die Stadt. Von einem regelmässigen Schulbesuch konnte keine Rede sein; Nikita unterstützte seine Familie indem er für sie arbeitete.
Mit zwanzig Jahren, in der Ukraine herrschte Unruhe und Chaos, heiratete Chruschtschow seine erste Frau. In seinem Heimatdorf Kalinowka trat er der bolschewistischen Partei bei und diente der roten Armee als Militärkomissar, eine Art "Aufpasser" innerhalb des Militärs. Durch sein Engagement gewann er das Vertrauen der Partei, denn als Militärkomissare wurden "nur untadelige Revolutionäre, zuverlässige Vorkämpfer des Proletariats und der Dorfarmut" zugelassen.
Nach dem Bürgerkrieg in der Ukraine (1918-1920) besuchte Nikita die Parteischule. Die Macht der Partei musste unbedingt gestärkt werden. Zu diesem Zweck erschien der impulsive Chruschtschow ideal. Die Partei gab Chruschtschow einen Stellvertreterposten in der Gegend, wo er früher selbst gearbeitet hatte, in der Grube Rutschenkowo.
1921 starb Chruschtschows erste Frau, er stand mit den zwei Kindern alleine da. Der Beginn der NEP, der neuen ökonomischen Politik, entfachte Chruschtschows Ehrgeiz für die Partei. Er besuchte ab 1922 die Arbeiterfakultät und übernahm dort schon bald die Aufgabe, die Studenten politisch zu erziehen. In dieser Zeit lernte Chruschtschow auch seine zweite Frau kennen, die er zwei Jahre später heiratete. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor.
Nach Abschluss seines Kurses an der Arbeiterfakultät, die übrigens eine grosse Ehre für Chruschtschow bedeutete, widmete er sich intensiv und voller Elan der Parteiarbeit. 1925 wurde er Parteisekretär des Bezirks Petrowo-Marinsk. Hier zeichnete sich bereits die Zukunft Chruschtschows ab: ein Leben für die Partei. Es war der eigentliche Start für Chruschtschows unaufhaltsamen Weg in die Parteizentrale nach Moskau. Sehr schnell wurde er genau dorthin beordert, um am Parteitag teilzunehmen. Dort stimmte die Mehrheit der Anwesenden der Führungslinie Stalins zu. Chruschtschow über seine erste Begegnung mit Stalin: "Ich war sehr beeindruckt von ihm. Wir alle waren sehr angetan von dem demokratischen Geist, den Stalin an den Tag legte."
Mit der Akzeptanz gegenüber Stalin begann der Kampf gegen die Opposition, gegen die Feinde der Partei. An dieser Verfolgung beteiligte sich Chruschtschow mehr oder weniger aktiv, in dem er Befehle aus der Zentrale ohne nachzufragen ausführte und weiterleitete. Bereits zweimal war Chruschtschow auf einem Parteitag in Moskau anwesend. Diese Anlässe entfachten seinen Ehrgeiz für die Partei immer wieder aufs Neue. Aber er hatte genug von dem Papierkram, mit dem er sich in seiner Stellung immer herumschlagen musste. Er liess sich nach Kiew versetzen, wo er zum Chef der Organisationsabteilung ernannt wurde. Organisation war schon immer Chruschtschows Stärke gewesen. Wohl gerade deshalb fand die Partei so Gefallen an ihrem unterwürfigen Mitarbeiter. Nach einem befriedigenden Jahr in Kiew hatte Chruschtschow die fixe Idee, die Moskauer Industrieakademie zu absolvieren. Ein schweres Unterfangen, besonders für jemanden, der aus dem Proletariat stammte. Nur ein winziger Bruchteil der Interessenten wurde auch wirklich zugelassen. Doch Chruschtschow erhielt die Zulassung. Der Proletarier hatte es geschafft.
An der Akademie wurde Chruschtschow sehr schnell politisch aktiv. Natürlich vertrat er voller Elan Stalins Linie. Es dauerte nicht lange, und 1921 wurde Nikita, der Parteichef der Hochschule zum Parteibeauftragten des Stadtbezirkes gewählt. Chruschtschows Traumkarriere konnte beginnen.
Nach Einzug in das gesamtstädtische Parteikomitee wurde er 1932 zum zweiten Sekretär des Stadtparteikomitees ernannt. Nach wie vor war Chruschtschow Stalin von Herzen ergeben. Und dies beruhte auf Gegenseitigkeit: Am Parteitag 1934 wird Chruschtschow in das Zentralkomitee berufen, um ein Jahr später, 1935, zum ersten Sekretär des Parteikomitees Moskau ernannt zu werden. In dieser Stellung war Chruschtschow nur noch Stalin untergeordnet. Er befand sich unmittelbar im Zentrum der Macht. In seiner einflussreichen Position packte Chruschtschow den Ehrgeiz wie nie zuvor. Sein erklärtes Ziel war es, die Stadt Moskau umzukrempeln. Sein wichtigstes Projekt in diesem Amt war wohl der Bau der Moskauer Untergrund Bahn, die er auch immer wieder "Seine Metro" nannte.
Dank seinem Engagement für die Stadt Moskau im Namen der Partei erhielt er im Alter von 41 Jahren seinen ersten Leninorden.
Zum erstenmal seit Revolution und Bürgerkrieg schien es im Land aufwärts zu gehen. Zur Festigung der Macht der Partei begann die grosse Zeit der Säuberungen. Stalin wäre allerdings machtlos gewesen, hätte er unter sich nicht eine ganze Armee blinder Helfer gehabt, die ihm nach wie vor vertrauten und seine Befehle ausführten. Unter diesen Untergebenen war auch Chruschtschow zu finden. Nikita begnügte sich weiterhin damit, die Anweisungen Stalins auszuführen. Nur ab und zu erhielt er einen Einblick in die Welt des politischen Terrors.
Oft führte Chruschtschow, wie er selber sagt, dabei "einen Kampf zwischen seinem Kopf und seinem Herzen". Denn nach wie vor stand er in der Gunst des Führers: Chruschtschow wurde in die Ukraine geschickt, um dort die Leitung des Parteikomitees zu übernehmen. Dazu Chruschtschow: "Ich sagte Stalin, das sei unmöglich, so viele Positionen zur gleichen Zeit! Er aber liess nicht locker. - Sie schaffen das! Suchen sie sich nur aus, wer ihnen helfen soll, sobald sie vor Ort sind .- Ich wusste, dass die Parteiorganisation von dort von oben nach unten durchgeschüttelt worden war. Aber ich streite gar nicht ab, ich war geschmeichelt, dass mir ein so hoher Posten anvertraut wurde."
Im Zuge des Hitler-Stalinpaktes 1939 wurde Chruschtschow in annektierte Gebiete geschickt, um dort die Ideen der Sowjetunion populär zu machen. Die Deportationen - Zitat: "dienten dazu, den Sowjetstaat zu stärken!"
1941 griff Deutschland die Sowjetunion an. Doch Chruschtschow erschien in den Augen von Stalin plötzlich nicht mehr wichtig, er wurde von anderen Funktionären ins Abseits gedrängt. Wer würde die Gunst Stalins für sich behalten können?
1942 schien für Chruschtschow das Aus gekommen zu sein: Die rote Armee wird bei Charkow von den Deutschen eingekesselt. Chruschtschow zu diesen Ereignissen: Zitat S. 68
Dieses Erlebnis war ein Schnitt in Chruschtschows Leben. Er hatte Stalin von einer ganz anderen Seite kennen gelernt, als er dies von früher gewohnt war. Hatte er bisher untertänigst zu Stalin aufgeschaut, so war dieses Erlebnis der Geburtsmoment von Chruschtschows späterer Entstalinisierung.
Doch nach dem Tiefschlag von Charkow folgte der Triumph von Stalingrad. Auch Chruschtschow soll auf diesen Sieg einen grossen Einfluss ausgeübt haben. Erneut folgten dadurch Eifersüchteleien und Machtkämpfe zwischen Stalins Gefolgsleuten.
Im Sommer 1944 kehrte Chruschtschow nach Kiew zurück, wo er als Partei- und Regierungschef der Ukraine tätig war. Stalin verhielt sich gegenüber ihm nun kühl und bestimmt. Chruschtschow entdeckte in dieser Zeit immer mehr Widersprüche in Stalins Worten und Taten. Und doch wurde er 1949 in die Parteizentrale von Moskau beordert. In den letzten Jahren Stalins gelang es Chruschtschow immer wieder, sich in dessen Gunst zu ziehen.
Stalin starb am 5. März 1953. Nach harten Kämpfen um Stalins Nachfolge, Verhaftungen von Konkurrenten und geschickten Politspielen gelang es Chruschtschow, sich vom Zentralkomitee zum ersten Sekretär ernennen zu lassen. Nun war die Zeit reif, dem Stalinkult ein Ende zu setzen. Seine berühmte Geheimrede auf dem XX. Parteitag begann er wie folgt:
Anfang Geheimrede
Nach dem Tode Stalins setzte ein Wandel in der Politik seiner Nachfolger ein und die innere wie auch die äussere Lage der Sowjetunion änderten sich grundlegend. Die neue Führung distanzierte sich von Stalins willkürlichen Herrschaftsmethoden und begann mit der Anderung der erkannten Fehler des Führers. Zu diesen Massnahmen gehörten die Beseitigung einiger der engsten Vertrauten Stalins, das Ende seiner Verehrung und die Milderung der Bedingungen in den Straflagern. Im Zuge dieser Korrekturen wurde jedoch das uneingeschränkte Machtmonopol der Partei nie angezweifelt.
Zeitgleich zu diesen Entwicklungen begann man, die Unterdrückungsmassnahmen und die wirtschaftlichen Auflagen in den Sowjetstaaten zu lockern, ein Prozess, der bis Ende 1955 anhielt und massgeblich zu verbesserten Lebensbedingungen beitrug.
Auf dem Parteitag leitete Chruschtschow einer Geheimrede über Personenkult und Herrschaftsmethoden Stalins eine Periode der Entstalinisierung ein. Chruschtschow prangerte in seiner Rede Stalin und den Stalinismus an, verurteilte gleichzeitig aber auch die Herrschaft der Geheimpolizei und forderte mehr individuelle Freiheit sowie eine allgemeine Liberalisierung der Regierung. Diese ausdrückliche Verurteilung des bis anhin vorherrschenden Stalinismus war - Zitat 'ein stillschweigender Ruf nach Reformen in der gesamten kommunistischen Welt.' Von nun an war die Unfehlbarkeit Moskaus, von der man rund 30 Jahre lang ausgegangen war, in Frage gestellt.
Dieser Parteitag hatte jedoch noch weitreichendere Folgen. Seit 1956 war die Sowjetunion im Besitz einsatzfähiger Atomwaffen, womit das 'Gleichgewicht des Schreckens' erreicht worden war. Ein Atomkrieg zwischen den beiden Grossmächten USA und Sowjetunion war nach Chruschtschows Auffassung 'selbstzerstörerisch und für beide Seiten nicht zu gewinnen.' Der Leitsatz, 'dass Kriege unvermeidlich sind, so lange es den Imperialismus gibt', sei damit überholt. Gewiss seien die ideologischen Differenzen unüberbrückbar, gab Chruschtschow am 6. November 1957 bekannt. 'Das schliesst aber die friedliche Koexistenz und den friedlichen Wettbewerb zwischen den sozialistischen und den kapitalistischen Ländern nicht aus.'
Die militärische Konfrontation sollte nach Chruschtschow in der Koexistenz durch den friedlichen Wettbewerb abgelöst werden. Dieser werde zeigen, 'welches System lebensfähiger ist, welches System den Erwartungen der Völker mehr entspricht und sowohl die materiellen als auch geistigen Bedürfnisse der Völker ausgiebiger befriedigen kann.' Er war der Ansicht, die Sowjetunion hätte gute Aussichten, 'diesen Wettbewerb gewinnen zu können und damit der kapitalistischen Welt eine Niederlage zu bereiten.'
Chruschtschow war 60 Jahre alt, als er als erster Sekretär die Geschäfte der Sowjetunion an die Hand nahm. Opposition wurde nach wie vor nicht geduldet, allerdings blieb es bei Verhaftungen.
Im März 1958, fünf Jahre nach Stalins Tod trat Chruschtschow das Alleinerbe Stalins an. Er war nun neuer Regierungschef der Sowjetunion. Zitat S. 96
Chruschtschow überzeugte wenig. Zwar war der Wille für Reformen da. So wollte er mit der Schwerindustrie die Industrialisierung ankurbeln, mit Ansiedlungen in abgelegenen Gebieten die Bevölkerungspolitik revolutionieren. In der Landwirtschaft wollte er mit Anbau von Mais den Lebensstandard der Bevölkerung steigern. Mit seinem "Gulaschkommunismus" prägte er das Bild vom Kommunismus der amerikanischen Lebensweise. Sicherlich konnte Chruschtschow Erfolge verbuchen. Aber viel zu schnell hatte er den Ruf des Grossmauls. Er legte sich mit den USA an, versprach das grüne vom Himmel. Irgendwann hatten die Leute einfach genug von seinen leeren Versprechungen. Dazu kam, dass sich Chruschtschow als Diplomat äusserst unfähig anstellte. So sprang er während einer internationalen Versammlung von seinem Stuhl auf, schlug mit seinem Schuh auf den Tisch und rief: "Warum darf dieser Nichtsnutz, dieser Speichellecker, dieser Fatzke, dieser Imperialistenknecht und Dummkopf - warum darf dieser Lakai der amerikanischen Imperialisten hier Fragen beantworten, die nicht zur Sache gehören?"
Im Herbst 1962 folgte die Kubakrise, von der wir ja schon gehört haben. Und mit dem glücklichen Ausgang dieser Krise war das unglückliche, politische Ende Chruschtschows besiegelt. Er wurde von seinem Amt enthoben. Ein Auszug aus dem Vorwurfsregister: gedankenlose Führung der Staatsgeschäfte, Einsame Entscheidungen, Sprunghafte, einander widersprechende Reformen in Industrie, Landwirtschaft und Verwaltung, mangelnde Selbstbeherrschung und Grosssprecherei.
Chruschtschow zog sich zurück. Mit 77 Jahren erlag er einem Herzleiden. Er wurde auf einem Friedhof in Moskau begraben, nicht wie andere Staatsoberhäupter in der Kremlmauer. Die Menschen sahen nicht den Menschen, der sie von dem Stalinkult befreit hatte, sondern nur den Menschen, der sie an den Rand des atomaren Krieges geführt hatte.
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