deutsche Geschichte,
Entstehung des alten dt. Reichs: Aus den zahlr. german. Kleinstämmen der Zeit um Christi Geburt bildeten sich größere Stammesverbände neu (z. B. Sachsen, Franken, Alemannen). Sie besetzten auch Gebiete innerhalb der röm. Reichsgrenze und übernahmen Grundelemente der lat. Kultur sowie Reste der spätantiken Verwaltungs- und Wirtschaftsstrukturen. Die dt. Stämme, mit anderen Völkerschaften im Reichsverband Karls d. Gr. vereinigt, lösten sich aus diesem Verband in den Verträgen der Reichsteilungen von Verdun (843), Meerssen (870) und Ribemont (880). Ludwig der Deutsche erhielt 843 das Ostfränk. Reich, 880 war mit dem Erwerb auch der W-Hälfte Lothringens im wesentl. die (bis 1648 gültige) Grenze zw. Frankreich und Deutschland festgelegt. Um 900 erstarkten im Abwehrkampf gegen Ungarn und Slawen die dt. Stammes-Hzgt.: Franken, Schwaben, Bayern und Sachsen. Mit der Wahl eines gemeinsamen Königs der dt. Stämme, Konrads I. (Regierungsjahre 911-918), wurde die Unteilbarkeit des Ostfränk. Reiches festgelegt. 920 tauchte der Begriff Regnum teutonicum (dt. Reich) auf. Seit dem 11. Jh. wurde der noch nicht zum Röm. Kaiser gekrönte Herrscher Rex Romanorum (Röm. König) genannt; staatsrechtl. war durch die Nachfolge der im dt. Reich gewählten Könige im röm. Kaisertum das (Sacrum) Romanorum Imperium (Hl. Röm. Reich) entstanden, das Deutschland, Reichsitalien (ab 962) und Burgund (ab 1032/33) umfaßte.
Ottonisch-salische Zeit (919-1137): Heinrich I. (Regierungsjahre 919-936), nur von Sachsen und Franken zum König erhoben, erlangte allmählich dank seiner Erfolge nach außen (Sieg über die Ungarn bei Riade 933) die Anerkennung auch in Schwaben und Bayern. Otto I., d. Gr. (Regierungsjahre 936-973), führte die Sicherung des Reiches nach außen und innen fort (Errichtung von 2 Marken 936/937, Sieg über die Ungarn auf dem Lechfeld 955). Stütze des Königs im Innern war der Episkopat (Reichskirchensystem). Die polit. Macht der Reichskirche führte im Zusammenhang mit der kluniazensischen Reformbewegung zum Widerstand des Papsttums gegen jede Art des Einflusses von Laien auf kirchl. Angelegenheiten, schließl. auch gegen die königl. Kirchenherrschaft. Im Investiturstreit gipfelte diese Entwicklung (1077 Gang Heinrichs IV. [Regierungsjahre 1056-1106] nach Canossa). Erst Heinrich V. (Regierungsjahre 1106-25), dem letzten König aus dem Haus der Salier, gelang mit dem Wormser Konkordat 1122 die Beendigung des Investiturstreites mit unterschiedl. Regelungen in Deutschland und Italien.
Zeit der Staufer (1138-1254): 1138 wurde der Staufer Konrad III. gegen den von Lothar von Supplinburg (Regierungsjahre 1125-37) designierten Welfen Heinrich den Stolzen zum König gewählt, was den stauf.-welf. Ggs. begründete. Friedrich I. Barbarossa (Regierungsjahre 1152-90) gelang 1178 die Unterwerfung der Welfen (Lehnsenthebung Heinrichs des Löwen). Seine größte territoriale Ausdehnung fand das Reich unter Heinrich VI. (Regierungsjahre 1190-97), als diesem das Kgr. Sizilien zufiel. Die durch seinen Tod ausgelösten Thronstreitigkeiten (welf.-stauf. Doppelwahl 1198) fanden erst 1212 ihr Ende, als sein Sohn Friedrich II. (Regierungsjahre 1212-50) zum dt. König gewählt wurde. Friedrichs Bemühungen um Wiederherstellung und Ausbau des Reichsgutes wurden durch die Fürstenprivilegien (1220, 1231/32) eingeschränkt, aber auch der Territorialpolitik der Reichsfürsten waren damit Grenzen gesetzt. Die Wiederaufnahme der stauf. Politik in Oberitalien führte zur Entstehung der Parteien von Guelfen und Ghibellinen, die erneuerte Auseinandersetzung mit dem Papsttum zur Wahl von Gegenkönigen (Heinrich Raspe 1246; Wilhelm von Holland 1247). Die Erben Friedrichs II. unterlagen im Kampf um die Herrschaft; der letzte Staufer, Konradin, wurde 1268 in Neapel hingerichtet.
Spät-MA (1254-1517): Nach einer Doppelwahl 1257 konnte sich erst Rudolf I. von Habsburg (Regierungsjahre 1273-91) wieder in Deutschland durchsetzen. Mit dem Erwerb der Hzgt. Österreich, Steiermark und Krain im O legte er den Grund der habsburg. Hausmacht. Heinrich VII. von Luxemburg (Regierungsjahre 1308-13) gelang 1310 der Erwerb Böhmens. Das Ausgreifen des Wittelsbachers Ludwig IV., des Bayern (Regierungsjahre 1314 bis 1347), nach Italien (1323) führte zur letzten großen Auseinandersetzung zw. Kaisertum und Papsttum. Die Ansprüche auf päpstl. Bestätigung ihrer Königswahl wiesen die Kurfürsten im Kurverein von Rhense 1338 zurück. Der gegen die rigorose Hausmachtpolitik Ludwigs gewählte Luxemburger Karl IV. (Regierungsjahre 1346-78) machte Böhmen zum Kernland des Reiches. Die Goldene Bulle (1356) gewährleistete unzweifelhafte Königswahlen und schuf mit der Sicherung der Vorzugsstellung der Kurfürsten eine starke Klammer des Reichsverbandes. Unter den Königen Wenzel (Regierungsjahre 1378-1400) und Ruprecht III. von der Pfalz (Regierungsjahre 1400-10) erfolgte eine weitere Schwächung der Königsmacht. Das Konstanzer Konzil (1414-18) unter Vorsitz Kaiser Sigismunds (Regierungsjahre 1410-37) rettete zwar die Reichseinheit, löste aber die Hussitenkriege aus (1419-36), die erst nach einem Vergleich beendet wurden (Prager Kompaktaten 1433). Die gegen Türken und Ungarn erforderl. Reichshilfen führten unter Maximilian I. (Regierungsjahre 1493-1519) zu direkten Verhandlungen mit den Reichsständen. Neben dem Ewigen Landfrieden war die Übernahme der Friedensgewalt im Reich durch die Reichsstände die wichtigste Änderung. Durch die Eheverbindungen seiner Enkel sicherte Maximilian den Anspruch auf künftigen Erwerb Böhmens und Ungarns für sein Haus.
Reformation und Gegenreformation (1517-1648): Den Ausgangspunkt der Reformation bildeten Luthers 95 Thesen vom 31. 10. 1517, zu deren rascher Verbreitung v. a. die Humanisten beitrugen; neben Luthers Lehre breitete sich im oberdt. Raum diejenige Zwinglis aus. 1521 verhängte das Wormser Edikt über Luther und seine Anhänger die Reichsacht. Während Kaiser Karl V. (Regierungsjahre 1519-56) 4 Kriege gegen Franz I. von Frankreich führte (1521-26, 1527-29, 1534-36 und 1542-44), fielen in Deutschland wichtige Entscheidungen. Das Landesfürstentum ging gestärkt aus dem Bauernkrieg (1524/25) hervor. Gegen den Beschluß der Durchführung des Wormser Edikts auf dem Reichstag zu Speyer 1529 unterzeichneten die ev. Reichsstände unter Führung Philipps I. von Hessen eine Protestation (nach der die Evangel. seither Protestanten genannt wurden). Der Ausgang des Reichstags in Augsburg 1530 gab den letzten Ausschlag zum Abschluß des Schmalkald. Bundes (1531) der prot. Stände, gegen den Karl V. 1546/47 siegreich militär. vorging. Am Ende der großen religiösen und polit. Bewegung der Reformation stand der Augsburger Religionsfriede von 1555 und damit die endgültige konfessionelle Spaltung Deutschlands. 18447hrn46vli8v
Gegen den in Lutheraner und Kalvinisten geteilten Protestantismus erfolgte die Gegenreformation, als deren polit. Zentrum Österreich und Bayern einen geschlossenen Block im S des Reiches bildeten. Im Anschluß an den Reichstag von 1608 bildete sich unter kurpfälz. Leitung die prot. Union, der 1609 - unter bayr. Führung - die kath. Liga gegenübertrat. Auch Kaiser Matthias (Regierungsjahre 1612-19) konnte die konfessionellen Ggs. nicht abbauen, und die entschieden kath. Haltung Ferdinands II. (Regierungsjahre 1619-37) führte 1618/19 zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Beendet wurde er durch den 1648 unter Garantie Frankreichs und Schwedens geschlossenen Westfälischen Frieden, dessen Bedeutung v. a. darin bestand, daß die Territorialisierung des Reiches in fast 300 landeshoheitl. Einzelstaaten legalisiert wurde.
Zeitalter des Absolutismus (1648-1789): Der Überwindung der sozialen und wirtschaftl. Katastrophe (v. a. der Bevölkerungsverluste) dienten u. a. staatl. gelenkte Bevölkerungspolitik, landwirtsch. Förderungsprogramme, Wiederbelebung des Handwerks in den Städten und verbesserte Möglichkeiten für den Handel. Der moderne, zentral regierte, antiständ. Staat fand in Brandenburg seit Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten (Regierungsjahre 1640-88), seine Verwirklichung. Der Friede von Oliva (1660) garantierte die Souveränität des Kurfürsten von Brandenburg im Hzgt. Preußen; 1701 erhob sich Friedrich III. von Brandenburg als Friedrich I. zum König in Preußen (Regierungsjahre bis 1713). Gleichzeitig stieg Österreich nach dem Sieg über die Türken 1683 zur europ. Großmacht auf. Damit war die Ausgangsbasis für das europ. Gleichgewichtssystem des 18. Jh. und seine krieger. Verwicklungen erreicht. In der Zeit Kaiser Leopolds I. (Regierungsjahre 1657-1705) wurde das Reich durch die Wechselwirkung zw. der Türkengefahr und der Expansionspolitik König Ludwigs XIV. von Frankreich bedroht. Nach dem Pfälz. Erbfolgekrieg konnte das Reich 1697 im Frieden von Rijswijk den erreichten Besitzstand in der Hauptsache wahren, der Verlust des Elsaß wurde sanktioniert. Der Ggs. Bourbon-Habsburg erreichte einen neuen Höhepunkt im Span. Erbfolgekrieg (1701-13/14) und mündete nach dem Erlöschen des habsburg. Mannesstamms in den Österr. Erbfolgekrieg (1740-48). Zwar behielt schließl. das habsburg. Erbhaus durch die Kaiserwahl des Gemahls der Maria Theresia, Franz I. Stephan (Regierungsjahre 1745-65), die vornehmste Stellung im Reich, doch der preuß.- österr. Dualismus verfestigte sich im Siebenjährigen Krieg (1756-63) und brach im Fürstenbund von 1785 und in den Poln. Teilungen erneut aus.
Das Ende des Reiches, die Napoleon. Epoche und die Gründung des Dt. Bundes (1789-1815): Angesichts der polit.-sozialen Bedrohung durch die Frz. Revolution trat der preuß.-österr. Ggs. zurück. Die von Kaiser Leopold II. (Regierungsjahre 1790-92) und König Friedrich Wilhelm II. von Preußen (Regierungsjahre 1786-97) 1791 vereinbarte Pillnitzer Konvention rief zur Intervention in Frankreich auf. Unter dem Druck der Koalitionskriege wurde die Auflösung des Reiches eingeleitet, dessen polit. und rechtl. Grundlagen der Reichsdeputationshauptschluß 1803 weitgehend zerstörte (Gründung des Rheinbunds1806). Das frz. Ultimatum zwang Franz II. (Regierungsjahre 1792-1806) zur Niederlegung der Kaiserkrone (6. 8. 1806); damit hörte das Hl. Röm. Reich auf zu existieren. Nach dem 4. Koalitionskrieg (1806/07), mit der Katastrophe Preußens nach Jena und Auerstedt und dem Frieden von Tilsit, sah sich der Großteil Deutschlands der europ. Hegemonie Frankreichs unterworfen. Die als Reaktion auf die Niederlagen durchgeführten preußischen Reformen verwirklichten nur bruchstückhaft den Umbau von Staat und Gesellschaft. Den Befreiungskriegen folgte im Wiener Kongreß mit der Gründung des Dt. Bundes eine Neuordnung Mitteleuropas.
Restauration und Revolution (1815-49): Mit den Ideen der Restauration, der Grundlage des sozial- konservativen "Systems Metternich", vermochten die monarch.-konservativ orientierten Politiker des Dt. Bundes der zur Mitbestimmung drängenden bürgerl. Gesellschaft die Stirn zu bieten. Der Gedanke der nat. Einheit und der Ruf nach Verwirklichung des Rechts- und Verfassungsstaats wurden durch die Karlsbader Beschlüsse (1819) unterdrückt, erhielt aber durch die frz. Julirevolution (1830) neue Impulse. Das Übergreifen der mit der frz. Februarrevolution 1848 einsetzenden Bewegung auf Deutschland in Gestalt der v. a. vom bürgerl. Mittelstand getragenen Märzrevolution mündete in die Frankfurter Nationalversammlung. Die Ablehnung der Kaiserkrone durch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen bedeutete das Scheitern der bürgerl. Revolution. rl447h8146vlli
Industrialisierung und bürgerl. Nationalbewegung (1850-71): Während v. a. in den süddt. Staaten die Reaktion nur zögernd einsetzte, wurde in der Habsburgermonarchie der Scheinkonstitutionalismus errichtet. In dieser Situation verfassungspolit. Rückschritts gingen entscheidende Änderungsimpulse von der Wirtschaftsentwicklung und dem zw. Preußen und Österreich erneut aufbrechenden dt. Dualismus aus. Die Führung in der dt. Frage beanspruchte auf Grund seines wirtschaftl. und militär. Potentials Preußen, wo das Erstarken des Liberalismus im Kampf um Reorganisation und Kontrolle der preuß. Armee zum preuß. Verfassungskonflikt zw. Krone und Abg.haus führte. Auf dem Höhepunkt der Krise wurde 1862 Bismarck zum Min.-Präs. berufen. Er zielte auf den Bruch des Dt. Bundes und eine Neugründung durch Preußen. Die schleswig-holstein. Frage und der Dt.-Dän. Krieg 1864 führten die beiden dt. Vormächte noch einmal zusammen. Preußens Vorgehen im Konflikt um Schleswig-Holstein (Besetzung Holsteins) und das von Bismarck dem Bundestag vorgelegte Reformprogramm (Neubildung des Bundes ohne Österreich) führten zum Dt. Krieg 1866, zu dessen wichtigsten innerdt. Folgen die Ausschließung Österreichs aus der dt. Politik und die Bildung des Norddt. Bundes gehörten. Eine diplomat. Prestigefrage, die span. Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen, gab im Juli 1870 Anlaß zum Dt.-Frz. Krieg 1870/71, der die kleindt. Reichsbildung durch Beitritt der süddt. Staaten (Kaiserproklamation 18. 1. 1871) vollendete.
Industrielle Massengesellschaft und unvollendeter Verfassungsstaat (1871-90): Die Wirtschafts- und Innenpolitik nach 1871 setzte den Weg der liberalen Kompromisse fort. Bismarck regierte mit den liberal-konservativen Mehrheiten im Reichstag und im preuß. Abg.haus, ohne von ihnen abhängig zu werden. Die große Depression seit 1873 brachte die organisierten Interessen des Großgrundbesitzes und der Schwerind. hinter Bismarcks Kurs der Orientierung auf das konservative Preußen, der Abwehr von Liberalismus und Parlamentarismus und der repressiven Lösung der sozialen Frage (Sozialistengesetz, 1878). Die Folgen dieser Politik konnte auch die konstruktive Sozialpolitik der 1880er Jahre nicht mehr rückgängig machen. Grundlage der Außenpolitik Bismarcks war die Idee des Gleichgewichts der europ. Mächte, wechselseitiger Sicherheit und des Interessenausgleichs; auf dieser Basis ist sein Bündnissystem zu verstehen (Dreikaiserbund 1873 und 1881, Zweibund 1879, Dreibund 1882, Mittelmeerabkommen und Rückversicherungsvertrag 1887).
Imperialismus und 1. Weltkrieg (1890-1918): Die große Verfassungskrise der 1890er Jahre, gekennzeichnet durch die Diskussion um das "persönl. Regiment" Wilhelms II., verwies auf jenen unbewältigten gesellschaftl. Wandlungsprozeß, den der Übergang vom Agrar- zum Ind.staat hervorrief. Ein konstruktiver Ansatz zu innerer Entspannung lag anfangs in dem "Neuen Kurs" der Innenpolitik (Fortsetzung staatl. Sozialpolitik zur Lösung der Arbeiterfrage, sozialpolit. Versöhnungskurs). Dieser Kurs konnte sich auf Dauer jedoch nicht durchsetzen; während sich in Preußen die konservativen Mehrheiten (Sammlungspolitik J. von Miquels) durchsetzen konnten, mußten im Reich die Kräfte des allg. Wahlrechts (Zentrum, Aufstieg der Sozialdemokratie) berücksichtigt werden. Die Reformansätze des Reichskanzlers T. von Bethmann Hollweg kamen jedoch zu spät. Die weltpolit. Gruppierung wurde seit der Jh.wende v. a. durch die Einbeziehung Großbrit. und Deutschlands (dt.-brit. Flottenrivalität) in zwei gegensätzl. Lager gekennzeichnet: Entente cordiale (später Tripelentente) bzw. Zweibund (der Dreibund wurde durch die stille Teilhaberschaft Italiens an der Tripelentente zur hohlen Form). Die Marokkokrisen 1905 und 1911 zeigten die Isolierung der dt. Diplomatie. Aus der bosn. Annexionskrise (1908/09) und den Balkankriegen entstand (1912/13) die Krisensituation, aus der nach dem Mord von Sarajevo der 1. Weltkrieg (1914-18) ausgelöst wurde. Während die parlamentar. Linke seit 1916 die Beendigung des Krieges verlangte und auf Einlösung des Versprechens verfassungspolit. "Neuorientierung" pochte, sahen die Gruppierungen der Rechten bis in das Zentrum hinein im Anschluß an die halbdiktator. 3. Oberste Heeresleitung (Hindenburg, Ludendorff) die Alternative zum Kurs innerer Reform. Erst die Stoßwellen revolutionärer Explosionen 1918 veränderten die innere Kräfteverteilung in Deutschland. Die Ausweglosigkeit der militär. Lage, verbunden mit den Friedensversprechungen der Vierzehn Punkte des amerikan. Präs. W. Wilson, führte Ende Sept. 1918 zur Bildung einer erstmals aus Parlamentariern bestehenden Regierung unter Prinz Max von Baden, deren Hauptaufgabe die Beendigung des Krieges wurde. Die Novemberrevolution war Ergebnis des Zusammenbruchs und beschleunigte nur in geringem Maß dessen Verlauf. Doch täuschte das Bild einer Revolution. Auf der Grundlage gegenseitiger Absicherung mit der Armee schaltete der Rat der Volksbeauftragten die mit ihm konkurrierende polit. Willensbildung des Systems der Arbeiter-und-Soldaten-Räte aus. In den Wahlen zur Nat.versammlung erhielten die Partner der Weimarer Koalition eine 3/4-Mehrheit und konnten weitgehend die Kompromißstruktur der Weimarer Reichsverfassung (11. 8. 1919) festlegen.
Die Weimarer Republik (1918-33): Im Ablauf der Geschichte der ersten dt. Republik lassen sich 3 Phasen unterscheiden: 1. Die Periode der Rekonstruktion, im Innern geprägt von der Schwäche der die Republik tragenden Parteien und von bürgerkriegsähnl. Angriffen auf die Republik von links (1919-23) und rechts (Kapp-Putsch 1920, Hitlerputsch 1923), begleitet von (ab 1922) galoppierender Inflation, Kapitalmangel und Zerrüttung der Wirtschaft. Außenpolit. bestimmte v. a. der Versailler Vertrag (28. 6. 1919) die Behandlung des besiegten Deutschland. Das Verhältnis zu Sowjetrußland wurde im Rapallovertrag 1922 bereinigt. 2. Die Periode der Stabilisierung auf der Grundlage der Währungsreform 1923 (Rentenmark) und der Neuordnung der Reparationen entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands (Dawesplan 1924). 1925 schuf der Locarnopakt (G. Stresemann) die Basis eines Systems kollektiver Sicherheit. Der als endgültige Regelung der Reparationen gedachte Youngplan 1929 führte dann zur verschärften Aktion des Rechtsradikalismus. 3. Die Periode der Auflösung der Republik 1930-33, gekennzeichnet durch autoritäre, auf das Notverordnungsrecht des Reichs-Präs. gestützte, parlamentar. zunächst durch Sozialdemokraten und Zentrum tolerierte (H. Brüning), ab 1932 v. a. vom Vertrauen Hindenburgs und durch die Unterstützung seitens der Reichswehr und der organisierten Interessen des Großgrundbesitzes getragene Regierungen (F. von Papen und K. von Schleicher). Verlauf und Ergebnis dieser Staats- und Gesellschaftskrise standen vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise, die ab 1929 das dt. Wirtschaftsleben lähmte, die Zahl der Arbeitslosen auf über 6 Mio. hinaufschnellen ließ und v. a. die Radikalisierung der polit. Gegensätze vorantrieb. Nach dem Scheitern der Regierung Schleicher wurde Adolf Hitler am 30. 1. 1933 Chef eines Präsidialkabinetts.
Das Dritte Reich (1933-45): Das Präsidialkabinett Hitler wurde mit Hilfe scheinlegaler Maßnahmen und offener Rechtsbrüche in 3 Stufen zur Einparteien- und Führerdiktatur: 1. enorme Machtsteigerung der Exekutive mit Mitteln des Präsidialregimes: u. a. erneute Auflösung des Reichstags; Einschränkung der Pressefreiheit; endgültige Gleichschaltung Preußens; Ausnahmezustand und Aufhebung der Grundrechte nach dem Reichstagsbrand; Ermächtigungsgesetz vom März 1933 als Legalitätsfassade. 2. Liquidierung des Rechtsstaats: u. a. "Säuberung" des Beamtenapparats und der Justiz von Demokraten und Deutschen jüd. Abstammung; Zerschlagung der Gewerkschaften, demokrat. Berufsverbände und aller nicht nat.- soz. Parteien. 3. Aufbau des totalitären Staats. Der Reichswehr gelang es zwar, ihr Monopol als Waffenträger gegen die SA durchzusetzen, doch mit dem von ihr gedeckten Vorgehen beim Röhm-Putsch (30. 6. 1934) und mit ihrer Vereidigung auf Hitler verlor sie ihre bisherige polit. Kontroll- und Garantiefunktion. Im Zuge der Krise um Reichswehrmin. Blomberg und den Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Fritsch, erfolgte 1938 die endgültige Gleichschaltung der aus der Reichswehr hervorgegangenen Wehrmacht.
Von Anfang an war die Herrschaft der Nationalsozialisten mit der Verfolgung der Juden verbunden. Diskriminierende Gesetze, die im April 1933 mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" begannen, steigerten sich 1935 zu den Nürnberger Gesetzen. Mit der "Arisierung" der Wirtschaft schloß Hitler die Juden aus dem Wirtschaftsleben aus und beraubte viele von ihnen ihres Eigentums. Der schon 1933/34 einsetzende Straßenterror der SA gegen Juden erreichte in der Kristallnacht (9./10. 11. 1938) einen vorläufigen Höhepunkt. Die terrorist. Züge des nat.-soz. Regierungssystems steigerten sich im Verlauf des Krieges. Die auf der Wannseekonferenz (1942) beschlossene "Endlösung der Judenfrage" führte zur Ermordung großer Teile des europ. Judentums im gesamten von Deutschland beherrschten Bereich in den Vernichtungslagern in Polen. Die Unterdrückungsmethoden gegen die Widerstandsbewegungen in den besetzten Gebieten sowie die Zwangsdeportation von "Fremdarbeitern" ins Dt. Reich verschärften die Grausamkeit des Kriegs. Unter den Eindrücken des Krieges verstärkten sich auch in Deutschland die Proteste gegen den nat.-soz. Totalitarismus (Widerstandsbewegung). 1938 und seit 1942/43 standen Militärs im Zentrum konspirativer Planungen zur Beseitigung des Systems (Attentat vom 20. 7. 1944).
Die Rückgewinnung des Saargebietes (1935), die Besetzung der entmilitarisierten Rheinlande (1936) und die Schaffung der Achse Berlin-Rom (1936; förml. Bündnis im Stahlpakt [1939]; Antikominternpakt [1936] mit Japan, 1937 durch Italiens Beitritt erweitert) täuschten im Innern eine erfolgreiche Außenpolitik des Hitlerstaates vor, die (eingeleitet vom Austritt aus dem Völkerbund 1933) im wesentl. Kriegspolitik war und seit 1935 in unverhüllt aggressive Politik überleitete. Die Einführung der Wehrpflicht (16. 3. 1935), der Anschluß Österreichs (Einmarsch 12. 3. 1938) und die Einverleibung des Sudetenlands, gedeckt durch das Münchner Abkommen vom 29. 9. 1938, gehörten bereits zur unmittelbaren Kriegsvorbereitung (Annexion der Tschechoslowakei 16. 3. 1939). Mit dem trotz brit. Garantieerklärung (31. 3. 1939), aber mit Rückendeckung durch den Deutsch- Sowjetischen Nichtangriffspakt (23. 8. 1939) unternommenen Angriff auf Polen entfesselte Hitler den 2. Weltkrieg.
Der Kriegsausgang (Gesamtkapitulation der dt. Wehrmacht am 7./8. 5. 1945) besiegelte das Ende des dt. Nationalstaats in der Form, die er 1867/71 erhalten hatte. Die Ermordung von mindestens 5,5 Mio. Juden, mehr als 20 Mio. Tote in der UdSSR, 4,5 Mio. in Polen, 1,7 Mio. in Jugoslawien, 800 000 in Frankreich, 400 000 in Großbrit., 7,6 Mio. Tote in Deutschland, mehr als doppelt so viele Flüchtlinge, Verstümmelung und Teilung des Landes waren die Bilanz des NS-Staates.
Die Teilung Deutschlands (1945-49): Gemäß den Vereinbarungen der Konferenz von Jalta (Februar 1945) verkündete die Berliner Viermächteerklärung vom 5. 6. 1945 die "Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtl. Deutschlands" durch die USA, die UdSSR, Großbrit. und Frankreich, die Einteilung in 4 Besatzungszonen und die Bildung des Alliierten Kontrollrats als oberstes Organ der Regierung Deutschlands durch die 4 Siegermächte. Die Grundlinien der alliierten Deutschlandpolitik legte das Potsdamer Abkommen (2. 8. 1945) fest, in dem die USA, die UdSSR und Großbrit. u. a. die Abtrennung der dt. Ostgebiete festlegten. Bestimmend wurde jedoch der sich verschärfende Ost-West-Ggs., der in den kalten Krieg mündete und ab 1945 zur Entstehung zweier getrennter sozioökonom. Systeme in der SBZ und in den Westzonen führte. Die Folgen von Flucht und Vertreibung 16,5 Mio. Deutscher aus Osteuropa, v. a. aus den dt. Ostgebieten, warfen weittragende Probleme der Eingliederung, v. a. in die westdt. Gesellschaft, auf. Dem Potsdamer Abkommen gemäß ging die Entnazifizierung - jeglicher Einfluß des Nat.-Soz. sollte ausgeschalten, aktive Nat.-Soz. sollten bestraft werden - einher mit der Verurteilung der Hauptkriegsverbrecher während der Nürnberger Prozesse. Außerdem beschlossen die Alliierten demokrat. Reedukationsmaßnahmen. In der SBZ initiierte die sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) im Juni/Juli 1945 die Bildung eines Blocksystems mit der Zulassung von 4 Parteien (KPD, CDU, LDPD, SPD), denen sich die Gründungen kommunist., christl., liberaler und sozialdemokrat. Parteien in allen Zonen noch 1945 zuordneten, ohne daß es zur Entstehung gesamtdt. Parteiorganisationen gekommen wäre. Im April 1946 erfolgte die Vereinigung von KPD und SPD der SBZ zur Sozialist. Einheitspartei Deutschlands (SED). In den Westzonen entstand ein pluralist. Parteiensystem, in dem die CDU/CSU und SPD dominierten. Nach dem Scheitern des Versuchs, gemeinsame Maßnahmen der Siegermächte zur Bewältigung der dt. Wirtschaftsprobleme zu vereinbaren, schritten die USA und Großbrit. zur wirtschaftl. Vereinigung ihrer Besatzungszonen in Gestalt der Bizone (1. 1. 1947; am 8. 4. 1949 durch Anschluß der frz. Besatzungszone zur Trizone erweitert), der durch Konstituierung eines Wirtschaftsrats (25. 6. 1947), später eines Exekutiv- und eines Länderrats, Elemente der Staatlichkeit verliehen wurden. Auf Gründung und Ausbau der Bizone antwortete die SED im Dezember 1947 mit dem Dt. Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden, der als verfassunggebende Körperschaft den Dt. Volksrat (März 1948) bildete; mit der Dt. Wirtschaftskommission (14. 6. 1947) war in der SBZ bereits ein zentrales Exekutivorgan geschaffen worden. Das von dem im September 1948 konstituierten Parlamentar. Rat am 8. 5. 1949 verabschiedete, am 12. Mai von den Militärgouverneuren genehmigte Grundgesetz (GG) für die BR Deutschland wurde am 23. 5. 1949 verkündet. Die östl. Seite zog nach: Die vom Verfassungsausschuß des Dt. Volksrats ausgearbeitete Verfassung der DDR wurde vom 3. Dt. Volkskongreß angenommen (30. 5. 1949) und vom 2. Dt. Volksrat verabschiedet (7. 10. 1949). Von 1949-90 vollzog sich die d. G. in getrennten Bahnen.
Die Deutsche Demokratische Republik (DDR; 1949-90): Die Einsetzung des Volksrats als Provisor. Volkskammer und die Verabschiedung der Verfassung (7. 10. 1949) sowie die Einsetzung der Regierung Grotewohl bildeten den Abschluß der "antifaschist.- demokrat. Revolution" und leiteten über zur Periode der "sozialist. Revolution". Die Gesellschaft wurde trotz der bürgerlich-demokrat. Verfassung nach sowjet. Vorbild organisiert. Parteien und Massenorganisationen schlossen sich für die Volkskammerwahlen 1950 zur Nat. Front zusammen, die eine Einheitsliste unter Führung der SED aufstellte. Für den Abschnitt des sozialist. Aufbaus, dem im Mai 1952 mit der Aufstellung nat. Streitkräfte, zunächst als kasernierte Volkspolizei, das entscheidende Machtmittel gegeben wurde, galten im Sinne des sowjet. Grundmodells die Zielpunkte: v. a. vorrangige Entwicklung der Schwer- Ind., Bildung von landwirtsch. Produktionsgenossenschaften, verschärfter Klassenkampf gegen bürgerl. Mittelstand, Intelligenz, Bauern und Kirchen.
Im Zuge der Verwaltungsreform vom 23. 7. 1952 wurden die 5 Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg aufgelöst und durch 14 Bezirke ersetzt. Die Politik des sozialist. Aufbaus wurde weder durch den Neuen Kurs (9. 7. 1953) noch durch den Aufstand des Siebzehnten Juni (1953) entscheidend verlangsamt. Ab 1956 beschleunigte die polit. Führung die Sozialisierung des Mittelstandes (Produktionsgenossenschaften des Handwerks, staatl. Beteiligung an Privatbetrieben, Kommanditgesellschaften des Handels) und verstärkte die Eingliederung in den RGW. Die ungünstigen Ausgangsbedingungen (schmale Energie- und Rohstoffbasis, Reparationen, Demontagen), zu hoch gesteckte Planziele v. a. in der Schwer-Ind., die bürokrat. Wirtschaftsordnungspolitik, die einseitige Ausrichtung des Außenhandels auf die "sozialist. Staatengemeinschaft" und polit. Faktoren hatten den 1. Fünfjahrplan (1951-55) mit erhebl. Rückständen abschließen lassen und den 2. Fünfjahrplan so belastet, daß er abgebrochen und durch einen Siebenjahrplan (1959-65) ersetzt werden mußte. Mit der 1960 abgeschlossenen "Vollkollektivierung" der Landwirtschaft und der Abriegelung O-Berlins (13. 8. 1961; Bau der Berliner Mauer) - und der DDR gegenüber der BR Deutschland insgesamt - infolge der Massenflucht aus der DDR, sah W. Ulbricht, der 1960 größte Machtfülle erlangt hatte, die Voraussetzungen für den Sieg "der sozialist. Produktionsverhältnisse" gegeben.
Mit der Akzeptierung der Oder-Neiße-Linie im Görlitzer Abkommen (6. 7. 1950), der Mitgliedschaft im RGW (29. 9. 1950) und der Mitbegründung des Warschauer Paktes (14. 5. 1955) gewann die DDR an polit. Gewicht im Rahmen der Ostblockstaaten. Dem entsprach die schrittweise Aufwertung der DDR durch die Sowjetunion: Die sowjet. Kontrollmission wurde (28. 5. 1953) durch einen Hochkommissar ersetzt; am 25. 3. 1954 und 20. 9. 1955 wurde die Souveränität der DDR von der Sowjetunion anerkannt und am 12. 3. 1957 der Vertrag über die Stationierung der sowjet. Truppen in der DDR unterzeichnet. Gleichzeitig wurde die Zweistaatentheorie formuliert, die die Deutschland- und Außenpolitik der DDR und der osteuropäischen Staaten lange geprägt hat. 1963 begann mit dem Neuen Ökonom. System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖSPL) eine Phase v. a. wirtschaftl. Reformexperimente. In ihr wurde die DDR eine Art Modell für die sozialist. Nachbarländer und stieg zur stärksten Ind.macht des Ostblocks nach der Sowjetunion.
Die im April 1968 durch Volksentscheid genommene neue Verfassung glich mit mehreren Gesetzeswerken einer sozialist. Rechtsreform (1961-68) das bis dahin weitgehend noch bürgerl.-demokrat. Verfassungsrecht der Verfassungswirklichkeit in der DDR an. Parallel zur Eingliederung in das sozialist. Bündnissystem entwickelte die DDR ein System bilateraler "Freundschaftsverträge" (1964 mit der Sowjetunion, 1967 mit Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn und Bulgarien), auf deren Grundlage weitere Abkommen über Handel, Verkehr, wiss. und kulturelle Verbindungen geschlossen worden sind. Internat. diplomat. Anerkennung blieb trotz einzelner Erfolge bis zum Ende der 1960er Jahre v. a. wegen der Hallsteindoktrin versagt. Am 3. 5. 1971 übernahm E. Honecker von Ulbricht das Amt des 1. Sekretärs der SED.
Im Zuge der neuen Ostpolitik der BR Deutschland (Dt.-Sowjet. und Dt.-Poln. Vertrag 1970; Berlinabkommen 1971; Grundvertrag 1972) wurde die DDR von fast allen Staaten diplomat. anerkannt und 1973 zusammen mit der BR Deutschland in die UN aufgenommen. Die von der DDR letztl. auch in Reaktion auf die neue Ostpolitik verstärkt verfolgte Politik der Abgrenzung gegen die BR Deutschland führte seit 1971 zu zahlr. Namensänderungen von Institutionen, bei denen der Bestandteil "deutsch" ersetzt wurde, schließl. zum Verzicht auf den Begriff "dt. Nation" in der geänderten Verfassung von 1974, in der auch die unwiderrufl. Verbindung der DDR mit der Sowjetunion festgestellt war.
Nach Jahren eines zieml. entspannten Verhältnisses zw. den beiden dt. Staaten verschärfte sich das Klima einige Zeit nach dem sowjet. Einmarsch in Afghanistan im Zusammenhang mit der Entwicklung um die freien Gewerkschaften in Polen seit 1980 erneut. Die Forderung nach voller völkerrechtl. Anerkennung der DDR durch die BR Deutschland wurde wieder verstärkt erhoben. In der Ost-West-Auseinandersetzung um die Stationierung amerikan. Mittelstreckenraketen in Europa (1983) versuchte die DDR- Führung das innerdt. Verhältnis ohne Rücksicht auf den Regierungswechsel in der BR Deutschland intakt zu halten.
Zahlreiche Rahmen- und Einzelvereinbarungen zeigten die Weiterentwicklung des dt.-dt. Verhältnisses (Kulturabkommen, hohe Kredite an die DDR, Verkauf der S-Bahn an den Senat von Berlin [West]. Ausbau der Straßenverbindung Berlin-Hamburg usw.). Der Staatsbesuch des Staatsratsvors. und SED- Generalsekretärs E. Honecker in der BR Deutschland im Sept. 1987 wurde weithin als endgültige Anerkennung der Eigenstaatlichkeit der DDR gewertet.
Nach wie vor führten jedoch Ausreisewünsche von DDR-Bürgern immer wieder zu Konflikten mit den Behörden. Z. T. nahm die Ev. Kirche sich der Ausreisewilligen an und zog insoweit die Gegnerschaft des Staates auf sich. Das generell gebesserte Verhältnis zw. Staat und Kirche war dadurch immer wieder Spannungen ausgesetzt. Die in der Sowjetunion unter den Schlagworten Glasnost und Perestroika von M. Gorbatschow vorangetriebenen Veränderungen waren nach Auffassung der DDR-Führung in der DDR unnötig.
Das innenpolitische Klima in der DDR verschlechterte sich rapide nach den Kommunalwahlen vom Mai 1989, die offensichtlich manipuliert worden waren. Polit. Drangsalierung, wirtschaftl. Mangel und niedriger Lebensstandard ließen immer mehr DDR- Bürger in den Botschaften der BR Deutschland in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn Zuflucht suchen.
Weder die anhaltende Ausreisewelle noch die Demokratiebewegungen in Ungarn und Polen, ab Nov. auch in der Tschechoslowakei, veranlaßten die DDR- Führung, den Forderungen nach demokrat. Reformen nachzukommen. Dies führte zunächst in den großen Städten, v. a. in Leipzig und Dresden, zu andauernden Protestdemonstrationen. Während der mit großem Aufwand begangenen Jubiläumsfeiern aus Anlaß des 40jährigen Bestehens der DDR im Okt. 1989 wurde nochmals deutlich, daß die Staats- und Parteiführung keine innenpolit. Kurskorrekturen vornehmen wollte.
Massenflucht und weiteres Anwachsen der Protestdemonstrationen erzeugten einen wachsenden Druck auf die Staats- und Parteiführung, dem diese nicht mehr gewachsen war. Am 18. 10. 1989 trat E. Honecker als Staats- und Parteichef zurück, E. Krenz wurde zum neuen Generalsekretär der SED bestimmt und übernahm am 24. 10. auch das Amt des Staatsratsvorsitzenden (bis 6. 12. 1989). Dennoch weiteten sich v. a. die Montagsdemonstrationen in Leipzig zu Massenprotesten aus. Der anhaltende Druck der Demonstrationen, die weitergehende Fluchtbewegung und das Scheitern eines neuen Reisegesetzes führten zur Öffnung der Grenzen zur BR Deutschland am 9. 11. 1989. In der Folge kam es zu Massenbesuchen von DDR-Bürgern in West-Berlin und den grenznahen Städten.
Die Volkskammer wählte am 13. 11. 1989 den SED- Bezirkschef von Dresden, H. Modrow, zum Nachfolger W. Stophs als Vors. des Min.rats. Er führte eine Reg.koalition aus SED und den bisherigen Blockparteien CDU (bis Jan. 1990), LDPD, NDPD und DBP, die sich zunehmend aus der polit. und organisator. Abhängigkeit von der SED lösten. Am 1. 12. 1989 strich die Volkskammer die führende Rolle der SED aus der Verfassung der DDR. Den im Verlauf des Dez. auf den Montagsdemonstrationen erhobenen Forderungen nach der dt. Einheit suchte die Reg. Modrow mit dem Konzept einer engen Vertragsgemeinschaft zu begegnen.
Weitreichende Vorwürfe wegen Korruption und Amtsmißbrauch gegen ehemalige Spitzenfunktionäre der SED führten seit Okt. 1989 mehrfach zu Umbildungen des Politbüros. Schließlich traten am 3. 12. das ZK und das Politbüro der SED geschlossen zurück. Auf einem vorgezogenen Sonderparteitag zw. dem 8. und 17. 12. gab sich die SED ein neues Statut und benannte sich in SED-Partei des Demokrat. Sozialismus (SED-PDS) um (seit Febr. 1990 nur noch PDS).
Zur Kontrolle der Regierungsarbeit konstituierten sich am 7. 12. Vertreter der Oppositionsgruppen (u. a. Neues Forum, Demokrat. Aufbruch, Sozialdemokrat. Partei [SDP]), der Blockparteien und der SED unter der Gesprächsleitung der Kirchen zu einem Runden Tisch. Dieses Gremium bestimmte Volkskammerwahlen für 6. 5. 1990 (später auf 18. 3. 1990 vorgezogen), setzte die Auflösung des in Amt für Nat. Sicherheit umbenannte Min. für Staatssicherheit durch und verhinderte die Gründung eines DDR-Verfassungsschutzes gegen den Widerstand der Regierung. Gemeinsam mit der Regierung erarbeitete der Runde Tisch einen Katalog wirtsch. Maßnahmen und Positionspapiere für die Verhandlungen zw. den beiden dt. Regierungen.
Ausgehend von dem von Min.präs. H. Modrow vorgestellten Plan einer Vertragsgemeinschaft legte Bundeskanzler Kohl Ende Nov. einen Zehn-Punkte-Plan zur dt. Einheit vor. Gespräche in Dresden (19. 12. 1989) und Bonn (13./14. 2. 1990) hatten die Ausgestaltung der dt.-dt. Beziehungen zum Gegenstand und führten zu Verhandlungen über eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion.
Im Verlauf des Wahlkampfs zu den Volkskammerwahlen bildeten sich eine Reihe neuer Parteien und Wahlbündnisse. CDU, Dt. Soziale Union (DSU) und Demokrat. Aufbruch (DA) bildeten das Wahlbündnis "Allianz für Deutschland". Die großen Parteien der BR Deutschland unterstützten den Wahlkampf ihrer Schwesterorganisationen in der DDR. Insgesamt stellten sich 24 Parteien zur Volkskammerwahl am 18. 3. 1990, überlegener Sieger wurde die Allianz für Deutschland und v. a. die CDU. Bei einer Wahlbeteiligung von 93,4 % erreichte die CDU 40,8 % und 163 Mandate, die Anfang Febr. in SPD umbenannte SDP 21,9 % (88 Mandate), die PDS 16,4 % (66 Mandate), die Liberalen 5,3 % (21 Mandate). Die DSU zog mit 25 Abg., das Bündnis 90 mit 12 Abg., die Demokrat. Bauernpartei mit 9 Abg., der DA mit 4 Abg. und der Demokrat. Frauenbund mit 1 Abg. in die Volkskammer ein.
Dem Vors. der CDU, L. de Maizière, gelang es, auch die SPD (Austritt aus der Koalition Ende Juli 1990) in eine Koalition aus Liberalen und Allianz für Deutschland einzubinden. Am 12. 4. 1990 wählte die Volkskammer L. de Maizière zum neuen Vors. des Min.rats und das neue Kabinett. Als Ziel seiner Politik nannte der neue Min.präs. die dt. Einheit, die möglichst bald auf der Grundlage des Art. 23 GG erreicht werden sollte. Die Verhandlungen über eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit der BR Deutschland wurden im April 1990 aufgenommen, am 2. 7. 1990 trat sie in Kraft. Die wirtschaftl. Verhältnisse ließen es der Regierung de Maizière angezeigt erscheinen, darüber hinaus die dt. Einigung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu erreichen. Im Verlauf des Aug. und Sept. wurde mit der BR Deutschland ein Staatsvertrag über die Vereinigung der beiden dt. Staaten ausgehandelt. Nach heftigen innenpolit. Diskussionen beschloß die Volkskammer den Beitritt der DDR zur BR Deutschland zum 3. 10. 1990. Nachdem auch die Sowjetunion und die Westalliierten ihr Einverständnis zu diesem Schritt gaben, hörte die DDR am 3. 10. 1990 auf, als selbständiger Staat zu existieren und ging in der BR Deutschland auf.
Die BR Deutschland (1949-89): Wichtige Schritte zur Gründung der BR Deutschland waren die Währungsreform (20. 6. 1948) und die Konstituierung des Parlamentarischen Rates (1. 9. 1948), der das als provisor. Verfassung gedachte "Grundgesetz" (GG) ausarbeitete, das am 23. 5. 1949 verkündet wurde. Die Sowjetunion reagierte auf die Gründung der BR Deutschland am 7. 10. 1949 mit der Gründung der DDR. Nach der 1. Bundestagswahl (14. 8. 1949) war die gemeinsame Fraktion von CDU und CSU stärkste Fraktion, die unter ihrem Partei-Vors. K. Adenauer als erstem Bundeskanzler mit der FDP und der Dt. Partei (DP) eine kleine Koalition bildete. Außenpolitisch erstrebte Adenauer die feste Integration der BR Deutschland in W-Europa und in das Bündnissystem des Westens, um v. a. die volle Souveränität zu erreichen und gleichzeitig die Sowjetunion zur Herausgabe der DDR zu zwingen (Politik der Stärke), und machte zur Erreichung dieser Ziele erhebl. Vorleistungen. Etappen der Erlangung der Souveränität waren das Petersberger Abkommen (1949), die Revision des Besatzungsstatus (1951), der Beitritt zur Europ. Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion, 1951/52) sowie die Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und des Deutschlandvertrags (1952), die die Sowjetunion vergebl. zu verhindern suchte. Erst auf Grund der 1955 in Kraft getretenen Pariser Verträge, die u. a. die Mitgliedschaft in der Westeurop. Union und in der NATO vorsahen, erhielt die BR Deutschland die (durch Vorbehaltsrechte der Westmächte eingeschränkte) Souveränität. Der innenpolit. Einfluß Adenauers wurde in der 2. (1953) und 3. (1957, absolute Mehrheit der CDU/CSU) Bundestagswahl entscheidend gegenüber der SPD gestärkt, die sowohl Adenauers Westorientierung als auch die Wiederbewaffnung der BR Deutschland ablehnte. Darüber hinaus führten Verbote der rechtsextremen Sozialist. Reichspartei (SRP, 1952) und der KPD (1956), die Einführung der Fünfprozentklausel (1953) sowie der Mindestanzahl von 3 Direktmandaten (1956) als Voraussetzung zum Einzug einer Partei in den Bundestag zur Verringerung des Parteienspektrums und zu einem Dreiparteiensystem (CDU/CSU, SPD, FDP). Wichtigste Ursache der Wahlerfolge der CDU/CSU und der innenpolit. Stabilität war ein durch die Marshallplanhilfe in Gang gesetzter und durch die Währungsreform unterstützter wirtschaftl. Aufschwung, der sich in einem privatkapitalist. Wirtschaftssystem, der sozialen Marktwirtschaft, entwickelte und in den Jahren des Wiederaufbaus zu einem ungeahnten quantitativen Wachstum ("deutsches Wirtschaftswunder") und relativem Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten führte. Der Wirtschaftsaufschwung der 1950er Jahre erleichterte die soziale Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge, die Beseitigung der Kriegsfolgelasten sowie die Rentenreform 1957 und bewirkte, daß sich die SPD in ihrem Godesberger Programm 1959 marktwirtschaftl. Argumenten öffnen mußte.
Außenpolitisch beharrte Adenauer auf dem Alleinvertretungsanspruch der BR Deutschland für Deutschland als Ganzes, erkannte die DDR nicht an, verhinderte mit Hilfe der Hallsteindoktrin die Aufnahme diplomat. Beziehungen der DDR mit westl. Staaten, blockierte aber gleichzeitig eine Öffnung der BR Deutschland gegenüber östl. Staaten. V. a. die 2. Berlinkrise 1958-61 und der von der BR Deutschland und den westl. Alliierten hingenommene Bau der Berliner Mauer (1961) zeigten das Scheitern dieser Politik auf; auch die Europapolitik blieb ohne die erhofften Erfolge. Bei der Bundestagswahl 1961 verlor die CDU/CSU ihre absolute Mehrheit, 1963 erzwang die FDP Adenauers Rücktritt. Sein Nachfolger als Bundeskanzler wurde der als Wirtschafts-Min. populäre L. Erhard (CDU), dem jedoch eine Überwindung der innen- und außenpolit. Stagnation nicht gelang und der bereits im Nov. 1966 durch den Rücktritt der FDP-Min. scheiterte. Der polit. Ausweg aus dieser Situation wurde in der Bildung einer Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD unter K. G. Kiesinger (CDU) als Bundeskanzler und W. Brandt (SPD) als Außen-Min. gesucht, die jedoch eine Schwächung der parlamentar. Opposition mit sich brachte und u. a. zur Bildung der außerparlamentarischen Opposition (APO) führte. Gegen den Widerstand von APO und FDP verabschiedete die Große Koalition 1968 die Notstandsgesetzgebung.
Die große Koalition stellte bereits 1966 die Weichen für eine neue, der amerikan. Entspannungspolitik angemessene Außenpolitik dem Osten gegenüber (Ostpolitik), deren Erfolge jedoch ausblieben. Erst die nach der Bundestagswahl vom Sept. 1969 gebildete Koalitionsregierung von SPD und FDP unter Willy Brandt als Bundeskanzler (sozialliberale Koalition) überwand diese außenpolit. Stagnation, indem sie gegen den erbitterten Widerstand v. a. der CDU/CSU- Opposition auf Alleinvertretungsanspruch und Hallsteindoktrin verzichtete, die Grenzen zu Polen bzw. zwischen der BR Deutschland und der DDR respektierte, worauf ihr 1970 der Abschluß des Deutsch- Sowjet. Vertrags und des Deutsch-Poln. Vertrags sowie das Berlinabkommen gelangen. Darüber hinaus kam es zu intensiveren Kontakten zwischen den beiden dt. Staaten, die schließlich zum 1973 in Kraft getretenen Grundvertrag und daraufhin zur Aufnahme beider Staaten in die UN (Sept. 1973) führten. Im Dez. 1973 wurde der Deutsch-Tschechoslowakische Vertrag unterzeichnet. Die wichtigsten innenpolit. Vorhaben (v. a. Bildungsreform, Mitbestimmungsgesetzgebung) gelangen jedoch nicht. Nachdem ein konstruktives Mißtrauensvotum im April 1972 gescheitert war, wurde die Bundestagswahl auf Nov. 1972 vorgezogen; die SPD wurde erstmals stärkste Fraktion. Im Mai 1974 trat W. Brandt zurück, nachdem ein wichtiger Mitarbeiter im Bundeskanzleramt, Günter Guillaume, als Spion entlarvt worden war (Guillaume-Affäre).
Bundeskanzler wurde H. Schmidt, der eine stärker pragmat. ausgerichtete Politik verfolgte, und v. a. Wirtschaftskrise, Inflation und Arbeitslosigkeit nat. und internat. zu bekämpfen suchte. Die Bundestagswahl am 3. 10. 1976 gewann die SPD/FDP-Koalition nur knapp, sie bildete aber wiederum eine Koalitionsregierung unter Schmidt, die nach Ansicht ihrer Kritiker sich nun v. a. der Verwaltung und Erhaltung von Bestehendem, nicht dessen Fortentwicklung widmete (u. a. 1977 Sanierung der Renten- und Krankenversicherung; 1977/78 Bekämpfung des nat. und internat. Terrorismus). Die zunehmende Unzufriedenheit und Enttäuschung in der Bevölkerung zeigte sich bei den meisten Landtagswahlen auch in einer Stärkung der CDU/CSU; 1979 wurde mit K. Carstens zum 1. Mal in der Geschichte der BR Deutschland ein Kandidat der Bundestagsopposition zum Bundes-Präs. gewählt. Die Bundestagswahl vom 5. 10. 1980 bestätigte bei einer deutl. Stärkung der FDP die sozialliberale Koalition. Die nur geringfügig veränderte Regierung unter H. Schmidt erklärte ihren Willen zur Weiterführung der Entspannungspolitik; im Innern führte die Einengung der finanziellen Möglichkeiten infolge der welt- und binnenwirtschaftl. Situation zu massiven Einsparungen im Bundeshaushalt - auch zu Lasten breiter Bevölkerungsschichten.
Bei den Beratungen über den Bundeshaushalt 1983 brach die sozialliberale Koalition auseinander und wurde nach dem Sturz Schmidts durch ein konstruktives Mißtrauensvotum des Bundestages (1. 10. 1982) von einer christl.-liberalen Koalition unter H. Kohl abgelöst, die durch die vorgezogene Bundestagswahl vom 6. 3. 1983 und die Wahl von 1987 bestätigt wurde. Der im Wahlkampf versprochene wirtschaftl. Aufschwung zeigte sich zunächst nur in bescheidenen Ansätzen, während die Arbeitslosigkeit weiter stieg. Zum Abbau der Staatsverschuldung folgten weitere empfindl. Einschnitte im sozialen Bereich. Zur Belastung der Regierung entwickelte sich ab Ende 1983 die Parteispendenaffäre, die im Juni bzw. Okt. 1984 zum Rücktritt von Wirtschafts-Min. O. Graf Lambsdorff und von Bundestags-Präs. R. Barzel führte. - Außenpolit. betonte die Koalition die Kontinuität der Außen-, Deutschland- und Sicherheitspolitik. Im Gefolge des NATO-Doppelbeschlusses von 1979 waren seit Nov. 1981 amerikan.-sowjet. Verhandlungen geführt worden. Nach deren Scheitern billigte im Nov. 1983 der Bundestag, begleitet von zahlreichen Protestkundgebungen der Friedensbewegung, die Stationierung von amerikan. Mittelstreckenraketen in der BR Deutschland. Nach dem Verzicht auf die Stationierung von Pershing-I-A-Raketen in der BR Deutschland wurde der Weg für die im sowjet.-amerikan. Mittelstreckenabkommen (Dez. 1987) erzielte doppelte Nullösung freigemacht. Im Aug./Sept. 1990 erfolgte außerdem der Abtransport sämtlicher amerikan. Chemiewaffen aus dem Gebiet der BR Deutschland.
Nach erheblichen Auseinandersetzungen mit der Opposition sowie innerhalb der Koalition und zw. Bund und Ländern wurde die Steuerreform im Juni 1988 vom Bundestag verabschiedet. Die Gesundheitsreform, die auf eine Ausgabenbegrenzung bei den gesetzl. Krankenkassen zielt, sieht u. a. eine verstärkte Selbstbeteiligung der Versicherten vor.
Die terrorist. Morde an dem Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts (* 1935, 1986) und an dem Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt Gerold von Braunmühl (* 1930, 1986) beeinflußten die Debatte um die Sicherheitsgesetze. Unter Verzicht auf eine Kronzeugenregelung nach angelsächs. Vorbild (Strafverzicht für rückhaltlose Aussage) einigte sich die Koalition auf eine Strafmilderung für aussagebereite terrorist. Mörder sowie auf ein gesetzl. Vermummungsverbot bei Demonstrationen.
Trotz weiteren Wachstums der Wirtschaft und einer steigenden Zahl von Erwerbstätigen blieb die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau (1987: 2,2 Mio. registrierte Arbeitslose; Arbeitslosenquote 8,9 %).
Der Besuch des SED-Generalsekretärs E. Honecker 1987 wurde als Impuls für eine Verbesserung der innerdt. Beziehungen gewertet. Diese waren indes neuen Belastungen ausgesetzt. Im Sommer 1989 wurden die Botschaften der BR Deutschland in Prag, Budapest, Warschau und die Ständige Vertretung in Berlin (Ost) von DDR-Flüchtlingen besetzt, die so ihre Ausreise aus der DDR erzwingen wollten. Die von der Sowjetunion ausgehende Politik der Perestroika und die dadurch möglichen polit. Veränderungen in Ungarn führten dazu, daß Ungarn die in dem Freundschaftsvertrag mit der DDR vorausgesetzten Gemeinsamkeiten als nicht mehr gegeben ansah, den Vertrag außer Kraft setzte und für die nicht mehr rückkehrwilligen DDR-Urlauber die Grenze nach Österreich öffnete, was zu einer Massenflucht in die BR Deutschland führte. Nach einem Einlenken der DDR konnten auch die Flüchtlinge aus den Botschaften in Prag und Warschau in die BR Deutschland ausreisen. Noch im Sept. 1989 reisten 15 000 DDR-Bürger in die BR Deutschland ein.
Der deutsch-deutsche Einigungsprozeß (1989/90): Mit der Öffnung der Grenzen zw. DDR und BR Deutschland (9. 11. 1989) trat in der öffentl. Diskussion - national und international - die Frage eines einheitl. dt. Staates auch in seiner histor.-polit. Problematik immer stärker in den Vordergrund. Der Min.-Präs. der DDR, H. Modrow, forderte eine Vertragsgemeinschaft als Ziel einer dt.-dt. Zusammenarbeit. Ausgehend von diesen Vorstellungen stellte Bundeskanzler H. Kohl einen Zehn-Punkte-Plan auf (28. 11. 1989), wonach die dt. Einheit über eine Konföderation erreicht werden sollte. Die aus den ersten freien Wahlen in der DDR (18. 3. 1990) hervorgegangene Regierung einer großen Koalition unter Min.- Präs. L. de Maizière strebte eine zügige Vereinigung an. In einem Staatsvertrag zwischen der BR Deutschland und der DDR (in Kraft seit 1. 7. 1990) wurden die Grundzüge einer Vereinigung beider Staaten, bes. durch eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion vereinbart. Dem zw. den Regierungen der DDR und der BR Deutschland ausgehandelten Einigungsvertrag (Sept. 1990) stimmte der Bundestag nach heftigen Kontroversen am 20. 9. 1990 zu, so daß der Beitritt zum 3. 10. 1990 wirksam werden konnte.
Der dt.-dt. Einigungsprozeß wurde begleitet von Verhandlungen der vier Siegermächte und der beiden dt. Staaten ( 2+4-Verhandlungen), um eine Einbettung in ein europ. Sicherheitskonzept zu erreichen. Polen forderte für sich eine Teilnahme an den Verhandlungen, weil seine Westgrenze von einer Vereinigung der beiden dt. Staaten berührt ist. Der dt. Bundestag (8. 11. 1989 und 8. 3. 1990) und die Volkskammer der DDR betonten die Endgültigkeit der poln. Westgrenze.
Das vereinte Deutschland (ab 1990): Für den neuen vereinigten Staat stellen sich insbes. die Probleme der Auflösung des Min. für Staatssicherheit der ehemaligen DDR, die Ankurbelung der Wirtschaft auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und die Bildung der noch von der Volkskammer der DDR beschlossenen Umgliederung in Länder. Die ersten Landtagswahlen am 14. 10. 1990 konnte außer in Brandenburg, wo die SPD gewann, die CDU für sich gewinnen Mit Polen wurde im Nov. 1990 ein Grenzvertrag ausgehandelt, der im Frühjahr 1991 durch einen Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zw. Deutschland und Polen ergänzt wurde.
Große Bedeutung erlangten in der Folge die Probleme in den neuen Ländern (Wirtschafts- und Finanznotstand, Arbeitsmarktproblematik), der zunehmende Rechtsextremismus und -terror (v.a. Anschläge auf Asylantenwohnheime sowie Fremdenfeindlichkeit) und die Fragen des Asylrechts. Daneben galt es, die sich aus der gewandelten polit. Einschätzung der Bundesrep. Dtl. ergebenden Fragen, z.B. nach Einsätzen der Bundeswehr im Rahmen von UNO-Missionen, rechtlich und politisch zu lösen.