F A C H A R B E I T
aus dem Fach
G E S C H I C H T E
Vorwort
Will man die russische Geschichte allgemein verstehen, muß man in erster Linie die Russen bzw. die Mentalität dieses Volkes, die sich aus verschiedenen Gründen von "der unseren" (sofern es so etwas wie eine deutsche Mentalität gibt) unterscheidet.
Das liegt zu einem großen Teil an der Größe sowie der besonderen Lage Russlands.
Russland erstreckt sich in West - Ost - Richtung vom finnischen Meerbusen bis zur Ratmanow - Insel im Beringmeer und in Nord - Süd - Richtung vom Kaukasus bis zum Nordpolarmeer.
Damit ist Russland das größte Land der Erde, und nimmt mit seinen 17.075.400 Quadratkilometern ungefähr ein Neuntel der gesamten Landmasse der Erde ein.
Russlands besondere Lage "zwischen" zwei Kontinenten führte dazu, daß die Russen sich weder richtig zu Europa noch zu Asien gehörig fühlten, was durch die geringe Bevölkerungsdichte (speziell in weiter vom russischen "Zentrum" Moskau abgelegenen Regionen) noch verstärkt wurde, da jede Region logischerweise eine andere Art der "russischen" Kultur hervorgebracht hat!
Trotzdem ist eine grobe Unterteilung Russlands in geographische Großeinheiten möglich, ja sogar nötig, will der nicht mit der Materie vertraute "Otto Normaleuropäer" einen Überblick über die dort herrschenden Verhältnisse erlangen.
So wäre da zum ersten das Europäische Russland, welches man (zumindest in Europa meistens meint, wenn man von "Russland" spricht), das aus dem Gebiet westlich des Uralgebirges besteht; zum zweiten Sibirien (das aufgrund seiner Unwirtlichkeit hierzulande schon lange ein (meist abschreckender) Begriff ist), welches sich östlich des Uralgebirges bis hin zum Pazifik erstreckt und das fernöstliche Russland, zu dem der äußerste Südosten und die pazifischen Küstenrandgebiete gehören, von denen der Durchschnittsmensch noch nie irgend etwas gehört hat.
Nichtsdestotrotz sind die beiden letzteren Gebiete, obwohl sie den größten Teil des Landes einnehmen, für die Politik und das daraus resultierende geschichtliche Verständnis eher unbedeutend, so daß ich mich in dieser Belegarbeit auf das europäische Russland beschränken werden, zumal es zur Zeit des Imperialismus und Kolonialismus, in der Russland zur Weltmacht aufsteigen sollte, aufgrund seiner Nähe zu den anderen Supermächten sowieso der zu dieser Zeit einzig bedeutende Teil Russlands war.
" Der russische Staat ist schon von den Zeiten der ersten russischen Fürsten an Rußland selber, das sich allmählich und unaufhaltsam nach allen Seiten ausdehnt, indem es die an es angrenzenden, unbewohnten Flächen besiedelt und sich die in seine Staatsgrenzen eingeschlossenen fremdstämmigen Einwohner anpaßt"
Nikolaj Danilewskij
(1822-1885)
Der Beginn von Imperialismus und Kolonialismus
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm zwischen den europäischen Mächten der Konkurrenzkampf mehr und mehr zu.
Was mit Englands Kolonien und der daraus resultierenden Seeherrschaft begann, nämlich die immer stärkere Ausbreitung und Ausdehnung eines Landes auf Basis von Kolonien, färbte auch auf andere europäischen Mächte ab, so daß der Rest der Welt immer stärker und schneller kolonialisiert wurde (was sich an der Aufteilung Afrikas sehr gut belegen läßt).
(All das begann anfänglich als "Wettstreit" zwischen den Staaten England und Frankreich, später kam auch noch die USA dazu; Deutschland spielte dabei anfangs überhaupt keine Rolle, da Bismarcks Friedenspolitik auf eine Stabilisierung der innereuropäischen Verhältnisse hinarbeitete und deshalb auf Kolonien für Deutschland aufgrund deren Gefahrenpotential für eben diese Friedenspolitik deutsche Kolonien von vornherein ausschloß. Das änderte sich erst mit Bismarcks "Rückzug" aus der Politik um 1890, der mit einer Kehrtwende in der deutschen Politik begleitet war. Kaiser Wilhelm I. wollte dann, ganz im Zeichen der Zeit, Deutschland zu eben solchem Glanz und Gloria führen, wie es die anderen europäischen Großmächte seit Jahren vormachten).
Diese stattfindende Ausbreitung was im Sinne des Bürgertums, das dadurch billige Rohstoffe und große Absatzmärkte erschloß; letztere waren dabei insofern wichtig, als daß für die Dank der Industrialisierung billig und in Massen herstellbaren Waren auch Abnehmer gefunden werden mußten, um den kapitalistischen Erfolg der Unternehmer aufrechtzuerhalten.
Die Tatsache, daß diese Form der Expansion zuerst in den Ländern mit dem fortschrittlichsten Gesellschaftssystem und dem am weitesten entwickelten Bürgertum einsetzte, legt die Vermutung nahe, daß ein starkes Bürgertum imperialistischen und kapitalistischen Tendenzen nicht nur förderlich, sondern dafür sogar zwingend notwendig ist.
Aber ein solches Bürgertum benötigt, wie gesagt, ein fortschrittliches Gesellschaftssystem, in dem die Unternehmer neben der wirtschaftlichen auch politische Macht haben kann (z.B. Republik oder konstitutionelle Monarchie).
Das war in den noch ziemlich absolutistischen Herrschaftssystemen Deutschlands und ganz speziell Russlands natürlich nicht der Fall, weshalb sich keine starke, die Industrialisierung vorantreibende Bourgeoisie herauskristallisieren konnte.
Russland
Situation Russlands in vorindustrieller Zeit
In der Zeit vor der Industrialisierung war Russland im Vergleich zu anderen europäischen Mächten wie beispielsweise England und/oder Frankreich sehr rückständig.
Während in England bereits im 17. Jahrhundert das Bürgertum politische Mitbestimmung forderte (und auch bekam), und auch Frankreich mit der französischen Revolution 1789 den Absolutismus in Form des Monarchen abschaffte, herrschten in Russland noch mittelalterliche Verhältnisse. Der Zar hatte die alleinige, uneingeschränkte Macht, und die Bauern waren Leibeigene der Gutsbesitzer. Es herrschte also noch tiefster Feudalismus, ein Bürgertum konnte sich nicht entwickeln, weshalb es auch zu keinem Sturz des alten Systems kam, was letztendlich eine Industrialisierung durch eben dieses Bürgertum verhindern würde.
Zar Peter I., auch genannt "der Große", war der erste, der diese Mißstände in Russland erkannte und dagegen etwas unternehmen wollte.
Dazu war es nötig, daß sich Russland an das damals weiter entwickelte Europa annäherte.
Deshalb unternahm Peter I. eine mehrmonatige Bildungsreise durch Europa und versuchte, die dabei gewonnenen Erkenntnisse als Reformen im eigenen Land durchzusetzen.
Obwohl er damit relativ erfolgreich war, und seine als Anbindung an Europa erbaute Hafenstadt St. Petersburg noch heute sehr wichtig für Russland ist, wurden seine Reformen nach seinem Tod nicht weiter konsequent fortgesetzt. Demzufolge änderte sich an der Situation in Russland bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wenig.
Industrialisierung und Aufstieg zur Weltmacht
Es ist sicher nicht weiter verwunderlich, daß auch Russland in die Riege der europäischen Großmächte aufsteigen wollte.
Dieses ehrgeizige Ziel scheiterte nur daran, daß die Voraussetzung für ein "Mitspielen in der ersten Reihe", die Industrialisierung des Landes und somit das Aufsteigen zur Wirtschaftsmacht nicht gegeben waren.
Die daraufhin vom russischen Kaiser aufoktroyierte Industrialisierung des Agrarstaates Russland gelang nur mit Hilfe ausländischer Investoren, die Russland als guten Absatzmarkt sahen.
Auf diese Art der "Fremdfinanzierung" gelang dem riesigen Reich tatsächlich eine gewisse wirtschaftliche Modernisierung, jedoch blieben die katastrophalen, feudalähnlichen, politischen Zustände im Land bestehen.[1]
Russland gelang es damit, militärisch aufzurüsten und sich so in die Reihen der imperialistischen Großmächte wie England, Frankreich, USA und (später auch) Deutschland einzureihen.
Da die Welt aber bereits aufgeteilt war, und Russland nun ebenfalls Expansionsabsichten hegte, sollte es nicht lange dauern, bis es in irgendwelche Konflikte mit den anderen Mächten verwickelt werden sollte.
Panslawismus und russische Expansion
Da Russland zum größten Teil von Slawen besiedelt wird, sah sich Russland schon immer als der "Beschützer" und als "Führungsmacht" aller slawischen Völker.
Das führte in Kombination mit dem sich neuentwickelten Nationalismus zu einer sehr expansiven Außenpolitik wie bei allen anderen europäischen Mächten, allerdings unterscheidet sie sich von diesen doch elementar.
Anstatt auf irgendwelchen fremden Kontinenten Eingeborene zu unterjochen und das Gebiet kurzerhand zur Kolonie zu erklären, "beschützte" Russland einfach angrenzende Nachbarstaaten (und davon gab es bei aufgrund der Größe des Landes wirklich genug) und annektierte diese kurze Zeit später.
Diese kontinentale Ausrichtung der Expansion hatte gewisse Vorteile.
Zum ersten entfiel die Notwendigkeit, eine starke Flotte als Transportmittel der Rohstoffe von den und der Waren zu den Kolonien, zum Zweiten sicherte die Nähe zum Mutterland ein schnelles Eingreifen heimatlichen Militärs bei eventuell auftretenden Unabhängigkeitsbewegungen, was die Chance auf sich unabhängig erklärenden Kolonien (wie z. B., es in den Neuenglandstaaten der Fall war) erheblich verringerte.
Auch fühlen sich die Kolonisten auf diese Weise irgendwie an das Mutterland gebunden, so daß sie sich früher oder später in dieses gänzlich eingliedern werden.
Eine solche Annexion begann immer mit der Intervention Russlands in einem seiner Nachbarstaaten, um diese vor "unzivilisierten Wilden" zu schützen, welche das durch einen Einfall in diesem Land das russische Reich bedrohen könnten.
Das ganze nannten die Russen dann Protektorate (Schutzherrschaften), und nachdem diese über das betreffende Gebiet eine gewisse Zeit aufrechterhalten wurde, annektierten sie das Gebiet offiziell; und das russische Reich wurde wieder ein Stückchen größer.
Diese Taktik der Gebietsvergrößerung wurde von Russland schon lange vor dem Zeitalter des Imperialismus betrieben, jedoch erreichte sie in dieser Epoche einen (traurigen) Höhepunkt und wurde vermehrt angewendet.
Ein schönes Beispiel dafür bilden von 1781 - 1741 die diversen Protektorate über die Kasachen, welche (wie oben beschrieben) 100 Jahre später zu Russland angegliedert wurde.
Der Zar als Initiator dieser Expansionspolitik expandierte in mehrere Hauptstoßrichtungen, um damit mehrere Ziele zu verfolgen.
Zum Ersten wollte er damit die Meerengenfrage lösen, bei der es für Russland um die Vorherrschaft auf dem Balkan, die Kontrolle des türkischen Bosporus und als wichtigsten Fakt um einen freien Zugang zum für den Handel wichtigen Mittelmeer ging.
Demzufolge zielte die erste Hauptstoßrichtung in Richtung Mittelmeer.
Die zweite Richtung, auf die Russland Wert legte, war die Expansion gen Mittelasien, um einen Zugang zum Indischen Ozean zu bekommen. Das führte zu Konflikten mit Großbritannien, da diese ihre Interessen im Afghanistan, dem Pufferstaat zur englischen Kolonie Indien bedroht sahen.
Diese Diskrepanzen wurden aber 1885 in einem Abkommen der beidseitigen Interessensphärenaufteilung beigelegt.
Zu guter Letzt breitete sich Russland verstärkt in Richtung Nordosten aus, was der Erschließung von Erschließung Sibiriens und der verstärkten russischen Präsenz an der Grenze zu China dienen sollte und nach den sogenannte "Ungleichen Verträgen", in denen China mehrere Randprovinzen an Russland abtreten mußte, schließlich 1900 in der Besetzung der rohstoffreichen und strategisch gut gelegenen Mandschurei gipfelte, welche auch ein wichtiger Absatzmarkt war, der nach der Fertigstellung der Transsibirischen Eisenbahn im Jahre 1905 auch relativ gut erreicht werden konnte.
Diese Expansion und verstärkte russische Präsenz wiederum mißfiel der gerade erstarkenden Macht Japan, das ebenfalls gerade versuchte, auf dem asiatischen Kontinent Fuß zu fassen, und so kam es 1904/05 zum russisch - japanischen Krieg.
Diesen verlor das Riesenreich überraschend, so daß Russland gezwungen wurde, die Mandschurei 1905 an China zurückzugeben.
1905 kam es dann in Russland zu einer Revolution, was ein vorläufiges Ende der russischen Expansionen zur Folge hatte.
Allerdings setzten die späteren kommunistischen Machthaber die seit dem Mittelalter bestehende Tradition des protektorieren und annektieren fort.
Mit dieser Expansionspolitik der letzten Jahrhunderte lassen sich auch die Spannungen und Konflikte erklären, die heute noch immer wieder die Gegenden in und um Russland erschüttern und die dortige politische Situation recht instabil und brüchig erscheinen lassen.
Fazit
Die derzeitigen Probleme in der Umgebung der jetzigen GUS-Staaten, welche aus der Sowjetunion und demzufolge auch aus dem Zarenreich Russland hervorgegangen sind, haben ihre Ursachen bereits in den einige Jahrhunderte zurückliegenden Expansionen Russlands, bei denen die Russen (wie andere Kolonialmächte zur Zeit des Imperialismus auch) nicht gerade zimperlich mit den dort ansässigen Einwohnern umgegangen ist.
Daraus und aus der daraus folgenden z.T. jahrhundertelangen Unterdrückungen dieser Volksstämme entwickelte sich eine gewisse Feindschaft gegenüber den Russen.
Diese scheinen aber auch derzeit keinen großen Wert auf eine ernsthafte Entspannung der Situation zu legen, da sie immer noch nach den Ansichten des Panslawismus zu handeln scheinen. Als bekanntestes Beispiel dafür ist die sofortige Intervention Russlands in der nach Unabhängigkeit strebenden Teilrepublik Tschetschenien, die in einem über 18 Monate dauernden Bürgerkrieg endete.
Allerdings schaffte Russland in der Vergangenheit durch sein z.T. sehr rücksichtsloses und brutales Vorgehen gegenüber anderen, besonders gegenüber nichtslawischen Minderheiten, die zuerst dem russischen Reich brutal einverleibt und dann in diesem noch verfolgt wurden.
Dies zeigt, daß die größte Ressource, die Russland besaß, schon immer die Ressource "Mensch" war, da es in den weiten des Landes wirklich genug Einwohner gab.
Deshalb nahm Russland schon immer (stärker als andere Staaten mit weniger Einwohnern) stärkere Verluste bei militärischen Interventionen in Kauf.
Und in militärische Aktionen war Russland in den letzten 200 Jahren aufgrund seiner Größe deutlich stärker als andere imperialistische Großmächte verwickelt.
Quellenverzeichnis
Microsoft Encarta Lexikon, Ausgabe 1998
Zeiten und Menschen, Bnd. G, Schroedel 1994
Weltgeschichte - 5000 Jahre, 1990 Vehling-Verlag
Students Network Inc. (http://www.cheat.net)
http://www.referate.com
PM-Magazin (7/91)
Microsoft Encarta 98 Weltatlas
Hulton Deutsch Collection
Erklärung
Hiermit erkläre ich, daß ich die hier vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe angefertigt habe.
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