Die Industrialisierung des Essens
Der Zwang, sich zu ernähren, also der Hunger, hat die Menschen erfinderischer gemacht, als es alle anderen Geschöpfe auf der Erde waren. Der Wunsch, besser zu essen, also der Appetit, wurde zur entscheidenden Triebkraft der Zivilisation.
Um bessere Nahrung erjagen zu können, brauchten die Urmenschen Geräte und Waffen, wieder neue dann zum Betreiben von Landwirtschaft. Da mussten immer neue Einfälle kommen, wie sie herzustellen seien. Dann, wie sie zu verbessern seien- und auch, wie zu verbessern sei, womit sie angefertigt wurden. Heute würden wir von Werkzeugmaschinen sprechen.
Sobald Ernährung nicht mehr nur darin bestand, rohes Fleisch von Kadavern zu verschlingen oder Baumfrüchte zu zerkauen, im wesentlichen seit Menschen Feuer machen konnten, richteten sich neue Energien auf die Zubereitung von Essen, bald auch von Getränken. Zum Kochen oder Braten oder Grillen bedurfte es zweckmässiger Geräte. Sie wurden erfunden, und um sie herum entstanden weitere. All das zog immer weitere Kreise - bis hin zur industriellen Revolution und unserer "Autozivilisation" von heute mit ihren Vor- und Nachteilen.
Um gut essen und trinken zu können, hat die Menschheit sich vieles einfallen lassen. Es ist eine gewaltige Geschichte und sie ist verblüffend eng mit der Weltgeschichte verknüpft und es lohnt sich diese zu kennen. Dazu gehören aber auch ihre Schattenseiten, die angefangen hatten, als der Mensch begann Vieh und Pflanzen zu züchten. Wegen der Vermehrung und Ausbreitung der Erdbevölkerung wurde der Beginn der Landwirtschaft als besonderer Glücksumstand gefeiert. Die Landwirtschaft unterteilte die Bevölkerung jedoch nicht nur nach ihren Fähigkeiten und Vorlieben, sondern sie legte auch schon die Grundlagen für die Spaltung in Satte und Hungrige, also in Reiche und Arme. Sie begann auch sogleich, ihre Umwelt zu verändern, teilweise zu zerstören, mit Folgen, von denen uns einige erst spät im 20. Jahrhundert klar wurden.
1765 drehte sich erstmals das Rad der in Schottland von James Watt erfunden Dampfmaschine und setzte die industrielle Revolution in Gang.
Der Begriff bezeichnet den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Fleiss, harte Arbeit, Sparsamkeit und nüchternes Gewinnstreben über den Eigenbedarf hinaus schafften das notwendige Privatkapital für Investitionen zum Bau von Fabriken. Von da an wuchsen Fabrikkamine in den Himmel Europas, und die Menschen zogen vom Land in die Städte. Die Bauern verdienten ihren Lebensunterhalt als Arbeiter in der Eisenindustrie oder im Schiffbau, als Docker oder Bergleute, die aus der Tiefe holten, was die gigantischen und unersättlichen Dampfmaschinen frassen. Die Entwicklung von Wirtschaft und Technik trug entscheidend zum Wohlstand der Menschen bei, führte aber auch zur Verelendung der Masse der ungelernten Arbeitskräfte, die am Ende der sozialen Skala stand und die Last des Fortschritts, wie keine andere Gesellschaftsschicht spürte.
Um die Ernährungssituation der Arbeiterschicht war es damals nicht gut bestellt Den in Fabriken arbeitenden Frauen und Männern fehlte es an Zeit und Geld für eine gesunde Ernährung. Kochen war zu jener Zeit noch eine ebenso aufwendige wie umständliche Arbeit. So wurden Kochherde noch mit Holzfeuerung betrieben und die wenigsten Haushalte verfügten über fliessendes Wasser. Die Arbeitswege waren oft lang, die Essenspausen hingegen kurz und so ersetzten immer öfter kalte Speisen oder gar Schnaps, als Aufputsch- und Betäubungsmittel, die währschaften, warmen Mahlzeiten in den Arbeiterfamilien. Allmählich begann sich jedoch die Überzeugung durchzusetzen, dass die mangelhafte Ernährung die Arbeiterbevölkerung für Krankheiten anfällig macht und zur überdurchschnittlich hohen Kindersterblichkeit in dieser Schicht beitrug.
Die Industrialisierung Mitte des 19.Jahrhunderts führte auch zur Gründung zahlreicher Fabriken der Lebensmittelverarbeitung. Anstoss war die Suche nach Lebensmitteln, die überall verfügbar und über einen längeren Zeitraum lagerfähig sind. Schliesslich ermöglichte der Ausbau des Transportnetzes bereits grössere Reisen, und auch der Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnort wurde zusehends länger.
Ausreichend Nahrung im eigenen Anbau zu ziehen wurde insbesondere in den Städten immer schwieriger, und die althergebrachten Möglichkeiten der Konservierung wie beispielsweise das Dörren oder Sauereinlegen von Obst und Gemüse reichten zur Deckung des Nahrungsmittelbedarfs bei weitem nicht mehr aus.
Parallel hierzu gewann die Wissenschaft neue Erkenntnisse über den Aufbau der Lebensmittel, und im Zuge des technologischen Fortschritts konnten Apparate gebaut werden, die die Bearbeitung und Verarbeitung von Lebensmitteln erlaubten.
Der junge Julius Maggi zeigte sich nach einer erfolgreichen Anstellung in einem Budapester Mühlenbetrieb, wo ihm innert zwei
Jahren der Aufstieg bis zum Vizedirektor gelingt, im praktischen Geschäftsleben voller Tatendrang. So gewinnt er schliesslich das Vertrauen seines Vaters, von dem er 1869, im Alter von 23 Jahren, die Hammermühle in Kemptthal übernimmt.
Die Müllereibranche befindet sich zu jener Zeit in einer Krise. Maggi versucht sich dieser Herausforderung durch das Erschliessen von neuen Produktionszweigen zu stellen. Seine Neugier und der Hang zum Tüfteln werden in höchstem Masse angeregt, als er von den Gedanken des Arztes Fridolin Schuler hört. Dieser hatte während seiner Tätigkeit als Schweizerischer Fabrikinspektor Ideen zur Verbesserung der Ernährung der arbeitenden Bevölkerung entwickelt. Fridolin Schuler propagiert zur Lösung dieses Problems ein neues Volksnahrungsmittel aus Hülsenfrüchten, den sogenannten Leguminosen. Diese bieten als billige Eiweissquelle einen hohen Nährwert und sind leicht verdaulich.
Maggi nimmt Kontakt auf zu Schuler und beginnt mit ihm an der Entwicklung des neuen Produktes zu arbeiten. Es folgten zwei Jahre des Forschens und Versuchens, bis Ende 1884 das erste industriell hergestellte Leguminosenmehl auf den Markt gebracht wird. Dabei versteht es Maggi geschickt die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, für die Schuler als Berater tätig ist, einzuspannen, welche für drei Jahre das Patronat für des neue Produkt übernimmt. Im Gegenzug verpflichtet sich Maggi, das Erzeugnis in der Schweiz zu einem fest vereinbarten Preis anzubieten.
Trotz beachtlicher Anfangserfolge will sich der Durchbruch nicht so recht einstellen. Unbeirrt setzt der optimistische Maggi seine Forschungen fort und erweitert das Angebot 1886 um die Maggi Fertigsuppen, die in der Folge das Leguminosenmehl allmählich ablösen. Im gleichen Jahr lanciert er die legendäre Maggi-Würze in der auffallenden braunen Flasche mit dem langen Hals. Dieses Produkt das bis heute noch sehr populär ist.
Bald folgen auch die Bouillons, die
als Kapseln und Würfel auf den Markt gebracht werden. Immer neue Produkte mit
verbesserter Zusammensetzung und anderen Formen werden entwickelt. Alles mit
der Absicht, dem modernen auf Zeitersparnis ausgerichteten Menschen eine
bekömmliche Mahlzeit zu ermöglichen.
Leguminosenmehl
Maggi ist vom Erfolg von seiner Produkte so überzeugt, dass er in den Jahren 1887-89 bereits Niederlassungen in Paris , Berlin, Singen, Wien und London gründet und eine Vertretung in den USA etablierte. Diese Expansionsstrategie trägt entscheidend dazu bei, Maggi und seine Produkte weltweit bekannt zu machen.
Maggi ist sich durchaus bewusst, dass unternehmerischer Erfolg allein durch Kapital und gute Produkte noch nicht gewährleistet ist. Handel und Kunden müssen über neue Produkte informiert und von ihrer Qualität überzeugt werden. Deshalb gründet er die eigene "Reclame und Presse Abteilung".
Als Julius Maggi 1912 im Alter von 66 Jahren starb, endet das Leben eines vielseitig interessierten Menschen, der getrieben von seiner grossen Neugier, ausserordentliche unternehmerische Leistungen vollbrachte.
Bis heute behaupten Maggis Produkte, besonders Suppen, Bouillons- und Flüssigwürze, erfolgreich ihren Platz im Markt. Das Sortiment hat mit Saucen, Trockenwürze, Fertiggerichten und anderen neuen Produkten über die Jahr so manche Erweiterung erfahren und wird immer noch ständig erneuert.
Mit der Einführung des Maggi QuickLunchs im
Jahre 1980 gelang es der Firma Maggi erstmals, Nudel- und Eintopfgerichte
herzustellen, die nur durch Übergiessen mit kochendem Wasser und nach einer
kurzen Wartezeit von 4 Minuten zum Essen bereit sind. Das neue Fertiggericht
zeichnet sich jedoch nicht nur dadurch aus, dass es nicht mehr gekocht werden
muss. Auch die Verpackung stellt eine bis dahin unbekannte Neuerung dar, denn
sie dient gleichzeitig als Zubereitungsgefäss und als Essgeschirr.
Deckel weg, heisses Wasser rein, fünf Minuten warten: Fertig ist der QuickLunch. Heute gibt's Kartoffelstock mit Fleischkügeli.
QuickLunch ist das Symbolmahl für die Moderne. Ideal für Singels und Berufstätige, für Kochfaule und Geschirrlose, Verzehrgut für Vereinzelte, die unter Zeitmangel ächzen und nach dem hastigen Happen ins Fitnessstudio hetzen oder ins Kino.
QuickLunch, das ist auch ein komplexes, technisch anspruchsvolles und von vielen Patenten geschütztes Gebilde. Die Rohstoffe fürs Essen müssen in der globalisierten Welt nicht unbedingt von nebenan kommen. Zwar gilt bei der Maggi-Mutter Nestlé, dem grössten Lebensmittelkonzern der Welt, der Grundsatz "food is local" (etwa: Essen braucht Heimat). Doch das gilt bei den Zutaten nur begrenzt. Die Rohstoffe für die "kulinarischen Trockenprodukte", wie beispielsweise der QuickLunch, lagern in einer weitläufigen Halle mit riesigen Regalen, in der Gabelstapler herumkurven oder Kräne schwere Säcke hochhieven. In der Maggi-Fabrik gibt es kein Pouletschnitzel, muss niemand Champignons putzen, und keiner wäscht Spinat. Das Poulet, zum Beispiel, befindet sich in einem Sack mit der Aufschrift "Huhn MLF-C-41-K E 32012200". Der Spinat liegt als Pulver in Kartons, die Milch als "Milchpulver Sprühgo" in 300-Kilo-Säcken. Champignons gibt es als Pulver Marke Dimodan PV von der dänischen Firma Danisco. Und falls das Pilzpulver geschmacklich ein wenig zu wünschen übrig lässt, liegt im Regal das Champignon-Aroma MAT-Nr. 50262600 von der deutschen Filiale des US-Konzerns IFF bereit.
Die QuickLunchs verdanken ihren Geschmack zumeist den Chemikalien in den Aromamixturen, das soll aber lieber nicht bekannt werden. Denn das Labor-Aroma ist die Leitsubstanz der industriellen Nahrungsmittelproduktion. Das Aroma wird, etwa für die Geschmacksrichtung Erdbeere, schon mal aus Sägespänen gewonnen, mitunter auch von kleinen Bakterien ausgeschieden, was ja manchem die Lust an "Frucht"-Jogurt verderben könnte.
So stellt sich natürlich die Frage, ob der QuickLunch auch der Gesundheit zuträglich ist. Wie Nestlé mitteilte, bestehen keinerlei gesundheitliche Risiken: Die verwendeten Zutaten seien auch bei regelmässigem und häufigem Konsum als gesundheitlich absolut unbedenklich einzustufen. Alle Zutaten seien vom Bundesamt für Gesundheit bewilligt und sehr sorgfältigen toxikologischen Prüfungen unterzogen worden.
Nun räumt das Bundesamt für Gesundheit allerdings ein, dass keinerlei Daten über den Gesamtkonsum an industriellen Lebensmitteln vorliegen. Die Belastung der Konsumenten durch eine vielleicht erhöhte Dosis von Zusatzstoffen, die bei geringem Konsum unbedenklich sind, kann das Amt deshalb gar nicht abschätzen.
Der Gast ist ungeduldig. Fünf Minuten sind es her, seit er seine Portion Teigwaren bestellt hat - und noch immer kein Essen in Sicht. 'So ist das heute', seufzt der Wirt, 'alles muss immer schneller gehen.' Dabei weiss jeder: Spaghetti, frisch al dente gekocht, brauchen eine Zubereitungszeit von acht bis zwölf Minuten.
Muss das wirklich so sein? Die Frage liess den Nestlé-Lebensmittelforschern keine Ruhe. Eine Weile lang schienen Hohlraum-Spaghetti die richtige Lösung zur Verkürzung der Kochzeit. Aber das Produkt kam nicht an. Die Konsumenten hätten 'das gewohnte Beissgefühl' vermisst, lautete der Befund. Also suchten die Tüftler weiter. Um die Kochzeit zu verkürzen, musste die Spaghetti-Oberfläche vergrössert werden. Das war die Aufgabe. Die Lösung? Eine neue Geometrie der Spaghetti.
Die traditionellerweise mit kreisrundem Durchmesser produzierten Teigwaren erhalten drei feine Kerben. Von vorn oder hinten gesehen - bei einem Spaghetti weiss man nicht so genau, was wo ist - gleicht die Schnittfläche einem Kleeblatt. Das Resultat: bei unveränderten Produkteigenschaften eine Kochzeit von bloss noch drei bis fünf Minuten.
'Trifoglio', wie die Erfindung heisst, sei in Grossbritannien und Japan gut angekommen, berichten die Spaghetti-Spezialisten. In der Schweiz ist das Produkt noch nicht auf dem Markt. Auch die Konsumenten im klassischen Land der Pasta, wo Nestlé mit Buitoni stark vertreten ist, werden nicht mit der Neuerung beglückt, da keine Nachfrage vorhanden sei. In Italiens Küchen gehen die Uhren anders.
Wie man sieht, die Nahrungsmittelindustrie kocht mehr und mehr für Konsumenten, die über wenig Zeit verfügen. Dank Tiefkühlgerät und Mikrowellenherd kann man innerhalb von Minuten eine heisse Mahlzeit zubereiten. Die wichtigsten Unternehmen der Nahrungsmittelbranche beschäftigen denn auch Küchenchefs und Meisterköche, die in Versuchsküchen neue Gerichte austüfteln. Ihre Rezepte werden von Ernährungswissenschaftlern und Verfahrenstechnikern den gesundheitlichen sowie den industriellen Forderungen angepasst. Spezialisten entwickeln die notwendigen Anlagen und Verpackungen, um die "Geheimnisse des Chefs" attraktiv zu präsentieren. Diese Entwicklungsarbeit, bei der Fachleute der verschiedensten Bereiche eng zusammenwirken, ist einer der Schlüssel für den Erfolg der modernen Nahrungsmittelindustrie.
Eine weitere Folge der Industrialisierung ist in unserem Essverhalten zu erkennen. Das ausgiebige, gemütliche Mittagsmahl mit Suppe, Fleisch, Beilage, Salat, Dessert, rituell beräuchert von einer Zigarre, war einst das Recht des Patrons, während die Arbeiter zur Mittagszeit ihre mitgebrachten Wurst- und Käsebrote auswickelten und dazu Milchkaffee oder Tee aus der Thermosflasche schlürften. Ins Restaurant? Unvorstellbar für den Arbeiter mit Familie. Dort assen die Verwaltungsangestellten und arbeiteten zielstrebig an der ihrem Stand gemässen Rundlichkeit.
Heute hingegen verzehren Büromenschen mitten auf der Strasse Pizzas, Hamburger oder Sandwiches, als hätten sie keine Zeit. Zeit haben schliesslich nur die, die man nicht braucht. Oder nicht allzu sehr braucht, so wie die Arbeiter und die Handwerker, die es sich bei einem Tagesmenü in einem Restaurant gemütlich machen.
Heute geht der Arbeiter ins Restaurant, doch der Manager oder ganz einfach der moderne, erfolgreiche Mensch im allgemeinen holt sich sein exotisches Gericht zum Mitnehmen in einem Take-Away. Dies wird aber nicht als Mangel wahrgenommen, sondern gehört zum guten Ton. Dadurch, dass er keine Zeit hat, in Ruhe Mittag zu essen, signalisiert der moderne Mensch, dass er unersetzlich ist und die richtigen Prioritäten zu setzen weiss. Während die eine Hand das Sandwich hält, kann die andere immer noch telefonieren, eine Maus bedienen oder fettfrei eine Akte durchblättern.
Deshalb liegen die exponierten Standorte der Take-Away-Branche sowie auch der Fastfood-Gastronomie dort, wo Geschäfts- und Büroräume dicht an dicht stehen, und wo Banken repräsentative Zentralen unterhalten. Je mehr das Leben rundherum pulsiert, desto sicherer ist die Kundschaft.
Wir bestimmen was wir essen
Natürlich wird es auch im 21.Jahrhundert nicht die Ernährung schlechthin geben. Vielmehr werden sich individuelle Stilrichtungen entwickeln, die nebeneinander von ein und derselben Person praktiziert werden können. Sei es als Verwender von industriell hergestellten Fertigprodukten, sei es als gesundheits- und körperbewusster Esser oder als Gourmet.
Man soll jedoch immer beachten, dass gesunde Lebensmittel zu den unverzichtbaren Lebensgrundlagen des Menschen gehören. Jedes technische Verfahren, das bei der Behandlung oder gar bei der Herstellung von Nahrungsquellen eingesetzt wird, muss deshalb überprüft werden, ob es zu gesunder Nahrung führt.
Heute und vor allem in Zukunft werden solche Kontrollverfahren auf Grund der neuartigen Manipulation aller Nahrungsquellen durch die Gentechnologie von sehr grosser Wichtigkeit sein.
Gentech beschäftigt die Menschen
Denn heute vollzieht sich beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit der Gentechnologie eine neue Revolution im Bereich der menschlichen Ernährung. Bereits ist es gelungen alle unseren wichtigen Lebensmittel wie Getreide, Gemüse, Obst, Fisch und Fleisch gentechnisch zu verändern. Nahrungsgrundstoffe wie Zucker, Protein, Fett werden durch gentechnisch optimierte Bakterien synthetisiert. Als Konsument industriell verarbeiteter Lebensmittel fragen wir uns besorgt, mit welchen gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Risiken die gentechnische Nahrungsmittelherstellung belastet ist. Die Gefahren erscheinen uns gerade deshalb nicht voraussehbar, weil sie nicht von toter sondern von lebender Materie ausgehen.
Verständlicherweise wollen die finanzstärksten Industrieunternehmen die Chance wahrnehmen durch die Gentechnologie den weltweiten Lebensmittelmarkt für sich zu erobern, indem sie bekanntmachen, dass mit Gen-Nahrung der Hunger der Welt gestillt werden könne.
Da bis heute gesetzliche Regelungen weitgehend fehlen, wäre es dringend notwendig Diskussionen über die Risiken, Grenzen und die Verantwortbarkeit dieser Technologie anzuregen. Es geht darum die Grenze zwischen verantworbarer, für die Menschheit sinnvoller Forschung und gefährlichen, ethisch unverantwortbaren Versuchen klar abzustecken.
Die Erzeugnisse der Nahrungsmittelindustrie im 21.Jahrhundert werden zweifellos von grossen Fortschritten geprägt sein. Doch es bleibt zu hoffen, dass die Erzeugnisse der Nahrungsmittelindustrie gesundheitlich absolut unbedenklich, nahrhaft und vor allem gut schmecken.
Quellenverzeichnis
Nestlé AG: 2 Millionen Jahre Nahrungsmittelindustrie, Vevey 1991
Ulirke Arens-Azevedo, Michael Hamm: Fast Food - Slow Food, München 1992
Daniel Ammann: Gentechnologie und Nahrungsmittel, Publikation der AefU, Bern 1993
Hans-Ulrich Grimm: Das Magzin, Nr.36, Tages-Anzeiger, "Der schnelle Becher", 1999
Leonardo La Rosa: Das Magazin, Nr. 33, Tages-Anzeiger, "Die Fastfood-Front, 1999
Ueli Burkhard: Tages-Anzeiger, 16.06.1997, S.27
150 Jahre Maggi, Jubiläumsbroschüre: "Julius Maggi, Ein Leben mit Würze"
Dr. Helmut Meier, Peter Schneebeli: "Durch Geschichte zur Gegenwart 2", Zürich 1999
Hans-Ulrich Grimm: "Aus Teufels Topf, Die neuen Risiken beim Essen", 1999
Informationsblatt
Die Industrialisierung des Essens
1. Mit dem Brühwürfel fing alles an
Zu verdanken haben wir das geniale Schnellkochprodukt Julius Maggi (1846- 1912).
Seit 1869 besass Maggi die Hammermühle in Kemptthal. Als das Unternehmen in den 80er-Jahren in Schwierigkeiten geriet, sah sich Maggi nach neuen Produktionsmöglichkeiten um. Die Landwirtschaft steckte damals in der Krise. Rund ein Drittel der Landbevölkerung hatte die Existenzgrundlage verloren und suchte Arbeit in den Fabriken. Wer sechs Tage lang in dunklen Hallen schuftete, konnte freilich keinen Hafer mehr anpflanzen, noch hatte er Zeit, aus Hafermehl Habermus zu kochen. Ausserdem erwiesen sich die in den Fabriken verabreichten Speisen als minderwertig, wie der Fabrikinspektor und Arzt Fridolin Schuler kritisierte.
Schuler stiess mit seiner Forderung nach besserer Ernährung beim dynamischen Kaufmann Maggi auf Gehör. 'Wie beschafft man das fehlende Eiweiss für die Masse des Volkes?', fragte er sich und machte sich fortan zum Anwalt der 'in Hand- wie in Denkarbeit wie zu keiner Zeit zuvor angestrengten Bevölkerung'. Er entwickelte aus billigen Hülsenfrüchten industriell hergestellte Suppenmehle. Obschon sogar wissenschaftliche Kapazitäten den bemerkenswerten Geschmack von Maggis Suppenmehlen bestätigten, war der Unternehmer damit noch nicht zufrieden und lancierte 1886 eine Suppenwürze, die als reines Laborprodukt zum Symbol für moderne Ernährung schlechthin wurde.
Von nun an überraschte die Kemptthaler Laborküche alle paar Jahre mit neuen Erfindungen: 1900 kam der erste Suppenwürfel auf den Markt, 1908 der erste Fleischbouillonwürfel, neben der Würze das erfolgreichste Produkt des Unternehmens. Kaum ein anderes Produkt versinnbildlicht mit seiner abstrakten Form als kompaktes Fertigprodukt so idealtypisch die Bedürfnisse der Industriegesellschaft und das Know-how moderner Ernährungswissenschaft. Schneller und besser essen lautete die Devise. Aber weder die Würze noch der Bouillonwürfel hätten ihren Siegeszug durch die Küchen antreten können, wenn Maggi nicht gleichzeitig begriffen hätte, dass er seine Massenprodukte nur mit Reklame verkaufen konnte. Der Dichter Frank Wedekind war sein erster Werbetexter:
Vater, mein Vater!
Ich werde nicht Soldat
dieweil man bei der Infanterie nicht Maggi-Suppen hat.
Söhnchen, mein Söhnchen!
Kommst du erst zu den Truppen,
so isst man dort auch längst Fleischkonservensuppen.
(nach: Tages-Anzeiger, 30.10.1999, S. 53)
2. Der schnelle Becher
Deckel weg, heisses Wasser rein, fünf Minuten warten: Fertig ist der QuickLunch. Heute gibt's Kartoffelstock mit Fleischkügeli.
QuickLunch ist das Symbolmahl für die Moderne. Ideal für Singels und Berufstätige, für Kochfaule und Geschirrlose, Verzehrgut für Vereinzelte, die unter Zeitmangel ächzen und nach dem hastigen Happen ins Fitnessstudio hetzen oder ins Kino.
QuickLunch, das ist auch ein komplexes, technisch anspruchsvolles und von vielen Patenten geschütztes Gebilde. Die Rohstoffe fürs Essen müssen in der globalisierten Welt nicht unbedingt von nebenan kommen. Zwar gilt bei der Maggi-Mutter Nestlé, dem grössten Lebensmittelkonzern der Welt, der Grundsatz "food is local" (etwa: Essen braucht Heimat). Doch das gilt bei den Zutaten nur begrenzt. Die Rohstoffe für die "kulinarischen Trockenprodukte", wie beispielsweise der QuickLunch, lagern in einer weitläufigen Halle mit riesigen Regalen in der Gabelstapler herumkurven oder Kräne schwere Säcke hochhieven. In der Maggi-Fabrik gibt es kein Pouletschnitzel, muss niemand Champignons putzen, und keiner wäscht Spinat. Das Poulet, zum Beispiel, befindet sich in einem Sack mit der Aufschrift "Huhn MLF-C-41-K E 32012200". Der Spinat liegt als Pulver in Kartons, die Milch als "Milchpulver Sprühgo" in 300-Kilo-Säcken. Champignons gibt es als Pulver Marke Dimodan PV von der dänischen Firma Danisco. Und falls das Pilzpulver geschmacklich ein wenig zu wünschen übrig lässt, liegt im Regal das Champignon-Aroma MAT-Nr. 50262600 von der deutschen Filiale des US-Konzerns IFF bereit.
Die QuickLunchs verdanken ihren Geschmack zumeist den Chemikalien in den Aromamixturen, das soll aber lieber nicht bekannt werden. Denn das Labor-Aroma ist die Leitsubstanz der industriellen Nahrungsmittelproduktion. Das Aroma wird, etwa für die Geschmacksrichtung Erdbeere, schon mal aus Sägespänen gewonnen, mitunter auch von kleinen Bakterien ausgeschieden, was ja manchem die Lust an "Frucht"-Jogurt verderben könnte.
So stellt sich natürlich die Frage, ob der QuickLunch auch der Gesundheit zuträglich ist. Wie Nestlé mitteilte, bestehen keinerlei gesundheitliche Risiken: Die verwendeten Zutaten seien auch bei regelmässigem und häufigem Konsum als gesundheitlich absolut undbedenklich einzustufen. Alle Zutaten seien vom Bundesamt für Gesundheit bewilligt und sehr sorgfältigen toxikologischen Prüfungen unterzogen worden.
Nun räumt das Bundesamt für Gesundheit allerdings ein, dass keinerlei Daten über den Gesamtkonsum an industriellen Lebensmitteln vorliegen. Die Belastung der Konsumenten durch eine vielleicht erhöhte Dosis von Zusatzstoffen, die bei geringem Konsum unbedenklich sind, kann das Amt deshalb gar nicht abschätzen.
Darum: "Der gesamte Gesundheitsschutz fängt bei jedem einzelnen an."
(Nach: Tages-Anzeiger Magazin, 11.09.1999, S.18)
3. Wie Nestlé die Kochzeit von Teigwaren verkürzt - Ein Blick in die Küche der Forscher
Der Gast ist ungeduldig. Fünf Minuten sind es her, seit er seine Portion Teigwaren bestellt hat - und noch immer kein Essen in Sicht. 'So ist das heute', seufzt der Wirt, 'alles muss immer schneller gehen.' Dabei weiss jeder: Spaghetti, frisch al dente gekocht, brauchen eine Zubereitungszeit von acht bis zwölf Minuten.
Muss das wirklich so sein? Die Frage liess den Nestlé-Lebensmittelforschern keine Ruhe. 'Eine Weile lang schienen Hohlraum-Spaghetti die richtige Lösung', erinnert sich Nestlé-Teigwarenspezialist Jürg Lechthaler. Aber das Produkt kam nicht an. Die Konsumenten hätten 'das gewohnte Beissgefühl' vermisst, lautete der Befund. Also suchten die Tüftler weiter. Um die Kochzeit zu verkürzen, musste die Spaghetti-Oberfläche vergrössert werden. Das war die Aufgabe. Die Lösung? 'Eine neue Geometrie der Spaghetti', sagt Lechthaler.
Die traditionellerweise mit kreisrundem Durchmesser produzierten Teigwaren erhalten drei feine Kerben. Von vorn oder hinten gesehen - bei einem Spaghetti weiss man nicht so genau, was wo ist - gleicht die Schnittfläche einem Kleeblatt. Das Resultat: bei unveränderten Produkteigenschaften eine Kochzeit von bloss noch drei bis fünf Minuten.
'Trifoglio', wie die Erfindung heisst, sei in Grossbritannien und Japan gut angekommen, berichtet der Spaghetti-Spezialist. In der Schweiz ist das Produkt noch nicht auf dem Markt. Und einstweilen werden auch die Konsumenten im klassischen Land der Pasta, wo Nestlé mit Buitoni stark vertreten ist, nicht mit der Neuerung beglückt. Es sei kein Bedürfnis da, weiss Lechthaler. In Italiens Küchen gehen die Uhren anders.
Gen-Optionen
Die Geometrie der Spaghetti ist nur eines von unzähligen Entwicklungsprojekten im Konzern - und mit Bestimmtheit nicht das anspruchsvollste. Die grossen Herausforderungen liegen anderswo. Gentech beschäftigt die Menschen. Und Gentech ist für die Wissenschafter bei Nestlé ein zentrales Thema.
'Wir haben im Augenblick zwar noch keine gentechnisch veränderten Produkte aus der eigenen Forschung im Angebot', versicherte Konzernleitungsmitglied Rupert Gasser an einer Pressekonferenz zum zehnjährigen Bestehen des Nestlé-Forschungszentrums. Aber die Entwicklung sei klar. 'Die Gentechnologie wird auch im Lebensmittelsektor immer wichtiger.' An der Haltung von Nestlé zu dieser Frage ändere sich nichts, betonte Gasser weiter. Der Konzern sage ja zum verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Möglichkeiten. 'Wir forschen intensiv auf diesem Gebiet und wollen uns alle Optionen offenhalten!'
(Nach: Tages-Anzeiger, 16.06.1997, S.27)
Reflexionen über das Vorgehen
Wer sich mit Essen und Trinken beschäftigt, wer auch gerne isst, muss an der Geschichte des Essens interessiert sein. Bekanntlich sind auch Schüler Feinschmecker und somit ist das gewählte Thema auch für sie ein spannendes. Endlich einmal kein trockenes, die Schüler nicht berührendes Thema. Es ist uns allen aus dem Leben gegriffen. Es muss zum Beispiel jeden interessieren, wie die Nahrungsmittel im Supermarkt in den Fabriken der Nahrungsmittelindustrie in neuerer Zeit verändert werden. Erst recht, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass Geschmacksverstärer, Emulgatoren, Aromen und Bindemittel der Gesundheit nicht gerade zuträglich sind. So machten wir uns daran, die Entwicklung des Essens in dieser schriftlichen Arbeit, insbesondere die Entwicklung seit der Industrialisierung und die heutige Situation, zusammenzufassen. Viel Anderes gäbe es noch zu berichten. Beispielsweise die Situation in der Gastronomie, die entgegen unseren Vorstellungen hochentwickelt ist und mit Unmengen von industriell gefertigten Nahrungsmitteln, insbesondere im Low-Budget-Bereich, ihre Gäste verköstigt.
Nachdem wir unsere Vorstellungen zum Thema durch Brainstorming zu Blatt gebracht, und ein Konzept erstellt hatten, das unsere Arbeitsbereiche sowohl in der Präsentation als auch in der schriftlichen Arbeit festlegte, begannen wir Material zu sammeln. Es stellte sich schon bald heraus, dass im Handel und in Bibliotheken kein Buch über genau dieses Thema, oder über das, was wir schreiben wollten, verfügbar war. So beschafften wir uns Materialien über die einzelnen Themen. Über eher historische Themen fanden wir in zahlreichen Bürchern Material, die einfachste Aufgabe. Zudem kontaktierten wir Maggi per e-mail, und erhielten nach einiger Zeit interessantes Material, vor allem über die Geschichte Maggis. Probleme stellten sich bei den sensiblen Themen, wie der Gesundheitsverträglichkeit und Entwicklung neuer Produkte. Hier griffen wir auf uns bekannte Reportagen aus dem Tages-Anzeiger Magazin zurück, da die Glaubwürdigkeit der Lebensmittelkonzerne bei solchen Themen ziemlich angeschlagen ist. Die Aussagen Hans-Ulrich Grimms in gerade diesem Artikel im Tages-Anzeiger Magazin waren bei uns schon vor der Auswahl des Themas auf reges Interesse gestossen. Nach Aktuellem waren die Recherchen im allgemeinen aufwendiger, da Bücher der Entwicklung meistens erste einige Jahre später gerecht werden. Aktuelles fand man meistens in den Archiven der Zeitungen, seit neuerem glücklicherweise meisten online verfügbar. Unsere Bemühungen wurden schlussendlich mit nicht sehr umfangreichen, aber doch sehr gutem Material belohnt. Deshalb flossen in die Arbeit auch eigene Gedanken, Meinungen und Schlussfolgerungen ein. Jeder hatte seine Arbeitsbereiche, sein Material, teilweise auch das Gleiche, und verfasste seinen Teil. Danach wurden die Texte zusammen besprochen und so entstand schlussendlich unsere Arbeit.
Während unseren ausgedehnten Recherchen, auch vor Ort im Supermarkt, wurden wir entweder von regem Appetit befallen, oder es trat das pure Gegenteil ein. Man sieht, die Weihnachtsferien 99/00 waren der ideale Zeitpunkt über dieses Thema zu schreiben und zu lesen, zwischen Schlemmerei und realem Essverhalten.
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