Afghanistan, Chronik
Von der Niederlassung indo-arischer Volksstämme bis heute
Ab 2000 v.Chr.
Aus Zentralasien stammende indo-arische Volksstämme lassen sich im Gebiet des heutigen Afghanistan (mit 652 225 Quadratkilometern beinahe doppelt so groß wie Deutschland) nieder.
Ab 6. Jahrhundert v.Chr.
Das Gebiet des heutigen Afghanistan ist eine Provinz des Perserreichs der Achämeniden.
329 v.Chr.
Alexander der Große erobert auf seinem Feldzug nach Osten das Gebiet des heutigen Afghanistan.
Ab 323 v.Chr.
Nach dem plötzlichen Tod Alexanders des Großen (er stirbt im Alter von erst 33 Jahren am 13. Juni in Babylon am Fleckfieber) werden die von ihm eroberten Gebiete zum Streitobjekt zwischen seinen Feldherren, den 'Diadochen' (griechisch 'Nachfolger'). Die bedeutendsten von ihnen sind Ptolemaios und Seleukos, die sich (zeitweise) verbünden und so die übrigen 'Kandidaten' nach und nach ausschalten. Während Ptolemaios die Verwaltung Agyptens, Palästinas und des südlichen Syrien übernimmt, sich im Jahre 305 v.Chr. als Ptolemaios I. Soter (griechisch 'Retter') zum König von Agypten macht und sein Reich u.a. 294 v.Chr. um die Insel Zypern erweitert, übernimmt Seleukos die Macht in Mesopotamien, von wo aus er zusammen mit seinem Sohn Antiochos zunächst die persischen Ostgebiete einschließlich des heutigen Afghanistan und schließlich fast ganz Vorderasien einschließlich Anatolien und der Kaukasusregion unter seine Kontrolle bringt.
Um 50 n.Chr.
Das aus China kommende buddhistische Volk der Kushana übernimmt die Macht über einen Teil des heutigen Afghanistan.
Ab 450
Bis etwa 650 n.Chr. steht das Gebiet des heutigen Afghanistan z.T. unter der Herrschaft der persischen Sassaniden sowie der so genannten 'Weißen Hunnen' (Hepthaliten) aus Zentralasien.
Ab 650
Es beginnt die Eroberung des Gebiets des heutigen Afghanistan durch die Araber. Sie bringen den Islam ins Land.
Der muslimische Sultan Mahmud von Ghazni gründet ein afghanisches Reich, das sich bis zum Indus-Tal erstreckt.
Ab 1160
Das Gebiet des heutigen Afghanistan steht unter der Herrschaft des islamischen Sultanats von Ghor.
Die mongolischen Reiterscharen Dschingis-Khans fallen in das Gebiet des heutigen Afghanistan ein und verwüsten es.
Unter Timur-Leng fallen die Mongolen erneut in Afghanistan ein.
15. Jahrhundert
Das Gebiet des heutigen Afghanistan wird von den Timuriden, den Nachkommen von Timur-Leng, beherrscht.
Babur von Kabul, der letzte Nachkomme von Timur-Leng, erobert Nordwestindien, stürzt dort den letzten Lodi-Sultan Ibrahim und wird somit zum Begründer des indisch-muslimischen Moguln-Reiches. Der Norden des heutigen Afghanistan wird von den usbekischen Schaibaniden beherrscht, und der Westen wird Teil des persischen Safawiden-Reiches.
Ab 1709
Mehrere afghanische Stämme erheben sich gegen die Safawiden, drängen diese immer weiter nach Westen ab und erobern (und zerstören) schließlich im Jahre 1722 die persische Hauptstadt Isfahan.
Ab 1729
Der aus dem in Khorasan (heutige Provinz Nordostirans) angesiedelten Stamm der Afschar stammende Nadir unterwirft die Afghanen und erklärt sich 1736 zum Schah (König). In zahlreichen Feldzügen erweitert er das Perserreich ein weiteres Mal bis nach Indien, wo er 1739 den Großmogul besiegt, Delhi plündert und dabei u.a. den monströsen 'Pfauenthron' sowie den Riesendiamanten 'Kohinoor' (bedeutet auf Hindustani 'Berg des Lichts'; der 108-Karäter gelangt später in den Besitz der Briten) erbeutet.
Nach über zweitausend Jahren der Invasionen und Fremdherrschaften gründet Ahmed Schah Durrani ein unabhängiges afghanisches Emirat, dem zunächst auch Khorasan angehört. Hauptstadt ist Kandahar.
Nach dem Tod von Ahmed Schah wird Timur Schah sein Nachfolger. Er macht Kabul zur Hauptstadt von Afghanistan.
Nach dem Tod von Timur Schah wird Zaman Schah Herrscher über Afghanistan.
Nach dem Tod von Zaman Schah wird Mahmud Schah Herrscher über Afghanistan. Er wird 1803 von Schudsa gestürzt, kann sich den Thron aber 1810 zurückerobern.
Nach dem Tod von Mahmud Schah zerfällt Afghanistan wieder in einzelne Reiche (Khanate), und das Gebiet wird zum Streitobjekt zwischen Großbritannien und Russland: Die russischen Zaren wollen einen direkten Zugang zum Indischen Ozean, und die Briten möchten das Gebiet in ihr britisches Indien eingliedern.
Ab 1838
Dost Mohammed vom Klan der Barakzay vereint Afghanistan erneut (ohne Khorasan).
Ab 1839
Der erste Versuch der Briten, Afghanistan zu erobern und 'Britisch-Indien' anzugliedern, endet nach anfänglichen Erfolgen (Einnahme von Kandahar im April 1839 und Weitermarsch in Richtung Kabul) mit der fast völligen Vernichtung der rund 18.000 Mann starken britischen Invasionsarmee im Januar 1842.
Ab 1878
Während des zweiten afghanisch-britischen Krieges erobern die Briten u.a. den strategisch besonders wichtigen Khaiber-Paß und besetzen vorübergehend die afghanische Hauptstadt Kabul (1879). Emir Abd ar-Rachman muss sich 1880 einer gewissen britischen Oberhoheit unterstellen. Gleichzeitig versuchen allerdings auch die Russen, den Norden des Landes einzunehmen, wodurch Afghanistan zum Pufferstaat zwischen Britisch-Indien und Russland wird.
Ab 1919
Im dritten afghanisch-britischen Krieg kann sich Emir Amanullah gegen die Briten behaupten und gewinnt 1921 die volle Unabhängigkeit für Afghanistan zurück.
Amanullah, inzwischen zum König von Afghanistan ernannt, setzt sich für innere Reformen ein (u.a. für die Emanzipation der Frauen, wirtschaftliche und kulturelle Verbesserungen).
Januar 1929
König Amanullah wird von religiösen Fanatikern und aufständischen Stammesfürsten zur Abdankung gezwungen, und Afghanistan wird bis 1932 von Batscha-e Saqquao terrorisiert.
Die Schreckensherrschaft Batscha-e-Saqqaos wird von Verwandten König Amanullahs beendet und Nadir Schah zum König gemacht. Er leitet die Befriedung der verschiedenen Stämme Afghanistans ein.
8. November 1933
Nadir Schah wird ermordet, und sein Sohn Mohammed Sahir Schah folgt ihm auf den Thron.
Er regiert zusammen mit Familienmitgliedern Afghanistan für zwei Jahrzehnte, wobei die Reformbemühungen seiner Vorgänger mehr oder weniger fortgesetzt werden.
Sardar Mohammed Daoud, ebenfalls ein Verwandter von Mohammed Sahir Schah, wird neuer Regierungschef Afghanistans. Er entwickelt sich in seiner zehnjährigen Amtszeit zum Diktator, sorgt jedoch für eine weitere Modernisierung des Landes und baut eine leistungsfähige Armee auf. Durch geschickte Verhandlungen gelingt es ihm, von den USA und der UdSSR gleichermaßen Entwicklungshilfe zu erhalten.
Prinz Mohammed Daoud wird von König Mohammed Sahir Schah zum Rücktritt gezwungen und Mohammed Jusuf, erstmals kein Mitglied der königlichen Familie, wird afghanischer Regierungschef. Das Bestreben um Demokratisierung ist zu erkennen.
Eine neue, von König Sahir Schah selbst entworfene Verfassung, wird ausgerufen. Sie untersagt den Mitgliedern der Königsfamilie jegliches politisches Mitspracherecht.
Das erste freigewählte Parlament bemüht sich um eine weitere Modernisierung Afghanistans.
17. Juli 1973
Nach innenpolitischen Unruhen und häufigen Regierungswechseln wird in Abwesenheit von König Sahir Schah die Verfassung von 1964 aufgehoben, das Parlament aufgelöst und die Präsidial-Republik ausgerufen. Prinz Mohammed Daoud wird ein zweites Mal Regierungschef und gleichzeitig Staatspräsident von Afghanistan. Das kommunistisch orientierte Kabinett versucht, eine staatlich gesteuerte neue Wirtschaftsordnung durchzuführen. Die Reformen bleiben jedoch zumeist bereits in den Anfängen stecken.
27. April 1978
Während eines Militärputsches werden Regierungschef Prinz Mohammed Daoud und alle anderen Mitglieder der königlichen Familie ermordet. Der Kommunist Mohammed Taraki, Vorsitzender des Revolutionsrates, wird neuer Regierungschef der Demokratischen Republik Afghanistan.
Dezember 1978
Afghanistan unterzeichnet mit der Sowjetunion einen Freundschaftsvertrag.
Anfang 1979
Verschiedene Bergstämme und islamische Gruppen (Mujahedin = Glaubenskämpfer) Afghanistans rebellieren gegen das kommunistische und anti-islamische Regime.
September 1979
Hafisollah Amin löst Taraki im Amt des afghanischen Staatschefs ab, doch auch er bekommt die aufständischen Bergstämme nicht unter Kontrolle.
Dezember 1979
Um einem Umsturz zuvorzukommen, marschieren sowjetische Truppen in Afghanistan ein. Sie liquidieren Hafisollah Amin und setzen Babrak Karmal als Staatsoberhaupt ein. Es gelingt jedoch nicht, den Widerstand der Mujahedin-Rebellen zu brechen. Verschiedene Angebote des Regimes - z.B. die Zusage, den Islam und die afghanische Tradition zu respektieren - werden entschieden abgelehnt. Das Kämpfen und Morden beider Seiten geht weiter (rund 1,5 Millionen Menschen werden bis 1992 getötet, weitere 1,7 Millionen durch Minen zu Krüppeln gemacht). Hunger und Angst lassen in den folgenden dreizehn Jahren fast fünf Millionen Menschen (rund ein Viertel der Zivilbevölkerung) die beschwerliche und gefährliche Flucht über die Berge in die umliegenden Staaten - vor allem nach Pakistan und den Iran - wagen.
Dezember 1986
Mohammed Nadschibullah wird als Generalsekretär der Volksdemokratischen Partei sowie als Präsident des Revolutionsrates in Kabul eingesetzt und somit zum Staatsoberhaupt Afghanistans gemacht.
Gemäß eines in Genf zwischen der UdSSR, den USA, Afghanistan (ohne Vertreter der Rebellen) und Pakistan geschlossenen Abkommens ziehen sich die sowjetischen Truppen nach und nach aus Afghanistan zurück.
Die letzten Sowjets haben Afghanistan verlassen. Die Kämpfe zwischen den Mujahedin und Regierungstruppen gehen jedoch unvermindert weiter.
März 1990
Ein Putschversuch in Kabul scheitert.
April 1992
Mujahedin-Verbände unter Ahmed Schah Massud marschieren in Kabul ein. Mohammed Nadschibullah wird gestürzt, die kommunistische Regierung aufgelöst. Interimspräsident wird der Tadschike Burhanuddin Rabbani. Eine Übergangsregierung aus fünf der insgesamt neun Mujahedin-Gruppen (Fundamentalisten, Gemäßigte und Traditionalisten) wird zur Vorbereitung der Demokratie eingesetzt und der Bürgerkrieg für beendet erklärt. Die Einführung islamischer Rechtssprechung (Scharia) wird beschlossen (z.B. werden Gebetsverweigerung und Abkehr vom Islam mit dem Tod bestraft, außerehelicher Geschlechtsverkehr mit Steinigung).
Januar 1993
Eine der neuen Regierung feindlich gesinnte Rebellengruppe unter Gulbuddin Hekmatyar nimmt Kabul erneut unter Beschuss.
März 1993
Nach Abschluss eines Friedensvertrages zwischen der Regierung und den Rebellen wird Gulbuddin Hekmatyar zum Ministerpräsidenten ernannt. Er weigert sich jedoch, sein Amt anzutreten, solange sich Ahmed Schah Massud (seit 1992 Verteidigungsminister) in Kabul aufhält.
Die Versorgungslage in Afghanistan ist katastrophal. Täglich sterben Hunderte, vor allem Kinder, an Unterernährung oder wegen mangelnder medizinischer Versorgung (Frauen dürfen aus religiösen Gründen von männlichen Arzten nicht untersucht werden). Die Hauptstadt Kabul und fast die Hälfte aller Dörfer sind zerstört, das Land ist zum größten Minenfeld der Welt geworden. Der UNO-Sicherheitsrat fordert alle Staaten auf, die Waffenlieferungen nach Afghanistan einzustellen.
Die Kämpfe zwischen den verfeindeten Rebellengruppen gehen unvermindert weiter. Zur stärksten Gruppe hat sich inzwischen die Taliban ('Koranschüler'), bestehend aus gut ausgerüsteten und militärisch in Pakistan ausgebildeten Paschtunen, entwickelt.
27. September 1996
Die radikal-moslemische Taliban-Miliz, die bereits große Teile Afghanistans kontrolliert, nimmt Kabul ein, stürzt die Regierung von Präsident Burhanuddin Rabbani und Ministerpräsident Gulbuddin Hekmatyar (beiden gelingt die Flucht) und bildet eine sechsköpfige Übergangsregierung unter der Führung von Mullah Mohammad Rabbani. Kurz nach der Eroberung der Stadt werden der Ex-Staatschef Mohammed Nadschibullah und verschiedene regierungstreue Kommandeure exekutiert. Zudem wird die Errichtung eines islamischen Staates angekündigt.
24. Oktober 1996
Nasrullah Babaar, Innenminister Pakistans, und der UN-Gesandte Norbert Holl bemühen sich in Gesprächen mit dem usbekischen General Raschid Dostum, der den Norden Afghanistans beherrscht und auf der Seite der gestürzten Regierung im Kampf gegen die radikalislamische Taliban-Miliz steht, um einen Waffenstillstand.
November 1996
Der UN-Gesandte Norbert Holl führt mit allen am seit nunmehr 17 Jahren wütenden Bürgerkrieg beteiligten Gruppen Gespräche. Nicht nur die notleidende Zivilbevölkerung Afghanistans, die aus 21 verschiedenen Volksgruppen besteht, sondern auch die USA, die GUS und die umliegenden Staaten wünschen sich einen baldigen und dauerhaften Frieden. Die einen in erster Linie zur Beendigung von Hunger und Elend, die anderen nicht zuletzt wegen der riesigen Erdöl- und Erdgasvorkommen in Afghanistan.
Juli 1997
Alle Bemühungen der Vereinten Nationen, den aus Machtgier und ethnischen Differenzen geführten Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Volksgruppen Afghanistans zu beenden, sind bisher gescheitert. Auch den Taliban-Milizen, die seit September 1996 in Kabul an der Macht sind, inzwischen etwa zwei Drittel Afghanistans kontrollieren und mit der Errichtung eines islamischen Gottesstaates begonnen haben, ist es nicht gelungen, für einen dauerhaften Frieden und Ordnung im Lande zu sorgen.
Anfang September 1997
Nachdem die Taliban-Milizen bereits seit langem ein vollkommenes Arbeitsverbot für Frauen erlassen und Mädchen jegliche Schulbildung untersagt haben, verhängen sie nun ein Aufnahmeverbot für Frauen in den Krankenhäusern von Kabul; laut Angaben der internationalen Hilfsorganisation 'Arzte ohne Grenzen' verweigern inzwischen zwei der vier großen Kliniken sogar jegliche ambulante Behandlung weiblicher Patienten sowie die Aufnahme von Notfällen.
Oktober 1997
Die Taliban, seit 1996 Machthaber in Kabul und über einen Großteil Afghanistans, rufen das 'Islamische Emirat Afghanistan' aus.
4. Februar 1998
Ein schweres Erdbeben in der Provinz Takhar im Nordosten Afghanistans fordert mindestens 4.500 Tote. Wegen des wütenden Bürgerkriegs - die Taliban lehnen eine Waffenruhe zugunsten der notleidenden Bevölkerung entschieden ab - ist es internationalen Hilfsorganisationen nicht möglich, in die ohnehin schwer zugängliche Bergregion vorzudringen. Erst nach Tagen gelingt es, Lebensmittel, Zelte und Medikamente über eine Luftbrücke in das Katastrophengebiet zu bringen.
30. Mai 1998
Ein erneutes schweres Erdbeben in den Bergen Nord-Afghanistans (Provinz Badakhschar) fordert weitere 5.000 Tote. Auch dieses Mal verweigern die Taliban jegliche Kooperation mit den internationalen Hilfsorganisationen.
7. August 1998
Bei einem Bombenanschlag islamischer Fundamentalisten auf die US-Botschaft in Nairobi werden 253 Menschen getötet (davon 12 Amerikaner) und über 5.000 z.T. schwer verletzt. Fast zeitgleich kommen bei einem Bombenattentat auf die US-Botschaft in Daressalam/Tansania zehn Menschen ums Leben. Für die Anschläge verantwortlich gemacht wird Ussama Ibn Ladin, ein arabischer Multi-Millionär, der Gründer und Führer der 'Internationalen Islamischen Front', die bereits 1995 den Juden und 'Kreuzfahrern' (damit sind Christen gemeint, die sich in innere Angelegenheiten der islamischen Staaten einmischen, vor allem die USA) den Krieg erklärt und weltweit bereits zahlreiche Bombenanschläge verübt haben. Ladin, der aus Saudi-Arabien stammt (dort entzog man ihm inzwischen die Staatsbürgerschaft), operierte lange Zeit vom Sudan aus und seit er auch von dort auf Druck der USA ausgewiesen wurde, von Afghanistan aus.
Die USA starten einen Vergeltungsschlag, wobei von im Arabischen Meer stationierten Kriegsschiffen abgeschossene Raketen mehrere islamische Ausbildungslager in Afghanistan und eine pharmazeutische Fabrik (sie soll u.a. auch chemische Waffen produzieren) im Sudan zerstören. Daraufhin ruft Ladin die gesamte islamische Welt erneut zum 'Dschihad' (Heiliger Krieg) gegen die USA auf.
8. August 1998
In Afghanistan werden bei der Einnahme der Stadt Masar-i-Sharif durch sunnitisch-islamische Taliban-Milizen neun iranische Diplomaten ermordet. (Im afghanischen Bürgerkrieg unterstützt Pakistan die sunnitischen Taliban-Milizen, während der Iran deren Gegner, die zumeist schiitischen Anhänger der nordafghanischen Bürgerkriegsallianz unterstützt.) Daraufhin versetzt der oberste geistliche Führer des Iran, Ayatollha Ali Khamenei, die iranischen Streitkräfte in Alarmbereitschaft und lässt entlang der iranisch-afghanischen Grenze rund 200 000 Soldaten und 70 000 Revolutionswächter aufmarschieren.
Ende 1998
Nahezu 90 % ganz Afghanistans stehen inzwischen unter der Kontrolle der in Kabul residierenden Taliban. Das von ihnen ausgerufene 'Islamische Emirat Afghanistan' wurde bisher nur vom Nachbarstaat Pakistan sowie den arabischen Staaten Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate als souveräner Staat anerkannt.
2. Januar 1999
Der aus Saudi-Arabien stammende und derzeit in Afghanistan lebende Multi-Millionär Ussama Ibn Ladin gibt in einem Interview seine Beteiligung an den Bombenanschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania) am 7. August 1998 offen zu.
Juli 1999
Die USA verhängen Sanktionen gegen Afghanistan, um eine Auslieferung Ussama Ibn Ladins zu erreichen. Die Taliban-Regierung, die finanziell immer mehr in Bedrängnis gerät (der bisherige Hauptgeldgeber Saudi-Arabien hat inzwischen zumindest offiziell die Unterstützung der Regierung eingestellt und seine Diplomaten aus Kabul abgezogen) und offen nur noch von Pakistan unterstützt wird, kündigt zwar eine Untersuchung der US-amerikanischen Vorwürfe gegen den Multi-Millionär an, gewährt ihm jedoch weiterhin Gastrecht.
September 1999
Das Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen (UNDCP) teilt mit, dass in diesem Jahr in Afghanistan in den von der Taliban kontrollierten Gebieten bereits über 4 500 Tonnen Rohopium aus Schlafmohn produziert und zu Heroin weiterverarbeitet wurde. Das ist doppelt so viel wie im Vorjahr und entspricht drei Viertel der Weltproduktion.
12. November 1999
Unbekannte verüben im Zentrum der pakistanischen Hauptstadt Islamabad innerhalb weniger Minuten insgesamt sieben Raketenanschläge auf die Botschaft der USA und Einrichtungen der Vereinten Nationen. Dabei werden mindestens ein halbes Dutzend Menschen verletzt. Es wird vermutet, dass die Anschläge mit der Drohung der Vereinten Nationen zusammenhängen, Sanktionen gegen Afghanistan zu verhängen, wenn dieses dem mutmaßlichen saudi-arabischen Terroristen Ussama Ibn Ladin weiterhin Gastrecht gewährt.
14. November 1999
Die Taliban-Regierung weigert sich, den Saudi-Araber Ussama bin Ladin an die USA auszuliefern. (Ussama bin Ladin wird von den USA für die Anschläge auf US-Botschaften am 7. August 1998 verantwortlich gemacht.) Daraufhin verhängt die UN gegen Afghanistan Sanktionen (Einfrierung der Auslandskonten der Taliban etc.).
24. Dezember 1999
Ein Airbus A300 auf dem Flug von Kathmandu (Nepal) nach Neu-Delhi wird gekapert und zur Landung in Amritsar an der Grenze zu Pakistan gezwungen. Nach einem weiteren Zwischenstop in Lahore (Pakistan) landet die Maschine in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo die Luftpiraten 26 Frauen und Kinder freilassen sowie eine ermordete Geisel von Bord schaffen. Nach einigen Stunden startet die Maschine erneut und landet letztendlich in Kandahar, wo die Hijacker eine kranke Geisel freilassen und wo schließlich am dritten Entführungstag eine aus Indien angereiste Delegation direkte Verhandlungen mit den Kidnappern aufnimmt.
31. Dezember 1999
Das Geiseldrama an Bord eines indischen Flugzeugs findet ein unblutiges Ende: Nach acht Tagen lassen die fünf Luftpiraten ihre zuletzt 155 Geiseln gegen drei aus indischer Haft freigepresste kaschmirische Separatisten frei. Die Hijacker und ihre Gesinnungsgenossen verlassen völlig unbehelligt das Flughafengelände der südafghanischen Stadt Kandahar und tauchen unter. Sowohl die afghanische Taliban-Regierung in Kabul als auch das pakistanische Militärregime in Islamabad bestreiten eine Beteiligung an der Flugzeugentführung.
Ende 1999
Trotz eines auf UN-Vermittlung bereits im Frühjahr zustande gekommenen Abkommens zwischen der mittlerweile nur noch von Pakistan offiziell unterstützten Taliban-Regierung in Kabul und der in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe residierenden afghanischen Exilregierung unter Burhanuddin Rabbani, eine Koalitionsregierung zu bilden, liefern sich im Nordosten Afghanistans die Taliban-Milizen und die die Exilregierung unterstützende, aus zahlreichen kleineren Stammesverbänden bestehende Nordallianz weiterhin erbitterte Gefechte.
10. Februar 2000
Die Luftpiraten, die vor vier Tagen ein afghanisches Flugzeug nach London-Stansted entführt und nach Angaben der britischen Behörden keine konkreten Forderungen gestellt haben, lassen alle Geiseln frei und ergeben sich der Polizei. Gut die Hälfte der Flugzeuginsassen, darunter auch die Hijacker, beantragen sofort politisches Asyl. Zahlreiche Passagiere werden festgenommen, weil sie mit den Entführern verwandt sind und im Verdacht stehen, diese unterstützt zu haben. Die britischen Medien fordern von der Regierung in London, darauf zu drängen, dass die UN-Flüchtlingskonvention dahingehend geändert wird, dass Luftpiraten grundsätzlich kein Asyl beantragen können.
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