Die Weltwirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten von Amerika
1. Kurzer Überblick über die Situation der Amerikaner zwischen den zwei Weltkriegen (aus: Fischer Weltgeschichte, Die Vereinigten Staaten von Amerika)
'Die beiden Weltkriege waren in den Vereinigten Staaten ebenso wie in der Entwicklung der meisten Länder deutliche Einschnitte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das politische und gesellschaftliche Leben zunehmend von wirtschaftlichen Erwägungen beherrscht, und die folgende Periode kann man als einen kompletten Wirtschaftszyklus betrachten. Auf eine deutlich fühlbare Depression nach dem Krieg folgte in den 1920er Jahren eine Phase ununterbrochener Prosperität. Die amerikanische Gesellschaft der 1920er Jahre war mit allen Stärken und Schwächen die erste Massenkonsumgesellschaft, und dies dreißig Jahre, bevor sie sich auch in anderen Ländern entwickelte. Für die Wirtschaft der 1920er Jahre war der Verbraucher zwar nicht wichtiger oder unwichtiger als zuvor; die Lebensmittel waren schon seit langem billig und die Arbeitskräfte relativ knapp gewesen, und es hatte einen großen Verbrauchermarkt gegeben. Aber in den 1920er Jahren waren die wichtigsten Verbrauchsgüter in Amerika die gleichen wie heute. Die »harten«, mehrere Jahre nutzbaren Konsumgüter (z.B. Radios) wurden in großer Menge und zu niedrigen Preisen hergestellt. Großbetriebe basierten auf so entscheidenden Neuerungen wie dem Fließband. Die Nachfrage nach einem bestimmten Produkt, z. B. nach Autos, erhöhte zugleich die Nachfrage nach anderen Erzeugnissen, z. B. nach Gummireifen, Häusern am Stadtrand und Rasthäusern an den Fernstraßen. Der Umsatz wurde dadurch gefördert, daß man für diese Erzeugnisse in den Zeitungen und im Rundfunk warb, der selbst eine neue Erscheinung war. Die Filmindustrie verbreitete im ganzen Land eine schablonenhafte Vorstellung vom »angenehmen Leben«. In den 1920er Jahren hat kein anderes Land auch nur annähernd einen ähnlichen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, und in Europa betrachtete man die amerikanische Gesellschaft mit einer Mischung aus Unglauben, Bewunderung und Neid.
Aber ab Mitte 1929 erlebte das Land eine Wirtschaftskrise verheerenden Ausmaßes. Nahezu vier Jahre lang fiel die Industrieproduktion fast ununterbrochen. Entsprechend stieg die Zahl der Konkurse und nahm die Arbeitslosigkeit zu. Das Finanzsystem brach zusammen. Farmer im ganzen Land verloren ihre letzten finanziellen Reserven. Im Frühjahr 1933 waren Millionen von Amerikanern auf direkte Hilfe von Wohlfahrtsorganisationen angewiesen, und auf den Straßen New Yorks verhungerten Menschen. Das Land hatte sich nur äußerst langsam und keineswegs vollständig von der Depression erholt, als der Ausbruch eines neuen Weltkrieges Amerika wiederum zum »Arsenal der Demokratie« machte. Diese bittere Erfahrung, so kurz nach dem Gerede von der »ewigen Prosperität« gemacht, bewirkte eine grundlegende Veränderung der amerikanischen Gesellschaft. Sie veränderte insbesondere das Verhältnis von Staat und Wirtschaft. In den 1920er Jahren hatte es den Anschein gehabt, der Staat und seine Einrichtungen seien weitgehend überflüssig. Das Bruttosozialprodukt nahm so rasch zu, daß man glaubte, die Wirtschaftstätigkeit allein würde mit der Zeit das alte Problem der Armut lösen. Die Bewegung der Progressiven[1] verlief sich, und an ihre Stelle trat ein selbstzufriedener »Konservatismus«, der sich damit zufriedengab, lediglich Zuschauer zu sein auf einer Szene, auf der rivalisierende Unternehmer um den Dollar des Verbrauchers miteinander konkurrierten. Dieser simple Glaube der Öffentlichkeit an die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft konnte die Depression nicht überleben. Auch individualistische Wertvorstellungen - die Überzeugung, das Wohlergehen des einzelnen hinge allein von seiner persönlichen Tüchtigkeit ab - blieben auf der Strecke. Der folgende »New Deal« war kein voller Erfolg. Aber der historisch bedeutsame Wandel bestand darin, daß nach der Depression die Bundesregierung in praktisch jedem Bereich des amerikanischen Lebens stark mitwirkte - wie die europäischen Regierungen es bereits als unmittelbare Folge des Ersten Weltkrieges getan hatten - und darin, daß jetzt die Mehrheit der Bevölkerung auch von der Bundesregierung erwartete, sie werde ihr einen angemessenen Lebensstandard garantieren. Das hat die Regierung in der Folgezeit versucht; und seit dem Zweiten Weltkrieg ist die amerikanische Politik zu einem Kampf der Interessengruppen um Bundesmittel geworden.'
2. Die Rückkehr zum Isolationismus:
Nach dem 1. Weltkrieg ist die USA als stärkste Wirtschaftsmacht hervorgegangen, und wäre noch zur größten Militärmacht geworden, hätte der Krieg länger gedauert. Doch nach dem erfolgreichen Versuch, in den Friedensvertrag von Versailles liberale Grundsätze aufzunehmen, haben sich die USA außenpolitisch zurückgezogen.
Dafür gibt es zwei Gründe: Zunächst erkannte man nicht, über welches Machtpotential Amerika verfügte, und als man es erkannte, war die öffentliche Meinung dagegen, diese Macht auszuüben.
Die Vorherrschaft der USA zeigte sich am deutlichsten auf wirtschaftlichem Gebiet. Auf Grund der hohen Rohstoff- und Lebensmittelpreise nahm die amerikanische Wirtschaft einen raschen Aufschwung - auch die Industrieproduktion stieg um 37%.
Den einzigen Nachteil, den die Amerikaner in Kauf nehmen mußten, war der Verlust der Märkte in Österreich und Deutschland. Doch diese Verluste wurden durch die umfangreichen Kriegslieferungen an Frankreich und Großbritannien mehr als ausgeglichen. Die Alliierten waren aber nicht in der Lage ihre Schulden mit Exporten auszugleichen, aus diesem Grund verkauften sie amerikanische und europäische Wertpapiere und nahmen bei den USA Kredite auf. - Schließlich kam es so weit, daß 1918 die Europäer den USA 7 Mrd. USD schuldeten plus 3,3 Mrd. USD für den Wiederaufbau. - Aus dem Schuldnerland Amerika wurde der größte Kreditgeber der Welt. Die Tatsache, daß aus den USA ein Gläubigerland geworden war, hatte schwerwiegende Auswirkungen auf Handel und Finanzen. Das machte die Wiederbelebung der erschöpften europäischen Volkswirtschaften außerordentlich schwierig.
Im Krieg hatten viele ehemaligen Agrarländer eigene Industrien aufgebaut, die nach dem Krieg weiter betrieben wurden anstatt zu ihren traditionellen Lieferanten zurückzukehren. Dieser 'wirtschaftliche Nationalismus' machte die Wiederherstellung der Handelsbeziehungen v.a. in Osteuropa (Nachfolgestaaten der österreichisch -ungarischen Monarchie) besonders schwierig. Um aus dieser ernsten wirtschaftlichen Lage einen Ausweg zu finden, brauchte Europa Kapital, das es sich von den USA als der einzig ernstzunehmenden Quelle beschafften. Die USA trugen deshalb nun eine große wirtschaftliche Verantwortung. Doch um die amerikanische Prosperität auf Europa zu übertragen, mußte ein wesentliches Hindernis überwunden werden. Denn im 19. Jahrhundert war die Weltwirtschaft vom Austausch Industriegüter - landwirtschaftliche Produkte abhängig gewesen. Doch das war jetzt unmöglich geworden, wenn der größte Agrarstaat nun selbst zum größten Industriestaat geworden war. Außerdem war die amerikanische Bevölkerung ihrem Ursprung nach europäisch, d.h. sie hatte dieselben Ansprüchen und denselben Geschmack.
Die amerikanische Wirtschaft produzierte 1918 billigere Lebensmittel und billigere Industriegüter - und das in Massen, die ihren Bedarf überragten, d.h. sie waren von nichts abhängig. Die Folge davon war, daß die USA riesige Mengen an Gold erwarben, was wiederum Europa schädigte. Dieser Zusammenhang, der eine Art Teufelskreis war, war schlußendlich auch der Hauptgrund für die ständigen wirtschaftlichen Probleme in den 1920er Jahren und Grund dafür, daß die Depression in den 30er Jahren so schnell von den USA auf Europa übergriff und so verheerende wirtschaftliche Ausmaße annahm.
3. Der Boom der 20er Jahre:
Auf Grund der Stärke der Wirtschaft war es den USA möglich den politischen Isolationismus zu wählen. In den 20er Jahren erlebte die amerikanische Wirtschaft als Folge massiver Investitionen eine fast ununterbrochene Expansion. Diese Investitionen wurden durch die starke Nachfrage der Verbraucher nach 'harten', mehrere Jahre haltbaren Verbrauchsgütern (Autos; z.B. Ford, Elektronik, ) und durch die rapide Entwicklung in Bauwirtschaft und Dienstleistungsgewerben aufrechterhalten.
Da die Amerikaner schon während des Krieges die technischen Voraussetzungen für diese Art von Gütern geschaffen hatten, war es möglich, sie in den 20er Jahren in eine Massenproduktion umzusetzen. Eine weitere Erfindung, die das möglich machte, war das Fließband. So kam es dazu, daß die Arbeiter mehr produzieren konnten und daher auch mehr verdienten. Das Realeinkommen stieg beträchtlich - und die Verbraucherpreise sanken. So kam es dazu, daß 1929 auf Grund von Fließband, elektrischer Werkzeuge und automatischer Bohrmaschinen und Pressen um 70% mehr in der Industrie erzeugt wurde als 1919, und das bei der gleichen Anzahl von Arbeitskräften und weniger Wochenstunden.
Die wichtigsten Merkmale des Wirtschaftsaufschwungs waren die Massenfabrikation von Kraftfahrzeugen und die Erzeugung und Verwendung von Elektrizität. Diese beiden Neuerungen haben entscheidend dazu beigetragen, daß auch weiterhin große Kapitalmengen investiert wurden und die Wirtschaft weiter expandierte.
Die Werbung, die zu dieser Zeit in den USA sozusagen neu definiert wurde, trug auch zu dem großen wirtschaftlichen Aufschwung bei. Der Rundfunk und die Boulevard- Presse wurden als neues Werbemedium entdeckt und hatten großen Zulauf zu verzeichnen. Als die Wirtschaft zunahm und die Konkurrenz größer wurde, wurde die Werbung immer mehr zu einem Mittel den Markt zu differenzieren, d.h., die Reklame versuchte den Konsumenten klarzumachen, daß sich die gleichen Produkte in Wirklichkeit unterschieden. Das wiederum führte dazu, daß sich die Industrie dem wandelnden Geschmack des Verbrauchers anpassen mußte. Die verschiedenen Erzeugnisse von kosmetischen Produkten bis zu Lebensmitteln wurden unter Markennamen angeboten, und man warb dafür.
Veränderungen im Verteilersystem, die auf eine stärkere Spezialisierung des Groß- und Einzelhandels hinausliefen, waren ebenfalls wichtig. Es entstanden große Ladenketten, und der Einzelhandel gewann an Bedeutung.
Die Einführung der Ratenkäufe trug auch wesentlich zum wirtschaftlichen Wachstum bei. Die Nachfrage steigerte sich zwar nur kurz, aber Raten ermöglichten es, sich teure Einkäufe zu leisten. Das führte dann dazu, daß viele Menschen der unteren Einkommensschicht hohe Schulden hatte.
Die Bundesregierung beeinflußte den wirtschaftlichen Prozeß der 1920er Jahre nur geringfügig durch direkte Eingriffe. Die Staatsausgaben waren sehr niedrig, und die Regierung unternahm nichts, um die Beschäftigung und die Investitionen zu fördern. Sie hatte auch keine Veranlassung dazu, und gerade ihre Passivität kam den Geschäftsleuten zugute.
Farmer hatten es in der Prospertitätsphase besonders schwer, die Landwirte konnten auf Grund ihres Ertrags die Preise kaum beeinflussen, im Gegenteil, sie fielen auf Grund des Überschusses, und die Farmer produzierten noch mehr, und die Anbauflächen wurden drastisch vergrößert. Farmer nahmen Kredite auf, um sie finanzieren zu können, ihr eigener Besitz diente als Sicherheit für die Banken.
4. Die Politik in der Prosperitätsphase (1920-1929)
Die Regierung enthielt sich jeden Eingreifens in die amerikanische Wirtschaft, und dies wurde durch die Wahl der Republikaner (Präsidenten: Harding; '21-'23, Coolidge; '23-'29, Hoover; '29-'33) nur begünstigt. Die Politiker forderten das Volk nahezu auf, ihr Geld in Aktien anzulegen, da dies einen vielversprechenden Gewinn versprach. Daraus ersieht man, wie viel Vertrauen die Politiker in die Wirtschaft legten.
Die Parteien lagen in einem Chaos, während die Sozialisten bei der Präsidentenwahl 1920 nur 900.000 Stimmen bekamen, waren die Demokraten in sich gespalten und hatten keinerlei Durchschlagskraft.
Die Macht der Bundesaufsichtsbehörden (regulatory agencies) wurde nun in die Hand von privaten Unternehmern gelegt, für deren Aufsicht sie eigentlich gedacht war. Das heißt die Unternehmer konnten nun den Preis so diktieren, wie sie wollten.
Und auch in Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmern stellte sich die Regierung meist auf seiten der Unternehmer, was wiederum zur Folge hatte, daß sich die Unternehmer alles leisten konnten, auch teilweise Kriminelles, ohne dafür ernsthaft bestraft zu werden.
Auch bezüglich Steuern wurden die Reichen von der Regierung begünstigt, und hatten dadurch enorme Vorteile, die ihr Vermögen nur vergrößerten. Denn schließlich hieß es, wenn man Reichtum besteuert, besteuert man Investitionen. So wurde es unvermeidbar, daß politische Machtpositionen immer mehr von reichen Männern besetzt wurden.
Schlußendlich kam es soweit, daß Korruption die Regierung der Vereinigten Staaten beherrschte. Die Korruptionsfälle erreichten unter Präsident Harding (1921-1923), einem politisch Unfähigen, der in der Regierung eine 'Freunderlwirtschaft' betrieb, ihren Höhepunkt.
5. Der Börsenkrach und die Weltwirtschaftskrise, 1929-1933
Die neue wirtschaftliche Epoche endete mit einer Orgie von Spekulationen. Seit März 1928 stiegen die Wertpapiere der großen Unternehmen, wie auch fast alle anderen an den Börsen notierten Werte, rasch im Kurs. Darauf folgte, daß sich innerhalb von 20 Monaten der Index der Aktienkurse[2] fast verdoppelte. Die Neuausgabe von Wertpapieren war die 20er Jahre hindurch sehr hoch gewesen, hatte Kapital für Investitionen gebracht, und der Wirtschaft zu ihrem großen Wachstum verholfen. Es schien unmöglich, auf der Börse Geld zu verlieren.
Die Kurse kletterten in die Höhe, und eine Nation, die Statistiken verfallen war, verfolgte dies mit Spannung. Maklerbüros wurden zu Treffpunkten, wo man diskutierte und die Kurse begeistert über Fernschreiber in die Höhe schnellen sah.
Besonders großes Interesse galt den Aktien der Flugzeug- und Radiofabriken. Und Firmen, die es geschickt anstellten, indem sie in den Firmennamen z.B. Air Line einfügten, konnten alle Aktien verkaufen, ohne daß der Käufer wußte, welche Unternehmen er gerade unterstützt hatte.
Ein allgemeiner Optimismus hatte sich breit gemacht, jeder vertraute dem Markt, der scheinbar unerschütterlich war. Auch Börsenexperten konnten kein kommendes Tief erahnen, denn die Warenpreise stiegen nicht, was vorher immer der Fall gewesen war, wenn ein Boom dem Ende zuging. Entscheidend für diesen ungebrochenen Optimismus war wahrscheinlich auch der Glaube an die unaufhaltsame Expansionsfähigkeit der amerikanischen Industrie.
Der Zusammenbruch des Börsenmarktes im Oktober 1929 kam mit erschreckender Plötzlichkeit. Die Kurse waren zwar schon in der ersten Septemberwoche stark gefallen, aber sie erholten sich wieder, da die Spekulanten die Gelegenheit zu einem großen Geschäft sahen. Dann, Anfang Oktober, hatte sich eine etwas nervöse Stimmung breitgemacht, doch man vermutete nicht im geringsten, was nun passierte. Schließlich wurden am Mittwoch, dem 23. Oktober, 6,5 Millionen Aktien verkauft, und in der New Yorker Wall Street herrschten Panik und Chaos. Hauptgrund der Panik war die Unsicherheit, die Kurse fielen im freien Fall, Börsenmakler bekamen über ihren Fernschreiber nur im Zwei- Stunden- Rhythmus schon überholte Werte, doch der wirkliche Wert lag weit unter den Angaben, so verkaufte jeder in der Hoffnung, die Verluste würden sich in Grenzen halten. Das zweite Problem waren die Kreditkäufe, denn viele hatten ihre Aktien bei Maklern auf Kredit gekauft, der durch Kursgewinne finanziert werden sollte, doch so mußten die Gläubiger bar bezahlen, was wiederum nur durch den Verkauf von Aktien ging. Also mußten sie um jeden Preis verkaufen. Die Stimmung war am Boden, und das wurde noch dazu durch Gerüchte, prominente Finanziers hätten Selbstmord begangen, verstärkt. Am Nachmittag, des 23. Oktober kaufte dann der Vizepräsident der New Yorker Börse um sagenhafte $ 240 000 000 Wertpapiere, und bald wurde klar, daß die wichtigsten Banken und Finanzinstitute zusammenwirkten, um die Lage zu beruhigen. Es gelang ihnen auch, daß die Börse relativ ruhig am Abend schloß, und auch am darauffolgenden Tag war die Lage gemäßigt. Die Schwächen schienen beseitigt zu sein. Doch am späten Nachmittag des 28. Oktober brach eine neue Panik aus, neun Millionen Aktien wurden auf den Markt geworfen. Den Höhepunkt brachte der darauffolgende Tag, an dem die unerhörte Zahl von 16,5 Millionen Wertpapieren verkauft wurde. Das Resultat: In einer Woche sank der Index um 40%, was allerdings noch immer höher war als 1928, als der Boom ausbrach. Als der Kurs schließlich im Sommer 1932 seinen Tiefpunkt erreicht hatte, lag er 83% unter dem Höchststand von 1929.
Es kam zum Zusammenbruch der Börse, weil die Aktien nicht mehr den Zustand der Wirtschaft widerspiegelten. Aktienkurse, die den 10fachen Ertragswert darstellten, lagen Anfang 1929 beim 16fachen Ertragswert. Es besteht kein Zweifel, daß bis Sommer 1928 die Aktienemissionen solide gewesen sind. Doch 15 Monate wurde das Kursniveau durch eine Kombination einzigartiger Faktoren aufrechterhalten. Das meiste Kapital, das für spekulative Zwecke verwendet wurde, kam aus den hohen Gewinnen der Unternehmen, die wiederum, in den späten 20er Jahren, bedingt durch technische Neuerungen, Firmenzusammenschlüsse, schwachen Gewerkschaften, wenig Steuern, etc., hohe Erträge scheffelten. Als sich dann die Marktverhältnisse Ende der 20er Jahre verschlechterten, wurden die Gewinne, auf Kosten von Lohnerhöhungen oder Preissenkungen, auf demselben Niveau gehalten.
Die zweite Ursache für den Börsenkrach lag darin, daß Wertpapiere direkt an die Öffentlichkeit verkauft wurden. Der Verkauf wurde beworben wie nie zuvor. Meist wußten sowohl Makler als auch Kunden nur wenig über die Qualität der Aktien Bescheid. Außerdem war es leicht Kredite zu bekommen, und die meisten dieser Gelder wurden durch dubiose Verträge mit Maklern in Aktien investiert. Und als der Index anfangs noch täglich stieg, verdienten Kreditgeber und Gläubiger.
Als es dann schließlich soweit gekommen war, daß die Aktienkurse in keinem Verhältnis mehr zur Wirtschaft standen, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der große Zusammenbruch eintreten würde. Ein Anlaß könnte jedes noch so unbedeutende Ereignis gewesen sein, doch die genauen Ursachen sind schwer festzustellen.
Von den klassischen Ursachen der Depression sind nur wenige gegeben, ganz im Gegenteil, weder die Zahl der Arbeitslosen noch die Rohstoffpreise stiegen, und von einer Kreditkrise war keine Rede. Außerdem würde man normalerweise einen Börsenkrach eher als die Auswirkung und nicht als Ursache einer Weltwirtschaftskrise sehen.
Eine deutlich erkennbare Ursache für wirtschaftliche Schwierigkeiten war der Rückgang der Bautätigkeiten. Zuerst sank der Wohnungsbau, später folgte der Industriebau, Grund dafür war einerseits die Übersättigung des Marktes, andererseits die Hausse[3] an der Börse, das führte wiederum zu radikalen Einschränkungen bei Investitionen für Staaten und Gemeinden, v.a. der Straßenbau litt sehr darunter. Doch gerade das hatte Anfang der 20er Jahre großen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung gehabt (Automobilisierung - Straßenbau), und nun litten durch den drastischen Rückgang dieses Industriezweiges auch alle damit verbundenen Industrien, doch auch andere Wirtschaftszweige, die nichts damit zu tun hatten, sondern vom allgemeinen Aufschwung profitierten, hatten nun Gewinnrückgänge. Auch die Lage der Landwirtschaft verschlechterte sich plötzlich. Der internationale Markt brach zusammen, und es entstanden große Warenbestände.
Ein weiterer Grund war sicher auch das ungleiche Verhältnis zwischen Konsum und Investitionen; die Investitionen stiegen und die Konsumkraft sank. Die Industrie produzierte mehr als der Markt vertrug, so wurden 1929 weniger als die Hälfte der neuen Automobile abgesetzt, die Lager waren überfüllt.
Daraus folgte eine hohe Kapitalmenge, die nicht verwendet wurde, denn in den 20er Jahren waren sowohl die Rücklagen der Wirtschaft als auch die privaten Sparguthaben sehr hoch. Die Wirtschaft mußte das große Kapital rechtfertigen und investierte. So entstand dieser Teufelskreis aus dem Verhältnis Überinvestition zu Unterkonsum.
Die folgende Depression war die überaus schlimmste in der Geschichte der USA. Wenigstens dreieinhalb Jahre lang ließ sich an jedem sozialen und wirtschaftlichen Indikator eine fortschreitende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage ablesen, was die folgende Tabelle verdeutlichen soll:
Jahr |
BSP[4], nach jeweils gültigen Preisen, in Mrd. Dollar |
BSP, nach Preisen von 1929, in Mrd. Dollar |
BSP, Festpreise pro Kopf in Dollar |
Arbeitslose, in Tausend |
Prozent der Zivilbeschäftigten |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Die Wirtschaft brach zusammen und die USA erlebte in den 30er Jahren eine so schwere Depression wie kein anderes Industrieland. Sowohl Deutschland als auch Japan erlitten 1929 einen ähnlichen wirtschaftlichen Zusammenbruch, doch es kam zu einem wirtschaftlichen Aufschwung Mitte der 30er Jahre - Grund dafür war der Faschismus.
In Amerika fiel das BSP bis 1932 um 27%, die Industrieproduktion verringerte sich um die Hälfte. Die Investitionen reichten nicht einmal um die vorhandenen Produktionsmaschinen zu warten, die Folge davon war, daß ganze Fabriken verfielen. Unter diesem Druck brach das gesamte Banksystem zusammen; und ein Viertel der Beschäftigten wurde arbeitslos. Erst ab dem Jahreswechsel 32/33 war eine leichte Besserung spürbar. Doch erst 1940 war die Industrieproduktion wieder auf dem Niveau von 1929.
Die Folgen der Depression waren sehr unterschiedlich. Am schwersten erwischte es die Landwirtschaft, die Hersteller von langlebigen Konsumgütern und die Schwerindustrie. Einige Beispiele: Die Automobilindustrie hatte auf Grund der Einkommenssenkungen einen Absatzeinbruch von 65%, und die Eisen- und Stahlindustrie ging um 59% zurück. Wenig von der Depression spürten die Tabakindustrie (-7%), die Textilproduktion (-5%) und die Schuhindustrie (-3%). Keine Umsatzeinbrüche gab es bei lebensnotwendigen Konsumgütern, da die meisten Haushalte das Sparen aufgaben. Doch insgesamt gesehen hat es die kleinen Geschäftsleute am schwersten getroffen, die großen Unternehmen überstanden es viel leichter.
1929 war noch nicht abzusehen, daß die Depression dieses Ausmaß annehmen würde, denn entgegen aller Erfahrung wurde sie im Verlauf der Krise immer schlimmer. Grund dafür waren Faktoren, die erst während der Depression zu wirken begannen und eigentlich keine Auslöser waren, und gerade diese Faktoren waren das Ausschlaggebende für die verheerenden Folgen des Krachs.
Zu den Faktoren zählte einerseits das Verlustgeschäft der Industrien, die fast keine Gewinne machten, und andererseits der fehlende Mut zu Investitionen, denn die Unternehmer sahen, falls sie kleine Gewinne verbuchen konnten, keinen Sinn in Investitionen, sie hatten zu schlechte Erfahrung damit gemacht. Und so fiel der Motor, die Investitionen, für einen erneuten Aufschwung vorübergehend aus.
Der Aufschwung wurde ebenfalls erheblich durch das niedrige Einkommensniveau in der Landwirtschaft gehemmt. Denn obwohl die USA das größte Industrieland der Welt war, waren ein Viertel der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig - und so ist es auch verheerend, wenn die Agrarwirtschaft 70% (1929-32) Einbußen hinnehmen mußte und so der am schwersten getroffene Wirtschaftszweig war.
Grund dafür war die Überproduktion in den 20er Jahren, die die Farmer später zwang, die riesigen Vorräte ohne Rücksicht auf den Preis auf den Markt zu werfen. Doch nicht nur die Getreidefarmer waren von der Krise betroffen, auch Milchfarmer, Baumwoll- und Tabakpflanzer erlitten schwere Verluste. Die großen Preiseinbrüche und die Überproduktion soll folgende Tabelle zeigen:
Mais |
Weizen |
Baumwolle |
Jahr |
Menge in Mrd. bushel[5] |
Preis pro bushel in Dollar |
Menge in Mrd. bushel |
Preis pro bushel in Dollar |
Menge in Mill. Ballen |
Preis pro am. Pfund in cents |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Die Folge der Krise in der Landwirtschaft war, daß die Farmer als Konsumenten völlig ausfielen. Sie konnten sich nichts mehr leisten, und der Markt für Kunstdünger, Landmaschinen und ähnliches kam völlig zum Erliegen. Am schlimmsten erwischte es die kleinen Landwirte, die praktisch keinen Vorteil am Rückgang der Produktionskosten hatten. Außerdem kam noch dazu, daß viele Farmer hoch verschuldet waren - Enteignungen waren an der Tagesordnung.
Aus dieser Situation gab es nur drei Auswege: Jeder konnte weniger anbauen; die Zahl der Farmer konnte verringert werden; oder es mußten mehr Agrarprodukte exportiert werden.
Vor 1933 hat man die erste Lösung nicht ernsthaft versucht, und die beiden anderen waren während der Depression unmöglich. Erstere, weil in den Zeiten der Wirtschaftskrise vermehrt Menschen aufs Land zogen, und zweitere, weil die Weltwirtschaft fast vollständig zusammengebrochen war.
Außerdem betrafen Import und Export weniger als 10% des amerikanischen BSP, und obwohl die Auswirkungen des Zusammenbruchs des Außenhandels auf bestimmte Wirtschaftszweige sehr schwerwiegend sein mochten, so ist doch klar ersichtlich, daß die Depression ein inneramerikanisches Problem war. Natürlich hatte die amerikanische Depression auch Auswirkungen auf andere Länder, da sie einen wichtigen Markt verloren und vor allem die Hauptquelle des internationalen Kapitalmarktes. Folge davon war, daß die USA, wie auch andere Länder, die Strategie der autarken[6] Nationalwirtschaft verfolgte, was eine verbreitete Reaktion auf die Depression und eine wichtige Ursache für ihre Fortdauer war. Konsequenz daraus war, daß die Zölle enorm stiegen (durchschnittlich auf 50% des Warenwerts) und sich die amerikanische Wirtschaft komplett isolierte.
Doch die amerikanische Wirtschaft stand in einer noch grundsätzlicheren Weise im Mittelpunkt der Weltwirtschaftskrise. In den 1920er Jahren war es für die europäischen Industrieländer sehr schwer, mit den amerikanischen Produkten zu konkurrieren, Folge war, daß die USA einen Exportüberschuß erzielten. Die weitere Konsequenz waren große Kredite, die die Amerikaner an das Ausland vergaben, um so die Länder in die Lage zu bringen, amerikanische Produkte zu importieren und ihren eigenen Wiederaufbau zu finanzieren. Deutschland war so in großem Ausmaß, einerseits aus diesem Grund, andererseits weil sie hohe Reparationen zu zahlen hatten, abhängig geworden.
Als dann die Kurse an der Wall Street stiegen, wurden viele Anleihen wieder zurückgefordert, und mit dem Beginn der Depression in den USA wurden zwei Drittel der Investitionen auf einen Schlag nach Amerika zurückgeholt.
Die Folge war, daß 1931 Mitteleuropa wirtschaftlich zusammengebrochen war. Große Panik löste vor allem der Bankrott der größten österreichischen Bank, der Kreditanstalt, die zahlreiche Auslandsverbindungen unterhielt, aus. Weitere Folgen waren der Zusammenbruch des deutschen Banksystems, der rapide Fall des Pfund Sterling, usw. Allgemein kann man sagen, daß die Weltwirtschaft zu diesem Zeitpunkt ein einziges Chaos war.
Die Funktionsweise des amerikanische Banksystems war der wichtigste Einzelfaktor bei der Vertiefung der 'Great Depression'. Denn es war zu dieser Zeit üblich, daß es keine Filialbanken gab, das heißt keine Bank breitete ihr Netz besonders weit aus. (Ausnahme in Kalifornien). Die darauffolgende Konsequenz war, daß die Banken von der örtlichen Industrie abhängig waren, und vor allem waren sie nicht für einen großen Kundenansturm gewappnet, was schon vor der Krise bei kleinen Banken oft zu Bankrotten geführt hatte.
Bei der ersten Welle von Bankzusammenbrüchen 1930/31 war es ähnlich, doch es gab auch Ausnahmen, so der Bankrott der New Yorker 'Bank of the United States', der mit seinen 400.000 Kontoinhabern der größte Bankkrach, den es je gegeben hat, war. Die zweite Welle von Bankzusammenbrüchen folgte auf die internationale Finanzkrise 1931, die vor allem größere Banken mit sich riß. Im Winter 32/33 wurden in einigen Gebieten der USA sogar mexikanische und kanadische Banknoten verwendet, da keine amerikanische Währung mehr vorhanden war. Die letzte und größte Panik setzte ein, als der Staat Michigan im Februar 1933 achttägige 'Bankferien' erteilte, weil die großen Banken in Detroit zahlungsunfähig waren.
Schlußendlich möchte ich noch kurz die Folgen für die Bevölkerung erwähnen, die noch Jahre später unter schwerer Not und Armut litt. Und es war oft eine gewisse Ironie im Leben der 20er Jahre im Spiel, wenn eine riesige Menschenmenge anstand um eine Suppe, und daneben ein Silo aus der Erde ragte, gefüllt mit Unmengen von unverkäuflichem Getreide.
Quelle:
Fischer Weltgeschichte
Band 30
Die Vereinigten Staaten von Amerika
Allg. Bezeichnung für Fortschrittler und Fortschrittsparteien, auch für Gruppen mit radikaldemokratischer Zielsetzung (aus Meyers großes Taschenlexikon), in diesem Fall handelt es sich um die sog. 'neuen Imperialisten', die sich zum Ziel, nicht die totale Kontrolle eines eroberten Landes gesetzt haben, sondern vielmehr eine indirekte Herrschaft fremder Länder anstrebten.
Haupt | Fügen Sie Referat | Kontakt | Impressum | Nutzungsbedingungen