Altona
Konkurrenzstadt zu Hamburg
1. Ziele des Referats
Der Stadtteil Altona ist jedem Hamburger ein Begriff. Der heutige Bezirk erstreckt sich von St. Pauli bis an die westliche Landesgrenze. Im Süden wird Altona begrenzt durch die Elbe. Altona besitzt 15 km Flußufer, eine Strecke, die man zu Fuß oder mit dem Fahrrad ohne störenden Autoverkehr zurücklegen kann. Altona weist einige sehr attraktive Stadteile auf wie z.B. Ottensen in der Nähe des Bahnhofs, Övelgönne mit dem Museumshafen und Blankenese mit dem Süllberg.
Wir sind gewohnt, Altona als einen Hamburger Bezirk anzusehen. Nur wenige wissen, daß Altona noch vor gar nicht langer Zeit eine eigenständige Stadt war, die über ihre gesamte Geschichte hindurch versucht hat, sich gegenüber dem mächtigen Hamburg wirtschaftlich und politisch durchzusetzen. Daß eine Stadt, die 1937 bereits 240.000 Einwohner hatte , also ebenso groß war wie das heutige Kiel, eingemeindet wurde, ist ein seltenes siedlungsgeschichtliches Phänomen, das näher erklärt werden muß.
Die Ziele dieses Referats sind es, die sozial- und wirtschaftsgeographischen Bedingungen herauszuarbeiten, die Altona neben Hamburg so groß werden ließen und die am Ende der Entwicklung dazu führten, daß Altona wie Eimsbüttel und Eppendorf zu einem Hamburger Stadtteil wurde.
2. Gründung und Lage Altonas
In alten Aufzeichnungen wurde Altona zuerst 1535 erwähnt. Die Gründung lag wohl einige Jahre davor. Um 1535 bestand der Ort aus 3 Bauernhöfen, die westlich des Bachs Pepermölenbek angesiedelt waren. Die Straße Pepermölenbek gibt es heute noch. Sie führt zwischen dem Hexenberg und dem Pinnasberg geradewegs auf den Fischmarkt zu. Man kann heute noch die Talmulde erkennen, die sich der kleine Bach damals gebahnt hat. Der Bach ist längst verkanalisiert worden und damit leider verschwunden.
Um nun zu verstehen, warum ausgerechnet dort die Siedlungsgeschichte Altonas begann, muß man sich die weitere Umgebung etwas genauer ansehen. (Karte 1). Man sieht, daß das damals schon dicht besiedelte Hamburg nur etwa 1,5 km nach Osten hin vom Gründungsort entfernt lag. Dies läßt darauf schließen, daß damals niemand an eine Stadtgründung gedacht hatte. Dazu wäre die Entfernung zu der großen Stadt Hamburg viel zu nah gewesen (im Volksmund All - too - nah). Der zweite geographische Fixpunkt liegt im Westen. Damals war Ottensen bereits ein stattliches Dorf mit recht wohlhabenden Bauern, die ihr Vieh bis an die Grenze nach Hamburg weiden ließen.
Es mußte aber Gründe gegeben haben, die die Siedler veranlaßte, eben nicht nach Ottensen zu ziehen, sondern sich am Pepermölenbek bei einigen Fischern niederzulassen. Die Gegend um den Bach war wenig fruchtbar. Die Ottenser hatten daran kein Interesse, da es sich um sandige Böden des Geesthangs handelte. Es kam also nicht zu einer Konkurrenz und Vertreibung der Neuansiedler. Der Grund war: Die Siedler waren weder Bauern noch Fischer. Sie waren nahezu ausschließlich Handwerker, die aus Hamburg kamen. In Hamburg herrschte zu der damaligen Zeit ein rigider Zunftzwang. Zünfte waren Versorgungseinrichtungen zu dem Zweck, daß jeder Handwerker über die vorhandene Nachfrage nach seinen Produkten sich und die eigene Familie gut ernähren konnte. Wurden mehr Handwerker ausgebildet, bekamen sie zeitweise oder für immer keine Niederlassungs- und Arbeitsgenehmigung. Sie waren damit untätig und arbeitslos, ja es war ihnen nicht einmal möglich, eine Familie zu gründen. Sie mußten wohl oder übel auswandern und Hamburg verlassen.
Viele zogen nun vor die Tore von Hamburg in das benachbarte Altona. Sie zogen also nicht vor die östlichen Tore von Hamburg, sondern vor die westlichen, flußaufwärts. Offensichtlich mußten sie dort Aussicht auf Arbeit haben. Und dies ist ein weiterer geographischer Punkt während der Gründungsphase von Altona. Wie die Karte zeigt, lag der Hamburger Hafen zu der damaligen Zeit recht nahe im Zentrum der Stadt am Nicolaifleet. Dieser Ort ist heute noch zu besichtigen. Er heißt Binnenhafen und liegt direkt gegenüber der Speicherstadt. Die Handelsschiffe mußten also bis dorthin die Elbe hochsegeln, dies unter oft erschwerten Bedingungen von Ebbe und Flut. Hier gab es nun ein Handicap, das sich die Handwerker aus Hamburg zunutze machten: Zwischen Neumühlen und dem Hamburger Fischmarkt erstreckte sich damals eine sehr große und mächtige Sandbank, die mit den damaligen Mitteln nicht beseitigt werden konnte. Bei Ebbe versperrte diese Sandbank den Schiffen den Zugang zum Hamburger Hafen und sie mußten bei Neumühlen auf Reede gehen. Zum Teil sahen sich die Reeder gezwungen, die Schiffe zu leichtern, d.h. die Ladung zu löschen, damit die Fahrt überhaupt bis zum Hamburger Hafen fortgesetzt werden konnte. Für die Handwerker, die in Hamburg von den Zunftmeistern keine Arbeitserlaubnis bekommen hatten, gab es eine Menge Arbeit durch anfallende Reparaturen. Vermutlich konnten sie auch eigengefertigte Seile und Beschläge verkaufen und sich in den Handel der Waren einschalten. Sie rechneten zu eigenen Preisen ab. Dies konnten sie, da sie frei von Zunftzwängen waren, und haben so mit Sicherheit die Hamburger Handwerker preislich unterboten.
Als erstes Ergebnis ist somit festzuhalten, daß eine geographische Besonderheit, nämlich eine Sandbank vor dem Hafen Hamburgs in Kombination mit einer weiteren Naturgegebenheit, nämlich Ebbe und Flut und dem damals vorherrschenden rigiden Zunftzwang der Handwerker zu einem starken Siedlungsimpuls geführt haben, ausgerechnet an einer Stelle, die für eine Stadtgründung denkbar ungeeignet war, nämlich in unmittelbarer Näher der bereits starken Handelsstadt Hamburg. Diese Konstellation war auch Ursache für die anhaltende Feindschaft zwischen Hamburg und den Altonaer Siedlern.
3. Die Zuwanderung
Altona konnte nur wachsen durch Zustrom von außen. Dies geschah tatsächlich in einem nicht vorhersehbaren Ausmaß. Altona wuchs in den folgen Jahrzehnten durch äußeren Druck, ohne eigene Planungsabsichten. Altona hatte in seiner Geschichte nie eine Stadtmauer oder eine Befestigungsanlage. Die Siedler hatten sich auch nicht um irgendeine Verteidigung bemüht. Altona wurde sozusagen von außen groß gemacht ohne eigene Entwicklungs- oder Planungsabsichten. Dazu war eben Hamburg allzu nah. Und trotzdem wurde Altona eine Stadt und lief in einer bestimmten Phase Hamburg nahezu den Rang ab.
Um dies zu verstehen, muß man sich der europäischen Landkarte zuwenden. Im folgenden soll also der Ausdehnungsprozeß der ursprünglichen Siedlung beschrieben werden. Hier interessieren die Fragen, wer waren die Zuwanderer und woher kamen sie, nach welchen Mustern entwickelte sich Altona am westlichen Ufer des Pepermölenbeks und wie unterschied es sich von Hamburg und von Ottensen?
Das 16. Jahrhundert war das Jahrhundert der Reformation und zahlreicher Glaubenskriege. Der Norden Europas wurde protestantisch, der Süden blieb katholisch. Die Gegenreformation der Katholiken wurde mit beispielloser Härte durchgeführt. Gegen den Protestantismus wurde mit militärischen Mitteln vorgegangen, um die 'Ketzer' zu unterwerfen, zu vertreiben oder zu töten. Einen grausamen Feldzug ließ König Philipp, ein Sohn Kaiser Karl V. durch seinen Herzog Alba führen. Das Ziel war, den Protestantismus in den Niederlanden, eines seiner abtrünnigen Herrschaftsgebiete, auszurotten. Mehr als 120.000 Holländer flüchteten zwischen Mai und Oktober 1567 nach England und Deutschland (Karte 2). Tatsächlich gelangten viele Holländer bis nach Altona, obwohl dieser Ort damals völlig unbekannt war. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Wanderungsströme aus wirtschaftsgeographischer Sicht. Hamburg als Handelsstadt mit einer beträchtlichen Handelsflotte hatte natürlich gute Geschäftsbeziehungen unter anderem auch zu den Niederlanden, und es ist verständlich, daß die Flüchtenden sich zuerst an ihre Geschäftspartner wandten, um dort in einem fremden Land bei nicht ganz fremden Menschen eine neue Existenz aufzubauen oder die schlimmen Entwicklungen im eigenen Land zu überdauern. Auf diese Weise gelangten die Holländer nach Glückstadt, Stade und so auch nach Hamburg. Sie wurden dort gut aufgenommen, weil sie als wohlhabende Gäste der Stadt nicht zur Last fielen. Fast ausnahmslos waren die Zuziehenden Gewerbe- und Handeltreibende. Aber schon nach 5 Jahren änderte sich das Klima in der reichen Stadt grundlegend. Aus den zahlenden Gästen wurden nach und nach neue Gewerbetreibende und Konkurrenten zu den etablierten Handelsinhabern. Innerhalb ganz kurzer Zeit machte sich Fremdenhaß breit und es muß nach den Überlieferungen zu Progromen gekommen sein mit Mord und Totschlag. Die Zuzügler wurden hinausgedrängt und Neuankömmlinge nicht mehr eingelassen.
Durch diese Entwicklung siedelten sich viele Holländer in dem benachbarten Altona und Ottensen an. Bemerkenswert ist, daß sämtliche Neusiedler in Altona Handwerker waren; für Handeltreibende fehlten noch die Handelsbeziehungen. So weit war Altona noch nicht. Daß dieser Zustrom zunächst konfliktfrei verlief , lag wohl daran, daß zu den etablierten Handwerksbetrieben eine ganze Reihe neuer Berufe ansässig wurden, die es vorher noch nicht gab und die durchaus gebraucht wurden. So kamen Goldschmiede, Gerber, Leimsieder, Bleicher, Bäcker, Zimmerleute, Krüger, Böttcher, Kerzengießer, Barbiere, Glaser, Schlachter und andere. Um 1600 war Altona zu der imposanten Zahl von 250 Einwohnern angewachsen. Wieder war es Hamburg selbst, das die unfreiwillige Stadtgründung durch rigide Verhaltensweisen förderte.
Durch diesen Zustrom veränderte sich auch die Siedlungsform. Man konnte jetzt von 2 Siedlungsteilen sprechen, Alt-Altona und Neu-Altona (Karte 3). Das alte Altona lag nach wie vor wie hingewürfelt am Hang des Pepermölenbek unterhalb der heutigen Breiten Straße, am Fischmarkt. Der neue Teil dagegen lag oberhalb der Breiten Straße und war durch die Holländer errichtet worden in einer völlig anderen Struktur. Die Häuser waren gerade ausgerichtet an der Straße und jedes Haus besaß einen Hintergarten. Holländische Reihe wird diese Siedlungsform bei uns genannt und man findet diesen Straßennamen noch heute im südlichen Teil von Ottensen. In jedem Haus gab es zu der damaligen Zeit einen Handwerksbetrieb. Altona war demnach ein reines Handwerkerdorf mit einigen Fischern und setzte sich somit ab von den größeren Orten Ottensen, das immer noch land- und viehwirtschaftlich orientiert war und natürlich von Hamburg, das in erster Linie eine Handelsstadt war. Aus dieser Spezialisierung erwuchs aber auch langsam die ökonomische Kraft Altonas.
Geographisch hatte Altona durch die Nähe zu Hamburg eine hoffnungslose Position. Altonas Handwerker brauchten als Absatzmarkt den Hamburger Markt und es war abzusehen, daß über die Konkurrenzsituation sich die Konflikte verschärfen würden. Der Vorteil von Altona lag eindeutig darin, daß sich die Siedlung stromabwärts ausgebreitet hatte, nämlich dort, wo die großen Handelsschiffe herkamen und z. T. bereits in Neumühlen anlegten. Altona profitierte jedoch auch von den Landwegen. Über die Breite Straße und die heutige Palmaille führte ein Weg nach Blankenese, wo sich die einzige Elbfähre befand. Die Straße führte dann am anderen Ufer weiter nach Bremen und Holland. Bevor die Reisenden also in das befestigte Hamburg kamen, konnte man mit ihnen Waren und Informationen austauschen.
Diese eindeutigen Vorteile veranlaßten die Schauenburger Grafen, Altona auszubauen. Das damalige Schlagwort war Merkantilismus. Es bedeutete, daß Reichtum und damit Steuersegen durch viel Handel und Liberalismus entstehen. Die Holländer, die als sehr tatkräftig und diplomatisch angesehen wurden, übernahmen jetzt die Führung in Altona. Altona sollte planmäßig ausgebaut und gestärkt werden. Als Direktive der Grafen wurde verkündet: Die weitere Ansiedlung von Holländern wird verstärkt, das Straßennetz wird ausgebaut, jeglicher Zunftzwang wird abgeschafft.
Das Zentrum der Holländer verlagerte sich in Richtung des heutigen St. Pauli zur Kleinen Freiheit und der Reichenstraße (heute Nobistor). Dort wohnten nun die 'besseren Leute'
Durchaus interessant ist auch die Entwicklung auf Hamburger Gebiet auf dem östlichen Ufer der Pepermölenbek. Die Befestigungsmauern von Hamburg lagen ja vom Siedlungskern Altonas etwa 1 km entfernt. In dem Bereich um die Mauern herum war striktes Siedlungsverbot. Aus diesem Grunde sind große Flächen wie das Heiligengeistfeld freigehalten worden. Das heutig St. Pauli war in der damaligen Zeit nichts anderes als militärisches Vorfeld. Die Menschen, die sich dort aufhielten, waren in kriegerischen Auseinandersetzungen völlig schutzlos. Um zu einem übersichtlicheren Schußfeld zu gelangen, wurde später der Hamburger Berg völlig abgetragen. Eine vorsichtige Ansiedlung war nach und nach im äußersten Westen am Pinnasberg möglich. Aus dieser geographischen Zwangslage heraus wird verständlich, daß Altona und St. Pauli eher eine Siedlungsgemeinschaft eingingen als Altona mit Ottensen. Eine Grenze zu St. Pauli gab es eigentlich nie (Karte 3).
Altona wuchs rasant. 1620 hatte es 1.500 Einwohner. Aufgrund dieser Tatsache wurde der Dänenkönig Christian IV. auf Altona aufmerksam. Er wollte bereits seit Jahren die Herrschaft über Hamburg zur Verbesserung seiner Einnahmen. Altona erschien ihm der richtige Ort, um Hamburg so richtig einzuheizen. 1621 besetzte er Altona kurzerhand.
4. Altona wird Stadt
Dänemark hatte seit dem Mittelalter versucht, seinen Herrschaftsbereich bis zur Elbe und Weser auszudehnen, um den Handel zwischen Nordsee, Elbe und Ostsee kontrollieren zu können. Hamburg war wegen seiner starken Befestigung allen dänischen Königen ein Dorn im Auge. Aus diesem Grunde versuchten sie, über Städtegründungen wie z.B. Glückstadt, Hamburg wirtschaftlich zu ruinieren. Altona war somit nichts anderes als ein Schachzug im Spiel der dänischen Könige gegen Hamburg. Im Jahre 1664 verlieh Friedrich III. Altona die Stadt- und Bürgerrechte. Dies bedeutete zunächst, daß Altona unabhängig von Ottensen wurde, und daß die Stadt von jetzt an ihre Geschicke selber leiten konnte. Altona erhielt einen Präsidenten, einen Bürgermeister, einen Rat, Polizei und Gerichte. Aber das Wesentliche an dieser Anderung sollten die Privilegien sein, die Altona von Dänemark erhielt. Diese Privilegien waren Teil der Vernichtungsstrategie gegen Hamburg. Altona wurde der erste moderne Freihafen Nordeuropas. Dies bedeutete, daß sämtliche importierten und hergestellten Waren zollfrei in ganz Dänemark und Norwegen verkauft werden konnten, ein Privileg, das Hamburg treffen sollte, indem Altona in die Lage versetzt wurde, Waren wesentlich billiger anzubieten als Hamburg. Hinzu kam, daß die Handelsschiffe, die Hamburg anliefen, bereits in Glückstadt mit Zoll belegt wurden. So sollte Hamburg durch die beiden Stadtgründungen in die Zange genommen werden. Dies bewirkte natürlich wieder Gegenmaßnahmen, denn die Altonaer mußten einen großen Teil ihrer Waren auf dem Hamburger Markt absetzen, und es kam auf den Märkten und vor den Toren oft zu Handgreiflichkeiten und der Konfiszierung der Waren. Interessant und bedeutend ist an diesem Privileg, daß Altona sich langsam von einer reinen Handwerkerstadt zu einer Handelsstadt mit internationalen Verflechtungen wandelte.
Hamburg fühlte sich zunehmend bedroht, vielleicht weniger wegen der Wirtschaftskraft Altonas, als vielmehr durch die unverhohlenen Absichten Dänemarks über Altona Hamburg in die Knie zu zwingen. Die ersten Auswirkungen machten sich beim Holzhandel bemerkbar. Altona zog nahezu den gesamten Holzhandel von Hamburg ab, mit der Wirkung, daß sich viele Händler und deren Familien in Altona niederließen. Damals erhielt Altona auch eine neue Grenze zu Ottensen hin, die sich bis 1890 so halten sollte. Sie verlief jetzt auf der Linie Rathaus - Bahnhof - Kieler Straße bis zur Grenze nach Hamburg. Altona bekam ein neues Zentrum, das jetzt nördlich des Fischmarks lag mit dem Rathaus in der Nähe der Königstraße und des heutigen Nobistors und der Hauptkirche.
Wie rasant die bauliche Entwicklung verlief zeigt die Einwohnerstatistik: Zur Stadtgründung 1664 zählte Altona 3000 Einwohner, 1710 waren es 12.000 und Altona war damit die zweitgrößte dänische Stadt. Zum großen Arger von Hamburg baute Altona einen eigenen Hafen. Man baute in den Fluß hinein und errichtete Speicher und versuchte Raum zu schaffen für die Waren aus Übersee, insbesondere für den Holzhandel. Hamburg verfolgte bei diesem Wachstum ein merkwürdiges Doppelspiel. Die starke Bautätigkeit in Altona wurde größtenteils durch Hamburger Banken und Geschäftshäuser finanziert. Damit die Darlehen zurückgezahlt werden konnten, mußte Altona wirtschaftlich stark sein. Ein Darlehensgeber ist an dem Bankrott seines Kunden nicht interessiert. Der Hamburger Rat behinderte Altonas Entwicklung und die eigenen Geschäftsleute förderten sie.
Aufgrund eines Krieges zwischen Dänemark und Schweden, verbrannten die Schweden 1713 mit Hamburger Unterstützung 2/3 von Altona. Das bis dahin planlos aufgebaute Altona versackte nach dieser Verwüstung in einem heillosen Chaos. Nachdem Dänemark sich von dem Krieg erholt hatte, wandte es sich wieder der Elbe zu und versuchte Altona aus den traditionellen Konkurrenzgründen gegenüber Hamburg zu stärken. Zu diesem Zweck schickten sie einen erfahrenen Verwaltungsbeamten nach Altona. Die wichtigsten Stadtentwicklungsimpulse und damit das Hineinwachsen Altonas in eine Welthandelsstadt kamen dann tatsächlich von dem dänischen Verwaltungsbeamten Christian von Reventlow, der 1713 zum Oberpräsidenten von Altona bestellt wurde. Aus Konkurrenzgründen zu Hamburg wurde die Handels- und Gewerbefreiheit neu bekräftigt und die Zünfte aufgehoben. Im Städtebau wurden jetzt Pläne ausgearbeitet und feste Steinhäuser entlang von Fluchtlinien gebaut, um vor Bränden sicher zu sein, die Straßen wurde ausgebessert und teilweise gepflastert, die Trinkwasserversorgung verbessert. Unter seiner Präsidialschaft wurden Neumühlen, Övelgönne und auch Ottensen Altona unterstellt. Die Großstadt Altona in unmittelbarer Nachbarschaft von Hamburg war nicht mehr aufzuhalten. An der Behn- und Königstraße wurde das Reventlowstift eingerichtet, das Rathaus wurde gebaut, der Fischmarkt um den Gemüsemarkt erweitert, der Anleger an der Elbe wieder errichtet, der Hafen weiter ausgebaut und die Palmaille restauriert, die in der Zwischenzeit stark vernachlässigt worden war. Zwischen der heutigen Struenseestraße und der Königstraße, wo sich der Schulkomplex befindet, wurde das berühmte Christianeum, die Lateinschule, gebaut. Finanziert und unterstützt wurde diese lebhafte Bautätigkeit, insbesondere auch einer Reihe sozialer Einrichtungen, durch das dänische Dekret für ganz Dänemark, keine Waren von Hamburgern zu kaufen. Sie sollten direkt einkaufen, und somit wurde sehr viel über Altona bezogen. Viele Hamburger Kaufleute siedelten in dieser Periode nach Altona über und stärkten somit die neue Stadt.
5. Altona wird Welthandelsstadt
Die ökonomische Kraft Altonas erwuchs in erster Linie aus den alteingesessenen Handwerkerfamilien, denen es im Laufe der Zeit gelang, Manufakturen aufzubauen. In zweiter Linie waren es die Handelsniederlassungen aus Hamburg , aber auch aus dem Ausland. In Altona gab es 1740 3 große Schiffswerften, die auch vom Ausland Aufträge erhielten. 100 Schiffszimmerleute waren in Altona ansässig und selbstverständlich eine Vielzahl von Zuliefererbetrieben wie Reepschläger, Ankerschmiede und Segelmacher. In Ottensen zeugen Namen wie Menck und Hambrock und Zeise für diesen Industrieaufschwung mit internationaler Anerkennung. In Altona waren zu diese Zeit 40 Seeschiffe beheimatet, die an den Küsten der Nord- und Ostsee und auf dem Mittelmeer fuhren. Bis 1806 stieg die Anzahl auf 300 mit 3000 Mann Besatzung. Mit dieser Anzahl hatte Altona Hamburg zum ersten mal überflügelt. Stark vertreten waren in Altona Betriebe der Bekleidungs- und Nahrungsmittelherstellung. Die Große Elbstraße war damals die Hauptgeschäftsstraße. Die Atmosphäre hatte nach Berichten sehr viel Ahnlichkeit mit Rotterdam. Aber schon während dieser Aufschwungphase wurde das Entwicklungstempo und auch die allgemeine Stimmung gedämpft. Es wurde immer deutlicher, daß sich Dänemark von seinen Ansprüchen auf die Länder um die Elbe und Weser zurückzog. Ein markanter Punkt war der Verkauf der Elbinseln an Hamburg. Für 1 Mio. Reichsthaler wurde der südliche Streifen von Kaltehove bis Finkenwerder von Hamburg übernommen, ein weitsichtiger Akt aus der Sicht Hamburgs, denn dort sollten später die Speicherstadt und die neuen Hafenbecken entstehen. Ein weiterer Schlag im Zuge der 'Ermüdung' Dänemarks folgte, indem die Zollfreiheit für die Altonaer Waren nach Dänemark und Norwegen aufgehoben wurde. Um 1800 war der Höhepunkt Altonas als Welthandelsstadt bereits überschritten.
Altona geriet wieder in das Wechselspiel der Großmachtpolitik, als die Wirren der Französischen Revolution in die Folgekriege einmündeten. Dänemark stand auf der Seite Frankreichs gegen England, mit der Folge, daß die Engländer eine Seeblockade errichteten und Altona, aber auch Hamburg vom Seehandel abschnitten. Beide Städte saßen nun in der Falle.
6. Altona wird unabhängig
Zwar wahrte Dänemark seinen Einfluß an der Elbe und versuchte Hamburg zu schwächen, wo es ging, aber die große Unterstützung für Altona blieb aus. Statt dessen erfuhr Altona durch die beginnende industrielle Revolution einen ungeheuren technischen und wirtschaftlichen Schub, der nochmals das Wachstum dieser Stadt erheblich beschleunigte. Man könnte die Zeit nach den Napoleonischen Kriegen die Phase der Verkehrsentwicklung bezeichnen. Ausgelöst wurde die Phase formal durch den Zusammenschluß der vielen kleinen deutschen Staaten, die alle zusammen ihre Grenzen und ihre Zollbestimmungen fallen ließen. Es war das Zeitalter des Liberalismus und des wirtschaftlichen Aufschwungs. Von England kamen eine Reihe neuer Techniken nach Altona. Die Dampfschiffahrt begann und revolutionierte den Seehandel und auf den Landwegen revolutionierte die Eisenbahn den gesamten Güter- und Personenverkehr.
Aufschlußreich ist wiederum die Position Dänemarks, die an einer Verbesserung der Verkehrswege von der Elbe nach Norden sehr interessiert war, allerdings möglichst gleichzeitig Hamburg schädigen wollte. Mit der neuen Chaussee zwischen Altona und Kiel sollte in erster Linie der Durchgangshandel von Hamburg nach Lübeck abgelenkt werden. In der erstaunlich kurzen Bauzeit von 2 Jahren war die Straße fertiggestellt. Statt bisher 16 Stunden benötigte ein Reisender nun 6 bis 9 Stunden. Wesentlich aufwendiger und länger dauerte die Planung der ersten Bahnlinie von Altona nach Kiel. Die entscheidende Frage für die dänische Regierung war der Standort des Bahnhofs. Alle waren sich einig, daß er dort gebaut werden sollte, wo er Hamburg am meisten schadet und Altona am meisten nützt. Hamburger Reisende sollten Altona durchqueren müssen, um eventuell Dienstleistungen oder Güter zu kaufen. Der Bahnhof mußte also an der westlichsten Grenze von Altona liegen. Der Bahnhof wurde dort gebaut, wo heute das Rathaus steht. Allerdings gingen der Entscheidung scharfe Konflikte voraus zwischen Stadtplanern und Wirtschaftlern. Die Stadtplaner befürchteten, daß der Bahnhof und die Gleise nahe am Geesthang Altona von Ottensen trennen würde, eine ungünstige Entwicklung. Für die wirtschaftlich orientierten Planer war die Nähe zum Hafen das entscheidende Moment. Ziel der Bahn war der Güterverkehr zwischen Nord- und Ostsee. Zu diesem Zweck wurde damals die 'Schellfischbahn' gebaut, ein Tunnel zwischen Fischereihafen und Gleisanlagen, der die bisher mühsame Überwindung des steilen Geesthangs beseitigte. Die dänische Regierung legte wert auf den direkten Umschlag zwischen Schiff und Eisenbahnwagen. Die Wirtschaftsplaner setzten sich durch. Wie man heute sieht, wurde die Entscheidung später revidiert. Der Bahnhof wurde nach Norden verlegt; aus dem ehemaligen Bahnhofsgebäude wurde das heutige Rathaus Altona. Die Strecke konnte 1844 in Betrieb genommen werden. Eine Bahnstrecke von Hamburg nach Lübeck untersagte die dänische Regierung; die Strecke Hamburg - Berlin wurde 1846 in Betrieb genommen. Bemerkenswert ist, daß die dänische Regierung die Verbindung von Altona nach Hamburg zum Zwecke der Anbindung an Berlin strikt ablehnte. Erst in den 60er Jahren wurde eine Verbindung hergestellt. Eine Straße heißt heute noch 'An der Verbindungsbahn'.
Neben der Straße und der Bahn wurde auch die Fahrrinne der Elbe als Transportweg erweitert und vertieft. Die Sandbank zwischen Neumühlen und dem Fischmarkt war in der Zwischenzeit auch für die Altonaer zu einem ernsten Hindernis für ihre Hafenerweiterungspläne geworden. Erst mit den neuen Techniken des Dampfantriebs konnte sie beseitigt werden. 1840 bis 1841 kam es zu einer erheblichen Erweiterung des Altonaer Hafens nach Westen. Mit diesen Maßnahmen begann für Altona ein neuer Wachstumsschub: 1840 vor der Planung der Eisenbahn zählte Altona 28.000 Einwohner, 1845 waren es 32.000 und 1855 bereits 40.000.
7. Von der Welthandelsstadt zur Wohnstadt
Mit dem Krieg von Preußen und Österreich gegen Dänemark 1863 wurde die dänische Herrschaft an der Elbe beendet. Für Altona hatte dies zur Folge, daß es sämtliche Privilegien verlor und völlig auf sich allein gestellt war. Die preußische Regierung in Berlin nahm von dem Schicksal Altonas kaum Notiz. Hinzu kam, daß Altona, Hamburg und Wandsbek gegenüber dem Deutschen Bund Zollausland blieben, d.h. die Preise für Waren, die in das Gebiet des Deutschen Bundes exportiert wurden, waren sehr teuer durch den Zoll. Auf diese Weise verlor Altona einen großen Teil seiner Gewerbe an Ottensen , das innerhalb des Deutschen Bundes lag, also als Zollinland einen großen und billigen Markt hatte. Und durch den Sog der Gründerjahre in Hamburg verlor es darüber hinaus noch seine Handelsbetriebe an Hamburg.
Altona mußte sich völlig umstellen. Jetzt wurde deutlich, wie stark Altona von der politischen Kraft Dänemarks und auch von Dänemarks Haß auf Hamburg abhängig gewesen war. Trotz dieses wirtschaftlichen Niedergangs strömten in nie dagewesener Weise Menschen nach Altona. 1864 hatte Altona 53.000 Einwohner, 1875 waren es 84.000 und 1885 bereits 104.000. Dieser Aufschwung war beispiellos. Nach einer 300-jährigen Konkurrenzpolitk Dänemarks muß es als Sensation erscheinen, daß 1878 eine Pferdebahnlinie auf Schienen zwischen Altona und Hamburg eingerichtet wurde. Der Konkurrenzneid hatte sich überlebt. Markantes Zeichen für diesen Wandel war der großzügige Ausbau des Hamburger Hafens eben auf dem Gebiet, das Hamburg von Dänemark kaufen konnte. Altona geriet nun wirtschaftlich endgültig ins Hintertreffen; zwar wurde der Altonaer Hafen weiter ausgebaut, die Große Elbstraße wurde erheblich verbreitert, aber gegenüber der Wirtschaftsmacht Hamburg war der Gewinn nur minimal. Nach der Verdrängung der Dänen zeigte sich Hamburg plötzlich sehr liberal. Die Torsperren wurden beseitigt und die Zunftverfassung aufgehoben. Hamburg öffnete sich., weil die Gefahr einer Übernahme durch fremde Mächte vorbei war. Von Altona selbst schienen keine Gefahren mehr auszugehen. Das Datum für den eigentlichen Beginn eines Groß-Hamburgs bildete der 15. Oktober 1888, als Hamburg und Altona dem Zollgebiet des Deutschen Bundes beitraten.. Den Zuschlag für einen Freihafen, also ein Gebiet, in dem importierte Waren zollfrei gelagert und verarbeitet werden durften, erhielt Hamburg.
Altona mußte sich neuen Zielen zuwenden. Diese lagen in erster Linie , verursacht durch den massiven Zuzug von Menschen, in der Stadterweiterung nach Westen (Karte 4) und in dem Ausbau der Infrastruktur, also Elektrizität, Wasserversorgung, Kanalisation, Verkehr und soziale Einrichtungen. Tatsächlich wurde nach langen Diskussionen 1889 die Gemeinden Ottensen, Neumühlen, Bahrenfeld und Othmarschen eingemeindet. Das Stadtgebiet Altona dehnte sich von 450 ha auf 2180 ha aus und die Einwohnerzahl betrug jetzt 143.000. Sehr zügig wurden jetzt die Verkehrswege ausgebaut. Es entstanden der Holstenbahnhof und der Bahnhof in Bahrenfeld. Der Gleiskörper wurde hochgelegt und erhielt so seine heutige Gestalt. Im Januar 1896 begann der Betrieb der elektrischen Straßenbahn, der Bahnhof wurde verlegt, wie es bereits der Stadtpräsident Behn vorgeschlagen hatte, und das alte Bahnhofsgebäude wurde zum neuen Rathaus umgebaut (Karte 5). Um 1900 hatte Altona bereits 161.000 Einwohner. Den Charakter der Seehandelsstadt hatte Altona verloren. Es ging nun darum, für die Massen an Menschen geeignete Wohnungen und kommunale Einrichtungen zu schaffen. An der heutigen Max-Brauer-Allee, an der Langenfelder und Eimsbütteler Straße, in Bahrenfeld und Othmarschen wurde große Mietshäuser gebaut. Der Zuzug nach Altona hielt unvermindert an, zum größten Teil verursacht durch die zahlreichen Arbeitsplätze im neuen Hamburger Hafen. Bereits etwa 15.000 Menschen fanden Arbeit in Hamburg und wohnten in Altona. Die ehemalige Handwerker- und spätere Handelsstadt wurde in großen Schritten zur Wohnstadt ausgebaut und geriet in den Sog des wirtschaftlichen Aufschwungs Hamburgs. Zwischen 1890 und 1910 wurde Altona zu einer völlig neuen Stadt. Gleichzeitig war nicht zu übersehen, daß sich die Wohnbevölkerung in zwei Teile teilte: Im Osten der Stadt, an der Grenze zu St. Pauli ließen sich die Arbeiter nieder, die im Hafen oder den Zulieferbetrieben arbeiteten. Sie wohnten eher ärmlich in dem ehemaligen Kerngebiet, dagegen wurden im Westen von Altona zahlreiche Villen gebaut, es entstanden Ausflugslokale, Parkanlagen. Der dörfliche Charakter der Orte Flottbek, Sülldorf, Nienstedten und Blankenese und auch die Schönheit des Elbufers und des Flusses übten auf die reichen Bürger eine hohe Attraktivität aus. Die Probleme mit Hamburg waren weitgehend ausgeräumt. Sie verlagerten sich nun auf die sozialen Unterschiede, eines der Hauptprobleme während der Weimarer Republik. Altona konnte die Lasten, die aus dem großen Bevölkerungszustrom kamen, kaum mehr tragen. 1915 erklärte der Magistrat von Altona rundheraus, daß für Altona die Vereinigung mit Hamburg der einzig gangbare Weg bedeute. Eine Übergangsphase von 1927 bis 1936, in der es zu einem Groß-Altona kam in den Grenzen des heutigen Bezirks, mündete schließlich in ein Groß-Hamburg.
Eine 400-jährige Geschichte, die während 3 Jahrhunderten geprägt war durch eine aggressive Konkurrenzpolitik gegenüber Hamburg, endete mit der vollständigen Eingemeindung einer Stadt, die inzwischen auf über 200.000 Einwohner angewachsen war.
Inhalt
1. Ziele des Referats
2. Gründung und Lage Altonas
3. Die Zuwanderung
4. Altona wird Stadt
5. Altona wird Welthandelsstadt
6. Altona wird unabhängig
7. Von der Welthandelsstadt zur Wohnstadt
Literaturverzeichnis
Brigitte Beier/Norbert Fischer
Altona und Ottensen
Christians, Hamburg, 1993
Hans Berlage
Altona - ein Stadtschicksal
Broschek und Co. Hamburg, 1937
Hans-Günther Freitag/Hans-Werner Engels
ALTONA - Hamburgs schöne Schwester
Hamburger Abendblatt, 1982
Fritz Lachmund
Altona und Ottensen - Bilder aus Vergangenen Tagen
Hans Christians Verlag Hamburg, 1974
Werner Skrentny (Hrsg.)
Hamburg zu Fuß
VSA-Verlag Hamburg, 1992
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