Florian Schwarz 8A 1997/98
Der Alpentransit - Probleme, Lösungsansätze
Fallbeispiel « Inntal-Brenner-Route »
Als ich Herrn Gurgiser vom « Transitforum Tirol-Austria » von dem von mir auszuarbeiten-den Projekt erzählte und ihn bat, mir mitzuteilen, was denn geplant sei, um die Probleme am Brenner zu lösen, meinte er, ich solle doch ein leeres Blatt abgeben
1. Grundlagen - Europapolitik
1.1 Die EU und der Binnenmarkt
Ziel des Binnenmarktes war es, unter anderem, Beschränkungen innerhalb der Gemeinschaft abzubauen und dadurch bis 1998 rund 4 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen (Cecchini-Bericht). Beschränkungen wurden abgebaut und die Transitkosten um rund 30% gesenkt. Dadurch sollten Produktpreise sinken und die Kaufkraft auf andere Produkte gelenkt werden. Durch die nunmehr verstärkte Nachfrage sollte die Produktion steigen und damit zu einem positiven Beschäftigungseffekt und vor allem zu einem positiven Wohlstandseffekt führen (siehe auch 3.1)
Umweltschutz ist in der EU dem Ziel der Verwirklichung des Binnenmarktes (Art. 8a) nachgereiht, und im EG-Vertrag überhaupt erst seit 1986 enthalten.
Außerdem ist ein wichtiges Ziel der EU die Harmonisierung der Gesetze auch in Bezug auf den Straßenverkehr (d.h. im Fall Brenner der Wegfall von Wochenend-, Feiertags- und anderen Fahrverboten)
1.2 Der Transitvertrag und was nach dem EU-Beitritt davon übrigblieb
Der Tiroler Landtag hat am 16. Mai 1991 unter anderem beschlossen, daß « innerhalb von 10 Jahren ab Verhandlungsschluß eine Reduktion der Gesamtbelastung an NOx von 65% zu erreichen ist. Es ist sicherzustellen, daß zu keinem Zeitpunkt die Anzahl der auf der Straße zu transitierenden LKW-Einheiten, gemessen am Basisjahr, quantitätsmäßig überschritten und daß der Umwegtransit rückverlagert wird ». Verbindlich versprochen wurde dann eine Schadstoffreduktion um 60%. Am 26. Oktober hat die Tiroler Landesregierung mit Mehrheit den von Bundesminister Rudolf Streicher vorgelegten « Entwurf eines Transit-vertrages » ebenso akzeptiert, wie dann am 5. November 1991 der Tiroler Landtag mit den Stimmen der ÖVP und der SPÖ. Nach diesem Transitabkommen, das am 2.5.1992 in Porto unterzeichnet wurde und mit 1.1.1993 in Kraft trat, wird (bzw. wurde) der Transitverkehr zwischen Österreich und der EU geregelt.
Zu den Zielsetzungen dieses Abkommen zählen:
- Einführung von Umweltnormen auf hohem Schutzniveau:
Verschärfung der Emissionsgrenzwerte für den neuzugelassenen Straßenverkehr
Vermeidung von Leerfahrten
Lärmbekämpfung im Schienenverkehr
- Förderung des Ausbaus der Schieneninfrastruktur
- Maßnahmen zur Förderung des kombinierten Verkehrs und der Verlagerung des Straßengüterverkehrs auf die Schiene
- Verringerung der Schadstoffbelastung mit Hilfe des Ökopunktesystems
Nach dem EU-Beitritt konnte dieser Vertrag nicht aufrechterhalten werden, da er auf das gesamte österreichische Staatsgebiet angewendet wurde und dem EU-Gebot nach möglichst freiem Verkehrsfluß widersprach. Daher stand seit dem österreichischen Beitrittsantrag fest, daß nach etwaigen Übergangsfristen das geltende Gemeinschaftsrecht seine Anwendung finden würde. Ziel Österreichs war die Erhaltung des umweltpolitischen Inhalts zusammen mit den zu seiner Verwirklichung notwendigen Maßnahmen. Die EU war bereit, Österreichs umweltpolitische Ziele prinzipiell zu unterstützen, doch es wurde eine Bevorzugung österreichischer Frächter, bzw. Diskriminierung von EU-Frächtern ausgeschlossen.
1.2.1 Eine Gegenüberstellung von Transitabkommen und Beitrittsvertrag
Transitabkommen |
EU-Beitrittsvertrag |
Ziel: Reduktion der Schadstoffemissionen um 60% bis zum 31.12.2004 durch das Ökopunktesystem (1g NOx/kWh = 1 Ökopunkt), sowie durch die Förderung des Eisenbahnverkehrs, insbesondere des kombinierten Verkehrs |
Ziel: Erreichung einer nachhaltigen und dauerhaften Reduktion der Schadstoffemissionen um 60% bis zum 31.12.2003 durch das Ökopunktesystem (1g NOx/kWh = 1 Ökopunkt), sowie durch die Förderung des Eisenbahnverkehrs, insbesondere des kombinierten Verkehrs |
Geltungsbereich: Gesamtes österreichisches Staatsgebiet |
Geltungsbereich: Gesamtes österreichisches Staatsgebiet |
Finanzierung: Keine |
Finanzierung: Die EU gab eine Absichtserklärung ab über eine Beteiligung am Bau des Brenner-Basis-Tunnels. Bis jetzt erfolgte aber noch keine Entscheidung über den verpflichtenden Bau desselben. Österreich wird an den Infrastrukturmaßnahmen der EU teilnehmen. |
Kontrolle: An den Grenzen werden die Ökopunkte überprüft. Gewichte und der technische Zustand werden nur noch stichprobenmäßig kontrolliert (bis 15%). |
Kontrolle: Bis 1996 werden die Ökopunkte an den Grenzen kontrolliert. Ab 1997 erfolgt die Kontrolle an geeigneten Straßenquerschnitten. Gewichte und der technische Zustand werden nur noch stichprobenmäßig kontrolliert. |
Gesamtgewicht der LKW: 38t+5% Überschreitung (Strafe von S500.-) |
Gesamtgewicht der LKW: 38t+5% Überschreitung (keine Strafe) |
Transitausschuß: Einstimmige Beschlüsse müssen gefaßt werden |
Transitausschuß: Wie im Europäischen Rat müssen qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse gefaßt werden. |
Laufzeit: Bis 31.12.2004 bis zu diesem Zeitpunkt muß eine 60%ige Reduktion der Schadstoffemissionen erreicht werden |
Laufzeit: Bis 31.12.2003 Während der Laufzeit gibt es eine zweimalige Überprüfung (3+3+3 Modell). 1998: Nur einstimmige Anderungen sind im Ministerrat der EU möglich. Das heißt, die Voraussetzung dafür ist Österreichs Zustimmung. 2001: In Zusammenarbeit mit der Europäischen Umweltagentur prüft die Kommission, ob das Ziel des Vertrages schon erreicht ist. Nur bei dauerhafter und nachhaltiger Erreichung des Zieles läuft der Vertrag aus. Falls die Reduktion nicht erreicht wird, kann der Ministerrat der EU mit qualifizierter Mehrheit eine Regelung beschließen, mit der dieses Ziel gleichwertig realisiert werden kann. Ist die 60%ige Reduktion der NOx-Emissionen noch nicht erreicht und kommt der Ministerrat zu keiner neuen gleichwertigen Lösung, läuft der Vertrag bis zum 31.12.2003 weiter. Bis zu diesem Zeitpunkt muß eine 60%ige Reduktion der Schadstoffe erreicht werden. |
Transitfahrten: Die Höchstzahl wurde begrenzt. (Plafondierung 1991: In keinem Jahr darf die Zahl der tatsächlichen Transitfahrten mehr als 8% über dem Ausgangsjahr 1991 liegen. Wird diese Marke überschritten, wird im Folgejahr die Zahl der Ökopunkte um 4% stärker als vorgesehen abgesenkt. |
Transitfahrten: Die Höchstzahl wurde begrenzt. (vgl. Transitvertrag links) |
Bilateraler Verkehr: Kontingentvergabe an EU- und Oststaaten (=Höchstzahl von erlaubten Fahrten) |
Bilateraler Verkehr: Ab 1997 wird es eine Liberalisierung mit EU-Staaten geben, die von einem Kontrollsystem abhängig ist, das verschleierte Transitfahrten verhindert. An Oststaaten werden weiterhin Kontingente vergeben. Die Zahl der Durchfahrten wurde um neue Kontingente für Schweden und Finnland erhöht. |
1.3 Europ. Verkehrspolitik im Hinblick auf den
« Umfassenden Umweltschutz »
« Umfassender Umweltschutz » bedeutet
nach dem österr. BVG vom 27.11.1984 die
« Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor
schädlichen Einwirkungen ». In den EG-Vertrag wurde der Begriff Umweltschutz
erstmals 1986 aufgenommen, wobei er jedoch der Verwirklichung des Binnenmarktes
nachgereiht wurde. Ausnahmen zugunsten des Umweltschutzes sind nur unter
restriktiven Voraussetzungen zulässig. Spät aber doch hat die Union erkannt,
daß die Zielsetzungen im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt nur unter
Einbeziehung des Umweltschutzes verwirklicht werden können. Im Grünbuch
(=Planungsstadium) « Verkehr und Umwelt » (1992) wurde dann der Verkehr als
Hauptverursacher der Energie- und Umweltprobleme ausgewiesen. Darin werden auch
Maßnahmen gefordert, um
Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten umweltfreundlicher Verkehrsträger zu
beseitigen. Als oberstes Ziel wird die Verkehrsvermeidung
genannt. Im Weißbuch « Verkehr - Konzept für eine dauerhafte tragbare Mobilität
» (1992) wird der Umweltschutz als « eine der wichtigsten Herausforderungen
einer europ. Verkehrspolitik » bezeichnet. Außerdem klingt darin die Forderung
nach Realisierung der Kostenwahrheit an. Mit dem Vertrag von Maastricht (1994)
wird der Umweltschutz dem Binnenmarkt gleichberechtigt. Hierzu ist
festzustellen, daß sich die EU-Verkehrspolitik in einem großen Spannungfeld
zwischen der Realisierung eines europäischen Binnenmarktes und dem Schutz der
Umwelt befindet, da ersteres ja einen Verkehrsmarkt ohne mengenmäßige,
technische oder steuerliche Schranken erfordert. So hat die Union einige
Gegenansätze entwickelt, die beide Zielsetzungen miteinander vereinen sollen:
Revitalisierung der Eisenbahnen, Internalisierung der externen Kosten des
Verkehrs, Transitverträge mit Österreich und der Schweiz, europaweite
Einführung eines Ökopunktesystems, Förderungsmaßnahmen im Bereich des
Kombiverkehrs sowie eine Neuordnung der Eisenbahnen. Leider ist hierbei
vielfach noch ein eklatantes Umsatzdefizit zu beobachten.
1.4 Die Alpenkonvention
1988 forderte das Europäische Parlament einen « Entwurf einer Konvention zum Schutz des Alpenraumes ». Im Oktober 1989 beschlossen die Umweltminister der Alpenstaaten und der EU die 89-Punkte-Resolution von Berchtesgaden. Bei der Alpenkonvention handelt es sich de facto um ein Gegenmodell zum Europäischen Binnenmarkt.
Wie steht es nun mit der Implementierung dieser Rahmenkonvention bei den einzelnen Vertragspartnern?
Die Rahmenkonvention trat mit 6. März 1995 in Kraft. Leider steht die Ratifikation durch Italien und die Schweiz noch immer aus (Stand 1997). Man verankerte Zielsetzungen in acht Fachprotokollen: Naturschutz und Landschaftspflege, Berglandwirtschaft, Raumplanung und nachhaltige Entwicklung, Bergwald, Verkehr, Tourismus, Bodenschutz und Energie. Mit Stand 1997 sind vier Protokolle von der Mehrheit der Vertragspartner unterzeichnet. Doch gerade beim Verkehr konnte man sich bis heute nicht einigen und damit wird die Umsetzung der Protokolle hinausgezögert. Überhaupt ist das ganze Modell mit großen Schwierigkeiten behaftet, da es das erste dieser Art in Europa ist und es kompliziert ist, im Widerspruch stehende Sektoren, wie z.B. Verkehr und Naturschutz unter einen Hut zu bringen. Es ist zwar anerkannt, daß « Handlungsbedarf im Straßenverkehr » (Kostenwahrheit, Wegekosten, etc.) besteht, doch ist es unklar, wie streng mit neuen Straßenbauprojekten umgegangen werden soll. An und für sich müßte diese Diskussion überflüssig, sein, da in der Rahmenkonvention von einer Verminderung des Verkehrs und einer Verlagerung desselben auf die Schiene die Rede ist.
Die Gespräche befinden sich momentan in einer Sackgasse und Österreich ist einer Zwickmühle angelangt: Einerseits will man seine restriktive Position beibehalten, andererseits aber nicht an einer Blockade der Alpenkonvention schuld sein.
Die Alpenkonvention soll als politisches Instrument zur Korrektur des Alpenbildes der EU gelten.
2. Fakten und Zahlen
Seit dem EU-Beitritt
wurde die Anzahl der Transitfahrten im Vergleich zu 1991 um knapp 40 % überschritten
die NOx-Werte an der Autobahnmeßstelle Hall stiegen um 10 % an
wurde die Straßenbenützungsabgabe um 90 % gesenkt (Einnahmenentfall: 2 Mrd. S)
wurde das Gewichtslimit von 38 t auf 40 t erhöht (straffreie Toleranz)
ging die rollende Landstraße um 20 % zurück
Straßengüterverkehr 1994-1996: +20,00 %
Eisenbahngüterverkehr 1994-1996: -5 ,20 %
Investitionen in den Straßenverkehr in den nächsten Jahren: 60 Mrd. S
Maut Kufstein-Brenner (LKW, 40 t, 5.00-22.00): 1994: 1.357.-, 1997: 1.038.-
Maut Reschen-Vils (LKW, 40 t, 5.00-22.00): 1994: 1.092.-, 1997: 80.-
Durch den Binnenmarkt zu schaffende Arbeitsplätze: 4 Mio.; Realität: -2 Mio.
Jährliche LKW-Leerfahrten in der EU: 60.000.000.000,00 km
LKW-Transit über den Brenner: 1990: 850.000; 1997: 1.217.000 (+43 %)
2.1 Kostenvergleich Straße - Bahn
Volkswirtschaftliche Kosten von Schiene und Straße in Mrd. DM
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Straße |
Bahn |
Wegekosten im eigtl. Sinn |
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Unfallkosten |
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Luftverschmutzung |
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Lärmkosten |
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Sonstige volkswirtschaftliche Kosten |
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Kosten insgesamt |
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Erträge |
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Saldo |
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Volkswirtschaftlicher Eigenwirtschftlichkeitsgrad |
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3. Problemstellungen
Entwicklung des hochsubventionierten europ. Straßengüter-verkehrs hinsichtlich Umwelt, Wirtschaft und Beschäftigung
Die Analyse des Zusammenhanges der ökonomischen Entwicklungen und der Infrastrukturiellen Erreichbarkeit zeigt keine positive Beziehung. Doch der Mythos von den Effekten größerer Transportinfrastrukturen sind nicht tot zu kriegen. Wie schon in 1.1 erwähnt, sollte der Binnenmarkt 4 Mio. Arbeitsplätze schaffen, doch statt dessen ging die Beschäftigung zurück. In den letzten 5 Jahren stieg der Verkehr zwischen 20 und 35%, das BIP zwischen 5 und 8%, Beschäftigung und Reallohn gingen zurück. Die Arbeitslosen werden weiter steigen, während sich der Güterverkehr zwischen 1990 und 2010 um 100% und die CO2-Emissionen um 25% erhöhen werden. Doch aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit gibt es weiter Forderungen, die Wirtschaft mit massiven Verkehrsausbauten anzukurbeln.
Doch in welchem Zusammenhang stehen der immer billiger werdende Verkehr und die steigende Arbeitslosigkeit? Früher hat ein langer Transportweg dazu geführt, daß ein Produkt teurer wurde. Doch heute, wo der Transport um 30% billiger wurde, ist das nicht mehr so. Wenn die Entwicklung dahin geht, daß die Kosten weiter gegen null sinken, dürfte langfristig nur mehr ein Produzent übrig bleiben. Die restlichen Arbeitsplätze gehen verloren. An dieser Entwicklung kann man feststellen, daß Straßenbau kein geeignetes Mittel ist, um die Wirtschaft anzukurbeln. Der Straßenbau ist mit ziemlicher Sicherheit der ungünstigste Ansatz für die heimische Wirtschaft, da dann wieder Arbeitsplätze in billigere Gegenden abwandern und der Transit wieder vergrößert wird. Um das Arbeitsplatzproblem zu lösen, müßte man regionale Unternehmen mehr fördern und Innovationen wie Regio-Labels einführen.
Die Leistung des Verkehrs wird in t/km angegeben, die Produktivität in t*km/Zeit, also gibt es zwei Möglichkeiten, die Produktivität zu erhöhen: Schnellere oder größere Transportmittel, wobei der Trend immer mehr zu den schnelleren (LKW, Flugzeug) geht. Durch diese Entwicklung spielt der Transportkostenanteil bei hochwertigen Produkten, die aus der ganzen Welt kommen keine Rolle mehr, während er bei Produkten wie Rüben oder Kartoffeln durchaus eine Rolle spielt. Folge: Ferntransporte werden immer billiger, Nahtransporte bleiben gleich teuer. Daher könne Zulieferteile, die aus 1000 km Entfernung kommen billiger sein als welche aus 50 km. Der Umschlag und die Nähe ist deshalb so teuer, weil umschlagen immer mit hohem Personalaufwand verbunden ist.
Früher hat man in Europa auf Regulierung gesetzt und Verordnungen zugunsten der staatlich bevorzugten Verkehrsmittel (z.B. Eisenbahn), die in einem Konkurrenzkampf unterliegen würden, erstellt. Seit der Deregulierung fielen die Preise um bis zu 30%. Die Gründe für diese Deregulierung habe ich schon in 1.1 genannt. Doch leider ist der erwartete Effekt nicht eingetreten. Warum? Weil man zum Beispiel keinen Absatzmarkt mehr für eigene Produkte hat. Weil ausländische Produkte billiger angeboten werden können. Zunehmende Nachfrage führt also nicht zwangsläufig zu einer größeren Nachfrage nach heimischen Produkten. Ein weiterer Grund ist, daß die Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft nicht mehr funktioniert, und die Arbeit immer mehr von Maschinen gemacht wird.
Es gibt also im Zusammenhang mit verbesserten Transportmöglichkeiten nicht nur Gewinner sondern auch Verlierer; es gibt neben Konzentrationsbewegungen auch Verarmungseffekte.
Außerdem ist der Produktivitätszuwachs an die Grenzen des ökologisch machbaren gestoßen. Die Welt ist nicht reich genug um einer Milliarde Chinesen den gleichen Wohlstand zu ermöglichen. Die Antwort auf Beschleunigung kann nicht noch mehr Beschleunigung sein. Das Ziel sollte sein, den selben Wohlstand mit geringerer Inanspruchnahme der natürlichen Ressourcen zu erreichen.
3.2 Regionalentwicklung im Alpenraum
Mit dem Ende der Agrargesellschaft werden die Alpen zur Peripherie in Europa. Durch diese geographische Lage und die Verbesserung der Erreichbarkeit wurde das Auto zwangsläufig das alpenspezifische Transportmittel. Diese Entwicklung wäre kaum möglich, wenn man nach dem zweiten Weltkrieg nicht billig fossile Energie bekommen hätte können. Unter Nichtbeachtung verzerrter Austauschbedingungen und Nichteinbezug zunächst unbekannter Folgelasten konnten Transportkosten niedrig gehalten werden.
Um dem Alpenbogen aus seiner Strukturschwäche herauszuhelfen, versuchte man, ihn verkehrsmäßig optimal anzubinden. Ob die Folgen - Zusammenwachsen von Städten und Gemeinden in Tallagen zu Agglomerationsbändern und Verödung der ländlichen Gemeinde - wünschenswert sind, bleibt fraglich.
3.3 Transportwiderstände - Der Widerstand im Alpenraum
In den 60er-Jahren hieß es « Verkehr bringt Leben », « Tirol darf nicht umfahren werden », etc. Damals sind die Bürgermeister des Inntals um die Autobahn Schlange gestanden, da die Belastung durch den Verkehr auf der Bundesstraße unerträglich geworden war. Doch heute löst der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur keine Beschäftigungsprobleme mehr, er bewirkt eher das Gegenteil. Um die ersten Demonstranten zu beruhigen hat man rasch reagiert: Flüsterasphalt, Lärmschutzfenster und -mauern. Doch es steht fest, daß sich das Problem mit technischen Maßnahmen allein nicht lösen läßt, und so ging der Widerstand weiter. Die « Unfähigkeit der Politik » zwingt die Menschen zum Handeln. Sie fordern: Striktes Nachtfahrverbot auf allen alpinen Transitrouten, Kostenwahrheit im Straßengüter-verkehr, sektorale Fahrverbote, Ersatz des Prinzips « freier Warenverkehr » durch « kurzer Transportweg ». Solange es Subventionen gibt, Lebendvieh nach Süditalien zu transportieren, nur um die dortigen Schlachthöfe auszulasten, wird dies schwer möglich sein.
Das Transitform Tirol beispielsweise kämpft für Umwelt und Arbeitsplätze nach der Devise: « Es nützt der beste Umweltschutz nichts, wenn die Menschen keine Arbeit haben und es nützt der beste Arbeitsplatz nichts, wenn die Umwelt versaut ist »
4. Mögliche Lösungsansätze
Bis heute wurden noch keine für alle beteiligten Parteien befriedigende Lösungsmöglich-keit für das Straßengütertransitproblem auf der Inntal-Brenner-Route gefunden. Es gibt zahlreiche realistische aber auch utopische verkehrstechnische Lösungsansätze: Von einer Magnetschwebebahn oder Untertunnelung des gesamten Alpengebietes (siehe 4.2.4) über Erhöhung der Treibstoffkosten bis hin zur Bahntransversale München-Verona.
4.1 Internalisierung der externen Effekte
(=Die verursachten Kosten an den Verursacher weiterzugeben.)
Die sozialen Kosten werden von keinem Preismechanismus gesteuert, daher ergeben sich, falls diese externen Effekte nicht internalisiert werden, Wettbewerbsverzerrungen. Die optimale Allokation der Ressourcen läßt sich nur herstellen, wenn die sozialen Kosten (Krankheiten, Umweltverschmutzung, Schädigung der Volkswirtschaft, etc.) den Verursachern voll angelastet werden, d.h. voll internalisiert werden. Im Verkehrsbereich muß nach dem Prinzip der Kostenwahrheit anhand des Verursacherprinzips vorgegangen werden. Nur in Ausnahmefällen soll das Gemeinlastprinzip (=alle zahlen es) angewendet werden. Durch das Gemeinlastprinzip werden Umweltbeeinträchtigungen Großteils auf Kosten der Allgemeinheit beseitigt. Insgesamt muß die gesamtwirtschaftliche Eigenwirtschaftlichkeit jeder Transportleistung und damit am Verkehrssektor Budgetneutralität angestrebt werden.
Es gibt mehrere alternative Instrumente, um dieses Ziel zu erreichen:
4.1.1 Autobahnvignette
Die Autobahnvignette ist die kostengünstigste Möglichkeit, eine Benützungsgebühr für die Autobahn einzuheben. Sie ist ohne großen verwaltungstechnischen und materiellen Aufwand und v.a. rasch zu realisieren. Sie hat jedoch den gravierenden Nachteil, daß die Kosten nicht fahrleistungsabhängig sind. Folge: Ein LKW der täglich Österreich quert zahlt gleichviel wie ein LKW, der gerade einmal im Monat fünf Kilometer auf einer Schnellstraße zurücklegt. Somit würden die Folgekosten wieder nicht dem Verursacher allein angelastet. Außerdem gibt es keinen Anreiz, den Transit zu minimieren, da sich die Gebühr dadurch ja nicht verringert. Zweiter Nachteil der Vignette, der Autobahnbewirtschaftung überhaupt, ist die Flucht auf die gebührenfreien Bundesstraßen. Laut « Tiroler Transitforum » weichen bereits jährlich 1 Mio. PKW pro Jahr auf die Wipptaler Bundesstraße aus, um sich 130,00 S Maut zu ersparen, d.h. es müßten Maßnahmen ergriffen werden, um diesen Nebeneffekt zu verhindern.
4.1.2 Road-Pricing
Das Road-Pricing ist eine kilometerabhängige Abgabe, die (in Österreich) über ein im Auto eingebautes kleines Gerät bei Kontrollstellen von einem Konto abgebucht würde. Vorteil dieser Maßnahme ist durch Differenzierung nach Fahrzeugkategorie und Gewichtsklasse, eine größtmögliche Kostendeckung zu erhalten. Der größte Nachteil sind die Kosten, die bei der Installation eines derartigen Systems anfielen sowie die Instandhaltungskosten. Außerdem sind - falls man das Road-Pricing auch für PKW einführt - die hohen Kosten für Pendler schwer verantwortbar. Und richtig sinnvoll wäre dieses System auch nur, wenn man die Kosten vom Schadstoffgehalt der Luft bzw. vom Verkehrsaufkommen abhängig machen würde.
4.1.3 Erhöhung der Mineralölsteuer
Diese Maßnahme wird von vielen favorisiert, da sie ohne größeren Aufwand realisierbar ist und auch fahrleistungsabhängig ist. Der große Nachteil dabei ist, daß man die Steuer um einen Schilling je Liter erhöhen müßte, um die gleichen Einkünfte wie bei den oben genannten Möglichkeiten zu erzielen, was wiederum zu vermehrten Tanktourismus führen würde. Abgesehen davon tanken die meisten Transit-LKWs schon jetzt nicht mehr in Österreich, da es mit ihren vollgefüllten großen Tanks einfach ist, das Benzinhochpreisland Österreich ohne Tankstopp zu durchqueren.
4.2 Erschließung neuer Verkehrswege
Die Erschließung neuer Verkehrswege ist die zweite große Möglichkeit, das Transitproblem zu entschärfen. Jedoch würde man dann weder die verursachten Kosten erstattet bekommen, noch das Verkehrsaufkommen verringern. Durch die weiterhin günstigen Transportkosten würde das Verkehrsaufkommen weiter steigen, also böte sich in ein paar Jahren das gleiche Bild wie heute. Ein Teufelskreis also.
Trotzdem gibt es einige sinnvolle Ansätze die in Kombination durchaus zu einer Verbesserung der Situation beitragen könnten:
4.2.1 « Rollende Landstraße »
Die naheliegendste Lösung wäre eine weiterreichende Forcierung und Subventionierung der « Rollenden Landstraße », kurz RoLa genannt. Das größte Problem ist, daß diese momentan wirklich einer Landstraße und keiner Autobahn gleicht, sprich, die Pünktlichkeit und Schnelligkeit müßte verbessert werden (vgl. auch 4.2.2). Zur Zeit gibt es auch noch zu viele Terminals. Ziel der ÖBB ist es möglichst schnell möglichst günstig möglichst viele möglichst lange Züge zu möglichst wenig Terminals zu befördern. Um erstgenannte zu erreichen, bedarf es neuer Terminaltypen, um bereits vorhandene Kapazitäten besser nutzen zu können. Außerdem wird ein besseres Informationssystem benötigt, da die ÖBB bisher immer « auf Verdacht » produzierte, was natürlich die Kosten wieder in die Höhe treibt.
4.2.2. Container und Wechselaufbauten
Mit geringerem logistischen Aufwand als die RoLa ist der Containertransport verbunden. Außerdem - so Dr. Aigner, Kombiverkehrsspezialist der ÖBB-Dion Innsbruck - ist die RoLa als straßensystemerhaltende Technik ein Auslaufmodell. Vorteil dieses Systems ist auch, daß jeder Verkehrsträger auf dem für ihn optimalen Gebiet eingesetzt werden kann, d.h. der LKW wird im Nah- und Flächenverkehr (Zubringer- und Verteilerverkehr) eingesetzt und die Bahn in weit entfernte Zielterminals transportieren.
Es gibt auch noch weitere ähnliche Varianten wie RoadRailer und Sattelanhängertransport, auf die ich hier nicht genauer eingehen will.
4.2.3 Brenner-Basistunnel und Ausbau der Eisenbahn
Da die jetzige zweigleisige Bahnstrecke nur über ein Gleis pro Fahrtrichtung verfügt, bedeutet das, daß allen Zügen, also langsamen Regionalzügen ebenso wie internationalen Qualitätszügen, nur eine « Fahrspur » pro Richtung zur Verfügung steht. Demnach beträgt die Transportkapazität der jetzigen Strecke 12 Mio. Nettotonnen. Doch selbst bei 100%iger Auslastung könnte die Schiene lediglich die Steigerungsraten des LKW-Verkehrs bis zum Jahr 2000 (Stand 1992) aufnehmen. Das bedeutet, daß auf der Straße im Jahr 2000 kein einziger LKW weniger unterwegs sein wird.
Abhilfe kann da nur ein viergleisiger Ausbau der Strecke (da die Engpässe ja nicht unbedingt am Brenner sondern auch schon im Inntal liegen) und/oder der Bau eines Brenner-Basis-Tunnels, dessen Finanzierung von der EU auch in Aussicht gestellt wurde. Doch hierzu bedarf es noch einer Bewußtseinsänderung in der Bevölkerung.
4.2.3.1 Ausbau der gesamten Eisenbahntransversale München - Verona
Diese Eisenbahntransversale umfaßt natürlich die in 4.2.3 erwähnten Maßnahmen.
Im Dezember 1986 wurde eine Machbarkeitsstudie « Brenner-Basis-Tunnel » in Auftrag gegeben die 1989 genehmigt wurde. 1991 war auch eine Risikoanalyse fertig und es konnte eine Machbarkeitsstudie « Hochleistungsbahn München-Verona » in Auftrag gegeben werde. 1994 wurde der Abschlußbericht genehmigt und ein Grundsatzpapier über den Ausbau der Bahntransversale München-Verona in Montreux unterzeichnet. Leider wurde das ohnehin schon komplizierte Projekt durch die Absage Brüssels, Direktzahlungen zu leisten, noch verkompliziert. Es wird lediglich « günstige » Kredite aus Brüssel geben. Das gesamte Projekt soll rund 170 Mrd. Schilling kosten und erstreckt sich auf 409 Kilometer. Zusätzlich zu den bestehenden müßten noch zwei neue Gleise errichtet werden, womit eine Kapazität von 400 Zügen / 24 Stunden mit einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h (Reisezüge), bzw. 160 km/h (Güterzüge) ermöglicht würde. Damit würde die Fahrtdauer München-Verona 152, bzw. 180 statt wie bisher 331, bzw. 350 min. dauern. Der von Österreich zu tragende Anteil der Kosten beträgt 56 Mrd. S. Der Streckenverlauf wäre: München - Rosenheim - Inntal - Innsbruck - Brenner-Basis-Tunnel - Franzensfeste - Eisacktal - Bozen - Etschtal - Verona. Das Projekt ist in drei Ausbauschritte aufgeteilt: München - Innsbruck (165 km); Innsbruck - Franzensfeste (55 km); Franzensfeste - Verona (189 km). Die Strecke im Unterinntal wäre zuerst zu realisieren, während die südliche Zulaufstrecke gestreckt werden könnte. Trotz widriger Umstände konnte « eine technisch und ökologisch machbare Projektlösung » erarbeitet werden.
Die Brenner-Transversale ist als « integriertes Gesamtsystem konzipiert, das nicht zuletzt aus einem computergestützten Betriebsleitsystem besteht und sich nahtlos in ein europäisches Eisenbahnsystem für den Hochleistungsverkehr einfügen kann. »
4.2.4 Swissmetro - Transitlösungen anderswo
Dieses Projekt paßt zwar nicht direkt in diese Arbeit, doch aufgrund seiner Unkonventionalität schien es mir erwähnenswert. Der Spatenstich zu dieser unterirdischen Schnellverbindung soll - wenn es nach der Swissmetro AG geht - 2002 erfolgen und ab dann soll in bis zu 150 Meter Tiefe und einem Luftdruck, der dem in 18.000 Meter Höhe entspricht, ein 500 km/h schneller Triebwagen zwischen den Städten pendeln. Zwar mutet dieses Projekt utopisch an, doch laut einer von Dornier 1988 ausgeführten Machbarkeitsstudie ist es durchaus realistisch. Doch natürlich gibt es auch hier einige, die sich der Swiss-metro entgegen-stellen. « Zu teuer », « zu viel Verkehr » lauten deren Argumen-te. Bleibt abzu-warten, ob sich die Befürworter durchsetzen können.
4.2.5 Neue Nord-Süd-Achsen
Um die Transitrouten zu entlasten gab und gibt es auch Projekte für neue Transitrouten, wie zum Beispiel der Ausbau der Reschen-Strecke oder die Verwirklichung des « Alemagna-Projekts », einer hochrangigen Straßenverbindung zwischen Italien und Deutschland.
4.3 Umwegtransit abbauen - Verträge mit der Schweiz
Den Umwegtransit abzubauen ist wie 4.2.5 auch keine wirkliche Lösung des Problems, da der Transit hierbei ja nicht vermindert, sondern bloß verlagert wird. Diese Maßnahme wird vor allem als erster Schritt vom « Transitforum Tirol » verlangt, da laut Transitforum allein 350.000 Fahrten jährlich über den Brenner « Umwegverkehr » darstellt. Dazu müßte die Schweiz zustimmen - was schon sehr utopisch ist.
4.4 Der kurze Transportweg - das alpine Produkt in der Direktvermarktung
Ein wichtiger Beitrag zur Kurzhaltung von Transportwegen und damit der Verminderung des Transit ist auch die Direktvermarktung von landwirtschaftlichen Gütern. Tirol hat österreichweit den höchsten Bergbauernanteil und die durchschnittliche Landwirtschaft umfaßt nur 10 ha Fläche. Die Einkünfte daraus liegen unter dem österreichischen Durchschnitt. Die Forderung, daß sich die Tiroler Landwirtschaft dem Wettbewerb stellen soll, ist unrealistisch, da hier von sowohl topographischen, als auch wirtschaftlich unterschiedlichen Positionen ausgegangen wird. Um den seit dem EU-Beitritt durch Preissenkungen bewirkten Einnahmenausfall wettzumachen, bietet sich die Direktvermarktung als Lösungsansatz an. Zu erwähnen seien hier die Projekte « Bauernladen » und « Ab Hof Verkauf ». Vorteile dieser Vermarktungsvarianten sind, daß der Konsument weiß, woher das Produkt kommt und daß auf kaum einem anderen Vertriebsweg Transportwege so kurz gehalten werden können. Wünschenswert wäre, wenn mehr Leute - trotz vielleicht höheren Preisen - mehr Leute diese Form der Landwirtschaft unterstützen, die langfristig wieder uns allen zugute kommt.
4.5 Umdenken
Vielleicht auch ein Lösungsvorschlag:
Es ist unbestritten, daß die Situation am Brenner prekär ist, doch man darf nicht vergessen, daß mehr als ein Viertel der PKW Fahrten auf dieser Strecke Lokalverkehr ist. Außerdem weist die Transitstrecke A12/A13 keine österreichischen Spitzenwerte auf. Zum Vergleich: Das Verkehrsaufkommen auf der West- / Südautobahn im Raum Wien und Linz ist 2 ½ mal so hoch und auf der wiener Südosttangente 4 ½ mal so stark
5. Quellennachweis
- Diplomarbeit « Transitverkehr - Rechtliche, umweltpolitische sowie verkehrspolitische Rahmenbedingungen und Lösungsansätze », Ebenbichler, Barbara, Wien 1997
- Diplomarbeit « Kosten- Nutzen-Analyse des Ausbauprogrammes « Transitkorridor Kufstein - Brenner » der Österreichischen Bundesbahnen », Eberle, Josef, Wien 1992
- Tagungsband, Internationale Alpentransittagung 21.+22.2.1997, Innsbruck, 1997
- « Transitfakten », Zeitschrift des « Transitforums Austria-Tirol », Ausgaben 1,2,3,6,7,8,9, Innsbruck 1995/96/97/98
- Autobild Nr.5/98, 30.1.1998
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