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Gotthold Ephraim Lessing

Gotthold Ephraim Lessing

Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit, und in seiner Linken den einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte, und spräche zu mir: wähle! Ich fiele ihm mit Demut in seine Linke, und sagte: Vater gib! die reine Wahrheit ist ja doch nur für dich allein!

Lessing wähnte sich niemals im Besitz der Wahrheit. Worauf es ihm immer ankam ­ die bekannten Sätze aus der Duplik von 1778 machen dies nur allzu deutlich ­, ist die spezifische Form aufklärerischen Denkens, die »aufrichtige Mühe«, die der Mensch anwendet, um »hinter die Wahrheit zu kommen«. Widersprüche, Irrtümer, die sich zwangsläufig aus der begrenzten Erkenntnisfähigkeit, der Fehlbarkeit des Menschen ergeben, waren für Lessing verzeihlich und weniger schlimm als das starre und sture Beharren auf dogmatischen Positionen, die als einzig gültige Wahrheit verkauft werden ­ sei es in religiösen, politischen oder literarisch-wissenschaftlichen Fragen. Flexibilität des Denkens ­ dazu gehört auch, neben dem Kampf gegen Vorurteile und dem Eintreten für die Vernunft, die praktische Haltung der Toleranz: Verständnis für den Andersdenkenden, das Zugeständnis, daß auch andere sich redlich um die Wahrheit bemühen.



Gotthold Ephraim Lessing wurde am 22. Januar 1729 in Kamenz in der Oberlausitz geboren. Er entstammte wie so viele andere deutsche Schriftsteller des 18. Jahrhunderts einem evangelischen Pfarrhaus; der Vater Johann Gottfried Lessing war Pastor primarius an der Hauptkirche in Kamenz und Verfasser theologischer Werke, die Mutter Justine Salome, geb. Feller, die Tochter des Amtsvorgängers ihres Mannes. Gotthold Ephraim war das zweite von insgesamt zwölf Kindern.

Von 1737 bis 1741 besuchte er die Lateinschule in Kamenz, anschließend bis 1746 die Fürstenschule St. Afra in Meißen. Im September 1746 nahm er das Theologiestudium an der Universität Leipzig auf.

Schon bald aber beschäftigte er sich mit eher weltlichen Dingen, lernte Tanzen, Fechten, Reiten und begeisterte sich für das Theater. In der Zeitschrift Der Naturforscher und den von seinem Vetter Christlob Mylius herausgegebenen Ermunterungen zum Vergnügen des Gemüths erschienen erste Gedichte, Fabeln und Verserzählungen. Wegen eigener und fremder Schulden von Theaterleuten, für die er gebürgt hatte, mußte Lessing ­ auf der Flucht vor den Gläubigern ­ im Sommer 1748 Leipzig verlassen. Nach kurzem Zwischenaufenthalt in Wittenberg, wo er Medizin studieren wollte, erreichte er im November 1748 Berlin.

Lessing, keine zwanzig Jahre alt, entschloß sich, den Beruf des freien Schriftstellers zu ergreifen. Zusammen mit Mylius gab er die Zeitschrift Beiträge zur Historie und Aufnahme des Theaters heraus, daneben schrieb er Rezensionen, Gedichte, Theaterstücke (Die Juden, Der Freigeist), verfaßte Übersetzungen, ab 1751 arbeitete er für die Berlinischen privilegierten Staats- und Gelehrten Zeitung.

Auf Drängen des Vaters, aber auch wegen einem unseligen Streit mit dem am Hofe Friedrichs II. weilenden Voltaire, dessen Siècle de Louis XIV Lessing in Form von Druckbögen seinen Bekannten zugänglich gemacht hatte, noch bevor es Voltaire dem König präsentieren konnte, reiste er Ende 1751 nach Wittenberg ab, um dort seine Studien abzuschließen. Im April 1752 wurde er zum Magister der Philosophie promoviert.

Ab November 1752 war Lessing wieder in Berlin. Er beschäftigte sich mit Übersetzungen von Schriften Voltaires und Friedrichs II. und begann das ehrgeizige Projekt der (niemals vollendeten) Theatralischen Bibliothek, die in unregelmäßiger Reihenfolge eine kritische Geschichte des Theaters zu allen Zeiten und bei allen Völkern liefern sollte. Von 1753 bis 1755 erschien die sechsteilige Sammlung seiner Schriften, angeblich aufgrund einer Wette mit Moses Mendelssohn, den er wie Friedrich Nicolai 1754 kennengelernt hatte, entstand im Frühjahr 1755 Miß Sara Sampson.

Trotz des literarischen Ruhms war Lessing nach wie vor auf der Suche nach einer gesicherten Anstellung. Im Oktober 1755 begab sich Lessing nach Leipzig. Von dem reichen Kaufmann Christian Gottfried Winkler bekam er das Angebot, als dessen Begleiter eine vierjährige Reise durch Europa zu unternehmen. Im Mai 1756 brachen sie in Leipzig auf, bereits im August wurden sie in Amsterdam vom Ausbruch des Siebenjährigen Krieges überrascht und mußten umkehren. Nach der Rückkehr in das mittlerweile von den Preußen besetzte Leipzig entwickelte sich bald die enge Freundschaft zum preußischen Major und Dichter Ewald von Kleist, die von den Leipzigern mißtrauisch beäugt wurde.

Im Mai 1758 kehrte Lessing nach Berlin zurück. Er schrieb die ersten Briefe, die neueste Literatur betreffend, 1759 erschien der Einakter Philotas.

Einen überraschenden Einschnitt stellen die Jahre 1761 bis 1765 dar; Lessing übernahm eine Stelle als Gouvernements-Sekretär beim preußischen General Tauentzien in Breslau. Aller Geldsorgen enthoben, kultivierte Lessing ein bohèmehaftes Leben, gab sich seiner Spielleidenschaft hin, bereits 1763 allerdings schrieb er seinem Vater: »Ich habe mit diesen Nichtswürdigkeiten nun schon mehr als drei Jahre verloren. Es ist Zeit, daß ich wieder in mein Gleis komme.«

Im Mai 1765 kehrte er nach Berlin zurück und fand sich, nicht ohne Schwierigkeiten, wieder in seine literarische Arbeit ein. Erst 1766 erschien eine umfangreichere Schrift, die ästhetische Abhandlung Laokoon, die vor allem bei der jüngeren Generation von überwältigender Wirkung war; 1767 Minna von Barnhelm.

Nachdem sich Lessings Wunsch, Bibliothekar an der königlichen Bibliothek in Berlin zu werden, 1766 zerschlagen hatte, konzentrierte er sich ganz auf die Mitarbeit an dem in Hamburg geplanten Nationaltheater. Aus dem Theater eine Institution der nationalen Kultur zu machen, lautete die enthusiastische Vorgabe. Ostern 1769 war das Projekt finanziell und wegen Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Dramaturgen Lessing und den beiden anderen Direktoren gescheitert. Als Nachruf schrieb Lessing in der Hamburgischen Dramaturgie:

Wenn das Publikum fragt, was ist denn nun geschehen? und mit einem höhnischen »nichts« sich selbst antwortet: so frage ich wiederum, und was hat denn das Publikum getan, damit etwas geschehen konnte? Auch nichts [] ­ Über den gutherzigen Einfall, den Deutschen ein Nationaltheater zu verschaffen, da wir Deutsche noch keine Nation sind! Ich rede nicht von der politischen Verfassung, sondern bloß von dem sittlichen Charakter. Fast sollte man sagen, dieser sei: keinen eigenen haben zu wollen.

Im September 1769 erhielt Lessing vom Braunschweiger Hof das Angebot, Bibliothekar an der berühmten herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel zu werden.

Die ersten Jahre in Wolfenbüttel waren literarisch wenig fruchtbar. Lediglich Emilia Galotti erschien 1771, daneben veröffentlichte er von 1774 bis 1778 aus dem Nachlaß von Hermann Samuel Reimarus Fragmente eines Ungenannten, die ihn später mit dem Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze in heftige theologische Auseinandersetzungen verwickelte.

1775 bis 1776 reiste er über Leipzig und Dresden nach Wien, von dort aus begleitete er den Prinzen Leopold von Braunschweig nach Italien; die Reise, die nach Mailand, Venedig, Florenz, Korsika, Genua, Turin, Rom und Neapel führte, schien auf den vom Prinzen abhängigen Lessing wenig Eindruck gemacht zu haben.

Nach seiner Rückkehr heiratete er die mit ihm bereits seit 1771 verlobte Hamburger Kaufmannswitwe Eva König. Privates Glück war ihm allerdings nicht beschieden; im Dezember 1777 starb kurz nach der Geburt ihr Sohn, zwei Wochen später die Mutter. »Ich wollte es auch einmal so gut haben, wie andere Menschen«, schrieb Lessing verbittert. »Aber es ist mir schlecht bekommen.«

Den Vorschlag, an das in Mannheim geplante Nationaltheater zu kommen, lehnte er angesichts der negativen Erfahrungen in Hamburg ab. In Wolfenbüttel befaßte er sich in seinen letzten Jahren mehr und mehr mit theologischen Fragen; 1778, vollständig erst 1780, erschien Die Erziehung des Menschengeschlechts, daneben entstanden die gegen den orthodoxen Hamburger Hauptpastor gerichteten Anti-Goeze-Schriften, die das Recht der Vernunft verteidigten, auch die Religion ihrer prüfenden Kritik zu unterziehen.

Als Fortsetzung dieser Auseinandersetzung entstand 1778 das »dramatische Gedicht« Nathan der Weise.

Spätestens 1780 hatte sich Lessings Gesundheit rapide verschlechtert, er klagte über Konzentrationsmangel, Abnahme der Sehkraft, Melancholie, krankhafte Müdigkeit; am 15. Februar 1781 starb er bei einem Besuch in Braunschweig im Alter von 52 Jahren.








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