REFERAT-MenüDeutschGeographieGeschichteChemieBiographienElektronik
 EnglischEpochenFranzösischBiologieInformatikItalienisch
 KunstLateinLiteraturMathematikMusikPhilosophie
 PhysikPolitikPsychologieRechtSonstigeSpanisch
 SportTechnikWirtschaftWirtschaftskunde  



Franz Kafka - Die Verwandlung - Deutung und Interpretation




Franz Kafka

Die Verwandlung

Deutung und Interpretation






Der Autor


Franz Kafka wurde am 3 Juli 1883 als ältestes Kind des Kaufmanns Herrmann Kafka und seiner Ehefrau Julie geborene Löwy in Prag geboren. Er führte eine ereignislose Existenz. Er ist keinem der berühmten Zeitgenossen begegnet wie zum Beispiel Rilke und Hoffmannsthal. Er verkehrte nur mit mehreren Freunden aus der Schriftstellerszene. Beruflich führte er ein geradezu provinzielles Dasein als Beamter in der Arbeiterwohlfahrt-Versicherungsanstalt . So stand sein unauffälliges kurzes Leben - er starb im Alter von 41 Jahren - in totalem Gegensatz zu dem spektakulären Nachruhm, der ihm später zuteil geworden ist.



Seine Familie stammte väterlicherseits aus Südböhmen und übersiedelte dann nach Prag . Seine Mutter stammte aus einer reichen und gebildeten deutsch-jüdischen Familie. Obwohl der Vater in einem tscheschisch-jüdischen Milieu aufgewachsen war, orientierte sich die Familie Kafka im Verlauf der Prager Zeit - wie die meisten dort lebenden Juden an der deutschen Sprache und Kultur. Alle Kinder wurden in deutsche Schulen geschickt und beherrschten die deutsche Sprache vorrangig vor der tschechischen.

Ab 1893 besuchte Kafka das staatliche deutsche Gymnasium auf dem Altstädter Ring und machte dort sein Abitur. Anschließend studierte er Jura an der Prager deutschen Universität und hörte außerdem Vorlesungen in den Fächern Germanistik und Kunstgeschichte. Nach einem kürzeren Aufenthalt in München kehrte er wieder nach Prag zurück.

Das Rechtsstudium, ohne besondere Anziehungskraft durchgeführt, wenn auch nicht ohne Einfluss auf seinen Stil geblieben, wurde 1906 mit der Promotion abgeschlossen. Nach einem Jahr Gerichtspraxis nahm er eine Stellung bei der Arbeiter-Unfall-Versicherung an, wo er bis zum Ausbruch seiner Krankheit blieb. Diese Tätigkeit erklärt sich aus dem Zeitgewinn für seine literarischen Arbeiten, mit denen er sich schon zur Zeit seines Studiums befasste und die seine eigentliche Tätigkeit waren. Er besuchte gelegentlich Vorstellungen des deutschen und des tschechischen Theaters, bei welchen Gelegenheiten er seinen besten Freund Max Brod und die Freunde Felix Weltsch und Oskar Baum kennenlernte. In den Jahren 1908/9 veröffentlichte er einige Fragmente aus seiner längeren Prosa Beschreibung eines Kampfes' und begann, regelmäßig Tagebücher zu führen. In dieser Zeit kam er auch in Kontakt mit der Religion der Ostjuden und beschäftigte sich mit chassidischen Erzählungen und Legenden. Während ihm - laut Tagebuchaufzeichnungen - die chassidischen Legenden nahestanden, hatte er zum Zionismus - im Gegensatz zu Brod - eine durchaus ungeklärte Beziehung.

Das Jahr 1912 gehörte zu den produktivsten Jahren in Kafkas Leben. Zu dieser Zeit wurde er mit Felice Bauer bekannt, verlobte sich mit ihr und löste dann diese Verlobung wieder. Schwankend, wie seine Beziehungen zu Frauen waren, wiederholte er die Verlobung mit Felice Bauer später noch einmal; aber auch sie endete in der Trennung. So ging es mit allen Beziehungen, die Kafka mit Frauen anknüpfte, auch mit der später wieder gelösten Verbindung mit Julie Wohryzek. Anders war es nur mit der Lebensgefährtin seiner letzten Jahre, Dora Diamant.

Im Herbst 1912 entstanden Kafkas erste große Werke: die Erzählung « Das Urteil » , das Romanfragment « Der Verschollene » (später « Amerika ») und die umfangreiche Erzählung « Die Verwandlung ». 1914 begann er mit der Niederschrift des Prozessromans. Seit 1916 lebte und arbeitete Kafka im Goldenen Gäßchen Nr. 22 auf der Prager Burg, in einem Umfeld, in dem er eine Reihe seiner kürzeren Erzählungen schrieb; er

veröffentlichte sie später (1919) in der Sammlung ,Ein Landarzt'. In den folgenden Jahren setzte er seine Arbeit an weiteren Erzählungen fort, u.a. Beim Bau der Chinesischen Mauer', obwohl bereits im Jahre 1917 seine tödliche Krankheit zum Ausbruch kam. Die alte Leidenschaft zu schreiben glühte noch immer und vertrieb sein Leben. Die letzte Szenerie - der Blick durch das Fenster auf die Nikolaikirche - war der Schauplatz weiterer Erzählungen. Kafka starb am 3. Juni 1924 in einem Sanatorium an Tuberkulose und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Prag-Straschnitz begraben.

Viele von Kafkas Werken sind nicht erhalten geblieben; ein Teil der Handschriften wurde auf seine Anordnung von Dora Diamant verbrannt, andere Texte wurden im Zuge der antisemitischen Verfolgung konfisziert. Max Brod, weniger gehorsam als Dora Diamant, rettete einen großen Teil von Kafkas Schriften und begründete als Herausgeber der Werke seines Freundes dessen Weltruhm.



Inhaltsangabe


I.    Gregor Samsa, ein Reisender in Tuchwaren, hat eines Morgens den Wecker überhört und findet sich


"[] in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt".[1]


Während er versucht, das Bett zu verlassen und die Eltern und seine Schwester Grete durch die verschlossene Tür wegen seiner Verspätung zu beruhigen, kommt der Prokurist seiner Firma, um ihn zur Rede zu stellen. Mühsam gelingt es ihm, aufzustehen und die Tür seines Zimmers zu öffnen. Sein Anblick läßt den Prokuristen aus der Wohnung flüchten, während der Vater ihn mit einem Stock in sein Zimmer zurücktreibt, wo er verletzt liegenbleibt.


II. Gregor, der seit dem Zusammenbruch des väterlichen Geschäfts vor fünf Jahren allein durch seine aufopferungsvolle Berufstätigkeit für den Lebensunterhalt der Familie gesorgt hat, muß nun von der Schwester in seinem Zimmer wie ein Tier mit Nahrung versorgt werden, während sich der Vater eine Stelle als Diener in einer Bank sucht. Da Gregor an den Wänden und der Decke herumzukriechen beginnt, beschließt seine Schwester eines Tages - es sind schon zwei Monate vergangen -, sein Zimmer gemeinsam mit der Mutter auszuräumen. Doch Gregor, durch die Einwände der Mutter an seine menschliche Vergangenheit erinnert, versucht wenigstens ein Bild an der Wand zu retten. Die Mutter fällt bei seinem Anblick in Ohnmacht, und während er ihr helfen will, kommt der Vater in die Wohnung zurück. Die Situation mißverstehend, bombardiert er Gregor mit Apfeln, von denen einer in seinem Rücken steckenbleibt.


III. Gregor leidet über einen Monat an seiner Wunde, ißt kaum mehr etwas, nimmt aber noch ein wenig am Familienleben teil, da abends die Tür zum Wohnzimmer geöffnet wird. Auch Mutter und Schwester tragen nun zum Lebensunterhalt bei, und außerdem ist eines der Zimmer an drei Zimmerherren vermietet worden. Eines Abends bitten sie die Tochter Grete, die ihr Bruder Gregor aufs Konservatorium schicken wollte, bei ihnen Violine zu spielen. Von der Musik angezogen, versucht Gregor sich seiner Schwester durch die an diesem Abend geöffnete Tür zu nähern und wird von einem der Zimmerherrn entdeckt. Angewidert kündigen die drei Untermieter, während die entnervte Familie um Fassung ringt und die Schwester nur noch den Wunsch hat, das "Untier" loszuwerden. Gregor schleppt sich mühsam in sein Zimmer zurück und stirbt noch in derselben Nacht. Die resolute neue Bedienerin, die an die Stelle der beiden früheren Dienstmädchen getreten ist, beseitigt am nächsten Morgen die Leiche. Das Ehepaar Samsa und Grete unternehmen, nachdem sie Entschuldigungsbriefe an ihre Arbeitgeber geschrieben haben, einen Ausflug vor die Stadt und besprechen ihre Aussichten für die Zukunft. Vater Mutter und Schwester sind endlich glücklich und zufrieden.


Deutung und Interpretation


Die eigentliche Geschichte beginnt, typisch für Kafkas Erzählanfänge mit einem lapidaren Satz:


"Als Gregor Samsa eines Morgens aus einem unruhigen Traum erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt."[2]


So urplötzlich bricht das Unheimliche an einem hellen

In drei Abschnitte unterteilt, wird in der vorliegenden Erzählung die Konfrontierung des Alltagslebens mit dem Außergewöhnlichen in allen Details dargestellt. Der Einbruch des ungewöhnlichen ins Gewöhnte wird mit Worten wie ,,unruhig" ,,ungeheuer" und ,,Ungeziefer" sprachlich umschrieben; schon die ersten Sätze stehen unter dem Zeichen der Vorsilbe "-un". Mit der faktisch, ausdrücklich nicht als Traumgeschehen registrierten Verwandlung eines Menschen in ein gigantisches Ungeziefer ist un-geheuerliches, un-gewöhnliches und un-fassbares in die Weit des Geheueren, Gewöhnlichen und Fassbaren einer kleinbürgerlichen Familie eingebrochen. Im Handlungsverlauf werden die Ereignisse mitgeteilt, die unter den gegebenen Voraussetzungen sich im Rahmen dieser Familie abspielen. Es handelt sich hier nicht um einen Traum sondern wird hier gleich zu G .Samsas, die der Verwandlung in einen Käfer folgen, nüchtern festgestellt: ,,Es war kein Traum". Damit widerspricht der Text allen späteren Deutungen, die Kafkas Visionen in Traumvorstellungen hineinprojizieren und sie auf diese Weise der Realität entziehen. Der Erzähleingang ist nicht märchenhaft, weil er gerade umgekehrt in der märchenhaften Einkleidung als das brutal-Faktische des Anti-Märchens gemeint ist. Wir müssen davon ausgehen, da die Erzählung weder Fabel noch Märchen ist; ihr Wesen liegt in dem Ineinander von gedachter und wirklicher Welt, in dem die empirische Wirklichkeit ebenso bezwingend bleibt wie die dichterische Vision, die in sie hineinprojiziert ist. Das ist, der anzunehmende Sachverhalt, den der Dichter vorbehaltlos von uns verlangt.

Es mag naheliegend sein, die Verwandlung des Menschen in die Tiergestalt als einen Wesensverlust anzusehen. Aber gerade das lässt der Text nicht zu. Wenn sich die Familie auch über die abschreckende Verwandlung Gregors entsetzt zeigt, so liegt es ihr zunächst fern, ihn für etwas anderes als für ihren Sohn und Bruder zu halten. Zwar ist er es nicht in der gewohnten Form, sondern in einer grotesk verfremdeten Weise, die eine Gemeinschaft mit ihm unmöglich macht, aber er bleibt dennoch der Sohn und Bruder, für den man sich in gewissem Sinne noch verantwortlich fühlt. Erst im späteren Verlauf der Erzählung verblasst diese Vorstellung. Das wird deutlich, als die Schwester am Ende die Entfernung des abscheulich und unerträglich gewordenen « Es » fordert und zum Vater sagt:


"Du mußt bloß den Gedanken loszuwerden versuchen, daß es Gregor ist. Daß wir es solange geglaubt haben, das ist ja unser eigentliches Unglück."[3]


Deutlicher noch als auf Seiten der Familie ist das intakte Identitätsgefühl bei Gregor Samsa selbst; bei aller Veränderung seiner Lebensweise ins Tierische: animalische Nahrungswahl, andersartige Fortbewegungs und Verhaltensweise, bleibt ihm sein menschliches Bewusstsein. Und obwohl er die menschliche Sprache verloren hat, ist er doch in der Lage, menschliche Gespräche in seiner Umgebung zu verstehen, ebenso wie er das Geschehen um sich herum erkennen und beurteilen kann. Der absurde Tatbestand liegt vor: er ist in ein abscheuliches Tier verwandelt, dennoch bleibt er Gregor Samsa. es scheint in der Vorstellung Kafkas . Angesichts des gegebenen Falles scheint in der Vorstellung Kafkas jene alte anthropologische Trennung von Mensch und Tier nicht mehr zu bestehen.

Kafkas Erzählung ist in drei deutliche Abschnitte geteilt. Der Abschnitt 1 erzählt die unmittelbare Konfrontation des Außergewöhnlichen mit dem Gewohnten und das allmählich sich vollziehende Ausschließen aus dem Gewohnten. . Unter qualvollen und fast akrobatischen Anstrengungen gelingt es dem Verwandelten die Tür seines Zimmers aufzuschließen und so in den Bereich des Alltäglichen einzudringen. Aber das Außergewöhnliche ist schrecklich, es hat als das ganz andere auf die Umwelt eine befremdende und ausschließliche Wirkung:


"Er war noch mit jener schwierigen Bewegung beschäftigt und hatte nicht Zeit, auf anderes zu achten, da hörte er schon den Prokuristen ein lautes 'Oh' ausstoßen - es klang, wie wenn der Wind saust - und nun sah er ihn auch, wie er, der der Nächste an der Tür war, die Hand gegen den offenen Mund drückte und langsam zurückwich, als vertreibe ihn eine unsichtbare, gleichmäßig fortwirkende Kraft."[4]


Durch das Erscheinen des Prokuristen seiner Firma hat sich in Gregor Samsas Familie noch eine Verschärfung der Lage für den Verwandelten ergeben. Der Prokurist der sich erkundigen soll , wird von Gregor als eine feindliche Macht empfunden. Weil seine Schwester ihm nicht hilft fühlt er sich von der Außenwelt bedrängt. So entsteht ein leerer Raum wo nur der verwandelte Gregor Bleibt.

Der Abschnitt II erzählt dann davon, wie das Absonderliche sich in der alltäglichen Umwelt ausnimmt: Rücksicht und Pflege führen zu keiner Annäherung, da sich der Verwandelte selbst vor der zu Anfang noch wohlmeinenden Schwester seiner Ungestalt schämt und sich bei jedem Näherkommen der vertrauten Personen unter das Sofa verkriecht. Damit ist jeder Versuch der Eingewöhnung des Außer-Gewöhnlichen in den normativen Raum des Gewohnten und Gewöhnlichen gescheitert. Der Vater- hier gesehen als Exponent und Beherrscher des gewohnt-Alltäglichen - vertritt konsequent die Absicht, das Außergewöhnliche nicht nur auszuschließen, sondern zu vernichten. Veranschaulicht wird diese Absicht in der Szene, in der er in ausbrechender Wut mit einem Apfel nach ihm wirft, was dazu beiträgt, Gregors Ende zu beschleunigen. Das Motiv von dem Schreckbild des Vaters verdeutlicht an dieser Stelle der Erzählung offensichtlich den autobiographischen Bezug.

Die 3. Phase in der Auseinandersetzung mit dem Aurßer-Gewöhnlichen berichtet von dem Entschluss der Familie, es zumindest in der Distanz des abgetrennten Raumes zu dulden. Das aber erweist sich als das Schlimmste für den Betroffenen, da es konsequent zur Achtlosigkeit führt, - ein Zustand, der z.B. den Hungerkünstler in der gleichnamigen Erzählung am Ende das Herz bricht. In der ,,Verwandlung" wird die Familie allmählich der Unterhaltung und Pflege des Un-Gewöhnlichen überdrüssig. Der unmittelbare Bezug, der zwischen der Familie und dem Verwandelten ursprünglich noch partiell bestanden hat, verschwindet völlig ; die Pflege wird einer Bedienerin übergeben. Kafka kennzeichnet sie als Kontrastfigur, vital und widerstandsfähig,


"[]die in ihrem langen Leben mit Hilfe ihres starken Knochenbaues das Argste überstanden haben mochte".[5]


Von ihr wird berichtet, dass sie als Einzige den Verwandelten mit ,,alter Mistkäfer" anredet. Zum Zeichen, dass das Ungewöhnliche nicht einmal mehr beachtlich, sondern verächtlich ist, gebraucht man seinen Raum als Abladeplatz für Abfall und Gerümpel. Im Zuge des Handlungsablaufs ist noch auf die Geigenspiel Episode der Schwester hinzuweisen. Eigentlich zur Unterhaltung der Zimmerherrn, die man inzwischen zur finanziellen Unterstützung der Familie in die Wohnung genommen hat, gedacht, übt sie eine rätselhafte Wirkung ihn aus :


"War er ein Tier, da ihn Musik so ergriff ? Ihm war, als zeige sich ihm ein Weg zu der ersehnten unbekannten Nahrung."[6]


Hier stehen zwei metaphorische Begriffe, die im Zusammenhang gesehen werden: "Nahrung" und ,,Musik". Sie erscheinen in der ,,Verwandlung" an verschiedenen Stellen. In der "Verwandlung" ist das Ergriffensein von Musik ein innerer Zustand der den Verwandelten von den Repräsentanten der normativen Weit, den "Zimmerherren" scheidet. Der Text sagt uns nur ,dass das Außer-Gewöhnliche sich radikal - in der Betroffenheit von der Musik - unterscheidet von den Reaktionen der normativen Welt.

Gregor entschließt sich zu sterben, er gibt auf. Die Bedienerin teilt Familie Samsa mit einem freundlichen Lachen mit:


"[] also darüber wie das Zeug von nebenan weggeschafft werden soll, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Es ist schon in Ordnung."[7]


Gregor ist zum "Zeug" degradiert worden, er ist jetzt nur mehr ein Ding. Die Familie freut sich über Gregors Tod. Sie ist jetzt endlich frei und braucht sich zu "Sorgen". Zur Feier des Tages entschließen sich die drei Familienmitglieder den heutigen Tag frei zu nehmen.


"Sie beschlossen, den heutigen Tag zum Ausruhen und Spazierengehen zu verwenden; sie hatten diese Arbeitsunterbrechung nicht nur verdient, sie brauchten sie sogar unbedingt."[8]


Der Insekt ist nicht Gregor sondern seine restliche Familie.




Kafka zeigt die Flucht eines Menschen in eine seiner Umwelt unbegreifliche Position. Die ihn umgebende Gesellschaft ist unfähig mit dieser Verwandlung zu leben und ihn als Mitglied anzusehen und zu begreifen. Der verwandelte Mensch ist auch unfähig seine Umwelt zu begreifen, die so eigenartig reagiert. Auch will er nicht mehr zurück in das alltägliche Dasein als Mensch. Er kann abgedrängt in ein Schattendasein versteckt, eingesperrt und unterdrückt nicht leben aber sich auch nicht wehren und wählt die letzte Alternative - er stirbt. Gregor ist seinem Schicksal - ein Insekt zu sein, unausweichlich ausgeliefert. Obwohl sein Unterbewußtsein damit gegen seine Umwelt protestiert, konnte er sich nicht selber in das Insekt verwandeln. Er begreift auch den Sinn des Insektendaseins nicht, genausowenig er sich darüber Gedanken macht. Aber eben durch dieses unverschuldete Dasein, diese Insektenexistenz, verschuldet er sich im weitesten an seiner Familie, insofern er ihr finanzielle und gesellschaftliche Probleme bereitet. Aber an den Schwierigkeiten die er seiner Umwelt bereitet, freilich ohne sie als solche zu verstehen, erkennt man die Engstirnigkeit der Kleinbürger, die seine Familie sind. Auch seine ersten Gedanken als Insekt ist das Pflichtdenken - er will unbedingt in die Arbeit, wird aber durch seinen neuen Körper daran gehindert.

Die Verwandlung ist keine Krankheit, sie ist ein komplizierter psychischer Prozess. Sie erwächst aus der Rebellion gegen den verhassten Beruf, und wird gleichsam als eine Art Unfall hervorgerufen und hat die Funktion eines Kompromisses zwischen der Befriedigung eines rebellischen Impulses und einem der Pflicht gehorchenden Bewusstsein, das Unterwerfung verlangt. Gregors Verwandlung spiegelt sowohl seine heimliche Feindseligkeit gegen Chef und Beruf wie auch seine Schuld und Strafe dafür. Die Verwandlung wird zum Gleichnis für die Existenzschuld der Menschen, ohne daß die Familie begreift, welche verborgene Handlungen Gottes sich an dem Sohn vollziehen. Interessant ist der Name Samsa, der eine wohl bewußte Verschlüsselung des Namens Kafka ist. Die Verwandlung des Gregor wird von ihm ganz ruhig aufgenommen, die Verwandlung ist endgültig, Tatsache. Es handelt sich auch nicht um einen Zauber den man rückgängig machen könnte. Der Erzähler versucht sie weder zu erklären noch zu ironisieren. Ob der Mensch ja oder nein dazu sagt, ist für den Vorgang selbst völlig gleichgültig. Die Verwandlung vollzieht sich nicht in einer märchenhaften Welt, sondern im kleinbürgerlichen Familienmilieu und bleibt weiterhin ein interner Vorgang, der über den Wohnraum der Familie kaum hinausdringt. In der restlichen Erzählung verbietet sich der Erzähler jegliche Einmischung des Phantastischen - es wird lediglich berichtet, welche Folgen die nunmehr reale Verwandlung für den Verwandelten selbst und seine Umwelt hat. Die Verwandlung des Menschen in ein Tier könnte nun ein Verlust der Identität sein. Aber sosehr sich die Familie über den Verwandelten entsetzt, so kommt es ihr nicht in den Sinn, ihn für etwas anderes zu halten wie Gregor. Er ist zwar völlig entstellt und hat keine Möglichkeit mit Menschen zu kommunizieren, aber er ist es. Erst am Ende der Erzählung fordert die Schwester auf, ihn nicht als Gregor anzusehen sondern als das Tier welches sie überall hin verfolgt. Als nun die Kommunikationslosigkeit ein zentrales Thema ist, handelt die Geschichte selbst von den vergeblichen Versuchen zu Kommunikation.

Das nächste Thema ist die vergebliche Suche nach der geeigneten Nahrung Gregors. Anfänglich mit mächtigem Appetit ausgestattet, verliert Gregor jegliche Lust an der Nahrungsaufnahme - und dies ist sicherlich nicht nur eine Folge des Druckes der auf ihm lastet. Er ist auf der Suche nach der Nahrung die für ihn bestimmt ist - als irreales Lebewesen, und er findet diese Nahrung anscheinend in der Musik seiner Schwester. Die Musik die er so schön findet kann seiner Meinung ein Weg zu seiner gesuchten geistigen Nahrung sein. Musik wird hier zum Zeichen einer Erlösungssehnsucht, die sowohl über die tierische als auch menschliche Gefangenschaft hinausreicht. Gregor lehnt sich weiters gegen ein erinnerungsloses Dasein auf. Das Forträumen der Möbel - so gut es seine Schwester auch meinen mochte, und das dadurch verbundene freie Umherkriechen, wird mit dem Preis des schnellen Vergessens der menschlichen Vergangenheit bezahlt. Der als Tier Verwandelte behält seine Einrichtungsgegenstände nach wie vor lieb, und rettet auch ein Bild seiner Einrichtung. Nun drängt sich die Frage auf, ob Gregor ein in ein scheußliches Tiersein verbannter Mensch, oder ein sein einstiges Menschsein verlierendes Tier ist. Dieses Bild aber des Tieres ist aber nur gleichnishaft, und dieses Bild steht für einen für die Familie nicht mehr erkennbaren, den hoffnungslos in die Isolation hineingedrängten Menschen, der aber nicht mehr als er selbst vernommen wird. Kafka verarbeitete mit diese Existenzkatastrophe seine eigene Lebenserfahrung.

Schlußendlich stirbt Gregor, und dieses Sterben spiegelt die Trauer Kafkas wieder: Die Revolte war ohnmächtig geblieben, aufgebaut aus Empörung und Selbstvorwürfen war sie nur geeignet die verdeckten Herschaftsverhältnisse ans Licht zu ziehen - und am Leben zu erhalten.






Verwendete Literatur

Franz Kafka - Die Verwandlung; Primär Literatur

Vladimir Nabokov - Kommentar zu Franz Kafkas "Die Verwandlung"; Sekundärliteratur

Encarta 97 - Enzyklopädie; Sekundärliteratur

Brockhaus - Enzyklopädie; Sekundärliteratur




Kafka, Franz: Die Verwandlung. 16.Auflage (1.Auflage, März 1986) Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag GmbH 2000. S.7.

Kafka, Die Verwandlung. S.7.

Kafka, Die Verwandlung. S.64.

Kafka, Die Verwandlung. S.21.

Kafka, Die Verwandlung. S.55.

Kafka, Die Verwandlung. S.60.

Kafka, Die Verwandlung. S.70.

Kafka, Die Verwandlung. S.70.






Haupt | Fügen Sie Referat | Kontakt | Impressum | Nutzungsbedingungen