DAS VERSPRECHEN
Das Versprechen - von Dürrenmatt Requiem auf einen Kriminalroman genannt - wurde unter dem Titel Es geschah am hellichten Tag mit Heinz Rühmann und Gert Fröbe in den Hauptrollen verfilmt. Allerdings weicht die Filmhandlung von der Handlung im Buch stark ab, da der Autor die Filmerzählung als Vorfassung des Romans benutzte, die er später wieder überarbeitete.
Das Versprechen handelt vom Schicksal eines hochbegabten Kriminalkommissars, dem ein Mord und seine Aufklärung zu einem Prüfstein für seine menschliche Existenz wird.
Eigentlich sollte sich Kriminalkommissar Matthäi, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt ist, zum Flug nach Jordanien fertigmachen, um dort ein ehrenvolles Amt zu übernehmen. Im Begriff, seinen Schreibtisch aufzuräumen, erreicht ihn ein Anruf aus Mägendorf, einem kleinen Nest in der Nähe vom Zürich: ein ihm bekannter Hausierer teilt ihm mit, er habe im Wald die Leiche eines Mädchens gefunden.
Matthäis Abflug ist in drei Tagen fällig, aber er fährt nach Mägendorf und findet das Mädchen, von einem unbekannten Verbrecher mit einem Rasiermesser grausam verstümmelt. Und er verspricht den erschütterten Eltern des Gritli Moser bei seiner Seligkeit, nicht zu rasten, bis er den Untäter entlarvt hat.
Die Mägendorfer halten den Hausierer von Gunten für den Täter. Nur mit Mühe kann Matthäi ihn in letzter Minute vor ihrer Lynchjustiz retten - aber nicht vor dem Zugriff seiner Kollegen, die den Fall einfach und schnell lösen möchten.
Unter dem Druck des Verhörs legt von Gunten ein Geständnis ab; erhängt sich aber wenig später in seiner Zelle.
Matthäi glaubt nicht an seine Schuld und will sein Versprechen halten, selbst wenn er dabei seine Existenz aufs Spiel setzt. Er läßt den Flug nach Jordanien platzen und kümmert sich, gegen den Willen seiner Vorgesetzten, um die Aufklärung des Falles. Matthäi ist überzeugt, daß der Mörder des Kindes (es gab auch noch zwei weitere Mordfälle in den Kantonen Schwyz und St. Gallen in gleicher Art) noch frei herumläuft und andere Kinder in Gefahr sind.
Er muß seine Recherchen jedoch privat führen, denn für die Polizei gilt der Fall als abgeschlossen.
Matthäi beginnt seine Ermittlungen
in der Schulklasse des Gritli Moser.
So will Matthäi auf den Mörder warten. Eines Tages muß er vorbeikommen mit einem großen, schwarzen Auto. Er ist überzeugt, daß der Mörder öfters die Strecke Graubünden-Zürich fährt. Die kleine Annemarie, Tochter von Frau Heller, soll als Köder dienen.
Matthäis ehemaliger Chef kommt öfters bei der Tankstelle vorbei. Er bietet Matthäi an, wieder in seine frühere Stellung zurückzukehren. Dieser lehnt jedoch ab. Er wartet weiter. Unerbittlich, hartnäckig, leidenschaftlich. Jeder Kunde, der sich mit dem kleinen Mädchen unterhält, wird von ihm beobachtet. Jede auffällige Autonummer notiert.
Nach den großen Ferien erwischt Matthäi Annemarie einmal mit Schokoladetrüffel am Waldrand sitzend. Sie hat die Schule geschwänzt und nach hartnäckigem Schweigen erzählt sie endlich, daß sie auf den Zauberer warte.
Matthäi kann sich nur mit Mühe beherrschen. Er sieht sich seinem Ziel nahe. Sein ehemaliger Chef organisiert eine totale Überwachung des betreffenden Waldstücks. Annemarie geht jeden Tag dort hin und wartet auf den Zauberer.
Doch dieser kommt nicht. Nach einiger Zeit wird die Aktion abgeblasen. Der Kommandant, der Staatsanwalt, alle sind wütend. Nur Matthäi nicht. Er wartet weiter.
In den folgenden Jahren ereignet sich kein neuer Mord. Matthäi verkommt, trinkt. Die Tankstelle wird zum Treffpunkt zwielichtiger Gestalten. Der Kommandant fährt immer wieder auf ein paar Worte bei Matthäi vorbei.
Eines Tages wird der Kommandant durch den Anruf eines Geistlichen in eine Privatklinik gebeten. Eine sterbende Frau möchte ihr Gewissen befreien. Sie stammt aus wohlhabender Familie, ihr Mann stirbt bald. Sie heiratet daraufhin ihren Chauffeur und Hausmeister Albert, der um Jahrzehnte jünger ist. Regelmäßig schickt sie ihn mit dem Auto - einem alten schwarzen Amerikaner - nach Zürich. Nach und nach fällt ihr die krankhafte Veränderung seines Verhaltens auf. Bis sie dann blutverschmierte Kleidung und das Rasiermesser findet. Aus Zeitungsberichten weiß sie von den Morden an den Mädchen. Sie verdächtigt ihn sofort und er gibt die Morde ihr gegenüber auch zu. Aus Rücksicht auf ihre Familie schweigt sie jedoch, auch dann, als ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben kommt. Jetzt möchte Frau Schrott jedoch die Wahrheit sagen.
Der Kommandant eilt zur Tankstelle Matthäis. Vielleicht kann er noch etwas retten. Doch es ist zu spät. Doktor Matthäi sitzt trotz der Kälte in seinem Monteuranzug auf seiner Bank, raucht, stinkt nach Absinth.
Die Worte des Kommandanten erreichen ihn nicht. Er zeigt keinerlei Reaktion.
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