Pionierpflanzen des Watts: Queller, Schlickgras
SALICORNIA
Gemeiner Queller (Glasschmalz)
S. europaea
Chenopodiaceae, Gänsefußgewächse
Einjährig VIII - X
Die einfach oder armleuchterartig verzweigte Pflanze wird bis 40cm hoch und
erinnert an kleine Kakteen. Die Blätter sind weitgehend reduziert und als
Schuppen mit dem sukkulenten, grünen oder graugrünenSpross verwachsen. Ein
wunderbares Bild zeigt sich, wenn sich der Quellerim Herbst rot verfärbt. Aber
auch im Sommer können kleine Kümmerformen rot überlaufen sein. Zusammen mit den
verschiedenen Verzweigungsformen kann die Pflanze sehr formenreich sein.
Die zwittrigen Blütchen bestehen aus einer fleischigen Hülle, zwei Staubgefäßen und zwei Griffeln. Sie sitzen eingesenkt inDreiergruppen hinter winzigen Tragblättern an den oberen Stängeln(Nur mit Lupe sichtbar). Befruchtet werden sie durch den Wasserstrom, indemeine Bestäubung unter Wasser durch Schwimmpollen stattfindet.
Knickt man im Herbst den Spross ab, kann man in der Vertiefung die weissen
Samen in einer Wirtelebene erkennen.
Die Charakterpflanze der Schlickwatten, der Verlandungszone zwischenMeer und Land ist ein kurzlebiges Geschöpf, das nur sieben Monatelebt, von April bis Oktober. Dann bleibt es seinen Samen überlassen,die Winterzeit zu überstehen und im nächsten Frühjahr füreinen Neubeginn zu sorgen.
Nach einem Regenschauer im April keimen die von den Winterstürmen verteilten
Samen des Quellers und bilden winzige, dickfleischige Keimblätter. Zur
Verankerung brauchen sie einige von Gezeiten freie Tage. Die Pflanzewächst
schnell zu einem 'Miniatur-Säulenkaktus' heran.
Der Queller ist die wichtigste Pionierpflanze der Landgewinnung. Zumoffenen Meer hin wächst sie zunächst nur vereinzelt, und wieum die Spartina-Horste bilden sich um diese Einzelpflanzen kleine Auskolkungen,so dass die Wurzeln (bis 6cm tief) evtl. freigespült werden. Erstin den höheren Bereichen bildet er nicht allzu dichte Rasen (ca. 550Pfl./qm), da er länger andauernde Überflutungen nicht verträgt.In dieser Bestandsform trägt er zur Bodensedimentation bei. Je lockererder Bestand, desto stärker die Verzweigung.
Früher wurde die alkalihaltige Asche des Quellers beim Glasschmelzen
verwendet; daher rührt noch der deutsche Name Glasschmalz.
SPARTINA
Hohes (englisches) Schlickgras
S. townsendii (maritima X alterniflora)
Niederes Schlickgras, S. maritima
Poaceae, Süßgräser, Rispengras
Ausdauernd VII - X
Das hohe Schlickgras wagt sich von den Landpflanzen am weitesten insWatt
hinaus (Sand- wie Schlickwatt). In der Regel ist es das hohe Schlickgras.
Dieser widerstandsfähige Bastard hat lange, spitze, fast schilfähnliche und
starr abstehende Blätter. Die unfruchtbaren Blüten stehenin Ahren. Die
Ausbreitung erfolgt auch durch unterirdische Wurzelausläufer (Rhizome).
Die Wasserströmung wird durch das dichte Blatt- und Stängelwerk des Schlickgrases beruhigt, so dass eine Stillwasserzone entsteht. Dieim Wasser mitgeführten Sinkstoffe / Sedimente sinken ab. Das feineWurzelwerk von Queller und Schlickgras befestigt diese abgesunkenen Stoffe,so dass eine Aufhöhung des Watts entsteht.
Das Schlickgras wird bis 50cm hoch. Die Blütezeit ist von Julibis Oktober -
Die Blütenstände bestehen aus drei bis sechs etwa10 - 25cm langen Ahren. Die
Samenproduktion ist gering, nur etwa 100Samen pro Pflanze. Sie keimen nur in
salzigem Boden.
Ende der 20er Jahre (1927) wurde das englische Schlickgras zur Förderung der
Landgewinnung an norddeutschen Küsten angesät. Das Gras wuchs jedoch nicht wie
in seiner Heimat zu dichten Rasen zusammen, sondern steht in Horsten. Daher ist
der Nutzeffekt umstritten: Es bilden sich Auskolkungen, wenn der Gezeitenstrom
um die großen, runden Horste fließt.Andererseits hält das Wurzelwerk den Boden
der Horste, auch wenn imWinter Eisschollen alle oberirdischen Teile der Pflanze
abgehobelt haben.
Bei den Pflanzen Queller und Schlickgras handelt es sich um Halophyten, die das Salz des Meerwassers, die Überflutungen und alle anderen z.T. sehr unwirschen Lebensbedingungen im Watt vertragen. Hierbei wirft sichdie Frage auf: Benötigen die Pflanzen dieser Standorte das KochsalzNaCl für ein optimales Wachstum, oder halten sie den 'Salzstress'einfach besser aus als andere Pflanzen?
Die Antworten unter diesem physiologischen Aspekt lauten OBLIGATE undFAKULTATIVE
Halophyten, bzw. Salzresistenz und Salztoleranz. Dabei wirdzum einen die
ökologische Potenz der Pflanzen, ihr physiologischerToleranzbereich in Bezug
auf das Salz, zum anderen das tatsächlicheVorkommen unter den
Konkurrenzbedingungen des Lebensraums berücksichtigt.
Einige Halophyten wachsen auf salzhaltigem Untergrund besser; sie haben
kräftigere Blätter und Sprosse, höhere Frisch- und Trockengewichte: Es sind die
obligaten Halophyten! Aus Nährlösungen nehmen siein größeren Mengen NaCl auf
und reichern es an; Kochsalzmangelbeeinträchtigt jedoch ihr Wachstum.
Untersuchungen weisen Quellerals solche salzresistente Art aus. Er hat sich an
seinen Standort angepasst(Einnischung), er besetzt eine ökologische Nische. Die
optimale Konzentrationfür Queller ist höher als 1% Salz im Wurzelmilieu. Es
gibt imGegensatz zum Queller auch salztolerierende (fakultative Halophyten)
Pflanzen,die nicht auf das Salz angewiesen sind, jedoch mit einer geringen
Konzentrationzurechtkommen. Sie würden auch auf salzfreiem Boden gedeihen,
stehendort aber in Konkurrenz zu den Glykophyten und kommen deshalb an
diesenOrten nicht vor. Der Grund dafür ist, dass die fakultativen
Halophytenlangsamer wachsen (Konkurrenz-Ausschluss-Prinzip).
Toxizität der Salze: Natriumchlorid, Kalziumchlorid, Magnesiumchlorid,
Natrium- und Magnesiumsulfat (In dieser Reihenfolge nimmt die Toxizität ab).
Die Halophyten 'wehren' sich auf verschiedene Weise gegen die
schädlichen Salz:
Sie erhöhen den osmotischen Druck ihrer Zellen (= osmotische Anpassung).
Sie verdünnen durch Vergrößerung ihrer Zellen und Gewebe die Salzkonzentration in den Zellen (Sukkulenz).
Sie werfen Pflanzenteile ab.
Sie deponieren Salz in den Haaren der Blätter.
Sie scheiden das Salz durch Drüsen aus.
Eine Pflanze kann an einem salzigen Standort nur dann Wasser aufnehmen, wenn die Salzkonzentration in ihren Zellen noch größer ist als im Boden, wenn also ihr osmotischer Druck größer ist als derosmotische Druck der Bodenlösung, so dass eine Sogwirkung in die Wurzelnhinein entsteht.
Im Gegensatz zu den Glykophyten sind die Halophyten in der Lage, Salze und organische Moleküle im Protoplasten anzureichern und damit denosmotischen Druck z.T. erheblich zu erhöhen. Der Queller nimmt ungewöhnlich viel Kochsalz auf. Mit zunehmendem Alter steigt der osmotische Druck aber so sehr, dass auch für ihn die Wasseraufnahme immer schwerer und schließlich unmöglich wird. Bei extremen Konzentrationen in der Bodenlösung dringt auch beim Queller Salz unkontrolliert in die Wurzeln ein. Die Sukkulenz hat ihre Grenze erreicht. Dies ist im Herbst an der Rotfärbung zuerkennen. Die Konzentration des Zellsaftes ist so hoch, dass die Stickstoffaufnahme (Nitrat) gestört wird. Die Chlorophyllsynthese verringert sich, undBetacyan, ein für Chenopodiaceae typisches rotes Pigment, wird vermehrtgebildet.
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