Das Umwelthaftungsrecht in Deutschland
und der EU
Der Anhang
n Literaturnachweis
n Gesprächsnachweis
n Abbildungsnachweis
n Umwelthaftungsgesetz
1. Die Einleitung
Am Ende des 20. Jahrhunderts stehen wir nicht nur an der Schwelle eines neuen Jahrtausends, sondern befinden uns auch in einer Gesellschaft des Wandels. Er vollzieht sich in technischen Bereichen, im Umweltsektor, aber auch in zahlreichen weiteren Komponenten, aus denen sich unsere Welt zusammensetzt, oder die wir im Laufe der Industrialisierung geschaffen und geformt haben. Dieser Wandel resultiert aus einem immer komplexeren und höheren Stand der Technik einerseits und aus dem wichtiger werdenden Bemühen bzw. der wachsenden Sorge um unsere Umwelt und Ressourcen auf der anderen Seite.
Schon in den Anfängen der heutigen Gesetzgebung, also etwa ab 1900 gab es Vorschriften, die den Schutz der Umwelt rechtlich zu regeln versuchten und die zur Vermeidung einer Benachteiligung von Personen, durch das Verschulden anderer erlassen wurden. So findet man im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die Paragraphen § 906, § 907, § 1004, welche den Geschädigten bei der Regulierung behilflich sein sollten. Auch mit § 823 konnte ein Anspruch (hier Schadensersatzpflicht) geltend gemacht werden. Die Paragraphen des BGB sind an dieser Stelle allerdings nachbarrechtlich, beziehen sich ausschließlich auf Grundstücke oder sehen die Regulierung von Personenschäden gar nicht vor und kommen daher in der Praxis kaum zur Anwendung. Zwar gab und gibt es noch das Bundes-Immissionsschutzgesetz (§ 14 II BImSchG), das Wasserhaushaltsgesetz (§ 22 WHG) und ähnliche Normen, diese Gesetze beziehen sich aber nur auf bestimmte Bereiche, sind also als Umweltrecht betrachtet lückenhaft und haben u.a. die Voraussetzung, daß der Verursacher schuldhaft, fahrlässig und rechtswidrig handeln muß, damit sie gehandhabt werden können.
n Was aber wenn der Geschädigte nicht in der Lage ist, den Beweis der Kausalität, zwischen der vermeintlich verursachenden Anlage und der Beeinträchtigung zu. führen, sei es aus Informationsmangel, weil ihm der Einblick in die Anlage verwehrt wird, oder weil es ihm Mangels technischer Mittel unmöglich ist ?
n Wie sieht es aus, wenn es eine öffentlich-rechtliche Genehmigung zur Betreibungeiner solchen Anlage gibt ? "Die deliktische Haftung privater Emittenten und des Staates setzt Rechtswidrigkeit () voraus."[1]
n Was, wenn die Schäden erst durch modernere Meßmethoden festgestellt werden können ? Oder Beeinträchtigungen im Sinne von Spätschäden vorliegen ?
Man kann also ersehen, daß es enormen Handlungsbedarf gab. Aus diesem Grund beschäftigte sich der Gesetzgeber auch schon seit geraumer Zeit mit einer Neuregelung des bestehenden Rechts in diesem Themenkontext.
"Letztendlich war es aber der Schadensfall vom 01.11.1986 auf
dem Gelände der Firma Sandoz in Schweizerhalle, bei dem nach
einer Explosion ein Brand ausbrach in infolge dessen Löscharbeiten
der Rhein durch kontaminiertes Löschwasser in erheblicher Weise
geschädigt wurde (), der dazu führte, daß konkret die Arbeiten für
eine Neuregelung der Umwelthaftung in Angriff genommen wurde."[2]
Die nachfolgenden Ausführungen bereiteten mir zunehmend große Schwierigkeiten. Zum einen war es als Laie mühsam, mich durch die jeweiligen Gesetze und Gesetzestexte durchzuarbeiten, andererseits stellte ich fest, daß eine umfassende Darstellung des Umwelthaftungsrechtes in diesem Rahmen vollkommen ausgeschlossen ist. Auch die Betrachtung der Thematik im Hinblick auf Europa brachte insoweit Probleme mit sich, als daß es kaum oder nur unzureichende Informationen und Material gibt
Das Umwelthaftungsrecht
Die Privatrechtliche Haftung
§ 906 BGB
Übersicht:
Absatz 1
Dieser nachbarrechtliche Gesetzestext regelt allgemein den Umgang und die Verfahrensweise für Imponderabilien. Man kann hierbei nicht von einem Umweltgesetz im engeren Sinne sprechen, obwohl es zur Abwendung von Schaden durch Immissionen dient, da lediglich zwei, prinzipiell gleichwertige, Interessen gegenüberstehen, die abgewägt werden müssen: zum Beispiel das Interesse Feuer zu machen und das Interesse nicht von Ruß und Rauch beeinträchtigt zu werden. Oder das Interesse einem Handwerk nach zu gehen und das Interesse nicht von Geräuschen oder Erschütterungen beeinträchtigt zu werden. Daher muß auch der Tatbestand einer "nicht unwesentlichen Beeinträchtigung" erfüllt sein, damit Konsequenzen folgen können.
Absatz 2
Kann eine wirtschaftlich vertretbare Maßnahme dazu führen, daß der Schaden verhindert werden kann, so gilt wieder Absatz 1. Ist dies nicht möglich und die Beeinträchtigung liegt nicht im ortsüblich hinzunehmenden Maß, kann der Geschädigte finanziellen Ausgleich verlangen. Gerade die Formulierung "ortsüblich" gehört wohl zu den in Deutschland gerichtlich am meisten geregelten Streitpunkten. Denn tagtäglich kann man in der Zeitung von Prozessen lesen, die sich mit Hundegebell, Rasenmäherlärm, Kirchenglocken und (im wahrsten Sinne des Wortes) Unkenrufen beschäftigen.
§ 907 BGB
Übersicht:
Kann davon ausgegangen werden, daß aus einer Anlage mit Sicherheit eine Beeinträchtigung entsteht, so kann präventiv eine Unterlassung der Herstellung bzw. Haltung verlangt werden. Ist die Anlage genehmigt und hält der Betreiber die betreffenden Vorschriften ein, so muß für einen Anspruch erst ein Schaden eintreten.
§ 823 BGB
Übersicht:
Absatz 1
Als Grundlage ist hier, anders als bei § 906 BGB, eine unerlaubte Handlung, die vorsätzlich bzw. fahrlässig begangen wurde, Voraussetzung. Prinzipiell beeinträchtigt werden kann Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und sonstige Rechte, welche auszulegen wären. Die Folge hieraus ist die Wiedergutmachung des Schadens. Hierbei muß der Geschädigte so gestellt werden, als ob keine Beeinträchtigung erfolgt wäre.[3]
2.1.3.2 Absatz 2
Wird ein anderes Gesetz, welches Schutzgesetzqualität hat, verletzt, so gilt ebenfalls Abs.1. Hier muß eine Einzelfallprüfung erfolgen.
2.1.4 § 1004 BGB
Im Gegensatz zu § 907, der einen Anspruch auf Entfernung gesamter Anlagen darstellt, "kann der Eigentümer" des beeinträchtigten Anwesens "auf Unterlassung klagen"[4]. Nach Absatz 2 gilt dies bei einer Duldungspflicht, etwa aus §906 BGB, nicht.
Das Umwelthaftungsgesetz
§ 1 UmweltHG - Anlagenhaftung bei Umwelteinwirkungen
Durch diesen Paragraphen wandelte der Gesetzgeber die schuldensabhängige Deliktshaftung[5] in eine Gefährdungshaftung um. Diese Haftung bei Umwelteinwirkungen durch den Betrieb bestimmter Anlagen soll nicht nur einen leichteren Ausgleich der aufgetretenen Beeinträchtigung bieten, sondern auch präventive Wirkung zeigen . Kritisch sei anzumerken, daß der Ausgleichsanspruch nur vereinzelte Fälle abdeckt, andere, wie etwa Summationsschäden, also Schäden die von mehreren Anlagen ausgehen (können), Schäden an Gruppen (z.B. Waldsterben) oder aus Luftverunreinigungen, sind nicht betroffen. Ebenfalls werden Personen- bzw. Immobilienschäden nicht abgedeckt. Die Verantwortung dieser Paragraphen bezieht sich letztlich nur auf Anlagen, welche in der Anlagenliste genannt werden, nicht aber auf deren Produkte im Sinne einer Produkthaftung.
§ 2 UmweltHG - Haftung für nicht betriebene Anlagen[7]
2.2.2.1 Absatz 1
Der Gesetzgeber vertritt den Standpunkt, daß es unerheblich ist, ob der Vorfall durch eine betriebs- bzw. produktionsunübliche oder normale Handhabung, sprich Nutzung der Anlage aufgetreten ist. Da jetzt auch unverschuldet gehaftet werden muß, fällt bereits die Errichtung einer solchen Anlage in diesen Gesetzesbereich, wenn "sie auf Umständen beruht, die die Gefährlichkeit der Anlage nach ihrer Fertigstellung begründen"[8]. Hervorzuheben sei hier, daß nicht der Betreiber, sondern der Inhaber der nicht betriebenen Anlage belangt werde. In der Realität ist es aber so, daß der Inhaber (letztlich des Grundstücks ) und Besitzer der Anlage auseinanderfallen.
"Häufig wird nicht dem Eigentümer, sondern dem unmittelbarem
Besitzer im Sinne der §§ 854, 856 BGB die Inhabereigenschaft zukommen.
Denn für die Haftung ist () das Bestehen der tatsächlichen Sachherrschaft
maßgebend. Denn nur der Besitzer ist in der Lage, die für den Betrieb der
Anlage notwendigen Anweisungen zu geben oder Schutzvorkehrungen zu
treffen;"[10]
2.2.2.2 Absatz 2
Die Haftung bei Abriß der Anlage ist analog Abs. 1, wenn "sie auf Umständen beruht, die die Gefährlichkeit der Anlage vor der Einstellung des Betriebs begründet haben."[11] Wird die Errichtung oder/und die Stillegung bzw. der Abriß nicht von dem Inhaber selbst, sondern einem dritten verrichtet, so ist dieser haftbar zu machen. . Verursachen demontierte und abtransportierte Teile der ursprünglichen Anlage einen Schaden, so folgt keine Haftung aus dem UmweltHG. . Interessant ist hierbei, wie weit die Verantwortung des Unternehmers gehen kann: wird eine stillgelegte Anlage sabotiert, haftet er für die Folgen.
2.2.3 § 3 UmweltHG - Begriffsbestimmungen
Absatz 1
"Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Erscheinungen"[14], zählen zu der Menge, welche sich schädigend auswirken können, wenn sie sich in den Elementen (Feuer ausgenommen) ausbreiten. Diese Einwirkungen sind, mit Ausnahme von "Stoffe, Druck, Strahlen, sonstige Erscheinungen", bereits in § 906 BGB definiert und stellen daher kaum Neuerungen dar. Würde man die Definition aus dem BImSchG vergleichend heranziehen, so hätte dies zur Folge, daß Arbeitnehmer keinen Anspruch aus dem UmweltHG herleiten könnten, da weder die Allgemeinheit noch die Nachbarschaft geschädigt wären. Auf eine wissenschaftliche Erklärung wird an dieser Stelle aus Platzmangel nicht weiter eingegangen.
Absatz 2 und 3
Die Ursache muß aus "Anlagen" herrühren, die "ortsfeste Einrichtungen wie Betriebsstätten und Lager"[15] sind. Soweit ist die Definition eindeutig, durch den Zusatz in Abs. 3, wird sie weiter gefaßt und wirft dadurch Probleme auf. Werden Personen geschädigt, weil eine Halle abbrennt in der Produkte entstehen, die unter das UmweltHG fallen, so ist das Unternehmen nach UmweltHG haftbar zu machen. Brennt aber das Verwaltungsgebäude der gleichen Firma, mit den selben Gesundheitsfolgen, ab, so gibt es keine Haftung nach UmweltHG.
§ 4 UmweltHG - Ausschluß der Haftung
Obwohl aus § 1 alle verursachten Schäden ausgeglichen werden müßten, gibt es Ausnahmen, wie etwa "höhere Gewalt". Diese wird definiert als "ein unverschuldeter und unabwendbarer Zufall () ; entbindet von Haftpflicht und Schadensersatz".[17] Sie wird dem allgemeinen Lebensrisiko zugerechnet. "Bei den im öffentlichen Interesse betriebenen Anlagen muß immer geprüft werden, ob die zufällige Schädigung einzelner durch höhere Gewalt nicht besser und gerechter durch Umlage und Tariferhöhung bei den vielen Anlagebenutzern ausgeglichen werden sollte, anstatt das Risiko beim Geschädigten oder seiner Sozialversicherung zu belassen."
2.2.5 § 5 UmweltHG - Beschränkung der Haftung bei Sachschäden
Anders als in § 906 BGB sind hier auch bewegliche Sachen erfaßt. Die Abgrenzung der Ortsüblichkeit ist nur sehr schwer möglich. Der Gesetzgeber möchte hierbei den Nachbarn einer Anlage veranlassen, Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Diese Maßnahem sollen Bagatellschäden abwenden, der Aufwand soll aber im "ortsüblichen" Rahmen bleiben.
§ 6 UmweltHG - Ursachenvermutung
Dieser Paragraph ist ein elementarer Teil bei der Neuregelung des Umweltrechtes durch das Umwelthaftungsgesetz.[19]
Absatz 1
Der Geschädigte muß nachweisen, daß eine oder mehrere Anlagen als Verursacher einer Beeinträchtigung in Frage kommen können. Dadurch wird die Beweislast umgekehrt und der, bzw. die Betreiber, müssen beweisen, daß sie nicht die Schadensverursacher sind. Diese Beweislastumkehr gab es bisher kaum im deutschen Recht: Bundesbergbaugesetz und Gentechnikgesetz; auch in der Rechtsprechung zu § 22 WHG ergeben sich Ahnlichkeiten.
Absatz 2
Konnte das Unternehmen den in Abs. 1 geforderten Beweis erbringen, ist es von der Ursachenvermutung befreit. Wie aus meinem Gespräch mit Vertretern der Wirtschaft hervorging, war der Gesetzgeber hier erfolgreich. Er beabsichtigte, daß Vorgänge genauer protokolliert und diese Aufzeichnungen länger archiviert werden.
Absatz 3
In diesem Absatz wird verdeutlicht, daß der Unternehmer, alle aus dem Betrieb entstehenden Vorgänge dokumentieren muß.
Absatz 4
In diesem Absatz wird nocheinmal verdeutlicht, daß der Unternehmer alle relevanten Vorgänge dokumentieren muß. Satz 2 erlaubt eine Entlastung des Unternehmens, da es der Ursachenvermutung nicht unterliegt, wenn die in Frage stehende Umwelteinwirkung länger als zehn Jahre zurückliegt.
Übersicht:
§ 7 UmweltHG - Ausschluß der Vermutung
Absatz 1
Auch hier wird das Unternehmen von der Beweislast entbunden, wenn prinzipiell mehrere Verursacher beteiligt sein könnten, nach den Umständen aber auch ein anderer Grund in Betracht gezogen werden kann.
Absatz 2
Gleich Abs. 1 gilt hier Abs.2, falls nur eine Anlage beteiligt ist.
2.2.8 §§ 8 und 9 UmweltHG.
Hier werden die Auskunftsansprüche geregelt, die Geschädigte gegenüber Unternehmen und Behörden haben.
§ 10 UmweltHG - Auskunftsanspruch des Inhabers einer Anlage
Dieser Paragraph regelt die Auskunftspflicht von Geschädigten oder Inhaber anderer Anlagen, falls dies zur Regulierung notwendig ist.
§§ 11 bis 16 UmweltHG
Diese Paragraphen werden an dieser Stelle nicht behandelt, da sie lediglich die Ersatzpflichten bzw. Aufwendungen regeln und nicht der Veranschaulichung des Gesetzes dienen.
2.2.11 § 17 UmweltHG - Verjährung
Die Verjährung soll nach dem BGB geregelt werden und beträgt daher 30 Jahre.[20] Strittig ist hierbei noch die Rolle der dreijährigen Frist nach § 852 BGB.
Übrige Paragraphen des UmweltHG
Hervorheben möchte ich, daß man verpflichtet ist eine Deckungsvorsorge zu leisten[21], die in der Praxis üblicherweise eine Haftpflichtversicherung ist. Ein Versäumnis dieser Vorsorge wird (gering) bestraft.
Die strafrechtliche Verantwortlichkeit
Mit dem 18. Strafrechtsänderungsgesetz wurde dem bisherigen Strafrecht auch der Abschnitt 28 "Straftaten gegen die Umwelt" beigefügt. Aber auch hier wurde, anstatt Klarheit zu schaffen, das Chaos der Verordnungen gefördert. Man findet Gesetze zu dieser Thematik bei § 324 bis 330 StGB, § 310 b bis 311 e, sowie § 319, aber auch in Vorschriften des sogenannten Nebenstrafrechts. Da es die ureigenste Aufgabe des Strafrechts ist, präventiv zu wirken, aber kaum einer der Verantwortlichen in der Wirtschaft von den betreffenden Paragraphen Kenntnis nimmt, kann man durchaus behaupten, daß der Gesetzgeber sein Ziel nicht erreicht hat. Selbst wenn Unwissenheit nicht vor Strafe schützt.
2.4 Die Haftungsvermeidung
Aus den Reihen der Industrie ertönen immer wieder Stimmen, die sich zu den angeblich zu strikten Richtlinien und Grenzwerte äußern. Für einige Betriebe mag es sogar Anreize geben, sich in Ländern anzusiedeln, die weniger restriktive Umweltgesetze haben. Dies kann aber nicht die Lösung aller Probleme sein, schon gar nicht für die Umwelt. Lösungsansätze bietet staatliche Kontrolle, die bereits im Vorfeld Anträge und Genehmigungsverfahren prüft. Moderne technische und chemische Betriebe geben sich aber nicht allein mit der Einhaltung von Grenzwerten zufrieden, sondern haben das Bestreben diese noch zu unterschreiten, um sich erstens auf dem aktuellen Stand der Technik zu befinden, und um zweitens für die Zukunft gerüstet zu sein. Dies hat natürlich seinen Preis, aber auf lange Sicht rechnen sich solche Investitionen, wenn man damit kostspielige Schadensersatzansprüche und ähnliches vermeiden kann.
"Mit der Verordnung (EWG Nr.1836/93) vom 29.6.1993 hat
der Rat der Europäischen Gemeinschaften die Grundregeln über
die freiwillige Beteiligung gewerbliche Unternehmen an einem
Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die
Umweltbetriebsführung festgelegt."[23]
Das was diese Verordnung für das Umwelt-Audit der EG bedeutet, ist der § 5 BImSchG, wonach die Anlagenbetreiber alles unternehmen müssen, was dem Schutze der Umwelt dienlich ist. Ein Umwelt-Audit, vergleichbar mir der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) der Film- und Fernsehindustrie, ist ein Gremium der betroffenen Industrie, welches sich mit den Belangen des Umweltschutzes, der Verfahrensoptimierung, sowie Qualitätssicherung der Produkte beschäftigt. Im Dezember 1995 wurde das passende Gesetz zur Umwelt-Audit Richtlinie verkündet. Auf dieses Umwelt-Audit-Gesetz (UAG) soll hier aber nicht genauer eingegangen werden.
3. Die Sicht der Wirtschaft
"Es ist naiv zu glauben, daß Umwelthaftungsrecht hätte präventive Wirkung. Unsere Anlagen erfüllten schon immer die gesetzlichen Vorschriften aus dem BImSchG und wir werden diese auch weiterhin einhalten. Uns geht es da aber primär um den Schutz der Arbeitnehmer bzw. der angrenzenden Firmen, das sind diejenigen, die geschädigt werden könnten und nicht irgendwelche dritte. Als das Gesetz eingeführt wurde waren wir nicht besonders schockiert oder nervös, denn letztlich hat sich bei uns nicht viel geändert. Unsere Betriebe haben wir angewiesen, die Daten der Meßgeräte besser zu dokumentieren und dann länger als bisher zu verwahren." erläutert Herr Dr. Vollbracht, seineszeichens Jurist bei der BASF in Leverkusen. In Bezug auf die Frage, ob durch das UmweltHG die Industrie in Zukunft vermehrt bei der Regulierung von Schäden des Ökosystems zur Kasse gebeten wird antwortete er: "Was ist schon ökologischer Schaden? Das kann man kaum nachweisen, wenn man zum Beispiel in einem Biotop zuerst bestimmte Tiere hat und dann nicht mehr, ist das Schaden? -Die sind halt einfach weg."
Differenzierter nähert sich Herr Braun[24] der Materie: "Die durch den Kupolofen getroffene Entscheidung die Beweislast umzukehren, kommt einer Gefährdungshaftung schon sehr nahe. Besonders zu betonen ist in diesem Gesetz der §6 UmweltHG, er ist ein Novum im deutschen Recht, denn er greift erstens bei Verdacht auf Beeinträchtigung durch langfristige Emissionen auch noch Jahre später und zweitens bei Spätschäden verursacht durch Unfälle." An dieser Stelle führte er ein Beispiel der Firma Hoechst in Frankfurt an, das Anfang der neunziger Schlagzeilen machte: Durch einen Defekt konnte der Stoff Onitrosanisol entweichen und lagerte sich als farbiger Niederschlag in der Umgebung des Firmengeländes ab. Es gab keine Personenschäden und der kontaminierte Boden wurde abgetragen. Herr Braun stellte des weiteren fest: "Diese Chemikalie ist leicht kanzerogen, das bedeutet daß in Zukunft, und nicht nur in diesem Fall, noch immense Forderungen an die Unternehmen gestellt werden. Gerade der sechste Paragraph macht uns zu Schaffen, hier muß man nämlich zum einen Nachweisen, daß "Ein bestimmungsgemäßer Betrieb vorliegt", was relativ einfach ist, aber zum anderen "auch keine Störung des Betriebs" erfolgte. An dieser Stelle wird bekanntermaßen Neuland beschritten, es gibt noch keine Definition darüber, was eine Störung des Betriebes ist. Es steht lediglich fest, daß eine Störung des Betriebs etwas anderes ist als ein Störfall, der ist im BImSchG nämlich genau geregelt. Niemand weiß im Moment was man nun wirklich beweisen muß bzw. kann. Wissen Sie, ich sag' immer, man kann dem Finanzamt sehr leicht nachweisen wieviel Geld man verdient hat, aber kaum wieviel nicht. Allgemein und abschließend möchte ich sagen, daß die Industrie noch auf eine eindeutigere Rechtsprechung wartet. Rechtsstreitigkeiten und Urteile werden in der nächsten Zeit Klarheit verschaffen, denn Recht ist nicht statisch, sondern lebt durch Interpretation."
4. Der Ausblick auf Europa
"Im Laufe der siebziger Jahre entwickelte die EG "flickenteppichartig" erste Ansätze einer Umweltpolitik."[26]. Ahnlich der Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland ging die Erstellung eines europäischen Umweltrechtes schleppend bis stocken von statten. Hier gab es nicht nur das Problem, bisher bestehende Regelungen, zu einem Werk zusammenzufassen und diese zu ergänzen um ein Recht zu formen, welches den Anforderungen und Ansprüchen einer modernen technischen Gesellschaft genügt, sondern auch die unterschiedliche Rechtslage der einzelnen Mitgliedsstaaten mußte berücksichtigt werden.
Der Europäische Rat verfaßte im Juni 1990 in Dublin eine Erklärung zur Umweltpolitik. In dieser "Environmental Imperative" wurden rasche Fortschritte im Umweltschutz gefordert. Ein großes Problem ist in Europa das Umsetzungs- und Vollzugsdefizit. Obwohl eine Verschärfte Umwelthaftung in Japan und den USA bereits an der Tagesordnung sind, arbeiten in Europa viele der Zukunftsindustrien jenseits der Versicherungsgrenze. Viele Versicherungen weigern sich strikt das Risiko zu tragen. Daher werden Anderungen des Rechts gefordert, die dem deutschen UmweltHG sehr ähnlich sind (Beweislastumkehr, Gefährdungshaftung,). 1992 erschien auf Drängen der EU - Kommissarin Bjäregard ein sog. Grünbuch, welches gesammeltes Material beinhaltet. Im Zuge dessen wurde einigen Gutachten erstellt, die sich mit den jeweiligen Rechtslagen der Staaten und den verschiedenen wirtschaftlichen Auswirkungen beschäftigten. Das Ergebnis war für ein gesamteuropäisches Handeln eher negativ zu werten, da festgestellt wurde, es gäbe kaum Handlungbedarf.
"Im Rahmen von Anhörungen im Jahr 1993 sind dann wesentliche Eckdaten festgelegt worden mit dem Ziel, eine gemeinschaftliche Regelung für die Umwelthaftung zu schaffen ()."[27]
Ahnlich den Fondsregelungen in Japan gibt es heute schon Ausgleichfonds für Geschädigte. Dieses Modell soll in Zukunft ausgebaut werden. Aus Mitteln der Wirtschaft sollen europaweite Fonds für die Beseitigung und Wiedergutmachung bereitgestellt werden, diese Geldbestände sind besonders dann wichtig, wenn der Geschädigte keinen Ausgleich will und daher das Unternehmen nicht belangt werden kann, die Öffentlichkeit aber sehr wohl Interesse an Ausgleich hat, oder auch wenn der bzw. die Verursacher nicht ermittelt werden können.
Mittlerweile hat die Generaldirektion 11, unter Mitwirkung des deutschen Vertreters Hans Lopatta, den Versuch unternommen ein Weißbuch zu erarbeiten, welches konkretere Vorschläge und Absichten beinhalten soll. Erste Entwürfe des 2. Stadiums sind für April 1998 zu erwarten.
Die kritische Meinung
"Obwohl die Einführung einer Gefährdungshaftung mit
Ursachenvermutungen der vereinfachten Durchsetzung umwelt-
haftungsrechtlicher Ansprüche dienen sollte, hat sich das
Umweltrecht in Deutschland zu einer Materie entwickelt, die
mittlerweile nur noch von wenigen Fachleuten zu überschauen ist."[28]
Dieser Satz von Michalski enthält gleich zwei der brisantesten Themen der deutschen Wirtschaft; zum einen den sogenannten Paragraphendschungel und zum anderen die Standortfrage, die sich teilweise aus ersterem ableitet. Will ein Unternehmer in Deutschland eine Firma aufbauen, so ist es mittlerweile kaum noch möglich, daß er sich in dem Chaos der Gesetze, Vorschriften und Normen zurechtfindet, das UmwHG tut hier mit o.g. Schwierigkeiten ein übriges, denn das UmwHG ist kein zusammenhängendes vollständiges Werk, es füllt vielmehr nur die Lücken auf und fügt dem Durcheinander weitere 23 Paragraphen hinzu.
Ist es sinnvoll, wenn unsere Rechtsordnung so komplex strukturiert ist, daß es dem gemeinen Bürger nicht mehr möglich ist sich darin zurecht zu finden ?
Schon Jesus sagte, daß "der Sabbat um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbats willen."[29] Im übertragenen Sinn ergibt sich hieraus, die Fragestellung, in wieweit das Gesetz den Bürger bzw. die Umwelt tatsächlich zu schützen vermag, oder ob man es sich mit Hilfe von "Winkeladvokaten" so hinbiegen kann, wie es gerade gebraucht wird.
"Wo alle 'schuld' haben, hat scheinbar der verhängnisvolle
'Zufall' seine alte Macht zurückgewonnen und muß als
'Schicksalsschlag' verkraften, wofür man einen zahlungskräftigen
Schuldner nicht festnageln kann."[30]
Nach Michalski gab es bereits kleine und mittlere Unternehmen, die im Bereich des Risikomanagements existenzbedrohende Fehlentscheidungen getroffen haben Eine Folge davon ist, daß Unternehmen, die als besonders gefährlich, weil risikoreich, gelten sich eher im Ausland als in der BRD ansiedeln. Gerade diese, teilweise zukunftsweisenden, Technologie- und Chemieanlagen bringen Arbeits- und Ausbildungsplätze. Sie könnten Deutschland wieder zu einem der gefragtesten Partner im internationalen Handel werden lassen und nicht zuletzt erhöhen sie das Steueraufkommen und tragen hiermit zur Konsolidierung der Bundes- und Länderhaushalte bei.
Ein weiterer zu kritisierender Punkt ergibt sich aus § 23 UmweltHG, wonach Altschäden, "soweit der Schaden vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verursacht worden ist"[31], nicht durch das Umwelthaftunsgesetz reguliert werden. Neu entstandene Nachteile, die irgendwann einmal zu Altlasten werden, sind betroffen und können ausgeglichen werden, präsente Altschäden, denen man heutzutage Herr werden müßte beeinträchtigen unsere Umwelt und damit auch uns selbst nach wie vor.
Ebenso greift das Gesetz nicht bei Schäden, die keine definierte Person beeinträchtigen, sowie bei Störungen des Ökosystems. Hierfür müßte laut Taupitz ein Ausgleichsfond herhalten und auf "die charakteristische Zweierbeziehung" verzichtet werden. "Derartige Überlegungen waren aus Sicht des Gesetzgebers bezogen auf das deutsche Zivilrecht aber wohl zu revolutionär"[32]. Schlußendlich kann man aber getrost behaupten, daß das am 1.1.1991 in Kraft getretene Umwelthaftunsgesetz eine nachhaltige Verbesserung der rechtlichen Lage für die Umwelt und den darin enthaltenen Lebewesen darstellt, denn auch wenn strikte Normen fehlen, hat man sowohl als Unternehmer, aber auch als Judikative eine Orientierungshilfe zur Hand, die aber selbstverständlich eine Einzelfallprüfung nicht vorwegnimmt. Nicht zu vergessen ist auch, die motivierende Wirkung zur Erforschung und Einführung abweichender Pruduktionsabläufe bzw. Verfahren. Die Kosten für eine Umstellung werden natürlich auf die Produkte umgelegt und der Kunde wird eine Verteuerung in Kauf nehmen müssen. Aber das sollte uns die Umwelt doch wert sein, oder?
Der Anhang
Literaturnachweis
Prof. Dr. Lutz Michalski, Aufsatz über "Das Umwelthaftungsgesetz" erschienen in "Jura", Verlag Walter de Gruyter & Co, Berlin Dezember 1992
Joachim Schmidt-Salzer, Kommentar zum Umwelthaftungsrecht, Verlag Recht und Wirtschaft, Heidelberg 1992
Prof. Dr. Dr. Peter Salje, Umwelthaftungsgesetz Kommentar, C.H. Beck'sche Verlagsbuchhaltung, München 1993
Dr. Jur. Klaus Oehmen, Umwelthaftung - Die Verantwortlichkeit von Unternehmen und Managern für Umweltschäden, Werner Verlag, Düsseldorf 1997
Bertelsmann Universallexikon, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh 1991
Christian Calliess, "Greening the treaty"? Perspektiven europäischer Umweltpolitik und europäischen Umweltrechts, Umweltrecht, Hrsg. Verein für Umweltrecht e.V., Bremen, April 1991
Evangelium nach Markus, Die Heilige Schrift, Württembergische Bibelanstalt, Stuttgart April 1963, nach dem Text von 1912
Bürgerliches Gesetzbuch, Beck-Texte im dtv, 39. Auflage
Gilbert Sailer, Die summierte Immission, Augsburg 1992
Prof. Dr. Jochen Taupitz, Mannheim, Aufsatz über "Das Umwelthaftungsgesetz als Zwischenschritt auf dem Weg zu einem effektiven Umwelthaftungsrecht" erschienen in "Jura", Verlag Walter de Gruyter & Co, Berlin März 1992
Vorläufige Ausgabe der "Convention on Civil Liability for damage resulting from activities dangerous to the environment"; erhalten durch Bundesumweltministerium in Bonn
Andreas Domeyer, Die Auswirkungen eines veränderten Umelthaftungsrechts auf Verursacherindustrie und Versicherungswirtschaft, H.-A. Herchen Verlag, Frankfurt a. M. 1992
Wolfgang Köck, Einführung in das Thema "Umwelthaftung und Versicherung", Hrsg. Verein für Umweltrecht e.V., Bremen, April 1991
Die Verursachungsvermutung nach § 6 UHG - Erläuterung und praktische Hinweise, Hrsg. Verband der chemischen Industrie e.V., Frankfurt a. M. 1991
Peter Salje, Europäisierung der Umwelt- und Abfallhaftung, Hrsg. Verein für Umweltrecht e.V., Bremen, Februar 1992
Gesprächsnachweis:
Herr Peter Braun
Referent für Zivil-, Haftpflicht- und Versicherungsrecht des Verbands der chemischen Industrie in Frankfurt
Herr Dr. Vollbracht
Rechtsanwalt und Jurist der BASF in Leverkusen
Prof. Dr. Lutz Michalski, Aufsatz über "Das Umwelthaftungsgesetz" erschienen in "Jura", Verlag Walter de Gruyter & Co, Berlin Dezember 1992, S.617
Joachim Schmidt-Salzer, Kommentar zum Umwelthaftungsrecht, Verlag Recht und Wirtschaft, Heidelberg 1992, Randnummer 10
Prof. Dr. Dr. Peter Salje, Umwelthaftungsgesetz Kommentar, C.H. Beck'sche Verlagsbuchhaltung, München 1993, S. 49 f.
vgl Dr. Jur. Klaus Oehmen, Umwelthaftung - Die Verantwortlichkeit von Unternehmen und Managern für Umweltschäden, Werner Verlag, Düsseldorf 1997
Referent für Zivil-, Haftpflicht- und Versicherungsrecht des Verbands der chemischen Industrie in Frankfurt
Entscheidung des OLG Düsseldorf 1994, wonach der Anlagenbetreiber für die Einhaltung von Grenzwerten, für darlegungs- und beweispflichtig erklärt wurde, vgl. Oehmen, Umwelthaftung, S. 50, Rn. 153
Christian Calliess, "Greening the treaty"? Perspektiven europäischer Umweltpolitik und europäischen Umweltrechts, Umweltrecht, Hrsg. Verein für Umweltrecht e.V., Bremen, April 1991 S.207
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