Ecstasy in der Technoszene
Eine Form integrierten Drogengebrauchs?
Anmerkung von mir (offtopic): Er hat übrigens bestanden mit 1,0 !!!
Wie man sieht ist
Jörn leider nicht online. Wer irgendwie die snailmail scheut, kann auch mir
eine e-mail schicken, ich leite es dann an ihn weiter. Bitte schon im subject
darauf hinweisen, damit ich weiß, daß die e-mail nicht für mich ist !
Wer Anmerkungen, Kritik, Fragen oder einen Job für Jörn hat, einfach melden :)
e-mail an offtopic
Das HTML habe ich auch verbrochen, mit dem composer von netscape 4. ]
<BLINK>Inhaltsverzeichnis</BLINK>
Vorwort
1. Zur Geschichte von MDMA
2. Was ist Ecstasy?
2.1 Ecstasy und seine Wirkung
2.1.2 Drug - Set - Setting
2.1.3 Kurzfristige Neben - und Nachwirkungen
2.1.4 Wirkungsweise im Körper
2.1.5 Auswirkungen des Ecstasy - Konsums in physischer und
psychischer Hinsicht
2.1.5 Suchtpotential von MDMA
2.1.6 Ecstasy und damit in Verbindung gebrachte Todesfälle
3. Gängige Party - und Designerdrogen
3.1 Auswirkungen von Mischkonsum
3.2 Unbeabsichtigter Mischkonsum
4. Zur Illegalisierung von Ecstasy - MDMA und das BtMG
4.1 Auswirkungen des BtMG in der Praxis
4.2 Zahlenmaterial des BKA zu Ecstasy und anderen
"Partydrogen'
5. Die Techno - Kultur
5.1 Techno - Musik
5.1.2 Die Anfänge von Techno
5.1.3 Unterarten von Techno
5.2 Techno - Parties und das Publikum
5.2.1 Die Techno - Party als Gesamtkunstwerk
5.2.2 Wer besucht Techno -Parties?
5.3 Politische und moralische Werte und Ideale der Techno - Szene
5.4 Von einer Subkultur zur kommerziellen Massenbewegung
5.5 Die Party als Entspannung - Aber Leistung ist angesagt
5.6 Zu Techno tanzen - Oder "die Seele baumeln lassen'
5.7 Hat Techno einen religiösen Aspekt?
6. Vorstellung suchtpräventiver Einrichtungen und Organisationen
6.1 Eve & Rave e.V., Berlin
6.2 Der Drogeninfobus der Beratungsstelle Hannover
6.3 Das Jellinek - Zentrum, Amsterdam
6.4 Das Projekt "Antenne', Niederlande
7. Konsumentenschutz in der Szene
8. Ecstasy in der Technoszene - Eine Form integrierten
Drogengebrauchs?
8.1 Erklärung der Fragestellung
8.2 Erläuterung des Ritualkonzepts
8.3 Bieten Rituale einen Schutz vor Drogenmißbrauch?
8.4 Aktuelle Veränderungen in der Techno - Szene
9 Präventionsansätze und Betätigungsfelder für die
sozialpädagogische Arbeit
9.1 Erklärung von Begriffen im Zusammenhang mit Suchtprävention
9.2 Von der Drogen - zur Suchtprävention
9.3 Konsummotive und daraus resultierende Handlungsmöglichkeiten
9.4 Konkrete und neue Konzepte zur Präventionsarbeit
9.5 Notwendige drogenpolitische Veränderungen
Nachwort
Literaturverzeichnis
Vorwort
Den ersten Kontakt zu
Techno-Musik hatte ich, als mich ein Freund, mehr oder weniger gegen meinen
eigenen Willen, mit in eine Techno-Disko mitnahm. Als eingefleischter Anhänger
gitarrenorientierter Rockmusik konnte ich mir in keinster Weise vorstellen,
dieser Musik auch nur etwas Positives abzugewinnen. Umso größer war mein
Erstaunen, als ich vier Stunden später feststellen mußte, daß ich drei davon
tanzend verbracht hatte. Da ich Techno noch nie vorher in einer solchen
Lautstärke gehört hatte, wurde ich von der Energie, die sie mir vermittelte,
förmlich "umgeblasen'. Einige der folgenden Mittwoche besuchte ich diese
Disko wieder, und es hat mir immer besser gefallen, ich fing an, mich für diese
Musik ernsthaft zu interessieren. Ich habe zwar für mich persönlich nie eine
Raver-Identität entwickelt, und fühlte mich der Szene auch nie zugehörig, aber
gefallen hat mir auf den Parties besonders der Spaß, den die Raver beim Feiern
ausstrahlten. Besonders fasziniert war ich von den Großveranstaltungen
"Mayday' und "Love-Parade', da ich nie vorher eine solche
Massenhysterie erlebt habe.
Mir wurde natürlich schnell klar, daß irgend etwas nicht mit rechten Dingen
zugehen konnte, wenn um 5 Uhr morgens die gesamte Party noch wie wild geworden
herumhüpfte, während ich müde und ausgelaugt nach Hause gehen wollte. Ecstasy
war schon zu diesem Zeitpunkt (vor etwa drei Jahren) sehr weit verbreitet, in
der Presse konnte man allerdings noch nicht viel darüber lesen. Richtig
aufmerksam auf diese Thematik wurde ich erst, als ein guter Bekannter aus
meiner Heimatstadt anfing, eine Menge der sog. Party-Drogen zu konsumieren. Ich
sah diesen Bekannten nicht sonderlich oft, und als einmal drei Monate seit
unserem letzten Treffen vergangen waren, hatte er ganz offentsichtlich eine
recht ungesunde Entwicklung mitgemacht. Er war nämlich um einige Kilo leichter
geworden, ganz abgesehen von seinem verhärmten Gesicht. Später ging er dann
noch dazu über, Opiate zu konsumieren, kam aber, wie ich gehört habe, wieder
davon weg, ich habe ihn leider aus den Augen verloren.
Aber ab diesem Zeitpunkt begann ich, mich genauer für diese Drogen zu
interessieren und sammelte alle Informationen, die mir in die Finger kam. Da
meine Begeisterung für die Musik nachwievor vorhanden ist, kam mir die Idee,
diese beiden Dinge in meiner Diplomarbeit zu verbinden. Vor allem wollte ich
über eine Thematik schreiben, die noch nicht "breitgetrampelt' ist, und
auch wenn die Publikationen darüber mehr und mehr werden, ist es immer noch ein
sehr spannendes Thema. Auch für die Arbeitsfelder der Sozialpädagogik wird die
Thematik des Ecstsy-Konsums an Bedeutung gewinnen, weil auch die Zahl der
Konsumenten ständig ansteigt. Das Bundeskriminalmt verzeichnet
Sicherstellungszuwachsraten von jährlich 50-90 % im Bereich der Partydrogen
Ecstasy, Speed und LSD, und man geht von einer Anzahl von Konsumenten aus, die
irgendwo zwischen 300.000 und 900.000 Personen liegt. Aufgrund fehlender
Untersuchungen sind genaue Angaben leider nicht möglich.
Meine Diplomarbeit ist in drei Hauptbschnitte gegliedert. Im ersten Teil wird
die Droge Ecstasy beschrieben, deren Geschichte, Wirkung und Folgen des
Konsums, soweit bis heute erforscht, sowie Informationen über Konsum- und
Gebrauchsformen.
Im zweiten Teil versuche ich, die vielschichtige Techno-Szene zu beleuchten,
wobei es nicht möglich ist, einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, was
in der Größe der Szene begründet liegt.
Im dritten Teil beschäftige ich mich mit bereits bestehenden präventiven
Organisationen und Einrichtungen, bevor ich versuche, neue Ansätze in der
Arbeit mit Gebrauchern synthetischer Drogen aufzuzeigen. Hier wird der Bezug
zur sozialpädagogischen Praxis geknüpft.
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1. Zur Geschichte der Droge Ecstasy
Erstmals
synthetisiert wurde MDMA im Jahr 1898. Zu einem offiziellen Status kam es
allerdings erst am 24.12.1912, als die Darmstädter Firma Merck das Patent auf
eine Gruppe von Stoffen anmeldete, zu denen auch MDMA gehörte. Aber erst zwei
Jahre später, am 16.05.1914 vergab das kaiserliche Patentamtamt das
Patent an die Firma.
An verschiedenen Stellen (Zeitschrift "Tempo',1994, S.26, Rufer, M., 1995,
S.202) wird behauptet, daß MDMA ursprünglich ein Schlankheitsmittel sein sollte,
allerdings ist es fraglich, ob dies so richtig ist. Nach A.Schroers gibt es für
diese Feststellung keine Belege (ebd.,1996, S.8). Auch Saunders greift
diesbezüglich auf die sehr vage Formulierung "Es heißt, daß' zurück, so
daß keine eindeutige Aussage getroffen werden kann. Auf jeden Fall konnte Merck
mit der Substanz keinen kommerziellen Erfolg verzeichnen. MDMA rückte für die
nächste Zeit erst einmal aus dem Blickfeld des öffentlichen Interesses.
Aufgetaucht ist MDMA dann erst wieder um 1950 herum, zur Zeit des kalten
Krieges, als das US-Militär Halluzinogene auf ihren "Nutzungswert' als
Wahrheitsdrogen untersuchte. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurde MDMA anhand
von Tierexperimenten auf seine Toxität untersucht; es gibt aber keine Beweise
dafür, daß MDMA dabei Menschen verabreicht oder als Wahrheitsdroge getestet
wurde (Saunders, N., 1994, S.122).
Wieder in die Öffentlichkeit gerückt ist die Droge 1965, als Alexander Shulgin,
der sich selber gerne als "Stiefvater' von Ecstasy bezeichnet, sie im
Labor herstellte und ausprobierte. Nach seinem Universitätsabschluß in Berkeley
erhielt der promovierte Biochemiker eine Anstellung in der Chemieforschung bei
der Firma "Dow chemicals' und erfand ein rentables Insektizid. Daraufhin
stellte ihm das Unternehmen ein eigenes Labor zur Verfügung, in dem Shulgin
damit begann, psychedelische Drogen zu erforschen. Dabei ging es ihm vor allem
darum, eine therapeutisch nutzbare Substanz zu finden. Er ging dazu über, MDMA
an sich selber zu testen und anschließend auch an befreundete Psychotherapeuten
weiterzugeben. Als das Unternehmen jedoch bemerkte, daß es Inhaber mehrerer
Patente zu psychedelischen Drogen geworden war, wurde Shulgin entlassen.
Dennoch fuhr er fort, neue Substanzen an sich selber und an einer kleinen
Gruppe von Freunden zu testen.Noch heute betreibt er seine Forschungen-dank
Beziehungen zu einflußreichen Leuten- mit Genehmigung der US-Regierung weiter
(vgl. Saunders, N., 1994, S.19).
Die ersten
PsychotherapeutInnen, die mit MDMA arbeiteten, waren sich über dessen großes
Potential durchaus im Klaren. Sie gingen gleichzeitig aber auch davon aus, daß
die Regierung es gleichbedeutend mit LSD behandeln würde, was einer
Kriminalisierung und einem daraus folgenden Verbot gleichgekommen wäre.
So entschlossen sie sich, soviel an der Droge zu forschen wie möglich,
gleichzeitig aber die Ergebnisse, die allerdings recht positiv waren, nicht an
die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. So kam es, daß MDMA nur von einer
überschaubaren Zahl von zumeist experimentellen PsychotherapeutInnen benutzt
wurde. Dies war auch dadurch begründet, daß MDMA nicht in typische
50-Minuten-Therapiesitzungen paßt. Außerdem bewegten sie sich außerhalb der
Legalität, auch wenn einige unter ihnen behaupteten, "eine fünfstündige Sitzung
mit Adam sei ebensogut wie eine fünfmonatige Therapie.' (Saunders, N.,
1994, S.21).
Der Grund, warum MDMA nie von einem großem Arzneiunternehmen vermarktet wurde,
hängt erstens mit seinem geringen kommerziellen Potential zusammen. Des
weiteren besteht in den USA das Verbot der Nahrungsmittel- und
Medikamentenbehörde FDA, Versuche an Menschen durchzuführen. Das größte
Hindernis besteht aber darin, daß MDMA schon einmal patentiert wurde.
Denn "obwohl das Patent der Firma Merck schon vor Jahren abgelaufen ist, kann
die Droge kein zweites Mal patentiert werden. Bevor ein Arzneiunternehmen eine
neue Droge auf den Markt bringt, muß es zeigen, daß die Wirkungen der Droge als
Medikament die Sicherheitsrisiken rechtfertigen, was jahrelange und teure
Versuche voraussetzt. Will man diese Kosten wieder einbringen, muß man sich das
exklusive Verkaufsrecht sichern, indem man das Patent erwirbt.'
(Saunders, N., 1994, S.21).
1991 veröffentlichte A.Shulgin, zusammen mit seiner Frau Anne, das
autobiographische Buch "PIHKAL' (Synonym für Phenetylamins I Have Known
And Loved = Phenetylamine, die ich kennen und lieben gelernt habe), in dem er
persönliche Erlebnisse und Ergebnisse seiner Forschung seit dieser Zeit
beschreibt. Der Autor verteidigt sehr vehement die Vorzüge von MDMA, z.B., wenn
er einen Psychiater zitiert, der sagt "MDMA sei Penicillin für die Seele, und
man verzichte nicht auf Penicillin, wenn man gesehen habe, was es bewirken
kann.'
(Schroers, A., 1996, S.8)
Im Gegensatz zu
Shulgins klar eingegrenzten Anwendungsbereich, dem kontrollierten
therapeutischen Gebrauch, tauchte MDMA 1972 als Straßendroge in den USA auf und
wurde zunächst nur vereinzelt von "Hippies' konsumiert. In den
darauffolgenden Jahren (die von ´77-´85 werden auch als
"goldenes' Zeitalter von Ecstasy bezeichnet) wurde das Einnehmen von MDMA
bei PsychiaterInnen, Yuppies, College-StudentInnen, New Age -AnhängerInnen und
in der Homosexuellen-Szene bekannt. Der Konsum vollzog sich dabei unabhängig
von einem kontrollierten Rahmen als rekreative- bzw. Genußdroge, wobei die
Verbreitung mit der heutigen auf keinen Fall vergleichbar war.
1981 kam MDMA dann als "Ecstasy' (Ekstase) auf den Markt, wobei sich
angeblich ein Großhändler zunächst den Namen "Empathy' ausgedacht , dann
aber, spekulierend auf einen größeren Gewinn, auf "Ecstasy' entschieden
haben soll. Dieser Großhändler war ein Laboratorium in Marin County,
Kalifornien, das mit einer monatlichen Produktionskapazität von einer halben
Million Portionen einer der größten bekannt gewordenen Hersteller war. Den von
dort direkt vertriebenen Portionen war sogar ein Informationspapier beigelegt,
in dem darauf hingewiesen wurde, wie man am besten mit der Droge umgehen
sollte, um möglichen unangenehmen Nebenwirkungen aus dem Weg zu gehen.
"In Fort Worth, Texas, konnte Ecstasy sogar in Bars gekauft und mit Kreditkarte
bezahlt werden. Es ersetzte den Yuppies ihr Kokain und wurde sogar von Leuten
genommen, die sich normalerweise von Drogen fernhielten
(vgl. Saunders, N., 1994, S.21)
Im Laufe des Jahres 1985 trat Ecstasy ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, als
eine kleine Gruppe von Leuten die amerikanische Drug Enforcement Agency DEA
(zuständig für die Beschaffung von Informationen über den internationalen
Drogenhandel) verklagt hatte, weil die DEA Ecstasy verbieten wollte. Durch
diese Kontroverse und die damit verbundene Präsenz in der Presse verbreitete
sich Ecstasy in ganz Amerika, so daß ein Verbot nicht mehr lange auf sich
warten ließ. Begünstigt wurde dieses durch einige im Vorjahr aufgetretene
Zwischenfälle mit einem sog. "Designeropiat', dem gefährlichen
Meperidin-Derivat MPPP.
'Bei einigen Personen traten in Folge der Einnahme der durch unsaubere
Herstellung mit einem hochtoxischen Nebenprodukt (dem MPTP) kontaminierten
illegal hergestelltenSubstanz Symptome der Parkisonschen Krankheit auf'
(Schroers, A., 1996, S.9).
Zum einen dies, zum
anderen die Tatsache, daß auf dem Schwarzmarkt hochpotente Fentanyl-Derivate
als heroinhaltige Substanz "china-white' verkauft wurden, wurden zur
Stimmungsmache gegen synthetische Designerdrogen benutzt. So kam es, daß MDMA
per Notfallverordnung in den gleichen Gefährlichkeitsstatus wie Heroin
eingeordnet, sowie Herstellung, Verkauf, Verteilung und Besitz mit hohen
Strafen belegt wurden.
Das Verbot, das zwar die weitere Erforschung der Droge einschränkte, und sich
nicht auf das Verhalten der KonsumentInnen auswirkte, dauerte zunächst ein Jahr
an. In dieser Zeit entschied eine eigens dafür gebildete Kommission, welche
langfristigen Maßnahmen zu treffen seien. Durch aufgebauschte und unsachliche
Veröffentlichungen in der Presse verschärfte sich der Druck, Ecstasy
langfristig zu verbieten.
'Ein weitverbreiteter Bericht verwies auf Ergebnisse, die beweisen
sollten, daß eine andere Droge, MDA, bei Ratten Hirnschädigungen hervorrufe,
und zog den Schluß, daß MDMA dasselbe bei Menschen bewirken könnte. Medien
stellten Horrorszenarien von den "Gehirnen unserer Kinder' auf, die
zerstört sein würden, bevor sie dreißig Jahre alt sein würden. Dabei war nicht
bewiesen, daß MDMA in Dosierungen, wie sie von Menschen eingenommen
werden, für Ratten schädigend ist.'
(Saunders, N., 1994, S.22/23).
Auch eine Klage von VerteidigerInnen blieb ohne Erfolg, die DEA ordnete MDMA
entgegen der Empfehlung eines Richters, es in eine weniger strenge Kategorie
einzuordnen ( was wenigstens die Möglichkeit zur Weiterforschung bedeutet
hätte), dauerhaft in die strengste Kategorie, Schedule 1,ein.
In Großbritannien sind psychedelische Amphetamine wie MDA, MDEA und MDMA seit
1977 illegal. MDMA wurde genauso wie in den USA in die strengste
Drogenkategorie eingeordnet.
Am 1.August 1986 wurde MDMA aufgrund internationaler Verpflichtungen
(internationale Konvention über psychotrope Substanzen [ICPO]) auch in der BRD
verboten. Neben sog. "harten Drogen' wie Heroin und Kokain wurde die Droge
in die Anlage 1 ("nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel' zu § 1
Absatz 1 des Betäubungsmittelgesetzes [BtMG] eingestuft. Von 1985-1993 hatte
lediglich die Arztgesellschaft für Psycholytische Therapie (SAPT), mit Sitz in
der Schweiz, die Erlaubnis, mit MDMA zu arbeiten ( vgl. Schroers, A., 1996,
S.10).
Nach Europa kam Ecstasy Mitte der achtziger Jahre durch Anhänger des indischen
Gurus Bhagwan Rajneesh, bei denen die Droge sehr beliebt war. 1987 entwickelte
sich auf der Ferieninsel Ibiza eine Rave-Szene, in der sich Ecstasy zu LSD und
Haschisch dazu
gesellte. Britische Touristen führten es dann auch nach Großbritannien ein, wo
große Parties im Freien oder in alten, leerstehenden Lagerhäusern schnell in
Mode kamen. Die Veranstalter bereiteten die Lagerhäuser heimlich vor, aus Angst
vor eventuellen gerichtlichen Verfügungen. Eine geheimgehaltene Infrastruktur
unter den "partywilligen' Leuten machte es möglich, spontane Treffpunkte,
wie z.B. Autobahntankstellen, auszumachen, an denen sich dann bis zu tausend
Autos trafen, um dann gemeinsam zum Ort der Party zu fahren. Natürlich trafen
diese Partys auf den heftigen Widerstand seitens der Anwohner, die bedingt
durch die Lautstärke die ganze Nacht nicht schlafen konnten.
"Die Polizei ging mit Spezialeinheiten gegen die Raves vor, führte Razzien
durch und setzte sogar Undercover-Agenten in der Szene ein. Doch die
Hindernisse machten die Sache nur noch attraktiver. Raves wurden populär- und
mit ihnen Ecstasy.'
(Saunders, N., 1994, S.24).
So kam es, daß die britische Regierung 1990 ein Gesetz erließ, mit dem gegen
Veranstalter solcher Parties ohne Lizenz scharf vorgegangen werden konnte und
das diesen Veranstaltungen weitgehend ein Ende setzte. Daraufhin verlagerten die
Raver ihr Treiben in die Clubs, und von Manchester aus verbreiteten sich die
Clubparties mit "E' nach London und den Rest von Europa.
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2. Was ist Ecstasy?
Reines MDMA ist eine
weiße kristalline Masse und sieht normalerweise wie weißes Pulver aus. Die
Substanz, die sehr lange haltbar ist, zersetzt sich weder an der Luft noch im
Licht. Charakteristisch ist ein prägnanter starker und bitterer Geschmack.
MDMA ist die Abkürzung für die chemische Formel
3,4-Methylendioxy-N-Methylamphetamin. Es gehört zur Gruppe der Phenetylamine,
wozu auch Amphetamine und diverse Halluzinogene (z.B. Meskalin) gehören. Zu
dieser Gruppe gehören noch weitere psychoaktive Substanzen wie DOM , 2CB, DOB,
und die dem MDMA nahestehenden Substanzen MDA, MDEA, MDOH und MDBD.
Das synthetische MDMA kann man von seiner chemischen Struktur her mit dem in
der Natur vorkommenden Safrol vergleichen. Safrol kommt u.a. in der Muskatnuß
und in dem Lorbeergewächs Sassafras vor ( vgl. Schroers, A., 1996, S.11).
Es ist sehr schwierig, Ecstasy einer bestimmten Gruppe der psychoaktiven
Substanzen zuzuordnen. Mal wird es als Amphetamin-Derivat den Stimulantien
zugerechnet, an anderen Stellen dann wieder den Halluzinogenen. Die Zuordnung
zu den Amphetaminen liegt aufgrund des energetisierenden Effekts in der Wirkung
nahe, allerdings läßt sich diese amphetaminartige Wirkung auf die durch die
Droge verursachte erhöhte Dopamin-Ausschüttung zurückführen. MDMA ist aber kein
Amphetamin. Auch die halluzinogenen Effekte, von denen des häufigeren berichtet
wird, lassen sich durch verschiedene Gründe erklären. Vielleicht wurde statt
MDMA MDA 2CB oder DOB konsumiert, alle drei sind Stoffe, welche durchaus
halluzinogene Wirkungen hervorrufen, die für MDMA typischen Effekte gehen aber
eher in die Richtung des Wärme- und Wohlsein-Gefühls, Kontakt- und
Kommunikationsfähigkeit werden verstärkt. Die Schwierigkeit der Einordnung
führte zur Einrichtung einer neuen Gruppe, die 1986 mit dem Überbegriff
"Entaktogene' versehen wurde.
'Das spezielle Wirkspektrum führte zur Kreierung einer neuen Stoffklasse,
den sogenannten Entaktogenen, denen u.a. auch MDA und MDE zugeordnet
werden.'
(Wirth, N., 1996, S.11)
Der Begriff "Entaktogen' kann frei aus dem Griechischem ("en'= innen
und "gen'= verursachen) und dem Lateinisch ( "tactus' = berührt) als
"im Innern ein Gefühl erzeugend' oder auch "die innere Berührung
hervorbringen' übersetzt werden. In der Definition der Entaktogene wird
die therapeutische Bedeutung hervorgehoben, wohingegen Fromberg mehr Gewichtung
auf den kommunikativen Aspekt der Droge legt. Welche Interpretation
treffender ist, hängt wohl am ehesten mit dem Kontext der Drogeneinnahme
zusammen (vgl. Schroers, A., 1996, S.15).
An vielen Stellen wird Ecstasy fälschlicherweise als Designerdroge bezeichnet.
Designerdrogen sind aber neue synthetisch hergestellte Substanzen, die einer
schon bekannten, aber bereits dem BtMG unterstehenden Droge in Wirkungsweise
und meist auch chemischer Zusammensetzung sehr nahestehen. Somit soll das BtMG
umgangen werden, weil jeder neue Stoff dort erstmal aufgenomen werden muß, was
immer eine gewisse Zeitspanne in Anspruch nimmt, während der der neue Stoff
noch nicht illegal ist, so daß Herstellung bzw.Handel nicht unter Strafe
gestellt werden können. MDMA hingegen wurde, wie bereits gesagt, 1912 zum
ersten mai synthetisiert und ist somit keine Designerdroge.
2.1 Ecstasy und seine Wirkung
Bezüglich der Wirkung
und Folgen des Ecstasy-Konsums gibt es sehr wenig einheitliche Erkenntnisse, da
die Wirkung auf Körper und Psyche von sehr, sehr vielen inneren und äußeren
Faktoren abhängig ist. Dementsprechend werden heftige "Glaubenskämpfe'
insbesondere über mögliche negative Folgen des Langzeitkonsums geführt. Diese
Auseinandersetzungen erschweren eine sachliche Diskussion und
Informationsvermittlung über Stoff und Wirkung. Im folgenden werden deshalb
ausschließlich Wirkungen beschrieben, die in der Literatur mit Ecstasy in
Verbindung gebracht werden oder Erfahrungen, von denen User in der Literatur
berichten.
Bericht eines Ecstasy-Konsumenten:
"Ein Blick auf die Uhr, um den Wirkungseintritt besser einschätzen zu können,
dann einen exponierten Platz suchen, um in dieser Karenzzeit die Leute besser
zu beobachten.
45 Minuten später: Ich beginne zu spüren, daß ich nicht gelinkt wurde, daß
meine Tablette kein Aspirin war. Ein leichtes Wärmegefühl um die Magengegend
wird langsam zu einem den Körper umfließenden wohligen Gefühl, das in einer
steigenden Vorfreude mündet. Das Treiben, den Lärm um mich herum nehme ich wie
durch Watte war. Die Menschen, die mir gerade noch völlig egal waren, beginne
ich sympathisch zu finden, sie sogar zu mögen. Der Alltag ist weit hinter mir,
etwas Weltbewegendes geht hier vor. Alles ist gut! Alles gefällt mir! Ein Jubel
breitet sich in mir aus, ich will ihn hinausschreien, also schreie ich. Die es
mitkriegen, lächeln mir zwinkernd zu, wünschen mir eine gute Reise.
Zwei Stunden später
:Der Zenith ist überschritten, ich schlüpfe wieder in meine Hülle zurück,
widerstrebend, aber unvermeindlich erlischt der Sternenglanz des
Glücks'
(Stadtzeitung PRINZ, S.30, September 1994)
Die Wirkung von Ecstasy ist sehr einfach zu fühlen, aber sehr schwer zu
beschreiben, da sie zwei gegensätzliche Eigenschaften, nämlich Anregung und
Entspannung, miteinander verbindet. Die psychotrope Wirkung von MDMA setzt in
der Regel 20-60 Minuten nach der Einnahme ein. Es werden gewöhnlich 75-150 mg
Reinsubstanz benötigt. Das Wirkungsmaximum wird in der folgenden Stunde erreicht,
und nach weiteren zwei Stunden klingen die psychotropen Effekte langsam wieder
ab. Die Nebenwirkungen (sympathomimetische Stimulation) halten normalerweise
noch ein paar Stunden an. Über die psychische Wirkung sind mittlerweile viele
Details bekanntgeworden; sie gilt als multifaktorielles Zusammenspiel aus
Drogeneigenschaft, Dosierung, Set (innere Disposition des Konsumenten) und
Setting (äußerliche Umgebungsfaktoren). Bei angemessener Dosierung (s.o.)
werden folgende Effekte berichtet:
- Entspannung
- milde Euphorie und Ekstase
- Glück und Wärme
- Gefühle der Liebe und Zuneigung
- unerschöpfliche Energie und Antriebssteigerung
- Offenheit, Mitgefühl und Akkzeptanz anderer
- intensiveres Erleben
- Abbau von Hemmungen bei erhalten bleibender geistiger Klarheit
- seelische Ausgeglichenheit
Insgesamt stellt die
Wirkung einen persönlichkeitsbezogenen Rausch dar, in dem Gefühle, Gedanken und
Sinnesreize angeregt werden und es leichter fällt, sich in andere Personen
hineinzufühlen und mit ihnen offene und unverkrampfte Gespräche zu führen.
"Die Unterscheidungsfähigkeit zwischen der eigenen Person und der Umwelt,
zwischen Selbst und Nichtselbst, ist herabgesetzt.'
(Thomasius, R. in Rabes, M. / Harm, W., 1996, S.48).
Einige User berichten von einer mystisch-ekstatischen Verschmelzung zwischen
ihnen und der Umwelt, dabei sind diese Veränderungen im persönlichen Erleben
verbunden mit einer Steigerung des Selbstbewußtseins und des Selbstwertgefühls.
Des weiteren wird von einer verbesserten Introspektionsfähigkeit berichtet,
d.h. von einem besseren Zugang zu den eigenen Gefühlen, Stimmungen und
Konflikten. Reine Amphetamine bringen zwar im Vergleich zu MDMA eine stärkere
Aktivierung und Leistungssteigerung, indes sind die Auswirkungen auf das
interpersonale Erleben und auf die Introspektion im Vergleich eher unbedeutend.
Im Gegensatz zur Wirkung von LSD fehlen die halluzinatorischen Effekte beim
Ecstasy-Rausch fast gänzlich. In der Regel bleibt die Selbstkontrolle erhalten.
Üblich sind hingegen leichtere Wahrnehmungsveränderungen, wie verschwommenes
Blickfeld, Unfähigkeit zur Fokussierung sehr naher Gegenstände, Nachbilder und
eine veränderte Art und Weise Geräusche wahrzunehmen. Bei Hochdosierung von 200
mg und mehr tritt keine Steigerung des Rausches mehr auf, während die
Wahrscheinlichkeit von Kreislaufproblemen, Krämpfen und notorischer Unruhe und
Desorientierung steigt (siehe Nebenwirkungen).
Die verschiedenen Wirkungen der Droge können auf eine körperliche und eine
geistige Hauptwirkung zusammengefaßt werden: Einerseits werden Muskelspannungen
gelockert und andererseits Angste abgebaut
'Leute auf Ecstasy haben das Gefühl, sich frei bewegen und ausdrücken zu
können. Die Droge erzeugt einen Geschmack von einem Leben ohne Zwänge, die wir
als Teil unseres Lebens akzeptiert haben. GebraucherInnen vergleichen die
Wirkung oft mit Erinnerungen aus der frühen Kindheit, als sie den Menschen in
die Augen schauten, im Augenblick lebten und noch keine Hemmungen hatten.'
(Saunders, N., 1994, S.27)
2.1.1 Drug - Set - Setting
Bei jeder
Drogeneinnahme werden die sich einstellenden Effekte nicht nur von der Substanz
an sich, sondern von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren beeinflußt.
Hierzu gehören u.a. die subjektive Einstellung des Konsumenten zur Droge sowie
das Umfeld, in dem der Konsum stattfindet.Norman Zinberg bezeichnet dieses
Beziehungsgefüge als die Triade "drug, set and setting'. Die
Ecstasy-Wirkungsfaktoren sollen im Folgenden erläutert werden.
Dosierung (drug)
Die Dosierung einer Droge stellt den grundliegenden Auslöser für die
Drogenwirkung dar. Sie beeinflußt die Wahrnehmung und die Emotionen während des
Rausches. Substanzqualität und -quantität einer Ecstasy-Pille haben einen
entscheidenden Einfluß auf den Konsumenten. Auch wenn es den Konsumenten
aufgrund fehlender Möglichkeiten einer Analyse nicht möglich ist, genauers über
die Qualität oder Zusammensetzung der verwendeten Pille zu erfahren, bleibt die
Gewichtigkeit der Dosis als Determinante der Drogenwirkung unverändert hoch
(vgl. Schroers, A., 1996, S.33). Die in Ecstasy-Pillen enthaltene
MDMA-Reinsubstanz liegt in der Regel um 100mg. Ausgehend von einem
durchschnittlichen Körpergewicht von 70kg entspricht dies einer Dosierung von
1,4mg MDMA pro kg Körpergewicht. Je niedriger das Gewicht ist, desto weniger
Substanz wird gebraucht, um eine Wirkung zu spüren.
Einstellung (set)
Unter "set' versteht man den persönlichen Zustand des Konsumenten. Die
Erwartung, die Einstellung und die Vorbereitung nehmen genauso Einfluß auf das
Rauscherlebnis wie der allgemeine seelische Zustand des Konsumenten. Wird zum
Bespiel eine Person von ihren Freunden dazu überredet, auch etwas
"einzuwerfen', obwohl sie an diesem Abend gar nicht die rechte Lust dazu
hat, sind schonmal schlechte Voraussetzungen für eine guten "Trip'
geschaffen.
Aber auch die Charaktereigenschaften einer Person beeinflußen die Effekte eines
Rausches. Bestimmte Eigenschaften oder Eigenarten werden unter dem Einfluß
einer Droge nicht "weggewischt', sondern werden sich auch dann zeigen.
Umfeld (setting)
Unter "setting' versteht man die eigentliche Umgebung des Konsumenten.
Hiermit ist zum Beispiel die Gruppe, mit der der Konsument unterwegs ist, sowie
die räumliche Umgebung selber gemeint. Verbringt der Konsument die Zeit des
Rausches mit Personen, die er gut kennt, oder sind es Leute, zu denen er wenig
Vertrauen hat? Ist die Umgebung eine angenehme, oder empfindet er z.B. den Club
als zu eng oder zu laut? Über diese Einflußfaktoren sollte sich der Konsument
vor der Einnahme von Ecstasy im Speziellen und jeder Droge im Allgemeinen klar
sein, damit er nicht plötzlich mit u.U. größeren Problemen konfrontiert wird.
2.1.2 Kurzfristige Neben - und Nachwirkungen
Im Gegensatz zur
akuten Wirkung von Ecstasy sind die normalerweise auftretenden Nebenwirkungen
bei weitem nicht so prägnant, die meisten UserInnen finden nicht, daß die
Erfahrung davon sonderlich beeinträchtigt wird.
Fast immer auftretende Nebenwirkungen sind ein trockener Mund sowie
Appetitverlust. Sehr oft wird von verschiedenen Muskelreaktionen berichtet.
Dazu gehören ein verkrampfter Kiefer, Augenzittern, Muskelzuckungen, Übelkeit
und Krämpfe. In der Regel gehen diese ca. eine Stunde nach der Einnahme
vorüber, sind allerdings bei häufigem Gebrauch und höherer Dosierung
ausgeprägter. Eine Langzeitnebenwirkung ist Gewichtsverlust. Dies ist auf die
Abnahme des Hungergefühls und die körperliche Bewegung während eines Raves oder
einer Party zurückzuführen und ist für manche Leute sicherlich kein
unangenehmer Effekt. (vgl. Saunders, N., 1994, S.33).
Die meisten Leute sind nach der Einnahme von Ecstasy sehr erschöpft. In
Anbetracht der Umstände, in denen es konsumiert wird, ist dies nicht weiter
erstaunlich. In einer "durchgetanzten' Nacht, in einer Disco mit wahrscheinlich
wenig Frischluftzufuhr, entstehen für den Körper Belastungen, die er in dieser
Form nicht gewohnt ist. Auch die Psyche ist in einer solchen Nacht aktiver als
sonst. Der fehlende Schlaf kommt noch dazu. Dieser "Kater' kann allerdings
abgeschwächt werden, indem man den Konsum anderer Drogen wie Alkohol oder
Amphetamine vermeidet und nach der Party genug schläft. Auch Vitamine sollen
helfen, genauso wie der Verzehr von Nahrungsmitteln wie Obst usw..
Andere häufige Nachwirkungen sind erschöpfte oder steife Gliedmaßen vom Tanzen
(Muskelkater). Manchmal kann es zu Depressionen,Schlafstörungen oder Paranoia
kommen, eher vorkommend bei häugigem Gebrauch (siehe psychologische Folgen und
Komplikationen).
2.1.3 Wirkungsweise im Körper
Im folgenden Kapitel
beziehe ich, soweit nicht anders angegeben, auf den Vortrag von Dr. Kuhlmann,
gehalten auf der Fachtagung Ecstasy, am 17.02.1997.
Oral eingenommenes MDMA wird im Magen verdaut. Ein relativ kleiner Teil
erreicht über den Blutkreislauf das Gehirn und zwei Drittel werden über die
Nieren wieder ausgeschieden (vgl. Saunders, N., 1994, S.34). Um die
Wirkungsweise von MDMA zu erklären, wird im folgenden erstmal die normale, das
heißt von Drogen unbeeinflußte Reizübertragung bzw.-verarbeitung im menschlichen
Gehirn erläutert.
Die Funktionen des menschlichen Gehirns basieren auf dem Zusammenspiel von ungefähr 100 Milliarden Nervenzellen, welche Neurone genannt werden. Diese Neuronen besitzen besondere Fortsätze, sog. Dendrite, über die das Verarbeiten und Weiterleiten von Informationen abläuft. Eine für die Wirkungsweise von MDMA besondere Rolle spielen dabei die Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen, die sog. Synapsen. Jede einzelne der Nervenzellen verfügt nämlich über ca.100.000 Eingangskontakte und 10.000 Ausgangssynapsen, so daß sich sich ein unglaublich feingeädertes Nervengeflecht bildet. Wenn ein elektrisches Signal über ein Axon (Nervenzellen-Fortsatz) zu dem synaptischen Spalt kommt, wird eine Ausschüttung spezieller chemischer Botenstoffe (Neurotransmitter) bewirkt. Diese Botenstoffe befinden sich vor dem Eintreffen des Reizes in den sich vor dem synaptischen Spalt befindenden synaptischen Bläschen, die Vesikel genannt werden. Nun öffnen sich die Bläschen und die Neurotransmitter überqueren den Spalt zwischen den beiden Nervenzellen. Dort binden sie sich nach dem "Schlüssel-Schloß-Prinzip' an spezifische Rezeptoren auf der postsynaptischen Seite und bewirken dort eine Weiterleitung des elektrischen Impulses. Die Botenstoffe werden anschließend entweder von speziellen Enzymen wieder abgebaut, oder vom Neuron, das sie ausgeschüttet hat, wieder aufgenommen, um für die nächste Reizübertragung bereit zu sein.
Im menschlichen
Nervensystem kommt eine große Anzahl von Neurotransmittern vor, z.B. Acetylcholin,
Serotonin, Dopamin (vgl. Linder-Biologie, 1983, S.202). MDMA entfaltet seine
Wirkung an einem bestimmten Botenstoff im Gehirn, dem Serotonin (oder
5-Hydroxytryptamin; 5-HT). Zwar ließ sich in Tierversuchen (Ratte) nachweisen,
daß MDMA auch im dopaminergen System eine Wirkung hat (vermehrte Ausschüttung
von Dopamin), allerdings ist die dopaminerge Komponente im Wirkungsspektrum
wesentlich geringer als die serotonerge (vgl. Thomasius, R. in Rabes, M / Harm,
W., 1997, S.46).
Das serotonerge System gilt als das ausgedehnteste Botenstoffsystem im
Säugergehirn. Obwohl es nur eine vergleichsweise geringe Anzahl von
serotonergen Nervenzellen gibt, führen deren Fortsätze in fast alle Regionen
des Gehirns. Zu den Funktionen des Gehirns, an denen das serotonerge System
beteiligt ist, gehören solch wichtige wie das Eßverhalten, die Wahrnehmung von
Schmerz, hormonelle Funktionen, das Schlaf/Wachverhalten, die Temperatur-und
Kreislaufregelung, Emotionen sowie die sexuelle Aktivität.
Im Stoffwechsel serotonerger Nervenzellen wirkt Ecstasy als indirekter
Serotonin-Agonist. Es bewirkt eine vermehrte Freisetzung von Serotonin, wobei
es gleichzeitig die Nervenzellen daran hindert, die Botenstoffe wieder
aufzunehmen. Durch diesen Effekt wird die Erregungsübertragung verstärkt, was
sich in der stimulierenden Wirkung von Ecstasy niederschlägt und oft als
Steigerung der psychophysischen Leistungsfähigkeit empfunden wird. Allerdings
verhält es sich so, daß dem Organismus diese vermeintliche Steigerung der
Leistungsfähigkeit nur vorgespielt wird, da vegetative Funktionen wie Blutdruck
und Körpertemperatur durch den Anstieg des Serotonin-Spiegels ebenfalls
steigen. Nach der MDMA-bedingten starken Erhöhung der Serotonin-Freisetzung
fällt die Serotonin-Konzentration im Gehirn langanhaltend ab.
2.1.4 Auswirkungen des Ecstasy-Konsums in physischer und psychischer Hinsicht
Auswirkungen in
physischer Hinsicht
Tierversuche, sowohl an Affen als auch an Ratten, haben bewiesen, daß nach
einer einmaligen Applikation von MDMA die Serotonin-Konzentration längerfristig
vermindert ist, wobei diese Verminderung bei den Versuchstieren stark vom Alter
abhängig ist.Je älter die Tiere waren, desto langfristiger war die Absenkung
der Serotonin-Konzentration (vgl. Lohmann, Dr. H., 1997, S.5).
Einer der wichtigsten
Effekte langfristiger Applikation von Ecstasy ist die Degeneration serotenerger
Nervenfasern im Gehirn, die parallel zur bereits beschriebenen Verminderung der
Serotonin-Konzentration beobachtet wird. Nach Lohmann bewirkt eine Verabreichung
von Ecstasy bei allen bisher untersuchten Säugetierarten (Ratten, Katzen,
Affen) nach zwei Wochen zu einer massiven Degeneration der dünnen
Serotoninfasern. Allerdings ist das Ausmaß der Degeneration stark abhängig vom
jeweils untersuchten Gehirnareal. Während es im sog. Hypothalamus und im Globus
Pallidus zu einer Regeneration kommt, bleibt die Degeneration im cerebralen
Cortex auch nach 12-18 Monaten bestehen. Relativiert werden diese auf den
ersten Blick erschreckenden Ergebnisse meiner Meinung allerdings, wenn man sich
die Versuchsanordnung genauer betrachtet. Das MDMA wurde subcutan (unter die
Haut) injiziert, und zwar eine Dosis von 2 mal täglich 5mg/kg Körpergewicht
über vier Tage. 5mg/kg Körpergewicht entspräche einer Dosis von ca.400mg bei einer
80kg schweren Person, und dies zweimal am Tag, also einer Dosierung, die
jeglicher Vernunft oder "Safer-use'-Regel widerspräche, wenn man, wie oben
beschrieben von einer für einen E-Rausch benötigten Wirkstoffmenge von ca.100mg
ausgeht. Dazu kommt noch die in der Praxis so gut wie nie vorkommende subcutane
Applikation, so daß viel mehr Substanzmenge das Gehirn erreicht als es bei
einer oralen Einnahme der Fall ist. Mir persönlich scheint diese Untersuchung
ziemlich praxisfremd zu sein, auch wenn sich sicherlich die Tendenz zu
Gehirnschädigungen ablesen läßt (vgl.auch Märtens, P. in Rabes, M. / Harm, W.,
1997, S. 196).
Faßt man die Wirkung von Ecstasy im zentralen Nervensystem zusammen, läßt sich
folgendes festhalten:
Ecstasy-Konsum führt zu einer starken Erhöhung der Serotoninfreisetzung, was
Veränderungen im Verhalten, den vegetativen Funktionen und der kognitiven
Leistungsfähigkeiten bewirkt. Unter ungünstigen Bedingungen können diese
Wirkungen letal sein. Langfristige toxische Auswirkungen durch den Konsum
gelten als gesichert (Verminderung der Serotonin-Konzentration, Degeneration
serotonerger Fasern im Gehirn). Durch chronischen Gebrauch von Ecstasy kann es-
aufgrund des Serotoninmangels- zu Verhaltenveränderung in Form von Depressionen
und Angstzuständen kommen (s.u.).
"Qualitativ ist Ecstasy-Konsum mit einem großen Risiko verbunden, welches
sich aber aufgrund mangelnder längerfristiger Untersuchungsergebnisse
quantitativ nicht definitiv festmachen läßt.'
(Lohmann, Dr. H., eigene Aufzeichnung der Fachtagung Ecstasy, 1997).
Auswirkungen in
psychischer Hinsicht
In den letzten Jahren wurde in der wissenschaftlichen Literatur immer häufiger
über UserInnen geschrieben, die im Zusammenhang mit Ecstasy psychiatrisch
erkrankten. Auch gehen immer wieder Meldungen über solche Erkrankungen durch
die Tagespresse:
"Dr.Ulricke Ullrich, Leiterin des sozialpsychiatrischen Dienstes beim
Gesundheitsamt, registrierte allein in den ersten vier Wochen des neuen Jahres
vier Fälle mit psychiotischen Krankheitsbildern, die eine Behandlung im
Aplerbecker Landeskrankenhaus notwendig machten'
(vgl. Ruhr-Nachrichten v. 21.02.97).
Die direkten Kausalzusammenhänge sind allerdings selten bis nie eindeutig
gesichert, da in fast allen Fällen zusätzlich zu MDMA auch andere Drogen
konsumiert wurden. Auf jeden Fall muß zwischen akut auftretenden
psychiatrischen Komplikationen, die mit dem Nachlassen der Rauschwirkung wieder
weggehen, und anhaltenden psychiatrischen Folgeerkrankungen unterschieden
werden. Die am häufigsten erwähnten anhaltenden Folgeerkrankungen sind
atypische und paranoide Psychosen. Zu den atypischen Psychosen gehören
Störungen wie Affektverflachung und Kontakt - bzw. Denkstörungen, zu den
paranoiden zählt man Verfolgungs - und Beziehungswahn. Diese Psychosen können
entweder spontan ausheilen oder sie chronifizieren. Des weiteren wurden
depressive Symptome, Panikstörungen, Depersonalisationssyndrome und
unterschiedliche Verhaltensauffälligkeiten wie unangemessener Leichtsinn oder
Selbstüberschätzung beobachtet.
Ein wesentlicher Faktor bei diesen Erkrankungen ist nach heutigem Kenntnisstand
die jemals konsumierte Menge an Reinsubstanz, welche man als kumulative
MDMA-Gesamtdosis bezeichnet. Außerdem weisen fast alle psychiatrisch erkrankten
Personen zyklische Gebrauchsmuster auf, d.h. der Gebrauch von Ecstasy fand
schon über einen längeren Zeitraum mit festen Intervallen, meist von Wochenende
zu Wochenende, statt.
"Fast ausnahmslos hatten sie [ Personen, bei denen psychiatrische
Komplikationen auftraten, d. Verf.] eine kumulative Gesamtdosis von 40-50
Tabletten () eingenommen. Berichte über Patienten, bei denen sich bereits
nach erstmaliger Einnahme von MDMA psychiatrische Komplikationen herstellten,
sind die Ausnahme.'
(Thomasius, R. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.52).
Eine psychiatrische Erkrankung wird außerdem noch von anderen Faktoren
begünstigt. Zu nennen sind hier eine fortwährende Tendenz zur Überdosierung
sowie eine schon vorher bestehende Vulnerabilität (Anfälligkeit) für psychische
Störungen. Für die Theorie der Vulnerabilität spricht, daß sowohl in der
Biographie als auch bei engen Familienangehörigen Hinweise auf psychiatrische
Erkrankungen vorkamen (vgl. Thomasius, R. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.52).
Allerdings ist die Vulnerabilität keine notwendige Bedingung für eventuelle
Komplikationen; es liegen Berichte über UserInnen vor, bei denen sich
Komplikationen auch ohne dazu bestehende Neigung entwickelt haben.
Eine weitere offene Frage ist die nach der Bedeutung und Auswirkung von
gleichzeitigem Beigebrauch anderer Rauschmittel. Während z.B. manche
Wissenschaftler davon ausgehen, daß der Cannabiskonsum die Gefahr einer
psychotischen Folgewirkung birgt, fanden die Autoren des Buches "XTC und
XXL' in ihrer "Gesamtsicht keine Anhaltspunkte für diese Hypothese
(vgl.Thomasius, R. in Rabes, M / Harm, W., 1997, S.52).
Wenn sich bei Personen, die Ecstasy über einen längeren Zeitraum und in nicht
geringen Mengen konsumieren, psychiatrische Komplikationen zeigen, dann
passiert dies infolge eines komplexen dynamischen Prozesses. Hier wäre zu
einfach, ein normales Ursache-Wirkung-Konzept anzusetzen, und den
Ecstasy-Konsum losgelöst von dem sozialen Umfeld der jeweiligen Person zu
sehen. Die Gruppe der Ecstasy-Benutzer ist keineswegs homogen. Eine psychische Komplikation
sollte also nicht nur in Hinblick auf einen eventuellen E-Mißbrauch untersucht,
sondern auch unter Berücksichtigung des sozialen Kontextes gesehen werden (vgl.
Thomasius, R. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.52).
2.1.5 Suchtpotential von MDMA
Der Begriff der Sucht
ist ein weites Feld. Fast jeder Mensch hat eine unterschiedliche Auffassung
davon, und so verschieden sind auch die Definitionen dazu. Eine Definition soll
hier im Vorfeld dieses Kapitels vorangestellt werden. Der DSM-3-R (Diagnostisches
und Statistisches Manual Psychischer Störungen) verwendet anstatt des Begiffes
'Sucht' "Abhängigkeit'. Eine Substanzabhängigkeit wird hier wie
folgt beschrieben:
" () ein Komplex kognitiver, verhaltensspezifischer und körperlicher
Symptome, die eine herabgesetzte Kontrolle über den Gebrauch psychotroper
Substanzen (Mittel, die das zentrale Nervensystem beeinflußen) anzeigen und auf
einen fortgesetzten Mißbrauch der Substanz trotz negativer Auswirkungen
hinweisen' (ebd., 1991, S.212).
Normalerweise werden
die Begriffe "Sucht' und "Abhängigkeit' für ein und denselben Zustand
gebraucht. Allerdings muß beachtet werden, daß sie nicht ein und dasselbe sind.
Während eine Abhängigkeit von bestimmten Sachen, Dingen oder Personen
(Motorrad, Musik, Fernsehserien, Lebenspartner) durchaus normal ist, verhält es
sich mit der Sucht anders. Nach Scheerer ist Sucht "per definitionem am
Extrem angesiedelt. Wenn eine Abhängigkeit schwächer wird, bleibt sie immer
noch Abhängigkeit. Doch wenn eine Sucht schwächer wird, verliert sie ihren
Charakter als Sucht und verschwindet im Meer der Abhängigkeiten (ebenda, 1995,
S.31).
Innerhalb der Abhängigkeit muß zwischen der körperlichen und der seelischen
unterschieden werden. Körperliche Abhängigkeit zeichnet sich durch
Entzugserscheinungen mit physischen und psychischen Symptomen nach Absetzen der
Droge aus. Der Körper reagiert auf das Ausbleiben der speziellen Substanz mit
Zittern, Übelkeit oder Schweißausbrüchen, daher kann körperliche Abhängigkeit
auch medizinisch festgestellt werden (EEG, EKG). Des weiteren entwickelt sich
eine pharmakologische Toleranz, die einen ständigen Zwang zur Dosissteigerung
zur Folge hat.
Psychische Abhängigkeit hingegen zeichnet sich durch sehr, sehr starkes,
manchmal unwiderstehliches Verlangen nach ständiger oder periodischer Einnahme
der speziellen Substanz aus. Das Verlangen ist darauf gerichtet, sich ein mit
der Droge verbundenes Lustgefühl zu verschaffen, oder ein ohne die Droge
auftretendes Mißgefühl zu vertreiben.
Laut der MDMA-Forscherin C. Weigle lassen sich in der medizinischen Literatur
keine Hinweise darauf finden, daß der Konsum von Ecstasy eine physische
Abhängigkeit zur Folge hat. Dies wird dadurch begründet, daß sich weder eine
Dosiserhöhung noch Entzugserscheinungen feststellen lassen. Bei chronischem
Gebrauch von MDMA ohne ausreichende Pausen dazwischen nehmen die positiven,
erwünschten Wirkungen der Droge ab, während die negativen, unerwünschten
zunehmen. Obwohl es zu keinen Entzugserscheinungen kommt, kann bei übermäßigem
Konsum eine Toleranz gegenüber MDMA auftreten Toleranzentwicklung heißt, daß
sich der Körper an eine Substanz gewöhnt und zur Erzielung der gleichen Wirkung
eine höhere Dosis benötigt wird. Der niederländische Ecstasy-Forscher A. De
Loor geht daher davon aus, daß bei kontrollierten Benutzern gegen diese
Toleranzentwicklung und die damit einhergehende Dosiserhöhung eine "eingebaute
Sperre' im Gebrauch von Ecstasy vorhanden sei. Wenn ein Gebraucher
aufgrund zu hoher Frequenz der Einnahme oder zu hoher Dosierung keine
angenehmen Erfahrungen mehr macht und stattdessen die negativen Nebenwirkungen
wie das "sich ausgezehrt-Fühlen' in den Vordergrund treten, stellen sie
seiner Meinung nach den Konsum für eine gewise Zeit ein.
"In der Regel, d.h. bei Leuten, welche die volle MDMA-Wirkung haben
wollen, wirkt die eingebaute Sperre. Durch den Aufbau einer pharmakologischen
Toleranz dauert es Tage, bis die spezifische Wirkung von MDMA wieder auftritt,
und man muß einige Wochen warten, bis die erstmalige optimale Wirkung wieder
erreichbar ist.'
(Schroers, A., 1996, S.36).
Für User, die die empfohlenen Regenerationsphasen nicht einhalten und lediglich
den energetisierenden Effekt von Ecstasy nutzen wollen, nimmt dieser
Regulations- und Schutzmechanismus keine Bedeutung ein. Diese User könnten
statt MDMA genausogut Speed konsumieren, da bei einer hochfrequenten Einnahme
die empathischen Effekte verschwinden. Wenn Konsumenten allerdings dazu
übergehen, die früher als gut erlebten Wirkungen, die aufgrund einer Toleranzentwicklung
nicht mehr in der gewünschten Form auftreten, durch Dosissteigerung oder
Beikonsum von anderen Drogen wieder zu bekommen, kann dies durchaus ein Hinweis
auf eine bestehende psychische Abhängigkeit von Ecstasy oder den anderen Drogen
sein.
Eine eventuelle psychische Abhängigkeit ist meiner Meinung nach ein
schwerwiegenderes als die physische. Körperliche Entzugserscheinungen sind in
den meisten Fällen nach ca.zwei Wochen überwunden (z.B. Heroin), während eine
psychische Abhängigkeit von ihrer Anlage her komplexer ist. Gerade bei einer
Droge wie Ecstasy, die einen Menschen frei und unbefangen mit seinen Gefühlen
umgehen läßt, einen anspornt und immer wieder zu geistigen oder emotionalen
"Höhenflügen' verhelfen kann, ist es für den langfristigen Gebraucher
schwierig, seinen Drogenkonsum objektiv zu betrachten und zu bewerten. Doch
gerade dies ist für ihn wichtig, da er nur so erkennen und realisieren kann,
welche Bedürfnisse er durch seinen Konsum befriedigt, und wie er es schaffen
kann, diese auch ohne die Einnahme von Ecstasy zu befriedigen.
"Dabei besteht das Problem, daß es zunächst einfacher erscheint, Gefühle
z.B. mit einer Pille hervorzubringen oder zu beseitigen als sich damit
auseinanderzusetzen.'
(Wirth, N., 1996, S.22).
Ich denke, daß man bei der Beantwortung der Frage des Suchtpotentials von
Ecstasy wichtige Faktoren beachten muß. Zum einen die Frage, von welcher
Konsumentengruppe die Droge gebraucht wird und zum anderen zu welchem Zweck sie
eingesetzt wird. Von vielen Leuten wird Ecstasy benutzt, um im Freundeskreis zu
Hause oder in der Natur ein bereits vorhandenes Gefühl des Vertrauens oder von
Nähe untereinander noch zu verstärken, tiefgehende Gespräche zu führen, oder
ein schönes und nicht alltägliches Erlebnis zu teilen. Bei dieser Art des
Gebrauchs wird die Droge als Katalysator verwendet. Zu dieser Form des
kontrollierten Gebrauchs sind auch Leute zu zählen, die MDMA verwenden, um
einen tiefergehenden Einblick in ihre Emotionen zu bekommen. Hier ist das
Mißbrauchspotential eher gering, wie es auch die Studie von Beck aus dem
Jahr 1990 belegt, in der eine soziologische Untersuchung über MDMA-Konsumenten
zusammengefaßt wird:
'Deshalb kommt auch diese Studie zu dem Ergebnis, daß MDMA ein relativ
geringes Mißbrauchspotential besitzt. Unter der derzeitigen MDMA-Population ist
es sehr selten, daß jemand auf Dauer einen problematischen und mißbräuchlichen
Gebrauch von MDMA beibehält.' (Weigle, C., 1992, S.25).
Demgegenüber stellen Raver eine spezielle Gruppe unter den Ecstasy-Konsumenten
dar, da der Gebrauch von Ecstasy hier in das gesamte Erlebnis einer
Techno-Party, mit allem, was dazu gehört (laute Musik, Lichter, Menschen)
eingebettet ist. Das Tanzen und die Wirkung der Droge werden zusammen als eine
Einheit empfunden, so daß es schwierig bis unmöglich erscheint, diese Dinge
getrennt voneinander zu betrachten. Für viele Raver ist der Besuch einer Party
mit dem gleichzeitigen Konsum und Genuß von Ecstasy so sehr zur Gewohnheit
geworden, daß sie die sich zwangsläufig einstellenden Nebenwirkungen wie
Niedergeschlagenheit und Schlappheit zu Wochenbeginn billigend in Kauf nehmen.
Bei dieser Form des Gebrauchs ist auch die Wahrscheinlichkeit des Ausweichens
oder Beigebrauchs anderer Drogen sehr hoch. In diesem Verhalten kann man eine
starke Tendenz zur psychischen Abhängigkeit erkennen, obwohl es aber keine
reine Ecstasy-Abhängigkeit ist, sondern vielmehr eine "Party-und
Erlebnisabhängigkeit' in starkem Zusammenhang mit Ecstasy.
"Wenn du Ecstasy an einer Party nimmst, ist es untrennbar verbunden mit dem
Groove, der Stimmung und der Musik, sagt Valerie. Süchtig mache nicht Ecstasy,
sondern der Rhythmus: Du willst die Party am Samstag haben, du willst die
Droge, die Musik das Licht, die Leute, die Stimmung - alles zusammen macht
süchtig.'
(Saunders, N., 1994, S.272)
Reiner Domes von Eve & Rave geht davon aus, daß es in der Techno-Szene um
Party- und Erlebnissucht geht, wobei dahinter allerdings das Gefühl stehe, ohne
die Drogen nicht mehr "richtig' feiern zu können oder aber adäquaten Spaß
zu haben. Außerdem wird von vielen Ecstasy konsumierenden Partygängern
berichtet, daß die Diskrepanz zwischen euphorischem und exzessivem Partyleben
und trister Alltagswelt nur schwerlich auszuhalten sei (vgl. Schroers, A.,
1996, S.36).
2.2 Ecstasy und damit in Verbindung gebrachte Todesfälle
Immer wieder geistern
Berichte von an den Folgen des Ecstasy-Konsums verstorbenen Personen durch die
Tagespresse. Die meisten dieser in der Regel überzogenen Darstellungen
überzeugen weniger durch fachliche Kompetenz als vielmehr durch ihre Panikmache
. So wird eine notwendige sachliche Diskussion unnötig erschwert. In diesem
Kapitel soll ausgehend von einigen Beispielen dieser "Pressearbeit' der
Frage nachgegangen werden, welchen Einfluß Ecstasy auf die Verstorbenen hatte.
"Sie sehen ganz harmlos aus, aber schon eine Ecstasy-Pille kann tödlich
sein.' (Zeitschrift TV-NEU, 16.04.1996, S.6)
"Ecstasy - Russisches Roulette, Selbstmorde, Unfalltote, Vergiftungen- die
schicke Partydroge hat tragische Folgen.' (Zeitschrift FOCUS, 42/1995)
"Ecstasy - So gefährlich ist die Wochenend-DrogeJa, E ist ein Killer.'
( BILD-Zeitung, 18.01.1997)
"Ecstasy - Berlins erster Toter.' ( BILD-Zeitung, 26.05.1995 )
In der wissenschaftlichen Literatur der Jahre 1989-1995 sind mindestens 53
Fälle über ernsthafte medizinische Komplikationen infolge eines MDMA-Gebrauchs
veröffentlicht worden, in mindestens 14 Fällen mit tödlichem Ausgang (vgl.
Thomasius, R., in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.54). Die am häufigsten
vorkommende Komplikation ist eine Störung der Körpertemperaturregelung. Dies
wird neben dem Einfluß von MDMA auf den Körperstoffwechsel mit den langen
Aufenthalten der Konsumenten in überhitzten und schlecht belüfteten Clubs, dem
erhöhten Flüssigkeitsverlust sowie unzureichender Flüpssigkeitszufuhr in
Verbindung gebracht. Sehr oft wird die Temperaturerhöhung von einer
Blutgerinnungsstörung begleitet, die sich in Magenblutungen äußert. Das
gleichzeitige Auftreten dieser beiden Komplikationen wird in mindestens zehn
Fällen beschrieben, wovon vier Fälle tödlich verliefen. Allerdings ist das
Krankheitsbild relativ unabhängig von der eingenommenen Dosis, der
nachgewiesene MDMA-Spiegel variierte bei den Patienten recht stark (vgl.
Thomasius, R., in Rabes, M. / Harm, W. 1997, S.54).
Auch Kreislaufdysregulationen
werden häufig im Zusammenhang mit Ecstasy erwähnt, obwohl es sich in den
meisten Fällen um keine lebensbedrohlichen Kreislaufzusammenbrüche handelt. In
drei Fallbeschreibungen ist über einen Herztod nach Ecstasy-Konsum berichtet worden.
Natürlich ist es heute sehr schwierig zu sagen, zu welchen Anteilen die
konsumierte(n) Droge(n) Anteil daran hatte(n).
Nach Schroers wurde bei einer der Personen eine bereits vorher bestandene
Verletzung der Koronar-Arterie festgestellt.
'Die Einnahme der Pille brachte bei dieser Vorerkrankung sozusagen das Faß
zum Überlaufen.'
(Schroers, A., 1996, S.23)
In zwei weiteren Fällen hatten die Personen zusätzlich zum Ecstasy-Konsum
extrem viel Alkohol getrunken. Herzprobleme im Zusammenhang mit Ecstasy treten
vor allem bei bereits vorhandenen Schädigungen dieses Organs auf. In solchen
Fällen ist von einem Ecstasy-Konsum unbedingt abzuraten.
Der Tod einer Person, die sowohl MDEA als auch MDMA konsumiert hatte, und
daraufhin an akutem Asthma verstarb, ist laut Fromberg darauf zurückzuführen,
daß diese Asthmaerkrankung nicht gut genug behandelt wurde. Begünstigt werden
können solche Komplikationen durch die Tatsache, daß MDEA in hoher Dosis die
Bronchialmuskulatur erschlaffen läßt. So vermuten Dowling und andere
Autoren, die über diesen Fall geschrieben haben, "daß eine Herzarythmie durch
Atemdepression den Asthmaanfall verstärkt hat und somit zum Tode führte.'
(A. Schroers, 1996, S.23).
Es werden auch Unfälle im Straßenverkehr mit Ecstasy in Verbindung gebracht:
"An den langen Wochenenden fahren die Fans im Techno-Fieber von einer
Kult-Disco zur nächsten () Fehleinschätzung der eigenen mentalen oder
körperlichen Leistungsfähigkeit und vermindertes Kritikvermögen provozieren
einen Fahrstil mit Fahrfehlern beim Führen eines Kraftfahrzeuges.'
(vgl. DIE WELT, 22.08.1996).
Ob bei diesen Unfällen Alkohol eine Rolle spielte, wird leider seltenst
erwähnt. Ein in diesem Zusammenhang ungünstiger Einflußfaktor ist die Tatsache,
daß die Raver in den frühen Morgenstunden, in denen die meisten dieser Unfälle
passierten, oftmals schlichtweg übermüdet sind, was sich natürlich negativ auf
die Fahrtüchtigkeit auswirkt. Einer aktiven Teilnahme am Straßenverkehr ist
nach Ecstasy-Konsum natürlich absolut abzuraten, aber die passierten Unfälle
sollten doch näher beleuchtet werden.
Die Meldung von "Berlins erstem Ecstasy-Toten', die einen Monat lang für
große Aufregung gesorgt und einen Medienrummel ausgelöst hatte, wird in einem
Bericht der Tageszeitung vom 24./25.06.1995 relativiert. Der verstorbene
Andreas S. war bis ein Jahr vor seinem Tod Leistungssportler und hörte dann
sehr abrupt mit dem Schwimmen auf, ohne seinen Körper langsam abzutrainieren,
wie es in so einem Fall notwendig gewesen wäre. Daraus resultierten eine
Herzschwäche sowie Kreislaufprobleme, mit denen der Tote auch schon vor dem
Ecstasy-Konsum Probleme hatte. "Andreas klagte häufiger über
Kreislaufprobleme und Schwindelanfälle'(TAZ, 24./ 25.06.1995).
Durch solche schlecht recherchierten Pressenachrichten lassen sich auch immer
wieder Politiker zu unreflektierten Aussagen hinreißen, die eine neutrale
Diskussion der Thematik unnötig erschweren:
"Die Senats-Drogenbeauftragte Elfriede Koller hielt es damals sogar für
erwiesen, daß Ecstasy so gefährlich sei wie Heroin oder Kokain. Von Hardlinern
der Drogenpolitik wurde gefordert, das "Legalisierungsgefasel über sogenannte
weiche Drogen' nun endlich zu beenden.'
( TAZ, 24. / 25.06.1995).
Zusammenfassend läßt sich zur Thematik von Krankheits-und Todesfällen mit
Ecstasy sagen, daß die jeweils individuellen Begleitumstände genau
durchleuchtet werden sollten, damit keine voreiligen und falschen
Schlußfolgerungen gezogen werden. Mit der Einnahme von Ecstasy sind gewiß auch
körperliche Risiken verbunden, doch gibt es wenig aufgezeichnete Fälle von
Erkrankungen durch die Droge, die ganz allein auf sie zurüchzuführen sind. Die
eingenommene MDMA-Dosis scheint eine geringere Bedeutung zu haben als die
individuelle Vulnerabilität (vorbestehende körperliche Grunderkrankungen,
bereits bestehende Anfälligkeit für psychiatrische Komplikationen,
Allgemeinverfassung und Ernährungszustand, eventueller Mischkonsum usw). Ein
weiteres Problem ist, daß sich der bisherige Kenntnistand auf Kasuistiken
bezieht. Es ist nicht möglich, diese Ergebnisse auf alle MDMA-Gebraucher zu
übertragen. Es besteht bisher noch ein großes Defizit an großangelegten Studien
über Suchtverläufe und gesundheitsschädigende Verhaltens-und
Persönlichkeitsmerkmale. Hier wird die Forschung in den nächsten Jahren einen
wichtigen Beitrag zu leisten haben. Deutlich wird allerdings die Bedeutung und
Notwendigkeit der sog. "Safer-use'-Regeln, auf die jeder
verantwortungsbewußte User Wert legen sollte.
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3. Gängige Party - und Designerdrogen
Zwar ist dies eine Ausarbeitung zum Thema Ecstasy, doch der Mischkonsum mit anderen Drogen oder Substanzen, auf den an späterer Stelle noch eingegangen wird, nimmt immer mehr zu. Deshalb erscheint es mir sinnvoll und notwendig, einen kurzen Überblick über die am meisten konsumierten anderen Drogen und die Auswirkungen des gleichzeitigen Konsums von Ecstasy zu geben.
Amphetamine / Speed
In ihren pharmakologischen Wirkungen gleichen Amphetamine dem körpereigenen
Stoff Noradrenalin. Estmals synthetisiert wurde Amphetamin 1887 von dem
Chemiker Edelano und in verschiedenen Inhalationspräparaten zur
Schnupfenbehandlung benutzt. Amphetamine stoßen derzeit auf eine
außerordentliche gesellschaftliche Akzeptanz, werden dementsprechend häufig
konsumiert und sind in Europa die wichtigsten Grundstoffe für die Produktion
von Designerdrogen.
Zumeist werden sie als Tabletten, Kapseln und vor allem in Form von weißem
Pulver verkauft (vgl. Wilkens, W., 1995, S.42).
Amphetamine und Metamphetamine (1934 erstmalig deriviert, im Wirkungspotential
stärker als Amphetamine) wirken sich leistungssteigernd aus und fördern
Wohlbefinden, Zufriedenheit und Gelassenheit. Sie steigern das Selbstvertrauen,
die Motivation sowie die Leistungsfähigkeit. Das Hungergefühl fällt fast
gänzlich weg und das Schlafbedürfnis wird vehement reduziert.
Unangenehme Nebenwirkungen sind bei höherer Dosierung Unruhe, Nervosität,
Gereiztheit sowie auf körperlicher Ebene hoher Blutdruck und eine stark erhöhte
Herzfrequenz. Die Wirkung hält bis zu 15 Stunden und länger an und wird von
Müdigkeit, Erschöpfung und "Katerstimmung' abgelöst.
Speed gehört zur Gruppe der Amphetaminderivate, genauer zur Untergruppe der
Phenylethylamine, deren Stammsubstanz der vom Meskalin bekannte Wirkstoff
Trimetholxyphenyl ist. Es läßt sich verhältnismäßig einfach herstellen.
"Aus legal
käuflichen Chemikalien für ca.450,- DM läßt sich in einem entsprechenden Labor
innerhalb von zehn Stunden ein kg Metamphetamin mit einem Wert von ca.150000,-
DM produzieren.'
(Wilkens, W., 1995, S.45).
Die Zusammensetzung von Speed sieht in der Regel folgendermaßen aus:
25% Metamphetamin
15% Amphetamin
15% Ephedrin
15% Koffein
30% Verschnittstoffe (Milch - und Waschpulver)
Von seiner Wirkung her ist Speed dem Kokain ähnlich, deshalb wird es oft dann
konsumiert, wenn kein Kokain verfügbar ist. Außerdem ist Speed bei längerer
Wirkungsdauer wesentlich billiger ( Ein Gramm kostet zwischen 20,- und 40,-DM)
und leichter zu besorgen. Dies hat zur Folge, daß es sehr weit verbreitet ist
und in der Techno-Szene neben Ecstasy die größte Akzeptanz erfährt. Der
Dauerkonsum führt zum körperlichen Zerfall, Immunschwäche,
Infektionsanfälligkeit und einem allgemeinen Gefühl des "Ausgebrannt-Seins',
sowohl physisch als auch psychisch.
Im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Unfähigkeit zum Schlafen nach
Speed-Konsum kommt es häugig zu einer Polytoxikomanie, da von den UserInnen
dann häufig Beruhigungs-und Betäubungsmittel eingenommen werden, um
schließlich doch schlafen zu können.
LSD
Lysergsäure-Diäthylamid (LSD) wurde 1938 vom Chemiker Albert Hoffmann entdeckt.
Die starke halluzinogene Wirkung entdeckte er aber erst 1943, als er LSD in
einem Selbstversuch testete. Allerdings wußte er zu diesem Zeitpunkt noch
nichts vom enormen Wirkungspotential dieser Droge, so daß er die ca. 20-fache
Menge der normalerweise für einen Rausch benötigten Menge konsumierte und ein
sehr schweres und intensives Rauscherlebnis hatte. Für einen Rausch benötigt
man lediglich 100 Mikrogramm, das sind nur 0,1 Milligramm, so daß ein Gramm LSD
ausreichen würde, um "jeden Menschen einer kleinen Stadt mit 100.000
Einwohnern auf eine "LSD-Reise' zu schicken.' (vgl. Schmidbauer /
Scheidt, 1987 , S.217).
LSD gehört zur Gruppe
der Indol-Tryptamin-Derivate, und es besteht eine strukturelle Ahnlichkeit mit
dem weiter oben beschriebenen Serotonin. Heutzutage ist es meistens in Form von
Pappen und Löschpapier, auf die die Lösung geträufelt wurde, oder als kleine
Gelatineecken, den sog. 'Micros' erhältlich.
Akute Wirkungen des LSD-Trips sind erweiterte Pupillen, ansteigender Blutdruck
sowie nicht vorhandenes Schlafbedürfnis. Als unangenehme Nebenwirkungen können
Schwindelgefühle, Übelkeit oder Brechreiz auftreten. Das eigentliche
Rauscherlebnis ist stark von der Dosierung und vor allem von der körperlichen
und psychischen Verfassung des Konsumenten abhängig. Schlechte Laune,
Niedergeschlagenheit oder gar Depressionen sind gerade bei LSD die denkbar
schlechtesten Konsumvoraussetzungen, da hier die Gefahr eines
"Horror-Trips' rapide ansteigt.
"Diese Horror-Trips gehen meist mit Panik, Todesängsten und Wahnvorstellungen
einher. Auch Überdosierungen können zu "Horror-Trips' und psychotischen
Episoden führen, wenn der Konsument dafür anfällig ist.'
(Wilkens, W., 1995, S.37).
Wenn Set und Setting gut sind, beginnt sich die erwünschte Wirkung nach einer
halben bis dreiviertel Stunde einzustellen. Die Farbwahrnehmung, die
Perspektiven und das Körpergefühl beginnen sich zu verändern. Akustische und
visuelle Sinneseindrücke werden stark intensiviert wahrgenommen, immer wieder
wird von Konsumenten berichtet, daß sie unter dem Einfluß von LSD den Eindruck
hatten, die Musik fühlen zu können. Teilweise kommt es auch zu Visionen oder Halluzinationen,
In denen etwas ganz anders wahrgenommen wird, als es tatsächlich gesehen wird.
Formen und Konturen lösen sich auf, beginnen ineinander überzugehen und zu
zerfließen. Bei einem guten Rausch kann dies sehr anregend und unterhaltsam
sein, bei einem schlechten wirkt es eher beunruhigend, und der Konsument
wünscht sich, möglichst schnell wieder "normal' zu sein (vgl. Schmidbauer
/ Scheid, 1987, S.218).
"LSD ist zur Zeit zusammen mit Ecstasy und Speed der große Renner unter den
Partydrogen'.
( Wilkens, W., 1995, S.37).
Dies ist meiner Meinung nach insofern bedenklich, da es gerade beim
LSD-Konsum bestimmte Regeln zu beachten gibt, die äußerst wichtig sind, aber
gerade von unerfahrenen oder jungen Party-Besuchern oftmals vernachlässigt
werden. So sind "set' und "setting' zwei ganz auschlaggebende
Faktoren für die zu erwartende Wirkung jeder Droge im allgemeinen und ganz
besonders bei LSD. Die Wichtigkeit dieser Faktoren wird oft unterschätzt, so
daß es immer wieder zu Situationen kommt, wie sie u.a.von Lennart Grube,
Mitarbeiter der DROBS in Hannover beschrieben werden:
"Da kommt ein 15 - jähriger (!) zu uns in den Bus [Die DROBS Hannover fährt mit
einem umgebauten Bus zu Parties und bietet Gespräche und Tips zum Safer-Use an,
Anm. d. Verf.] und sagt, er hätte seinen ersten Trip genommen, ihm ginge es
sauschlecht und wann das denn endlich mal wieder aufhören würde.'
(Eigenes Protokoll der Fachtagung "Ecstasy', 17.02.1997).
LSD ist eigentlich keine Partydroge, wie es auch das Safer-Use Info von Eve
& Rave schreibt. Gerade aufgrund der möglicherweise auftretenden
psychischen Nebenwirkungen sollte diese Droge (wenn überhaupt) in einer
ruhigen, angenehmen Umgebung (Natur, zu Hause) genommen werden. Außerdem ist es
sehr ratsam, daß beim Konsum eine Person zugegen ist, die sich mit Drogen
auskennt, aber selber nüchtern bleibt, um in eventuellen Notfällen den
Überblick behalten zu können oder einen beruhigenden Einfluß auf den
Konsumenten auszuüben.
"LSD ist ein mega-heftiges Halluzinogen. Wenn man es schon nimmt, sollte man
erstens ein gewisses Alter und somit ein bißchen Lebenserfahrung haben (),
und drittens ist es ratsam, Halluzinogene das erste Mal in einer Umgebung zu
nehmen, die einem vertraut ist und einen nicht mit Abermillionen Impulsen und Signalen
bombardiert. Ich denke da z.B. an eine Wiese o.ä.. Natürlich darf man so etwas
auch nicht alleine machen bzw. Dabei allein gelassen werden.'
(Märtens, P. in Rabes M./ Harm, W., 1997, S.185).
MDA
MDA wurde bereits 1910 von den beiden Deutschen G. Mannisch und W. Jacobson zum
ersten mal synthetisiert, also zwei Jahre früher als MDMA. Eigentlich sollte es
als Mittel gegen Husten und Grauen Star eingesetzt werden, kam aber nicht auf
den legalen Arzneimittelmarkt. Um einen Effekt auf die menschliche Psyche zu
erzielen, wird eine Wirkstoffmenge von 80 mg benötigt Charakteristisch für MDA
ist die im Gegensatz zu MDMA stärkere halluzinogene Wirkung, weshalb sie von
einigen Konsumenten bevorzugt wird. Von anderen Konsumenten hingegen wird die
Wirkung als "weniger warm' und "amphetaminähnlicher' beschrieben
(vgl. Wilkens, W., 1995, S.55).
"Antriebssteigerung,
Umtriebigkeit und innere Unruhe sollen bei MDA vergleichsweise mehr im
Vordergrund stehen.'
(Nowoczyn, K., 1997, S.26).
In Tierversuchen hat sich herausgestellt, daß MDA neurotoxischer ist als MDMA.
Des weiteren besteht keine Kreuztoleranz zwischen diesen beiden Drogen, "daß
heißt, wenn man gegen eine der beiden Substanzen durch zu häufigen Gebrauch
eine Toleranz entwickelt hat, spürt man trotzdem noch die Wirkung der
anderen.'
(Wirth, N., 1996, S.27)
MDE (MDEA)
Auch MDEA ist eine dem MDMA in der chemischen Struktur verwandte Droge. Nachdem
MDMA verboten worden war, erschien sie zum ersten Mal auf dem Markt, was sie
als eine echte Designerdroge ausweist. MDE und MDEA wurden in Deutschland im
Januar 1991, in den Niederlanden erst 2 ½ Jahre später in das BtMG
aufgenommen.
Die Wirkungsdauer von MDEA ist etwas kürzer als die des MDMA, sie beträgt etwa
2 bis 3 Stunden bei einer benötigten Wirkstoffmenge von 100 bis 150 mg.
Physische und psychische Effekte ähneln denen von Ecstasy, "jedoch sollen MDEA
teilweise die "kommunikativen', emotional "öffnenden' Wirkungen
fehlen und die beruhigenden Anteile der Drogenwirkung stärker ausgeprägt
sein.'
(Nowoczyn, K., 1997, S.27).
Auch zwischen MDEA und MDMA besteht keine Kreuztoleranz. Die bei Tierversuchen
nachgewiesenen Gehirnschädigungen konnten bei MDEA bisher nicht gefunden
werden, "obwohl die beispielsweise in einer Studie verabreichte Dosis einer
Drogeneinnahme von einmalig 3,2 kg bei einem durchschnittlichen Erwachsenen
entsprochen hätte.' (Nowoczyn, K., 1997, S.28)
3.1 Auswirkungen von Mischkonsum
Ohne Zweifel ist
Ecstasy die beliebteste Droge der Konsumenten auf Techno-Parties, weil es zum
einen das Harmoniegefühl der Leute untereinander stärkt und zum anderen die zum
langen Tanzen notwendige Leistungsfähigkeit gibt. Die gemessen an der Zahl der
Gebraucher und konsumierten Pillen vergleichsweise wenigen schweren Zwischenfälle
mit Ecstasy bestätigen sowohl die relativ geringe Toxität der Stoffe als auch
den recht verantwortungsvollen Umgang der Konsumenten mit der Droge. Allerdings
zeichnet sich eine zunehmende Tendenz zu einem ansteigenden Mischkonsum immer
deutlicher ab, sei es um der Toleranzentwicklung gegenüber MDMA
entgegenzuwirken oder sich auf der Suche nach neuen, heftigeren "Kicks'
weiterer Substanzen und Stoffen zu bedienen (vgl. Wardle, 1995, S.84). War zum
Beispiel Alkohol eine lange Zeit unter den Partybesuchern verpönt, wird die
Techno-Szene in letzter Zeit mit alkoholhaltigen Getränken im wahrsten Sinne
des Wortes überschwemmt. Bei Drogenkombinationen kann es zur Addierung oder
sogar Potenzierung der verschiedenen Einzelwirkungen kommen, was den Körper
zusätzlich belastet.
"Mischkonsum ist grundsätzlich sehr kritisch zu betrachten, da sich die Risiken
und gegenseitigen Reaktionsweisen nicht abschätzen lassen, wenn verschiedene,
oft verunreinigte Drogen im Körper miteinander kämpfen.'
(Wirth, N., 1996, S.28).
Drogenkombinationen bergen ein nicht absehbares Gefahrenpotential, welches
gleichzeitig die Ursache der meisten Todesfälle im Zusammenhang mit
Techno-Parties war. In diesem Kapitel soll auf die Gefahren der verschiedenen
Drogenkombinationen eingegangen werden.
Ecstasy und Speed
Neben dem Beigebrauch von Alkohol ist diese Kombination die wohl am häufigsten
vorkommende. Besonders Leute, denen die aufputschende Wirkung von Ecstasy nicht
ausreicht, nehmen gerne "ein paar Näschen' nebenher. Vor allem wenn sich
aufgrund einer Toleranzentwicklung die entaktogenen Wirkungen von Ecstasy nicht
mehr einstellen, wird schnell zu dem Amphetaminderivat gegriffen. Ein weiterer
Grund für den ansteigenden Speed-Konsum ist die Tatsache, daß hier der
aufputschende Effekt erhalten bleibt, wenn der Konsument entsprechend der
entwickelten Toleranz die Dosis erhöht. Es besteht also keine "eingebaute
Sperre' wie beim MDMA, die den Gebraucher durch das Nicht-mehr-Eintreten
der Wirkung vor zu häufigem Gebrauch schützt.
Die Kombination dieser beiden Substanzen ist deshalb so problematisch, weil
sich die Effekte im Körper potenzieren, wodurch der Organismus stark belastet.
Wird. Die Schwelle zur Überdosierung wird schnell erreicht, so daß die
körperlichen Begleiterscheinungen (Herzrasen, Kollaps) ebenso schnell auftreten
können. Die Meinungen über die psychische Wirkung dieser Kombination sind
geteilt:
"Einige
KonsumentInnen behaupten, mit Speed halte die Ecstasy-Erfahrung länger an,
andere berichten, daß die feine, einfühlsame Wirkung von Ecstasy hierdurch
verlorenginge.'
(Schroers, A., 1996, S. 29)
Ecstasy und Alkohol
Wie schon weiter oben gesagt, war der gleichzeitge Genuß von Alkohol zusammen
mit Ecstasy lange Zeit verpönt. Alkohol galt als "Spießer- und
Pennerdroge' und wurde kaum konsumiert. Diese Grundeinstellung hat sich in
letzter Zeit deutlich geändert, der Alkoholkonsum nimmt zu. U.a. haben auch
trickreiche Werbestrategien, die genau auf die finanzkräftigen 18-25-jährigen
Besucher von Techno-Parties gemünzt waren, zu diesem Umschwung geführt (vgl.
Rabes, M., 1995, S.18). Da der Alkoholindustrie deutlich wurde, daß bei diesen
finanzkräftigen, potentiellen Kunden (noch) kein Geschäft zu machen war, mußten
sie für Alkohol ein neues Image finden, das zu der leistungsorientierten
Zielgruppe paßte. Ergebnis solcher Überlegungen sind immer mehr alkoholische
Getränke, die angefangen beim Design (keine langweilige Bier-oder altbekannte
Schnapsflaschenform, sondern futuristisch oder medizinisch anmutende
Flaschendesigns) bis hin zu den Inhaltsstoffen (neben Alkohol z.B. Guarana oder
Vitaminkombinationen) schamlos auf die Techno-Generation zugeschnitten sind.
'Die Werbebotschaft lautet also: Ihr könnt Alkohol trinken und trotzdem
fit / wach bleiben.'
(Wirth, N., 1996, S.30)
Psychisch gesehen kann diese Kombination schnell zu Übermut und
Selbstüberschätzung führen. Auch werden Hemmungen schneller abgebaut, so daß
der Konsument Gefahr läuft, Vernunftsüberlegungen (ich hab`doch schon zwei
Pillen geschmissen, aber egal) in den Hintergrund zu stellen. Außerdem
belastet hoher Alkoholkonsum Leber und Nieren und trocknet den Körper aus.
Gerade dies ist ein problematischer Punkt, da schon alleiniger Ecstasy-Konsum
zu einem Dehydrierungseffekt führen kann. Dieser kann schnell durch
Alkoholkonsum beschleunigt, bzw.verstärkt werden.
Da MDMA auch die Temperaturregelung des Körpers beeinträchtigt, erhöht diese
Mischung ebenso die Gefahr einer Hyperthermie. Ebenso sind die Nachwirkungen
eines Ecstsy-Rausches größer, wenn Alkohol konsumiert wurde. Kater und
Müdigkeit werden am nächsten Tag als stärker empfunden.
Ecstasy und LSD
Nach Saunders sorgt MDMA, vor der Einnahme eines LSD-Trips, für eine positive
Einstimmung auf denselben. So könne man die Ecstasy-Erfahrung auf das Doppelte
der Zeit verlängern. Bei Heimkonsum hingegen wirke Ecstasy als Katalysator für
LSD, da die psychedelische Wirkung gesteigert werde. Ich halte diesen Ansatz
für etwas problematisch. Ausgehend von den Ausführungen über die Vorbedingungen
("Set') des Konsumenten und von der Tatsache, daß LSD als Party-Droge
nicht geeignet ist, sollte der Konsument, wenn er LSD auf einer Party nimmt,
nicht vorher für eine gute Grundstimmung sorgen müssen, sondern sie einfach
haben.
Da auch ein angenehmer LSD-Trip sowohl für die Psyche als auch für die Physis
sehr anstrengend ist, und der Konsument meistens mehrere Tage benötigt, um die
empfundenen Emotionen und Erfahrungen zu verarbeiten, sollten die beiden Drogen
nicht unbedingt zusammen genommen werden. Ist sich ein Gebraucher seiner
positiven Grundstimmung nicht sicher genug, sollte er lieber vom Konsum
absehen.
Ecstasy und
Cannabis
Cannabis (die Bezeichnung soll hier zusammenfassend für Marihuana und Haschisch
benutzt werden) ist eine mild psychoaktive Droge, deren Wirkung vom darin
enthaltenen THC (Tetra-Hydro-Cannabinol) verursacht wird. Das Wirkungsspektrum
geht weit auseinander und wird von Konsumenten teilweise sehr unterschiedlich
beschrieben. Dies liegt wohl hauptsächlich daran, daß eine tendenziell
einheitliche Wirkung die Verstärkung der vorher bereits empfundenen Stimmung
ist. Wenn ein Konsument niedergeschlagen oder traurig ist, so wird er sich nach
Genuß eines Joints nicht plötzlich seines Lebens freuen. Unter Party-Besuchern
ist der Konsum von Cannabis sehr weit verbreitet. Dies macht sich u.a. schon an
der "Dampfwolke' fest, die man eigentlich in jedem Chill-Out - Raum
beobachten kann:
"wegen der dämpfenden Wirkung des THC wird Cannabis oft in der
Chill-Out- Phase von Techno-Parties benutzt.'
(Schroers, A., 1996, S.28).
Der gleichzeitige Konsum von Ecstasy und Cannabis scheint aufgrund der relativ
milden Wirkungsweise des letzteren und der in den meisten Fällen positiven und
entspannten Grundstimmung der Konsumenten weniger problematisch zu sein, als es
an manchen Stellen behauptet wird (z.B.von Poelke, 1995, S.17). Nach Zurhold
kann Cannabis in Zusammenhang mit Ecstasy aufgekommene Spannungsgefühle
abmildern, allerdings kann auch genau das Gegenteil eintreten. Die Richtung der
Co-Wirkung ist sehr stark abhängig von anderen Einflußfaktoren (Qualität des
Cannabis, Erfahrung im Umgang damit usw.).
"Zwar haben sich tatsächlich einige Leute übers Kiffen beruhigen können aber
gegenteilige Aussagen sind uns auch bekannt.'
(Märtens, P. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.185)
Zusammenfassend kann man nichts Definitives über diese Mischung sagen.
Einige Konsumenten vertragen sie gut und mögen es, um die ausklingende Phase
der Ecstasy-Wirkung sanfter zu gestalten. Andere Konsumenten berichten von
Spannungs-und Unsicherheitsgefühlen.
3.2 Unbeabsichtigter Mischkonsum
Es treten immer
wieder Fälle auf, in denen Ecstasy-User Mischkonsum betreiben, ohne dies zu
beabsichtigen. Dies ist dann der Fall, wenn ein anderer Stoff als MDMA in
konsumierten Pillen enthalten ist. Gründe für ein Vorkommen anderer Stoffe sind
vielfältig. So ist MDEA bspw. leichter herzustellen als MDMA. Außerdem muß bei
der Herstellung dieser Stoffe generell sehr sauber und genau gearbeitet werden,
da ansonsten das Ergebnis stark vom gewünschten Stoff differieren kann. Sind
die Fälle, in denen MDEA statt MDMA konsumiert wird, noch vergleichsweise
harmlos, kann es bei unbeabsichtigten Konsum von z.B. Halluzinogenen zu
ernsthaften Zwischenfällen kommen. Das Problem bei der gnzen Sache ist, daß man
Ecstasy-Pillen einfach nicht ansehen kann, ob wirklich der mit "Ecstasy'
beschriebene Wirkstoff MDMA enthalten ist. Um dieses Problem wenigstens
ansatzweise zu lösen, führt die DROBS Hannover Pillentests durch, worauf aber
an späterer Stelle noch eingegangen wird. Herausgestellt hat sich allerdings,
daß nur in einem guten Drittel der analysierten Pillen reines MDMA enthalten
war. Von 100 identifizierten Pillen, die zwischen April und Mai 1996 getestet
wurden, enthielten 68% Entaktogene, 20% Amphetamine und 13% waren Placebos. Von
68% der identifizierten Entaktogene enthielten nur 24% reines MDMA. In !4% war
MDEA und in 4% MBDB, eine relativ neue Designerdroge, die ähnlich wirkt wie
Ecstasy. 58% der Pillen mit entaktogenen Substnzen waren ein Gemisch aus MDMA,
MDEA und MBDB.
Gefährlich wird es, wenn den Pillen Stoffe wie DOB beigemischt sind. DOB ist
ein äußerst potentes Halluzinogen, dessen Wirkungsdauer bis zu 30 Stunden
andauern kann. Bemerkt ein Konsument eine solche Wirkung, sollte er
schnellstmöglich nach Hause gehen und sich nicht scheuen, ärztliche Hilfe in
Anspruch zu nehmen. Glücklicherweise kommen solche Fälle vergleichsweise selten
vor.
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4. Zur Illegalisierung von Ecstasy / MDMA und das BtMG
Die heutige
Drogenverbotspolitik reicht in ihren Anfängen bis in den Anfang dieses
Jahrhunderts zurück. Schon zu dieser Zeit standen neben
gesundheitlichen-moralischen Aspekten politisch-ökonomische Interessen verschiedener
Staaten im Vordergrund der Verbots-und Kontrollpolitik von Opiaten. In den USA
wurde 1914 der sog. 'Harrison-Narcotics-Act' statuiert, mit dem zum
ersten Mal der Besitz von Drogen unter Strafe gestellt wurde, womit eine
Grundsteinlegung für die heutige Kriminalisierung von DrogengebraucherInnen
gelegt wurde. Neben diversen Verträgen, die die Drogengesetzgebung
verschärften, wurde 1961 in New York erstmals ein Vertrag beschlossen, der vier
Listen mit Stoffen einführte, welche "Substanzen mit einer ernsten Gefahr für
die Bevölkerung beinhalten und aufgrund ihrer Illegalität ! (die Stoffe waren
vor ihrem Verbot noch nicht illegal) gefährlich seien.'
(Schroers, A., 1996, S.38).
Nachdem sich in den USA eine u.a. durch Sensationsmeldungen und Horrorszenarien
seitens der Presse ausgelöste Paranoia gegenüber LSD entwickelt hatte, wurden
auf der UN-Konferenz über psychotrope Stoffe in Wien 1971 vier Listen mit
Stoffen unterschiedlicher Kontrollformen eingeführt. Liste l führt Stoffe,
denen keinerlei Heilwirkung, dafür aber ein großes Risikopotential zum
Mißbrauch zugeschrieben wurde. Liste ll führt Stoffe wie Amphetamin und
Stimulanzien, denen aufgrund ihres Abhängigkeitpotentials wenig therapeutische
Möglichkeiten gegeben wurden. Auf Liste lll kamen Schlafmittel (Barbiturate)
und auf Liste lV Beruhigungsmittel und Tranquilizer.
Nachdem verdeckte Agenten der Drug Enforcement Administration in den USA auf
die Gefährlichkeit von MDMA als Straßendroge aufmerksam gemacht hatten, fanden
im Februar und März 1985 verschiedene Anhörungen statt. Noch bevor diese alle
beendet waren, wurde MDMA im Rahmen einer übereilten "Notprozedur' in die
erste der genannten Listen eingestuft. Dies hing mit denen im ersten Kapitel
bereits beschriebenen Zwischenfällen zusammen, bei denen Fentanyl-Derivate als
"China-White'- Heroin verkauft worden waren und es zum Auftreten einiger
Parkinson-Erkrankungen gekommen war. Der damals vorsitzende Richter stellte den
möglichen medizinischen Nutzen von MDMA fest und schlug vor, es in die dritte
Liste aufzunehmen. Diesem Vorschlag folgte die DEA allerdings nicht, so daß
MDMA am 11. Februar 1985 endgültig in die Liste l gelegt wurde. Da die USA
schon oft eine Art "Vorreiter-Rolle' in der Drogenprohibition innehatten,
ließ ein weltweites Verbot von MDMA nicht lange auf sich warten, sei es
aufgrund internationaler Abkommen, oder auch, weil andere Regierungen
versuchten, das Problem auf die gleiche Art und Weise lösen, wie die USA.
Das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtMG) beinhaltet drei Arten von Substanzen
(Anlagen I bis lll), wobei die Stoffe der gleichen Gruppe Gemeinsamkeiten
hinsichtlich des möglichen medizinischen / therapeutischen Nutzens aufweisen
sollen.
Da MDMA und seine nahestehenden Stoffe und Derivate in Anlage l zu §1
Absatz 1 als "nicht verkehrsfähige' Substanzen aufgenommen wurden, stehen
sie dem Gesetz nach auf derselben Stufe wie Heroin, Kokain, LSD und Cannabis.
Die Gemeinsamkeit der in dieser Anlage zusammengefaßten Substanzen ist, daß sie
alle keinen medizinisch anerkannten Nutzen haben sollen und ein hohes
Mißbrauchspotential aufweisen. Des weiteren werden die Drogen dieser Gruppe
umgangssprachlich als "harte' Drogen bezeichnet. Die Drogenforscherin
C.Schmerl unterteilt das Charakteristikum "hart' in drei weitere ein. Zum ersten
die vergleichbare Menge, die benötigt wird, um mittels einer Droge denselben
Effekt zu erzielen, wie mit einer anderen, zum zweiten die Qualität des Effekts
einer Droge (z.B. MDMA im Vergleich zu Heroin), und zum dritten ist in diesen
qualitativen Eigenschaften einer Droge "Härte' auch ein Maßstab dafür, mit
welcher Geschwindigkeit eine Substanz bei regelmäßigem Konsum eine psychische
oder physische Abhängigkeit hervorruft.
Wenn man nun die Eigenschaften von Ecstasy unter diesen Gesichtspunkten betrachtet,
so stellt sich die Frage, ob es zu Recht in eine Klasse mit Heroin oder Kokain
eingeordnet werden darf. Wegen der eingebauten Sicherheitssperre, der recht
weichen Wirkweise und des relativ geringen Abhängigkeitspotentials kann man
MDMA meiner Meinung nach nicht auf eine Stufe mit den erwähnten anderen
Substanzen stellen.In den Niederlanden wird MDMA zusammen mit Cannabis den
"weichen' Drogen zugeordnet, was ich auch nicht optimal finde, meiner
Auffassung nach liegt Ecstasy zwischen den "harten' und "weichen'
Drogen. Da aber nicht davon auszugehen ist, daß Ecstasy in
Deutschland in naher Zukunft legal erforscht werden darf, oder auf
seine mögliche Verwendung in Psychotherapien hin überprüft wird, würde es so
oder so keinen Sinn machen, wenn es in einer der anderen Klassen eingeordnet
werden würde.
4.1 Auswirkungen des BtMG in der Praxis
Hier soll ein kurzer
Überblick über das Maß der Strafe gegeben werden, mit welchem der Besitz von
Ecstasy oder ähnlichen Substanzen belegt wird. Seitdem MDMA in das
Betäubungsmittelgesetz aufgenommen wurde, verhält sich grundsätzlich jeder, der
im Besitz davon ist, kriminell. Die juristischen Folgen, bzw.das Strafmaß
hängen in erster Linie
von der Quantität des Drogenbesitzes bzw.des Verkaufes ab. Grundsätzlich wird
ein Unterschied zwischen einer "geringen Menge' und einer "nicht geringen
Menge' gemacht. Bei der "geringen Menge' handelt es sich um die
Substanzmenge, bei der nach Anwendung des § 29, Absatz 5 des BtMG von
einer Bestrafung abgesehen werden kann (!). Hierfür wird allerdings die
Bedingung gestellt, daß das Betäubungsmittel lediglich zum Eigengebrauch in
geringer Menge hergestellt, eingeführt, ausgeführt, erworben, oder auf andere
Weise besessen wird. Bei MDMA bedeutet dies, daß den Strafverfolgungsbehörden
bei einer Menge von ca. 2-3 Konsumeinheiten, welche mit einer Tablette mit
einer enthaltenen Substanzmenge von ungefähr 100-150 mg Reinsubstanz
gleichzusetzen sind, die Möglichkeit haben, von der Ahndung des Delikts
abzusehen. Allerdings wird die Anwendung dieses Paragraphen je nach Bundesland
unterschiedlich gehandhabt. So wird der § 29, Abs.5 in Bayern nicht
angewendet, so daß schon beim Besitz einer halben Ecstasy-Pille Geldbußen von
mehreren hundert Mark keine Ausnahme sind. Zusätzlich gibt es noch den
§ 31a des BtMG, nach dem von der "Verfolgung' eines Täters
abgesehen werden kann, wenn die Schuld des Betroffenen als "gering'
anzusehen ist, kein "öffentliches Interesse' an der Strafverfolgung
besteht oder die auffällig gewordene Person die Betäubungsmittel lediglich zum
Eigengebrauch besitzt. Da der Bundesgerichtshof bis jetzt noch nichts
Endgültiges festgelegt hat, orientieren sich die einen Landgerichte an den
Entscheidungen der anderen. Die Grenzwerte für "nicht geringe' Mengen werden
im Sinne weniger schwerer Fälle wie folgt definiert:
MDMA
24g (ca. 200 KE á 120 mg )
MDEA 34g (ca.
200 KE á 170 mg )
MDA
48g (ca. 600 KE á 80 mg )
Amphetamin 10g (ca. 200 KE á 50 mg )
LSD
6g (ca. 120.000 KE á µ50 )
Nach Schroers wird
anstelle der Konsumeinheiten manchmal auch die Base der Substanz zugrundegelegt
(ebd., 1996, S.43).
Problematisch ist diese Grenzwertsetzung für den Konsumenten allerdings in
folgender Hinsicht: Da es bisher sehr schwierig ist, seine Pillen auf ihre
Zusammensetzung bzw. Ihren Wirkstoffgehalt überprüfen zu lassen, weiß er nicht,
mit wie vielen Pillen seiner derzeitigen Sorte er diese Grenzwerte erreicht
oder überschreitet. Dazu kommt noch, daß jedes Landgericht entscheiden kann,
daß die oben angegebenen Grenzwerte zu hoch
seien und die "geringen Mengen' niedriger ansetzen können. Außerdem
spielen bei einer eventuellen Verurteilung noch andere Faktoren eine Rolle,
z.B, ob die auffällig gewordene Person beim Verkaufen oder Weitergeben der
Pillen beobachtet wurde (sehr unvorteilhaft), ob sie schon vorher straffällig
wurde und ob sie ein Geständnis abgelegt hat.
4.2 Zahlenmaterial des Bundeskriminalamtes zu Ecstasy und anderen "Partydrogen'
Nach dem Rauschgiftjahresbericht
des BKA ist bei den polizeilich registrierten Rauschgiftdelikten im Jahr 1995
eine deutliche Zunahme im Vergleich zu 1994 festzustellen (ebd., 1995, S.11).
Der Anstieg beträgt 19,7%. Besonders bei den Partydrogen sind hohe Zuwachsraten
zu verzeichnen. Bei den Amphetaminen beträgt sie 102,3%, bei LSD 62.5%, bei
Kokain 25,9%. Die Zuwachsrate mit anderen Betäubungsmitteln, zu denen auch
Ecstasy zählt, beträgt 40,9%.
'Die Gesamtzahl der Erstauffälligen Konsumenten harter Drogen (EKhD) hat
mit einem Anstieg um 4,9% auf 15.230 eine neue Rekordhöhe erreicht, die
ausschließlich auf die Entwicklung im Bereich der synthetischen
Betäubungsmittel zurückzuführen ist.'
(BKA, Rauschgiftjahresbericht 1995, S.6).
Dagegen ist in Zusammenhang mit Heroin eine abnehmende Erstauffälligenzahl
(-18.0%) sowie eine gesunkene Sicherstellungsmenge (-41,3%) zu verzeichnen.
Auch bei den Sicherstellungszahlen in Zusammenhang mit Partydrogen ist ein
rapider Zuwachs zu beobachten:
Sicherstellungen in der Bundesrepublik Deutschland 1994 und 1995
Rauschgiftart |
|
|
|
|
|
Heroin |
933 kg |
1590 kg |
Opium |
15 kg |
35 kg |
Kokain |
1845 kg |
767 kg |
Amphetamin |
138 kg |
120 kg |
Ecstasy |
380.858 KE |
238.262 KE |
LSD |
71.069 KE |
29.627 KE |
Haschisch |
3809 kg |
4033 kg |
Marihuana |
10436 kg |
21660 kg |
Haschischöl |
2834 kg |
1434 kg |
( Quelle: BKA Rauschgiftjahresbericht 1995, S.30)
Man sieht, daß der
größte Zuwachs bei den Sicherstellungen mit 59% bei Ecstasy liegt, hingegen die
Sicherstellungen bei Heroin, wie schon gesagt, um 41,3% niedriger lagen.
Bei der Zahl der Erstauffälligen Konsumenten harter Drogen ist die Tendenz
ähnlich:
Rauschgift |
|
|
|
|
|
Gesamtzahl |
|
|
Heroin |
|
|
Kokain |
|
|
Amphetamin |
|
|
Ecstasy |
|
nicht bekannt |
LSD |
|
|
sonstige |
|
|
(Quelle: BKA
Rauschgiftjahresbericht 1995, S.49ff.)
"Erstauffällige Konsumenten sind Personen, die im Berichtsjahr erstmals der
Polizei oder dem Zoll in Verbindung mit dem Konsum harter Drogen aufgefallen
sind. Dabei handelt es sich nicht in jedem Fall um Rauschgiftabhängige, sondern
auch um Personen, welche die Droge ausprobierten oder um
Gelegenheitskonsumenten. Aus polizeilicher Sicht kann hier keine Unterscheidung
getroffen werden.'
(vgl.BKA, Rauschgiftjahresbericht 1995, S.49)
Die teilweise sehr stark angestiegenen Zahlen im Bereich der synthetischen
Drogen müssen etwas relativiert werden. Es kann sein, daß durch die in jüngster
Zeit stark gestiegene Präsenz der Ecstasy-Thematik in den Medien und die
dadurch ausgelöste öffentliche Diskussion die Behörden veranlaßt hat, in diesem
Bereich verstärkt tätig zu werden. Es ist davon auszugehen, daß mit steigender
Konsumentenzahl zwangsläufig auch die Bemühungen der Polizei steigen, dagegen
etwas zu tun.
'Wahrscheinlich nimmt nicht nur die Anzahl der Konsumenten zu, sondern
auch die der Fahndungen und Razzien der Polizei'
(Wirth, N., 1996, S.38).
Festzustellen bleibt allerdings, daß die Tendenz eher in Richtung eines
Anstiegs der Verbreitung von Ecstasy geht und nicht in die eines Rückgangs.
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5. Die Techno-Kultur
Die öffentliche
Meinungsbildung und Wahrnehmung aktueller Jugendkulturen ist in den meisten
Fällen durch die Darstellung in den Medien wesentlich vorbelastet. Ständig
begegnet man sich immer wieder wiederholenden Vorurteilen gegenüber
Jugendkulturen, die andauernd aktualisiert werden. So war die Hippie-Bewegung
eine "Horde bekiffter und LSD-berauschter junger Menschen, die keine Lust hatten
zu arbeiten und stattdessen wilde Orgien zusammen feierten'. Das
weitverbreitete öffentliche Bild der Techno-Szene könnte man ungefähr so
beschreiben: Die Techno-Szene tanzt zu einer schwachsinnigen, künstlichen und
monotonen Musik und steigert sich in sinnlose, ungesunde und lediglich durch
Drogen ausgelöste Tanzexzesse hinein, die von Freitagabend bis Sonntagmittag
andauern. Außerdem ist es eine künstliche Jugendkultur, eine von der Industrie
gelenkte Massenmanipulation von Jugendlichen.
Im folgenden Kapitel soll die neben dem medialen Klischee real existierende
Techno-Szene beschrieben werden, die mit geschätzten 1,5 Millionen aktiven
Teilnehmern neben der "Hip-Hop'-Kultur die wichtigste der 90-er Jahre ist
(vgl. Richard, B., eigene Aufzeichnung der Fachtagung Ecstasy, 1997).
5.1 Die Techno -
Musik
5.1.1 Die Anfänge von Techno
"Techno is music made
by humans; in its most definitive forms it sounds like it is made by
machines.'
(Mc Ready, J. in Feist, U., 1996,S.63)
Was ist das für Musik, die nach der Meinung einiger auch von Maschinen gemacht
sein könnte? Ist es nur eine stumpfe und sinnlose Aneinanderreihung von
synthetischen Tönen, oder steckt mehr dahinter? Klaus Schulze, der fast
50-jährige Pionier elektronischer Musik, und seit 25 Jahren Produzent
unzähliger Veröffentlichungen in diesem Genre, beschreibt den heutigen Techno
so:
'Das ist ja fast genau das Gleiche, was wir in den siebziger Jahren
gemacht haben, nur daß die Produzenten heute eine durchgehende Bassdrum
darunterlegen.'
(Claus, C. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.74).
Diese durchgehende Bassdrum, die einen gleichmäßigen und stampfenden Rhythmus
im 4/4 -Takt produziert, war Mitte der achtziger Jahre das revolutionäre
Element im Bereich der elektronischen Musik.
Eigentlich beginnt
die Geschichte des Techno bereits mit der Möglichkeit des Kaufes eines
elektronischen Musikinstruments. Der bereits erwähnte Klaus Schulze bildete
zusammen mit "Tangerine Dream' und der Gruppe "Kraftwerk' das
Fundament elektronischer Musik, auf das sich fast jeder heute populäre Musiker
dieses Bereiches beruft. Die 1968 gegründete Düsseldorfer Gruppe Kraftwerk
definierte ab 1975 die Musik auf eine neue Art und Weise, als sie
konventionellen Musikinstrumenten den Rücken kehrte und anfing, ihre Musik mit
dem damals auf den Markt gekommenen "Moog-Synthesizer' vollsynthetisch zu
komponieren. In den achtziger Jahren beschäftigten sich dann Musiker bzw.
Produzenten mit den Möglichkeiten, die sich bieten, wenn man zwei Platten
nebeneinander laufen läßt, sie vom Tempo her aneinander angleicht und zwischen
ihnen hin und her springt, um so einen neuen "Track' zu kreieren. Als dann
die ersten Schlagzeugcomputer auf dem Markt erschienen, folgte die Idee, der
Musik einen durchgehenden Beat zu verpassen und die einzelnen Lieder ineinander
übergehen zu lassen, um so die Illusion eines einzigen, die ganze Nacht lang
andauernden Stücks zu schaffen.So wurde der Person des Diskjockeys (DJ) eine
ganz neue Bedeutung zuteil.
Als "Keimzelle' des Techno gelten die Städte Chicago und Detroit, Chicago
mit einem eher vom Disco-Sound der siebziger Jahre beeinflußtem, Detroit mit
einem etwas härterem und schnellerem Sound. Seltsamerweise war es gerade die
Musik von Kraftwerk, in Deutschland lange Zeit nicht gerade erfolgreich, die im
rezessionsgebeutelten Detroit großen Anklang fand und die von den Vorreitern
der Szene wie Juan Atkins und Derrick May als Initialzündung bezeichnet wird,
ohne die der heutige Techno wohl gar nicht existieren würde (vgl. Claus, C. in
Rabes, M. / Harm, W., 1997, S75).
In Europa, genauer in England, begannen DJ's 1987 damit, Soul-und Funkanklänge
aus Chicago sowie Techno-Anklänge aus Detroit zu verbinden und sie mit
langgezogenen "fiependen und schrillen' Tönen zu verbinden. Die
"Acid-House'-Welle wurde ausgelöst und schwappte auch in Form von Parties
und gelben "Smileys' in allen erdenklichen Variationen nach Deutschland
über. Diese Welle flaute allerdings genauso schnell ab, wie sie gekommen war.
1990 wurde dann das Geburtsjahr von Techno, wie man ihn heute kennt. Frankfurt
am Main und Berlin kristallisierten sich als Zentren des neuen Sounds heraus
und die ersten DJ's, die ihn auflegten, zählen heute noch zu den Führenden
innerhalb der Szene (WestBam, Sven Väth, Dr.Motte). Viele Anhänger sorgten sich
damals noch darum, daß Techno durch seine schnell einsetzende kommerzielle
Ausschlachtung dasselbe Schicksal wie die einige Jahre zuvor populäre Neue
Deutsche Welle ereilen könnte, nämlich das schnelle Verschwinden. Dem war aber
keineswegs so.
Durch eine früh
einsetzende Aufsplittung der Szene in autonome kleinere Sparten und durch
enormen Anklang und eine sich rasch verbreitende Popularität setzte sich Techno
in der Musiklandschaft fest und ist zu einer eigenständigen Musiksparte
geworden.
5.1.2 Unterarten von Techno
Aufgrund der
Aufsplittung der Szene, der Variabilität dieser Musik und der Kreierung immer
neuer Stile im Bereich der elektronischen Musik ist es heutzutage eigentlich
unmöglich geworden, von der Techno-Musik zu sprechen. Die verschiedenen
Stilarten werden eigentlich nur unter diesem Begriff zusammengefaßt. Zwar muß
man bedenken, daß einige angeblich neue Unterarten lediglich von gewitzten
Marketing-Strategen erdachte Synonyme für bereits Dagewesenes sind, um die
Umsätze anzukurbeln, aber insgesamt bestehen teilweise doch recht gravierende
Unterschiede zwischen den Besuchern verschiedener Parties. Die einzelnen
Gruppen und die damit auch verschiedenen Motive, eine Party zu besuchen, sind
auch aus dem Blickwinkel sozialpädagogischer Arbeit zu betrachten. Deshalb
beschreibe ich im folgenden einige der Unterarten des Oberbegriffes Techno.
Hierbei einen Anspruch auf Vollständigkeit geltend zu machen, ist nicht
möglich. Teilweise verzweigen sich die Gruppen im einzelnen noch weiter,
teilweise ist es reine Interpretations - oder Ansichtssache, in welche Sparte
ein Track eingeordnet werden müßte. Bei der Beschreibung beziehe ich mich
einerseits auf den Vortrag von Dr. B. Richard, gehalten im Rahmen der
Fachtagung "Ecstasy' zum Thema "Techno - Musik', andererseits greife
ich auf eigene Erfahrungen mit der Musik und dem Publikum auf verschiedenen
Parties zurück.
Hauptunterscheidungsmerkmal der einzelnen Stile ist die Anzahl der Bass-Drum-Anschläge
pro Minute, also die "Geschwindigkeit' eines Tracks. Diese wird im
Allgemeinen mit der Abkürzung Bpm (Beats per minute) bezeichnet.
Trance
Trance ist wohl eine der wichtigsten und meistverbreiteten Unterarten des Techno. Sie wird als Trance bezeichnet, weil sie im Gegensatz zu einigen anderen Unterarten keinen besonderen Wert auf besonders hohe Geschwindigkeit legt, die Bpm-Zahl bewegt sich zwischen 120 und 170. Trance versucht vielmehr, den Hörer durch Einsatz von für das Ohr "wohlklingenden' sich oft wiederholenden Passagen in eben eine solche Trance zu versetzen.
"Trancezustände
können durch viele Formen der Musik erreicht werden, meist sind es diese
genialen Verbindungen von einigen wenigen Soundelementen, die die Zuhörenden
durch ständige Wiederholungen auf andere Levels zu heben vermögen.'
(Koch, 1995, S.102).
Bekannte Vertreter der Trance-Musik sind Sven Väth, Cosmic Baby, Laurent
Garnier und Gary D.
Breakbeat, Jungle, Drum and Bass
Bei diesen Spielarten erfolgt eine Form der Vermischung von Techno und HipHop.
Hip Hop Rhythmen werden in ihrer Geschwindigkeit gepitcht, das heißt
beschleunigt, und von stakkatoartigen Snare-Drum-Anschlägen untermalt.
Kennzeichnend ist eine nicht durchgängige Bassline, die Bass-Drum-Anschläge
werden vielmehr mit den Snare-Anschlägen zu einer auf den ersten
Höreindruck ziemlich hektischen und unhomogenen Mischung verstrickt. Auch das
Grundtempo des Breakbeats ist ziemlich hoch, die Bpm-Zahl liegt zwischen !60
und 180.
Beim Jungle, der vor ca. zwei Jahren eine großen Medien-Hype erlebte, wird
diese Mischung noch durch Reggae-Anteile, teilweise mit vereinzelten Stimmen
und / oder Gesang ergänzt.
Drum and Bass ist ein typisches Beispiel für die Einführung eines alten
Produktes unter neuem Namen, was natürlich auch neue Käufer beschert. Im Grunde
ist es nichts anderes als der beschriebene Breakbeat, lediglich etwas ruhiger
und nicht ganz so hektisch. In einigen Tracks findet man sogar Merkmale der
Jazz-Musik wieder (Saxophon, warme Frauenstimmen).
Acid
Acid-Musik ist mit
130 -160 Bpm zwar nicht besonders schnell, stellt aber dennoch eine eigene
Untergruppe der Techno-Musik dar. In keiner anderen Unterart des Techno ist
nämlich ein technischer Ausrüstungsgegenstand so wichtig wie der
303-Synthisizer von der Firma Roland für Acid. Mit diesem Gerät lassen sich
Töne auf beliebige Art und Weise sowohl in ihrer Länge als auch in ihrer Höhe
variieren, was den typischen "Sound' dieser Musik ausmacht. Man kann sie
mit den Adjektiven schwirrend, hoch, zwitschernd und nervös beschreiben.
Vertreter des Acid-Sounds sind Miss Djax und Ritchie Hawtin.
Gabber
Gabber gilt als die
schnellste, aggressivste und extremste Form der Techno-Musik, weshalb sie n
vielen Stellen auch als "Hardcore-Techno' bezeichnet wird. Aufgrund
seiner Schnelligkeit, die Bpm-Zahl beträgt 150-250, ist Gabber eigentlich gar
nicht mehr tanzbar. Stattdessen werden Arme und Beine wie verrückt nach vorne
geworfen, was diesem "Tanzstil' ein recht seltsam anzuschauendes
Erscheinungsbild verleiht. Gabber ist vor allem in den Niederlanden sehr
populär, er gilt hier als Ausgleich zu der sonst meist recht ruhigen Musik auf
Parties, auf denen meist House-Musik gespielt wird. Entsprechend der
Geschwindigkeit der Musik ist Speed die unter den Gabber-Anhängern
meistverbreitete Droge, anders läßt sich der anstrengende Bewegungsstil wohl
auch nicht realisieren.
Obwohl die Techno-Szene im Allgemeinen als sehr gewaltfrei gilt, stellt die
Gabber-Szene eine Ausnahme dar. Gerade unter den gewaltbereiten Anhängern der
in deren Augen verfeindeten Fußballvereine Feynod Rotterdam und Ajax Amsterdam
ist Gabber sehr beliebt, und diese Fehde wird des öfteren auf Gabber-Parties
ausgelebt. Auch eine gewisse "Rechtslastigkeit' in der politischen
Gesinnung kann man hier des häufigeren antreffen.
House
Die House-Musik hat
ihre Wurzeln im Disco-Sound der siebziger Jahre. Obwohl sie heute eine
eigenständige Sparte innerhalb der Techno-Musik ist, kann man sie als Vorläufer
von Techno bezeichnen. Wie oben beschrieben gilt Chicago mit seinem House
zusammen mit Detroit als "Geburtsstätte' von Techno. House ist von seinem
Grundtempo von 110-140 Bpm relativ langsam. Als charakteristisch gelten
"jazzige' Untertöne und sehr oft der Einsatz von "richtigem' Gesang.
Gerade bei schwulen Partygängern ist House sehr beliebt. Das Durchschnittsalter
des Publikums liegt in der Regel etwas höher als das auf anderen Parties.
Auf ein "freakieges und teilweise auch edleres Styling legen die Besucher von
House-Partys einigen Wert.
Ambient
Wenn es auf einer
Techno-Party einen Chill-Out Bereich gibt, dann wird dort fast immer Ambient
gespielt. Es ist eine sehr ruhige Musik, bei der in vielen Fällen überhaupt
keine durchgehende Basslinie enthalten ist. Statt dessen werden viele angenehm
und ruhig klingende Töne oder Passagen zu einer "Klangcollage'
zusammengefügt, die in ihrer Art oft an meditative Musik erinnert. So eignet
sie sich gut dafür, in Chill-Out Räumen, die ja zur Erholung und Abkühlung der
Party-Besucher gedacht sind, gespielt zu werden.
Bekannte Ambient-Projekte sind The Orb, KLF und The Future Sound Of London.
GOA-Trance / Techno
Diese Unterart von
Techno ist nach dem Bundesstaat in Indien benannt, der schon seit langer Zeit
für besondere Parties am Strand oder im umliegenden Regenwald bekannt ist.
Unter den Besuchern von Goa-Parties kann man oft Verweise auf die
Hippie-Generation finden. Dies fängt bei der Kleidung an, die oft an die Mode
der siebziger Jahre angelehnt ist. Dies äußert sich auch an oft zu sehenden Schlaghosen,
bunter Kleidung mit teilweise psychedelischen Mustern und langen Haaren der
Besucher.
Die Goa-Musik ist in ihrer Art ziemlich eingängig, "tribal-ähnliche'
Einflüsse sind genauso oft zu finden wie psychedelische Passagen in vielen
Wiederholungen und Variationen. Meistens gibt es innerhalb der einzelnen
"Tracks' einen akzentuierten Höhepunkt, der für den Hörer / Tänzer
besonders energiereich herüber kommt.
Auffällig auf Goa-Parties ist das im Gegensatz zu anderen Techno-Parties
deutlich höhere Durchschnittsalter der Besucher und die geringe Verbreitung von
teurer Kleidung mit Aufdrucken bekannter Hersteller. Des weiteren kann man eine
klare Tendenz zum ungehemmten Einsatz von Drogen erkennen, wobei gerade LSD von
vielen Besuchern favorisiert wird. Auch wird auf fast jeder Goa-Party Lachgas
aus Druckbehältern verkauft, wozu ich leider keinerlei Literaturverweise
gefunden habe.
Eine gewisse "Naturnähe' kann man in der Goa-Szene auch beobachten.
Innerhalb der Techno-Szene gibt es keine Unterart, in der Freiluftparties auf
Feldern, im Wald oder Steinbrüchen vorkommen. Dies kann man wohl auch als eine
Art Reminiszenz an die Hippie-Bewegung eshen.
5.2 Techno - Parties
und das Publikum
5.2.1 Die Techno-Party als Gesamtkunstwerk
Es wäre falsch zu denken, eine Techno-Party bestände lediglich aus einer großen, leeren Halle, ein paar DJ's und einer Musikanlage. Diejenigen Veranstalter, die noch nicht vor dem Reiz des schnellen Geldes kapituliert haben und in die Organisation einer Party viel Zeit und Mühe investieren, beachten immer noch einen der Aspekte, die Techno zu dem gemacht haben, was er heute ist.
Um eine Techno-Party
zu einem Gesamtkunstwerk werden zu lassen, müssen Flyer (postkartengroße
Pappzettel) gedruckt werden, die auf die Party aufmerksam machen, also für sie
werben. Die Dekoration der Halle muß geplant und realisiert werden, und die
Zusammenstellung des Programmablaufs sollte stimmig sein, denn die Leute zahlen
viel Geld für eine Party , und dementsprechend sollte auch der Gegenwert sein,
den sie dafür bekommen.
Da langanhaltendes Tanzen eine kräftezehrende und schweißtreibende
Angelegenheit ist, hat es sich auf Parties ziemlich schnell etabliert, einen
Chill-Out Raum einzurichten, sofern es die räumlichen Gegebenheiten zulassen.
"Auf den Parties befinden sich zumeist sog.'chill-out'-Räume, häufig
mit Matratzen ausgelegt und "spacig' eingerichtet.'
(Schroers, A., 1996, S.65).
In diesem Chill-Out ist es möglich, sich hinzusetzen, es wird vorwiegend
Ambient gespielt (siehe Unterarten des Techno), und die Temperatur sollte ein
bißchen niedriger als auf der Tanzfläche sein. Auf vielen Parties wird
mittlerweile auch kostenlos frisches Obst angeboten, sicherlich eine gute
Sache, angesichts der Eintrittspreise aber durchaus im Bereich des Möglichen.
Fast genauso wichtig wie die Musik ist eine gute Dekoration auf einer Party. Es
werden auf die Musik abgestimmte Lichtanimationen verwendet, genauso wie
Diaprojektionen und Videobeamer. Gerade auf diesen Punkt legt Hans Cousto vom
Berliner Verein "Eve & Rave' sehr viel Wert. Er vergleicht eine
Diskothek von der technischen Seite her mit einer "Großraummindmachine'.
Mindmachines sind technische Aufbauten in z.B. kleinen Zelten, in denen der
Betrachter entspannt liegt und von allen Seiten mit visuellen und auditiven
Reizen versorgt wird. Diese Reize wirken mit bestimmten Schwingungen und
Frequenzen, die elektronisch durch einen Computer nach streng
wissenschaftlichen Kriterien gesteuert werden, auf das Gehirn ein. Ziel
dieser Mindmachines ist es, den Betrachter in kurzer Zeit in tiefe
Entspannungszustände zu versetzen. Mindmachines werden in der Medizin
angewendet, vorwiegend im Bereich der Sucht-und Schlaftherapie, genauso wie bei
Meditationsübungen (vgl. Cousto, H., 1995, S.60-62).
Techno, und vor allem die Parties, auf denen Techno gespielt wird, besteht
nicht nur aus der Musik, wobei sie natürlich das ausschlaggebende Kriterium
ist. Aber Licht, Sound und Rhythmus bestimmen die Stimmungen der Besucher mit.
Und diese Faktoren bilden zusammen mit den teinehmenden TänzerInnen und dem DJ
ein "multimediales Gesamtkunstwerk' (ebd., 1995, S.32).
'Der Ecstasy-Rausch ist bei diesen Veranstaltungen eingebettet in ein
"Gesamtkunstwerk' aus Tekkno-Musik, Tanz, Laser- und Licht-show,
Dekoration, Ambiente und stimulierenden Personen.'
(Schroers, A., 1996, S.65)
In letzter Zeit ist allerdings ein gewisser Rückgang bei Massenveranstaltungen
zu erkennen, abgesehen natürlich von solchen Events wie der "Mayday'-Party
in in Dortmund bzw. Berlin. Diese Party wird auch als die "Mutter aller
Parties' bezeichnet Claus, C. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.84).
Dieser Rückgang hängt sicherlich mit der 1995 / 96 quantitativ stark
angestiegenen Zahl von großen Raves zusammen, bei denen allerdings die Qualität
des öfteren stark zu wünschen übrig ließ.
"In der jüngsten Vergangenheit betraten immer wieder regelrechte Abzocker das
Feld, die für wenig Aufwand viel Geld verlangten und so den ehrlichen
Veranstaltern das Leben schwer machten.'
(ebd., S. 84).
Eine Art Rüchkehr in die kleinen Clubs hat stattgefunden, die Raver scheinen
mittlerweile lieber im "kleineren Kreise' mit 200-300 anderen zu feiern
als auf Großveranstaltungen mit Besucherzahlen, die teilweise über 10.000
lagen. Auch in Bezug auf die "Mayday' mehren sich die Meinungen derer, die
das ganze für eine rein kommerzielle Angelegenheit halten.
"Allerdings werden auch hier [ bei der Mayday, Anm.d.Verf.] die Stimmen
derer lauter, die ein abfallendes Niveau zugunsten eines höheren Profits
befürchten.'
(ebd., S 84).
5.2.2 Wer besucht Techno-Parties?
Von dem
typischen Techno-Publikum zu sprechen, ist wegen der Buntgemischtheit eines
Party-Publikums eigentlich gar nicht möglich. Einer der am höchsten gehaltene
Wert der Szene ist die Toleranz anderen gegenüber.
"Die Partygäste sind nach Alter, Bildungsstand, Abstammung und sozialer Schicht
bunt durcheinander gewürfelt, und genau das macht die Szene aus.'
(Wirth, N., 1996, S.50).
Die Besucher von
Techno-Veranstaltungen stellen gewissermaßen einen "Schmelztiegel' aller
bisher dagewesenen Szenegruppierungen dar, die in der Musik gemeinsame
Vorlieben gefunden haben (Tanz, Spaß, Ekstase) und diese im Techno ausleben
können.
"So wird es möglich, daß Skin-Heads, ehemalige Anhänger der Indie-,
Punk-, Schwulen- und Ökoszene gemeinsam ein "Party-Imperium' aufbauen
konnten.Während alle anderen Musik szenen eine Spezifizierung in Bezug auf die
Verhältnisse, Probleme und Stimmungen der unmittelbaren Umwelt haben, ist
Techno offen.'
(Zeitschrift "Highlife', 1/97, S.40).
Eine der Hauptsachen ist es, kein Spießer zu sein, sondern auffällig und
"abgefahren' angezogen zu sein. Und in kaum einer anderen Szene findet man
eine dermaßen große Vielfalt von phantasievollen Outfits, die manchmal eher an
Karneval erinnern, als an eine Party.
Die Party-Szene setzt sich überwiegend aus 16-22-Jährigen zusammen, aber es
finden sich auch ältere Besucher, die Grenze nach oben ist eigentlich offen,
Wirth führt hier als Beispiel Hans Cousto an, den 47-jährigen Mitarbeiter von
"Eve & Rave e.V. und Verfasser des Buches "Vom Urkult zur Kultur'.
Sehr auffällig ist allerdings der große Anteil von unter 18-jährigen, die sich
nach dem Jugendschutzgesetz noch gar nicht in Diskotheken oder Nachtclubs
aufhalten dürften.
Die wenigsten der Techno-Fans sind in ihrem "Alltagsleben' sozial
auffällig, die meisten befinden sich in funktionierenden sozialen Bezügen und
gehen während der Woche zur Arbeit oder in die Schule. In der FAZ wird Techno
als "die Musik vor allem weißer Mittelstandskids' beschrieben (ebd,
07.07.94). Dies ist vor dem Hintergrund der mit dem Besuch einer Party
verbundenen finanziellen Aufwendungen gut nachvollziehbar. Bei einer größeren
Party / Rave liegen die Eintrittspreise in einer Spanne von 25,--50 DM,-. Auch
in einer Disko, in der Techno gespielt wird, muß der Besucher in der Regel
höhere Eintrittspreise in Kauf nehmen, als in einer "normalen' Disko. Dazu
kommen die Preise für Getränke, Drogen und eventuell noch passendes Outfit. So
kommt man schnell auf Kosten für einen Abend, die ab mindestens 50.- DM,
meistens aber zwischen 100,- und 150.-DM liegen (vgl. Wirth, N., 1996, S.50).
Es wird deutlich, daß es sich finanziell schlechter gestellte Leute nicht
leisten können, Techno-Parties zu besuchen.
Innerhalb der Szene ist jedenfalls keine Aussteigermentalität zu beobachten:
"Die Anhänger sind
keine abgewrackten 'Aussteiger' und sie verstehen sich auch nicht als solche.
Stark vertreten sind Arzthelferinnen und Kaufleute, Versicherungsvertreter,
Beamtenanwärter, Studentinnen, Krnkenpfleger und Sprachenschüler.'
(Hurrelmann, K. in Magazin für die Polizei, 26, 1996)
Insgesamt gesehen kann man zwei Gruppen von Party-Besuchern ausmachen, wobei
die Grenzen allerdings fließend sind. Zum einen sind es diejenigen, die sich
zum großen Teil über Techno identifizieren, ihn gewissermaßen zu einem
Lebensinhalt gemacht haben und sich der Szene zugehörig fühlen. Zum anderen
gibt es Leute, die sich zwar nicht unbedingt mit der Techno-Kultur
identifizieren und sich auch nicht als Raver fühlen, aber dennoch
Techno-Parties besuchen und dort genauso viel Spaß haben wie die anderen, nur
daß ihre Kontakte mit der Szene quantitativ weniger sind.
Helmut Ahrens, der sich mit den verschiedenen Techno-Szenen befaßt hat, ordnet
die Berliner Szene von der Altersstruktur her zwischen 16 und 36 Jahren an. Der
"harte Kern' indes, also Leute, die der Szene schon seit mehreren Jahren
zugehörig sind, läge zwischen 20 und 26 Jahren. Das Verhältnis der Geschlechter
sei freitag abends noch ziemlich ausgewogen, ändere sich aber, je weiter das
Wochenende fortschreitet.Samstags bestände das Publikum nur noch aus einem
Drittel bis einem Viertel aus Frauen. (vgl. Ahrens, H., 1993, S.37)
5.3 Politische und moralische Werte und Ideale der Techno-Szene
Über politische und
moralische Werte innerhalb der Techno-Szene gibt es sehr viele verschiedene
Auffassungen. Während einige Autoren in der Rave-Szene eine Fortsetzung
revolutionärer Traditionen sehen (z.B. T. McKenna ), sprechen andere den
Party-Besuchern jedes politische Bewußtsein ab und ordnen Parties in die Sparte
"kollektives Wochenendvergnügen gelangweilter Mittelklassekids' ein.
Auffällig in der Literatursichtung ist die Tatsache, daß auf der einen Seite
Leute, die mit Techno zu tun haben, oder aktiv in der Szene tätig sind, sich
auf eine positive Art und Weise zu solchen Fragestellungen zu äußern,
während andere kein einziges gutes Wort für die Techno-Fans übrig haben. Im
folgenden sollen erstmal Beispiele aus der Literatur gegenübergestellt werden,
die zeigen sollen, wie weit die Meinungen auseinandergehen.
Einige Autoren sehen in der Techno-Szene eine Basis oder ein Potential für
politische Veränderungen, so z.B. der weiter oben erwähnte T. McKenna:
"I see the rave culture, developing here at the end of the 20th century, as the
inheritor of all this energy - Modern art, Jazz, Rock and Roll, Dada. The whole
antibourgeois impulse which began as an avatgarde agenda in the late 19th
century is actually an impulse for cultural survival that is probably our last
sane thought before we descend into the Apocalypse or something.'
(Interview in der Zeitschrift "Alternative Press', aus Krollpfeiffer, K.,
1995, S.88).
McKenna erwähnt in diesem Kontext auch ein "archaisches Revival', das eine
Basis für politische Veränderungen darstellen könnte (vgl.ebd., S. 88).
Autoren wie eben dieser McKenna nennen die Rave-Bewegung in einem Atemzug mit
der "68-er Revolte' und ähnlichen revolutionären Jugendbewegungen, während
andere die Szene für etwas gänzlich Unpolitisches halten. In dem bereits
zitierten Artikel aus der FAZ vom 07.07.94 schreibt der Autor folgendes:
"Nach Jahrzehnten, in denen Jugendbewegungen und Popmusik jeglicher
Stilrichtungen ausnahmslos als Gegenkulturen verstanden wurden, deren Schicksal
früher oder später unweigerlich in Kommerzialisierung und Vereinahmung mündete,
hat Techno den einzig möglichen Weg gewählt, mit seinen Idealen nicht zu
scheitern.Techno hat keine Ideale. Er hat keinen politischen oder
gesellschaftskritischen Aspekt.'
(Spiegel, H., ebenda).
Es gibt einige kritische Stimmen wie diese, die den Techno-Anhängern jedes
politische Bewußtsein absprechen und Techno-Parties als reines Fluchtphänomen
sehen, in welches der Alltag in all seiner Eintönigkeit keinen Zutritt hat und
anstelle dessen Drogen konsumiert werden, um sich nicht mit deprimierenden
Gedanken rumschlagen zu müssen. Andere Autoren gehen sogar noch einen Schritt
weiter und bezeichnen die Techno-Anhänger als Menschen, für die außer der Party
gar nichts anderes von Wert ist:
"Das Leben dieser Menschen [das der Techno-Anhänger, d. Verf.] beschränkt sich
aufs Wochenende - oder wenigstens das, was sie als Leben bezeichnen und
erleben. Für sie ist der Alltag eine Qual, die Arbeit ist frustrierend, die
Arbeitslosigkeit beschämend. Nur das Wochenende zählt, die Flucht aus dem
Alltag, die Flucht in das, was als wirkliches Leben gil t() Diese Jugend ist
maßlos, sie kennt keine Grenzen, die Flucht darf keine Minute zu früh zu Ende
sein. Zu trist ist die Aussicht auf die nächste frustrierende Woche, die nur
überstanden wird, weil auch danach wieder ein Wochenende folgen wird. Es gibt
nichts mehr, was diese Menschen freut. Die Gesellschaft hat ihnen nichts mehr
zu bieten. Sie leben nicht, sie existieren () es gibt keine Ziele, die
locken, alles erscheint hohl und schal.'
(Rufer, M., 1995, S.229).
Ich könnte noch zwei
weitere Seiten mit ähnlichen Zitaten dieses Autors füllen, aber anhand dieser
Zeilen wird seine Meinungstendenz wohl schon mehr als deutlich. Nichts gegen
freie Meinungsäußerung, aber eine Gruppe von Menschen, die zahlenmäßig in die
Hunderttausende, wenn nicht sogar in die Millionen geht, halte ich nicht mehr
für vertretbar sondern für äußerst unsachlich und diffamierend. Auch wenn die
Anhänger der Techno-Bewegung nicht gerade die Politischsten sind, kann man wohl
nicht soweit gehen und ihnen ein "Leben' absprechen und ihres nur als
Existenz bezeichnen.
Sachlicher sind da schon eher die Aussagen des Techno-Autors Patrick Walder,
der schreibt :
"Außer in der Wahl ihrer Genußmittel unterscheiden sich die Raver kaum vom Rest
der Gesellschaft. Die vielbeschworene Raving-Society ist so gesehen nicht viel
mehr als eine Konsumgemeinschaft in der Konsumgesellschaft. In zwei nicht
unwesentlichen Punkten unterscheidet sich die Rave-Szene aber doch von unserer
Hau-rein-den-Schrott-Society. Erstens sind die Drogen ihrer Wahl illegal, und
zweitens ist das Ziel des Konsumsein exzessiver Rauschzustand, der
bekanntlich mit den tragenden Stützen unserer Gesellschaft zu kollidieren
droht: Arbeit, Disziplin und Nüchternheit zählen nicht gerade zu den
Grundfesten der Raving-Society.'
(Walder, P. in Ecstasy: Prävention des Mißbrauchs, 1995, S.30).
Die Techno-Besucher unterscheiden sich also lediglich in ihre Wahl der Drogen
vom Rest der Jugendlichen? Nein, das alleine reicht nicht aus, um das Phänomen
und die enorme Anziehungskraft dieser Party-Kultur zu erklären. Techno ist,
vergleichbar mit der Hippie-Bewegung der 60er Jahre ein Lebensstil. Es ist eine
Kultur, bei der das " Gut-drauf-sein' und das intensive Erleben
unweigerlich dazugehören. Um dies zu erreichen, ist es allein mit einer
Mischung aus spezieller Musik und speziellen Drogen nicht getan. Dazu gehört
auch eine eigene Asthetik in Farbe und Stil (siehe Szenezeitschriften
"Frontpage' und "Raveline'), welche sich auch auf den sehr
phantasievoll und individuell gestalteten Ankündigungen für Parties (eben die
sog. "Flyer') bemerkbar macht. Typisch sind auch eine spezifische
Kleiderordnung und ein spezielles Wertesystem. Zu diesem Wertesystem gehören vor
allem Aspekte wie Toleranz, Offenheit, Ehrlichkeit und das schon erwähnte
"Gut-drauf-sein'. Negative Aspekte wie schlechte Laune,
Niedergeschlagenheit, Angst oder Trauer sind auf einer Techno-Party nicht
besonders gern gesehen (auf einer anderen Party wahrscheinlich genauso wenig).
Die Toleranz wird innerhalb der Techno-Bewegung besonders hoch gehalten. Man
hört immer wieder, daß dort kein Unterschied gemacht werde zwischen Schwulen,
Lesben oder Heterosexuellen, daß es egal sei, woher jemand komme, oder welcher
sozialen Schicht man angehört. Genauso unwichtig sei im Grunde genommen die
politische Gesinnung, die Hauptsachen sind das Fröhlichsein und die
Bereitschaft zum guten "Abfeiern'. Dazu der schon weiter oben erwähnte DJ
WestBam :
"Für uns ist die Raving Society eine eigene Welt mit eigenen Regeln und
Strukturen, die 'allergeilste Form von Demokratie'. Für uns ist sie a higher
community with a higher reality, mit einer eigenen Sprache und eigenen
Feiertagen.'
(TAZ vom 25.11.94).
Ein Motto der Techno-Bewegung lautet "Leben und Genießen' (vgl. Spohr, B.,
in "Partner-Magazin', Juni/Juli 1995, S.11). Dazu gehört es, kreativ zu
sein, fröhlich, schön, individuell und anders als alles andere. Wer sich gut in
Szene setzen kann, wird dafür auch mit Applaus und Anerkennung bedacht, wer
nicht durch besondere Verhaltensweisen auffällt, bleibt im Hintergrund und wird
nicht weiter beachtet. Ist das nicht das exakte Übernehmen der Merkmale unserer
Leistungsgesellschaft? Wer viel leistet, bekommt die gewünschte Anerkennung,
wer scheitert, bleibt auf der Strecke? Die Gefahr einer Abwertung ist auch
innerhalb der Szene groß.
"Wer beim Klamottenkauf daneben gegriffen hat, wird an Tagen mit hohem
Besucheraufkommen an den Türen der Clubs wieder abgewiesen oder erntet Stirnrunzeln
und Kritik.'
(ebd., S.12).
Die Techno-Szene ist, wie Walder es behauptet, demnach vielleicht wirklich nur
eine Konsumgemeinschaft in der Konsumgesellschaft, in der an den Teilnehmer
genauso große Anforderungen bezüglich seiner Leistungsfähigkeit gestellt
werden, wie in der "normalen' Gesellschaft.
Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Techno-Gemeinschaft im Grunde genommen
keineswegs als locker, offen, freundlich und vorurteilsfrei. Dazugehören, in
die Party integriert zu sein, kommt nicht von allein. Es ist eine Ehre, die man
sich erst verdienen muß. Bietet man einen interessanten Eindruck und verbreitet
gute Stimmung, ist man ein Gewinn für die Party und wird akzeptiert. Letztlich
ist die Szene also überaus leistungsorientiert. Vor alllem bei Jugendlichen
stellt sich oft die Frage: "Bin ich okay?' In der Techno-Szene mit ihrem
Kult der Selbstinszenierung lautet diese Frage: "Bin ich toll und brillant
genug, um hier bestehen zu können?'
"Nur wer sich
anstrengt, wer leistet, wer eine gute Show macht, bekommt die begehrte
Anerkennung und damit für kurze Zeit das Gefühl, nicht nur gut, sondern sehr
gut, brillant zu sein.' (ebd., S.13).
Ich möchte es keineswegs dem Autoren Rufer gleichtun und die gesamte
Techno-Szene über einen Kamm scheren, aber eine gewisse Tendenz zu der
beschriebenen Leistungsorientiertheit ist meiner Meinung nach nicht von der
Hand zu weisen.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Techno-Anhänger innerhalb der Szene
recht klar definierte politische und moralische Grundhaltungen einnehmen, zu
denen vor allem Toleranz, Akzeptanz, Offenheit und Friedfertigkeit gehören.
Neueinsteiger müssen sich daran halten, wenn sie angenommen werden möchten.
Vielleicht erscheinen Umwelt- und politische Probleme in ihrer Gesamtheit als
zu groß, um gelöst werden zu können. Sich zu engagieren und dann erkennen zu
müssen, daß das Engagement nicht ausreicht, um erfolgreich zu sein, ist
desillusionierend. Deshalb läßt man es lieber und kann so auch nicht enttäuscht
werden. In der heilen Party-Welt kann die Sehnsucht nach einem
gemeinschaftlichen Miteinander in Frieden und ohne Aggressionen ausgelebt
werden, und es ist gut denkbar, daß dieses Verhalten auch im "normalen'
Leben positiven Einfluß auf das Sozialverhalten der Raver hat. Hierzu nochmals
DJ WestBam in einer Reportage des ARD :
"Eine Jugendbewegung, die authentisch sein will, muß von finalen
Heilsbotschaften Abschied nehmen. Befreiung ist ein abstraktes Wort, ich
z.B.würde niemals eine klassenlose Gesellschaft fordern. Eine ehrliche Musikbewegung
kann so etwas nicht versprechen.'
(Cappelluti, N., ARD, 1996).
5.4 Von einer Subkultur zur kommerziellen Massenbewegung
Die Alltagsrealität von jungen Menschen wird in großem Maße von gesellschaftlichen Umbrüchen in den letzten Jahrzehnten verändert. Diese Umbrüche werden nach Beck sozialwissenschaftlich als Pluralisierung von Lebensformen und Individualisierung von Lebenslagen bezeichnet. Es gibt keine Lebensform, welche für alle Menschen ausschlaggebend ist. Individuelle Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten werden in immer stärkerem Maße auch von Jugendlichen in Anspruch genommen (vgl. Schroers, A.,1996, S.61). In der Kunst, Architektur und Musik entwickeln sich Trends und Moden genauso schnell wie im Bereich der Drogen.
"In der modernen
"Erlebnisgesellschaft' (Schulze) gehören bestimmte Drogen zum Inventar von
Selbstverwirklichungs-und Erlebnismilieus.'
(ebd., S.61).
Wenn man sich die Entwicklung von Drogentrends anschaut, so lassen sich beim
Aufkommen dieser Trends in den meisten Fällen drei Phasen beobachten: In der
ersten Phase wird eine "neue' Droge von sog. "Trend-Setters' in eine
Jugendkultur eingeführt. Im Grunde genommen beinhaltet jede Jugendkultur, in
der eine Droge ihren Platz findet, immer auch Merkmale einer bereits vorher
dagewesenen Jugendkultur (Ecstasy z.B. wurde Ende der 80er Jahre im Rahmen des
Revivals der Hippie-Kultur poulär). Diese alten Elemente werden dann mit neuen
verbunden, z.B. Computer, moderne Sound-Effekte usw.. Wenn die
Trendsetter-Phase vorbei ist, beginnt eine größere Gruppe von Jugendlichen,
sich für den Trend zu interessieren, der Trend zieht weitere Kreise. Die zweite
Phase beginnt. In dieser Phase kann eine zunehmende Kommerzialisierung
beobachtet werden, Kleidungsstile werden von den Herstellern adaptiert und auf
den Markt gebracht, Tonträger werden durch den Verkauf in großen Handelketten
einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Einige der "Trendsetter' aus
den Anfängen beginnen nun, sich von der Szene abzuwenden, weil sie in deren
Augen an "Esprit und Charme' verliert, vielleicht auch, weil die Szene
durch angestiegene Zulaufzahlen zu unübersichtlich geworden ist. Andere nutzen
ihren Einfluß aus und werden zu bestimmenden "Szenegrößen' ( z.B. Sven
Väth, DJ WestBam). Sie organisieren die Jugendkultur, organisieren Parties oder
versuchen, innerhalb der Szene neue Trends zu setzen. Ganz nebenbei beginnt
sich ein professionelles System zu entwickeln, um die immer stärkere Nachfrage
nach den Drogen decken zu können.
In der dritten Phase schließlich vollzieht sich eine Akzeptanz der neuen Kultur
durch die "normale' Gesellschaft. Die neu entstandene Jugendkultur wird
von der normalen Kultur geschluckt. Heutzutage bspw. werden die Charts zum
großen Teil von äußerst kommerziellen "Techno-Produktionen' beherrscht.
Diese Produktionen haben zwar mit dem eigentlichen Techno nichts mehr zu tun,
und ein "echter Techno-Anhänger' rümpft mit Sicherheit die Nase,
wenn er hört, was so in den Hitparaden läuft, aber alle diese Produktionen
haben den für Techno typischen durchgehenden Bass-Drum-Sound und ihre Wurzeln
lassen sich zweifelsohne in der Techno-Musik finden. Für einige Jugendliche
verliert die Jugendkultur in dieser Phase ihre Anziehungskraft und es entsteht
ein Vakuum, in dem sich schon wieder ein neuer Trend vorbereitet - der Kreis
schließt sich.
Techno hat diese
dritte Phase bereits durchschritten. Er ist derart von der Industrie vermarktet
worden, wie kaum eine andere Jugendkultur zuvor. Von Seite der Firmen wurden
alle nur erdenklichen Anstrengungen unternommen, auch eine Scheibe des Kuchens
abzubekommen. Es gibt organisierte Parties auf Schiffen, in Zügen, in
Flugzeugen, egal wo, Hauptsache nicht alltäglich und noch nicht dagewesen. Die
Hauptintention für die Sponsoren solcher Events ist die Präsenz in den Medien:
" Allen voran marschiert die Tabakindustrie als übermächtiger Sponsor diverser
Großevents. Die Krönung der immer kostenintensiveren Engagements sind
sicherlich die von Camei veranstalteten "Airraves', wo zum Beispiel ein
Flugzeug gechartert und der zahlungsfreudige Raver für taschengeldfreundliche
tausend Mark zum Tanzen nach Las Vegas geflogen wird.'
(Claus, C. in Rabes, M / Harm, W., 1997, S.89).
Daneben gibt es auch eine große Palette an Artikeln, die exra für die
Techno-Szene entwickelt worden sind. An erster Stelle stehen hier natürlich die
"Energy-Drinks' wie "Flying Horse' und andere, die zu immensen
Preisen verkauft werden, deren Wirkung aber im Regelfall von preiswerter
Apfelschorle übertroffen wird. (vgl., ebd., S.89)
Auch im Bereich der Kleidung ist Techno vollkommen kommerzialisiert worden.
" Der Bekleidungssektor fand mit Techno ein völlig neues Betätigungsfeld. Von
den klassischen Sportmarken mit eigenen techno-orientierten Kollektionen über
reine Merchandising-Firmen, die Einheitsshirts mit den Logos von Plattenlabels
oder Clubs bedrucken, bis hin zu Designern, die Haute-Couture-ähnliche
Kreationen in die Partyszene entsenden.'
(ebd., S.89 und 90)
Anmerkung des Verfassers: Den meiner Meinung nach Gipfel der Kommerzialisierung
entdeckte ich vor wenigen Tagen in einem großen Dortmunder Kaufhaus. Eine CD
mit dem Titel " Bugs Bunny und seine Techno-Freunde', darauf Kinderlieder
in Techno-Form.
5.5 Die Party als Entspannung - Aber Leistung ist angesagt
Obwohl es
wahrscheinlich für einen äußerst großen Teil der Bevölkerung unseres Landes auf
ewig ein Rätsel bleiben wird, wie ein Mensch sich in einer Diskothek bei hoher
Lautstärke, unter schlechten Luftbedingungen und dazu noch eingequetscht
zwischen hunderten anderer Raver entspannen kann, wird dies doch vom
Techno-Partybesucher ganz anders empfunden. Für ihn bedeuten diese Stunden ein
Losgelöstsein vom (manchmal) langweiligen und grauen Alltag, Stunden, in denen
er nicht über irgendwelche Probleme nachdenken will, sondern in den meisten
Fällen zusammen mit seinen Freunden eine Party feiert.
" Der Besuch von Technoveranstaltungen kann für Jugendliche auch ein Mittel
sein, belastende Alltags- und Streßsituationen bei der Bewältigung von
Entwicklungsaufgaben besser aushalten zu können. In diesem Fall wird die
Technoparty zur Erholung ( Rekreation) aufgesucht.'
(Cousto, H., 1995, S.43)
Nicht nur als Erholung wird das Party-Wochenende angesehen, sondern auch als
Ausbruch aus dem "normalen' Leben, ein Kontrast zum Alltag. Neue Leute
kennenlernen, sich locker und ungezwungen unterhalten, manchmal die ganze Nacht
lang, oder einfach nur Tanzen, Spaß an der Bewegung haben, schwitzen und
Lachen, das sind im Allgemeinen die Intentionen der Raver, wenn sie eine Party
besuchen.
In unserer heutigen Gesellschaft der Massenmedien, Mobiltelefone, Faxmodems und
Datenhighways werden die Menschen mit Informationen und Sinneseindrücken
geradezu überschüttet. Eine ständige Präsenz, diese Informationen aufzunehmen
und zu verarbeiten wird von praktisch jedem erwartet. Die menschliche
Verarbeitunskapazität ist jedoch schon seit längerem überlastet. Um diese
wieder zu entlasten, so meinen viele Party-Gänger, biete sich ein wöchentlicher
Inten- sivurlaub in Form einer Party geradezu an. Dort könne
man die angestauten Spannungen, die aufgebauten Aggressionen wunderbar
"wegtanzen' und sei nicht dem allgegenwärtigen Druck unserer heutigen
Leistungsgesellschaft ausgesetzt. (vgl. Zeitschrift "Highlife', 1/97,
S.39).
Die Frage, die sich daraufhin stellt, ist die, ob bei einer Techno-Party nicht
mindestens die gleichen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Besuchers
gestellt werden, wie im "normalen' Leben auch.
Es fängt doch schon beim Türsteher an: Wer nicht "stilecht' gekleidet ist,
hat des öfteren Probleme, überhaupt hereingelassen zu werden, besonders in
Clubs, die etwas "auf sich halten'. Generell scheint die passende Kleidung
ein wichtiger Punkt innerhalb der Szene zu sein. Wie bereits oben beschrieben,
ist die Szene keineswegs so tolerant, wie es oft behauptet wird, und erscheint
jemand in Szeneuntypischer Kleidung, so wird er mit Sicherheit bemerken, daß
viele andere ihn etwas verstört angucken werden.
Ein weiterer Punkt ist der, daß die Clubs ihre Türen in der Regel gegen
23 Uhr öffnen, die Party aber erst ab ca.2 Uhr in der Nacht richtig losgeht und
dann meistens bis in die frühen Morgenstunden oder noch länger andauert. Hier
ist die Leistung durchzuhalten gefordert, wer schon um 3 Uhr nach Hause geht,
ist ein Schlappmacher, er verpasst ja das Beste.
"Die Raves, auf denen Ecstasy konsumiert wird, sind zum Erlebnis- und
Abenteuerersatz für junge Menschen in der Großstadt geworden. Gut drauf sein
ist das Ziel, und durchmachen muß man, vor allem nach Einnahme der Pille.'
(Wilkens, W., 1995, S.68)
Kein Wunder, daß angeblich energiesteigernde Getränke wie "Red Bull' oder
"Flying Horse' gerade in der Techno-Szene ihren größten Absatzmarkt haben.
In Anbetracht dieser Tatsachen ist es eigentlich auch nicht verwunderlich, daß
die Besucher zu Drogen greifen, um durchzuhalten und um nichts zu verpassen.
"Da die langandauernden Tanz- und Technoparties dem Körper einiges abverlangen,
achten die Raver auf körperliche Fitneß. Häufig wird der körperlichen
Leistungsfähigkeit mit Hilfe der () stimulierenden Drogen wie Ecstasy und
natürlichen Koffeinen wie Guarana oder teuren Koffeinpräparaten ()
nachgeholfen.'
(Schroers, A., 1996, S.66)
Zwar wiederholen sich in der Szene oft Formulierungen und Aussagen wie "es geht
auch ohne Drogen', aber "meist siegt auch bei selbsternannten Rave-Gurus,
und vor allem bei kalkulierenden Veranstaltern und nüchternen DJs, die
Einsicht, daß die Raves ohne Drogen spätestens um sechs Uhr morgens zu Ende
wären. Ohne Drogen keine Marathonfeier.'
(vgl Walder, P. in Ecstasy-Prävention des Mißbrauchs, 1995, S.32).
Natürlich kann niemand behaupten, daß 100% der Besucher einer Party unter dem
Einfluß einer Droge stehen oder daß man nur "zugedröhnt' stundenlang zu
Techno tanzen könne. Ecstasy ist nicht Voraussetzung, aber schon ziemlich
stilprägend für die Techno-Kultur. Und die Leistungsanforderungen an den
Party-Teilnehmer werden durch den Ecstasy-Gebrauch noch erhöht. Eine Person,
die nüchtern eine Party besucht, kann dies wenigstens noch zur
"Entschuldigung' anbringen, wenn sie früher als andere nach Hause möchte,
aber jemand, der Ecstasy genommen hat, "kann' eigentlich nicht vor sechs
Uhr auf die Idee kommen, den Club verlassen zu wollen.
Ahnlich verhält es sich mit der Stimmung eines Einzelnen. Schlechte Laune oder
gar Mißmut auf einer Party sind ganz und gar nicht angesagt. Wie im Kapitel
"Politische und moralische Werte und Ideale der Techno-Szene' bereits beschrieben
wurde, wird an den Party-Gänger die Leistungsanforderung gestellt, gut drauf zu
sein.
"Ein unglücklicher Raver stellt in sich ein Paradoxon dar. Man muß mitmachen
und eine Party der Superlative feiern, oder diese mindestens wie einen Orgasmus
vortäuschen.'
(Zeitschrift Highlife, 1/97,S.40).
Obwohl diese Worte nicht ohne einen leicht ironischen Unterton geschrieben
wurden, ist mit Sicherheit etwas dran am Paradoxon des unglücklichen Ravers.
Aber wo bleibt die Entspannung, wenn ich mich unter den Druck gesetzt fühlen
muß, unbedingt gut drauf sein zu müssen?
Aber auch die Veranstalter sind inzwischen in Zugzwang geraten, jede Party muß
noch besser sein als die letzte, reine Wiederholungen eines Konzepts sind nicht
gefragt:
"Die Partys haben Extase auf dem Programm. Das Angebot an technischer
Ausstattung und Effekten wird ständig überboten, jede Party soll ein
Riesenspektakel sein, von dem man noch lange spricht: 'Der Aufwand stellt
alles, was es bisher in der Geschichte von Mayday und Partys überhaupt jemals
gegeben hat, in den Schatten: 250 Tonnen Licht und Ton, 500.000 Watt Sound, 200
Techniker, eine Woche Aufbauzeit' tönen die Veranstalter in der TAZ vom
25.11.94.müssen sich mit jedem neuen Mayday-Mega-Rave selbst übertreffen.
Teurer, lauter, bunter: Zur Ehre des Maschinenrhythmus werden keine Mühen
gescheut. Jeder Mayday ist deshalb der größte Rave aller Zeiten, für jeden
Mayday liegt die Latte etwas höher.'
(Spohr, B., 1995, S.10).
Die Veranstalter sollten sich meiner Meinung nach einmal vergegenwärtigen, in
was für einen Kreislauf sie hineingeraten sind und sich fragen, ob weniger
nicht manchmal mehr ist.
5.6 Zu Techno Tanzen - Oder " die Seele baumeln lassen'
Fast alle Stile von
Techno, abgesehen vielleicht von Ambient und, mit Abstrichen, Trance, sind
durch ihren durchgehenden und antreibenden 4/4-Rhythmus wie geschaffen, um dazu
zu tanzen. Eine Techno- Party ohne eine sich auf der Tanzfläche bewegende Menge
ist eigentlich nicht vorstellbar. Um sich vorzustellen, was Techno- Musik für
eine Wirkung auf Körper und Geist hat, muß man in der Lage sein, sich darauf
einzulassen. Schafft man dieses nicht, empfindet man Techno wohl eher als
undefinierbaren Lärm und weniger als Musik. In diesem Kapitel soll beschrieben
werden, was die Faszination des Tanzens in Verbindung mit Techno ausmacht.
Kurz und knapp ausgedrückt kann auf einer Party die Musik zusammen mit den
anderen Sinneseindrücken, die hier zu erfahren sind, den Raver beim exzessiven
Tanzen in Trance- und Rauschzustände versetzen. Drogen wie Ecstasy werden u.a.
dazu benutzt, diese Rauschzustände schneller auftreten und das Tanzen noch
intensiver werden zu lassen.
Die Verbindung von Musik und Tanz, mit der Intention, bestimmte Trance- oder
Rauschzustände zu erlangen, reicht weit in die Geschichte der Menschheit
zurück. In seinem Buch "Vom Urkult zur Kultur' nennt H. Cousto einige
Beispiele von Volksgruppen oder religiösen Vereinigungen, die durch das
Zusammenspiel von Tanz und Musik (oft kamen auch Drogen dazu) andere Bewußtseinszustände
hervorrufen wollten. Er nennt Schamanenmusik, Derwischtänze, Sufiorden und
Gregorianischen Gesang als Beispiele für diese zumeist religiös inspirierten
Gruppen. Allen gemeinsam war die Benutzung derselben musikalischen Mittel :
Rhythmus, Wiederholung und oftmals eine Steigerung des Tempos (vgl.ebd., 1995,
S.46-52).
Techno-Tänzer berichten oft davon, daß sie nach einiger Zeit des Tanzens die
Musik fast ebensogut fühlen wie hören könnten, und obwohl es der Bass ist, der
die Tänzer anreibt (vgl. Ahrens, H., 1993, S.91), liegt dies nicht nur an
dieser vorherrschenden Frequenz. Ahrens erklärt, daß zum einen das vegetative
Nervensystem durch die Hochgeschwindigkeit des Beats, zum anderen die Psyche
durch Klang - und darauf abgestimmte Lichtcollagen- beeinflußt werde.
"Die technisch erzeugten Licht-und Schallwellen und die synthetischen Rhythmen
der Technomusik durchdringen mit ihrer Impulsdichte und Hochfrequenz den
lebenden Organismus ganz und erzeugen im wesentlichen den
"Kunstraum'.'
(Ahrens, H., 1993, S.33).
Da eine Wirkung von Ecstasy die Steigerung des Berührungsempfinden ist, ist es
durchaus vorstellbar, daß der Eindruck, die Musik spüren zu können, dadurch
noch verstärkt wird.
Viele Tänzer empfinden das stundenlange Tanzen als eine körpelich-sinnlich-seelische
Verbindung, die als Befreiung und Ablenkung angesehen wird. Dahinter steht
oftmals der Versuch, eine Einheit zwischen Körper, Seele und Geist zu finden.
Ahrens bezeichnet diesen Effekt der Entspannung bei gleichzeitiger Bewegung
"Entspannungsekstase'
(ebd., S.33). Interviewpartner von Ahrens sagen, daß das Tanzen ihnen helfe,
sich von Affektstauungen, Alltagsfrust und spezifischen Alltags - und
Lebensängsten zu befreien und sie die Zeit vergessen ließe (vgl. ebd., S.96).
"Techno ist eine nichtaggressive Musik, sagt Valerie, auch wenn viele das
Gegenteil behaupten würden. Sie peitsche nicht auf, sondern baue Aggressionen
ab. Tanzen sei Trance und Leistungssport zugleich, nachher bist du erschöpft,
ausgelaugt, aber zufrieden.'
(Saunders, N., 1994, S.272).
Bestätigt wird dies auch von den Gesprächspartnern K. Krollpfeiffers:
"dieser Rhythmisierungseffekt, was die Musik angeht () Diese Umsetzung
der Musik in Tanzbewegungen funktioniert auf 'ne ganz außergewöhnliche
Weise'
(Krollpfeiffer, K., 1995, S.167).
Techno- Parties scheinen auch insofern ein guter Platz zum Tanzen zu sein, weil
jeder im Grunde genommen machen kann, was er möchte. Der Unterschiedlichkeit
der Tanzstile sind keine Grenzen gesetzt, manche stehen eher auf der Stelle und
bewegen nur ihre Arme, andere laufen beim Tanzen durch die Gegend, und wieder
andere springen auf und ab.
"Das Tanzen auf den Raves (oder House-, Technoparties) ist berührungsfrei, es
sind keine festgelegten Tanzstile auszumachen. Aus Platzgründen werden oft die
Arme in die Luft gehoben.'
(Schroers, A., 1996, S.65).
Gleichzeitig Drogen zum Tanzen zu gebrauchen, ist zwar weit verbreitet, aber um
die ekstatischen Erfahrungen beim Tanzen zu machen muß man nicht unbedingt
Drogen nehmen:
"Du kannst das Erlebnis [des exzessiven Tanzens, d.Verf.] nicht haben ohne die
Musik, aber du kannst das Erlebnis haben ohne die Droge.'
(Krollpfeiffer, K., 1995, S.205).
Allerdings sind Techno-Parties der ideale Rahmen für Ecstasy, "bspw. um einen
Zustand wie Trance oder Ekstase zu erfahren.' ( Schroers, A., 1996, S.65)
H. Cousto beschreibt
das Gefühl des Tanzens auf Parties folgendermaßen:
"Der Beat und der Sound treiben einen auf die Tanzfläche und schon befindet man
sich in einem ganz neuen Energiefeld, jenseits von Logik und Verstand, hüpfend
und tanzend bis einem der Schweiß in großen Tropfen auf der Haut herunterperlt,
mit allen anderen im Gleichklang tanzend und tobend bis zur völligen
Ekstase.'
(Cousto, H., 1995, S.42).
Außer der Drogenwirkung gibt es aber noch andere Aspekte, welche den Tänzer das
Tanzerlebnis rauschähnlich empfinden lassen. Man kann das Tanzen mit
sportlichen Betätigungen wie z.B. dem Langstreckenlaufen vergleichen. Bei
Marathonläufern bspw. werden nach einer bestimmten Zeit körpereigene Drogen
ausgeschüttet, die sog. Endorphine. Diese Endorphine bewirken, daß der Sportler
bzw. der Tänzer die Anstrengungen der körperlichen Betätigung nicht mehr so
stark bemerkt, eine Art des Rauscherlebnisses wird empfunden (vgl. Wirth, N.,
1996, S.54). Die auf die Musik hin abgestimmten Lichteffekte, zuckende
Stroboskop-Strahler, verbunden mit der hohen Lautstärke auf Raves verursachen
eine Art Reizüberflutung. Nach Rufer wirkt eine Reizüberflutung genauso wie
Reizentzug. Die Methode des Reizentzugs wird in der Psychotherapie angewendet,
um beim Patienten außergewöhnliche Bewußtseinszustände hervorzurufen. Einige
Effekte dieser Reizentziehung gleichen von ihrer Wirkung her denen von Ecstasy
oder auch von anderen Halluzinogenen. Auch der Schlafentzug, der oft mit dem
Besuch von Techno-Parties einhergeht, tendiert von seinen Auswirkungen her in
diese Richtung.
5.7 Hat Techno einen religiösen Aspekt?
Einige
Techno-Liebhaber vergleichen die ekstatischen Erfahrungen, die auf Parties
gemacht werden können, mit religiösen Erfahrungen. Auch einige Autoren, unter
ihnen besonders Cousto, gehen auf dieses Thema näher ein. Cousto schreibt u.a.,
daß Techno es durch seine konsequente sequenzielle Struktur ermögliche, einen
Zugang zu Bereichen zu bekommen, die den materialistischen und
naturwissenschaftlichen Denkweisen verschlossen blieben, und daß diese
Erlebniswelten jenseits aller klassischen abendländischen Kultur und der Kunst
bekannten Muster lägen.
Er zieht Parallelen zwischen Techno und Religion, indem er den Plattenteller
mit Gebetsmühlen gleichsetzt, die Diskothek als einen Tempel sieht und den DJ
mit einem Priester vergleicht (vgl. Cousto, H., 1995, S.42).
Des weiteren setzt er die Regelmäßigkeit, mit der Raver zu Parties gehen,
genauso wie die Wochentage, nämlich Samstag und Sonntag, mit dem Verhalten von
Kirchengängern gleich. Auch das Tragen bestimmter Kleidung und das gemeinsame
Zelebrieren eines Rituals zeige Ahnlichkeitem zwischen der Kirchen- und der
"Techno'-Gemeinde.
"Wem die heutige Kirche zu rational geworden ist, der kann im
Techno-Tanz-Tempel mystische, visionäre und ekstatische Erfahrungen mit anderen
Menschen sammeln. So wie einst die Kirche für die meisten gläubigen Menschen
ein Zentrum des gesellschaftlichen Lebens war, so ist heute der
Techno-Tanz-Tempel der zentrale Treffpunkt der Technoliebhaber.'
(Cousto, H., 1995, S.42).
Zwar mag es einige Technoliebhaber geben, für die das Besuchen von Parties den
gleichen Stellenwert hat, wie für andere der Gang zur Kirche, doch halte ich
diesen Vergleich für etwas weit hergeholt. Die Hauptintention der
Party-Besucher ist doch wohl eher hedonistischen Charakters, und religiöse
Ansprüche kann man meiner Meinung nach, wenn überhaupt, nur selten finden.
Viele Leute sehen im DJ eine Verkörperung eines Priesters, weil die Raver zu
ihm heraufschauen und er den Takt angibt, doch die Konstellation
Zuschauer-Musiker kann man seit Jahrzehnten auf jedem Rockmusik-Konzert
antreffen, und dort hat man noch nie etwas von einem solchen Vergleich gehört.
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6. Vorstellung suchtpräventiver Organistionen und Einrichtungen
6.1 Eve & Rave e.V., Berlin
(Bei der Beschreibung
von Eve & Rave beziehe ich mich vor allem auf die Ausführungen von H.
Cousto, 1995, SS.198-203)
Eve & Rave, seit Oktober 1994 eingetragener Verein, bezeichnet sich selber
als "ein Raverprojekt für Gesundheit, Kultur und Arbeit zur Förderung der
Technokultur und Minderung der Drogenproblematik.' Die Gründung des
Vereins geht auf die Initiative von Ravern aus der Szene einerseits und auf das
Engagement des Soziologen Helmut Ahrens andererseits zurück. Der eigentliche
Initiator Ahrens führte im zweiten Halbjahr des Jahres 1993 im Auftrag des
Bundesgesundheitsministeriums eine Studie der deutschen Aids-Hilfe in der
Techno-Szene durch. Da MDMA einen gewissen Ruf als Liebesdroge hat(te), sollte
diese Studie der Frage nachgehen, ob wegen des weitverbreiteten Konsums in der
Szene ein HIV-riskantes Verhalten und damit ein besonderer Bedarf an
Aids-Prävention bestünde.
Durch diese Studie aufmerksam geworden, begann eine Gruppe engagierter Raver,
sich einmal in der Woche zu treffen, um wichtige, die Szene betreffende Dinge
zu besprechen. Ein Punkt, der diesen Leuten als besonders wichtig erschien, war
der, die Raver darauf aufmerksam zu machen, wie man Drogen mit möglichst wenig
Risiko konsumieren kann. Da es sich sehr schnell zeigte, daß darüber nur Wenige
Bescheid wußten, beschloß man eine Safer-Use-Broschüre zu Ecstasy, Speed, LSD
und Kokain herauszubringen. Allerdings stieß der Inhalt dieser ersten Broschüre
auf starken Widerstand aus der Politik, insbesondere aus den Reihen der SPD und
CDU. Es hieß, das Heft sei eine "jugendgefährdende Schrift', insofern, als
daß es Drogen verharmlose und Jugendliche durch solch eine Gebrauchsanweisung
erst zum Drogenkonsum verführe. Die Veröffentlichung der ersten
Originalbroschüre in Frankfurt a.M. wurde aufgrund des politischen Drucks
zunächst wieder eingezogen. Erst nach einer Überarbeitung durch eine Gruppe von
Frankfurter Drogenexperten und erneuter Prüfung durch die Frankfurter
Staatsanwaltschaft wurde die nun teilzensierte Fassung wieder veröffentlicht.
Alle seitdem gedruckten und neu bearbeiteten Auflagen waren binnen kürzester
Zeit vergriffen. Die Broschüren wurden u.a. auf Parties verteilt und fanden
reißenden Absatz, was das große Informationsdefizit und -bedürfnis seitens der
Party-Gänger deutlich machte.
Weil sich Eve & Rave aus der Szene heraus entwickelt hat, besteht unter den
Ravern eine sehr große Akzeptanz für deren Arbeit. Man arbeitet
prozeßorientiert, und der Blickwinkel ist auf die Bedürfnisse der Raver
ausgerichtet, der Verein ist voll in die Szene integriert.
Innerhalb des Vereins gibt es eine Aufsplittung in verschiedene Arbeitsgruppen,
die allerdings nicht strikt getrennt voneinander arbeiten, sondern aufeinander
aufbauen und sich sich ergänzen:
1. "Vor-Ort' -
Arbeit in Berlin
Rave Safe Line: Bei dieser Telefongruppe können interessierte Leute anrufen und
sich ihre Fragen am Telefon beantworten lassen
Club-Teams: Hier werden Informationsstände organisiert, die direkt auf Parties
aufgebaut und an denen unterschiedliche Sachen angeboten werden. Die
Partydrogen-Broschüre ist hier erhältlich und es werden Kondome und
Safer-Sex-Infos verteilt. Außerdem kann man hier persönliche Beratungsgespräche
in Anspruch nehmen.
Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern
Kreativworkshops für Raver: Hier werden allgemeine kreative Aufgaben wie die
Gestaltung der Informationsstände, Herstellung von Vereins-Shirts und weitere
ähnliche Dinge organisiert und verwirklicht.
Twin-Planet: Der Twin-Planet ist ein freistehendes Haus in der Nähe von Berlin.
Hier gibt es gruppentherapeutische Angebote für Leute, die Probleme mit ihrem Drogenkonsum
haben oder "partysüchtig' geworden sind. Es bestehen Angebote wie
Meditationen und kreative Workshops. Der Vorteil hierbei besteht in der
Tatsache, daß die Leute hier in ihren Szenezusammenhängen bleiben und somit die
Hemmschwelle, dieses Angebot wahrzunehmen, sehr niedrig liegt
Drug-checking: Bis vor ca. einem halben Jahr war den Testen einer Ecstasy-Pille
nur durch Einsenden von 70,-DM möglich. Aufgrund dieser hohen Kosten, war es
eigentlich nur für Dealer interessant, dies durchzuführen, da es sich
wahrscheinlich nur wenige Konsumenten leisten können, so viel Geld für das
Testenlassen auszugeben. Nun bietet auch Eve & Rave den Schnelltest auf
Parties an, der zwar auch nicht aussagen kann, was wirklich in der Pille
enthalten ist, aber wenigstens die Hauptstoffe (MDMA, Amphetamin oder
Halluzinogene) identifiziert.
2.Kommerzielle
Kreativarbeit
In diesen Bereich fallen Dinge wie die Gestaltung der Chill-Out-Räume, der
Informationsstände und -zelte sowie Konzeption, Gestaltung und Bau der Mind-Machines,
die weiter oben schon beschrieben wurden. Diese Arbeitsgruppe ist auch für die
Produktion einer Benefiz-CD für Eve & Rave verantwortlich. Diese Arbeit
verfolgt zum einen das Ziel, Künstlern aus der Szene Gelegenheitsjobs zu
verschaffen, zum anderen aber auch Geld für den Verein zu erwirtschaften.
3. Außenkontakte und
Entwicklung neuer Konzepte
In dieser Arbeitsgruppe werden Kontakte zu anderen in der Szene tätigen
Präventionseinrichtungen gepflegt. Hier wird überprüft, inwiefern sich bewährte
Konzepte anderer Einrichtungen, wie z.B. das aus Manchester stammende
"Safer-Dancing' auf Berlin oder auf die übrige deutsche Party-Szene
übertragen lassen.
Weiterhin werden hier DJ's dahingehend ausgebildet, wie sie die Partybesucher
durch ihre Musik in Trance versetzen, aber auch wieder zurückholen können.
Hierbei profitieren Verein und DJ gegenseitig voneinander. Die Gage wird von
Eve & Rave kassiert, der DJ erlangt einen Bekanntheitsgrad über die Grenzen
von Berlin heraus, was normalerweise bei der Masse an ambitionierten DJ's sehr
schwierig ist.
In dieser Kontaktgruppe wird außerdem ein Informationsaustausch mit
Drogenberatungsstellen, Drogennotdiensten, Gesundheitsministerien und -ämtern
sowie den Senats-Regierungsstellen betrieben. Dort stoßen jedoch die Vorschläge
für eine liberalere Drogenpolitik in der Regel auf "taube Ohren' (vgl.
Cousto, H., 1995, S. 209-213).
Ziele von Eve & Rave
Die von Eve & Rave verfolgten Ziele sind einerseits auf die Gesundheit der
Raver, andererseits auf die Entwicklung und Fortführung der Techno-Kultur
ausgerichtet. In der Präventionsarbeit werden Drogen nicht verteufelt, es wird
auch nicht auf eine absolute Drogenabstinenz hin gearbeitet. Vielmehr wird es
angestrebt, die Eigenverantwortung der Partygänger hinsichtlich ihres
Drogenkonsums, ihrer Gesundheit und ihres Wohlergehens entwickelt, bzw.
verstärkt werden. Bewirkt werden soll dies durch eine Stärkung und Anregung des
Bewußtseins der Raver für Beziehungen untereinander. Diese Beziehungen sollen
einer Suchtentwicklung entgegentreten. Im Gegensatz zur immer stärkeren
Kommerzialisierung der Szene sollen die "alten Werte' wie Toleranz und
Gemeinschaft untereinander besonders den Neueinsteigern nahegebracht werden.
Außerdem soll die Technokultur in der Musik und der Körperarbeit
weiterentwickelt werden.
Finanzierung
Da der Verein keinerlei finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite erhält,
finanziert er sich aus eigener Kraft durch die Arbeit der einzelnen Mitglieder.
Ein großer Teil des Geldes kommt durch z.T. zweckgebundene Spenden von
Diskothekenbetreibern oder DJ's zusammen. Auch für Vorträge auf
Informationsveranstaltungen oder im Fernsehen bekommt man Geld. Der Verein
arbeitet daraufhin, daß man sich mehr und mehr aus eigener Kraft finanzieren
kann. Dies soll dadurch erreicht werden, daß man sich die Arbeitskraft der
Mitglieder verstärkt bezahlen läßt - entweder durch die Nutzer oder durch
Sponsoren.
6.2 Der Drogeninfobus der Beratungsstelle Hannover
Ausgehend von
Beobachtungen in England sahen die Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle in
Hannover, was für Probleme in Verbindung mit Ecstasy auf sie zukommen würden.
Deshalb beschlossen sie, ein Faltblatt zu konzipieren und zu veröffentlichen,
in dem darüber aufgeklärt werden sollte, welche Dinge man als Konsument von
Pillen beachten sollte. 1993 schließlich wurde der "Raver's Guide' als
erstes Informationsheft über Ecstasy veröffentlicht. Parallel zur Erstellung
der Broschüre wurde ein ausrangierter Doppeldecker-Bus der Berliner
Verkehrsbetriebe angeschafft und umgebaut. Im unteren Bereich des Busses
befinden sich nun Stehtische und Barhocker, außerdem werden dort Säfte und
Mineralwasser zum Selbstkostenpreis verkauft. Im Oberdeck befindet sich ein
Chill-Out-Raum, wo sich bis zu 20 Leute bei angenehmen Temperaturen erholen
können. Der gesamte Bus ist ein drogenfreier Raum, d.h. es dürfen dort
keinerlei Rauschmittel konsumiert werden, auch kein Alkohol.
Mit diesem Bus fahren Mitarbeiter der DROBS nun direkt zu den Parties,
vornehmlich im Bereich Hannover und Umgebung. Zugänglich für die Besucher ist
er von 22 Uhr abends bis 6 Uhr am Morgen. Die Besucher haben hier aber nicht
nur die Möglichkeit, sich auszuruhen oder preiswerte Getränke zu kaufen.
Vielmehr wollen die Mitarbeiter mit Usern ins Gespräch kommen, was vor allem
durch die Nähe zur Szene erreicht werden soll. Nach der Sicht der Drobs
brauchen Jugendliche eine differenzierte und objektive Aufklärung zum Thema
Ecstasy und anderer Party-Drogen. Sie will nicht zur absoluten Drogenabstinenz
aufrufen, da sie diese Zielsetzung als unrealistisch ansieht. Vielmehr soll es
darum gehen, den Drogenkonsumenten zu akzeptieren und ihm zu einem vernünftigen
Umgang mit Rauschmitteln zu verhelfen. Außerdem soll der Konsument Gefahren
beim Konsum erkennen und abschätzen können, genauso wie Verantwortung zu
übernehmen.
Ein oft vorkommender Einsatzort des Buses sind die "Hanomag-Hallen' in
Hannover. Dort finden an Wochenenden Techno-Großveranstaltungen mit mehreren
tausend Besuchern statt. Trotz des großen Publikums gibt es dort keinen
Chill-Out, so daß die Kapazität des Busses eigentlich jederzeit voll
ausgeschöpft wird, die Akzeptanz der Raver ist nach einigen
Anfangsschwierigkeiten sehr hoch.
Pillentesten
Das Testen von Pillen stellt innerhalb der Arbeit des Busses einen wichtigen
Faktor dar. Durch das Pillentesten hat die DROBS einen recht guten Überblick
über die sich momentan auf dem Markt befindlichen Pillen. Sie führt einerseits
den Schnell-Test durch, bei dem einige Krümmel einer Pille mit
Indikatorflüssigkeit beträufelt werden. An der sich anschließend einstellenden
Verfärbung kann abgelesen werden, ob es sich beim enthaltenden Wirkstoff um
MDMA oder ein Derivat davon handelt, ob eventuell Amphetamine oder
Halluzinogene enthalten sind bzw., ob überhaupt ein Rauschmittel drin ist.
Allerdings kann dieser Test keine Aussage dahingehend machen, wie hoch der
Wirkstoffgehalt ist, bzw. wieviele Verunreinigungen die Pille enthält (daher
wird in diesem Zusammenhang auch eher von "Pillenidentifikation' als vom
"Pillentest' gesprochen).
Deshalb werden die meisten Tabletten in einem Labor, das mit der DROBS
zusammenarbeitet, per Spekroskop untersucht. Anhand von Form, Farbe, Abmessung
und Prägung läßt sich so fast jede Pille zuordnen.
Kommt eine "schlechte' Pille in das Labor, also eine Pille, die hohe
Verunreinigungen oder andere gefährliche Beimischungen wie z.B. DOB (ein
Halluzinogen mit bis zu 30 Stunden Wirkungsdauer) enthält, werden so schnell
wie möglich Warnzettel gedruckt und auf den Parties verteilt. Parallel zu solchen
Aktionen arbeitet die Drobs mit dem Techno-Magazin "Mushrooms' zusammen.
Inzwischen hat die Drobs in diesem Veranstaltungsheft eine eigene Rubrik, in
der neben allgemeinen Fragen zu Ecstasy oder anderen Drogen Analyseergebnisse
und Warnungen vor schlechten Pillen veröffentlicht werden. Die Akzeptanz ist
nach Aussage von Peter Märtens sehr groß, viele Raver rufen auch unter einer
Hotline an und fragen nicht nur nach Testergebnissen, sondern vor allem nach
gesundheitlichen Auswirkungen des Drogenkonsums.
Es gibt eine Kontroverse zwischen der Beratungsstelle und Eve & Rave,
dahingehend, ob die Testergebnisse aller Pillen veröffentlicht werden sollten,
oder nur die der schlechten. Eve & Rave ist der Ansicht, daß die Leute über
qualitativ gute Pillen genauso informiert werden sollten, wie über schlechte
oder gefährliche. Die Mitarbeiter des Drogeninfobusses sehen allerdings die
Gefahr, daß sich User auf ein Testergebnis einer angeblich guten Pille
verlassen könnten, ohne mit Gewißheit sagen zu können, ob es sich wirklich um
die gleiche und nicht um eine Kopie handelt. Die User könnten sich in einer
nicht vorhandenen Sicherheit wiegen und lassen ihre Pillen dann evtl. nicht
mehr testen.
Ziele und Absichten
der Beratungsstelle Hannover
In seinem Vortrag auf der Fachtagung Ecstasy machte Lennart Grube deutlich, daß
es in der Arbeit der Drogenberatungsstelle nicht mehr nur darum gehen könne,
Hilfen zum Ausstieg aus dem Drogenkonsum zu geben, sondern daß ein weiterer und
wichtiger Schwerpunkt auf den Bereich der Drogenerziehung gelegt werden müsse.
Seiner Meinung nach ist nicht der asketisch lebende Mensch das Ideal unserer
Gesellschaft, sondern vielmehr der mündige Konsument.
"Davon ausgehend, daß das Ausprobieren und der Konsum auch von illegalen
Rauschmitteln ein jugendtypisches Risikoverhalten darstellt, muß sich die
Prävention auch als eine Art "Drogenerziehung' verstehen.'
(Grube, L., eigenes Protokoll der Fachtagung Ecstsy, 1997)
Um die Ziele der Drogenerziehung zu verfolgen, fährt der Drogeninfobus unter der
Woche zu Schulen. Dort werden die Schüler über Drogen informiert und Fragen
dazu werden beantwortet. Die Informationsschrift "Raver's Guide' wird dort
übrigens nicht verteilt, da sie für Leute gedacht ist, die sich bereits dazu
entschlossen haben, MDMA zu nehmen.
Eine weitere Zielgruppe der präventiven Arbeit sind Lehrer, Eltern und Freunde
der Konsumenten. Diese sollen genauso über Ecstasy, LSD und Speed aufgeklärt
werden. Deshalb hat die DROBS Hannover auch eine speziell für Eltern
konzipierte Broschüre herausgegeben, in der über eben diese Drogen informiert
wird. Die Eltern sollen ihre Informationen nicht aus unsachlichen oder
panikmachenden Zeitungsartikeln bekommen, sondern sich mit der Thematik
angstfrei(er) auseinandersetzen. Außerdem soll erreicht werden, daß sie auf der
Basis kompetenter Informationen einen besseren Zugang zu Gesprächen mit ihren
Kindern bekommen.
Die Finanzierung des
Busses
Die Finanzierung des Busses steht auf keinem sicheren Boden. Die Mitarbeiter
werden hauptsächlich über ABM-Stellen finanziert, die in den meisten Fällen nur
über ein Jahr laufen. Dies hat natürlich den Nachteil, daß die Klienten zum
Jahresende eine Umstrukturierung der Mitarbeiter in Kauf nehmen müssen, was
eine Konstanz der Beziehung zwischen Mitarbeiter und Klient nicht zuläßt.
Auf Veranstaltungen stellt der Bus eine Dienstleistung dar, die vom
Veranstalter und somit eigentlich vom Besucher bezahlt werden muß. Der
Veranstalter muß pro verkaufter Eintrittskarte 50 Pfennig an die DROBS
abführen. Bei einer Besuchermenge von 3000 Personen erwirtschaftet sie also
1500,- DM.
6.3 Das Jellinek-Zentrum, Amsterdam
Obwohl es immer
wieder heißt, die niederländischen Drogengesetze seinen besonders liberal,
unterscheiden sie sich nicht sonderlich von denen der Nachbarländer. Lediglich
die politischen Auslegungen der Gesetze sind liberaler. Die Politik in den
Niederlanden verfolgt nicht das grundsätzliche Ziel, seine Bürger vom
Drogenkonsum abzuhalten. Es wird stattdessen versucht, die Risiken des Konsums
sowohl für die Konsumenten als auch für die Gesellschaft so niedrig wie möglich
zu halten. Repressive Maßnahmen erstrecken sich nicht auf die Konsumenten,
sondern auf Hersteller und Händler.
Wegen ihres sehr pragmatischen Umgangs mit dem Drogenproblem steht die Niederlande
immer wieder im Kreuzfeuer der Kritk der anderen Nachbarländer. Unter solchen
Umständen ist es natürlich schwer für ein einzelnes Land, neue Wege in der Art
und Weise, mit Drogen umzugehen, zu beschreiten. Trotzdem versucht die
niederländische Politik, alternative Strategien zur Repression einzuschlagen.
Das Hauptziel des Jellinek-Instituts ist es, dem problematischen Konsum
vorzubeugen, nicht dem Konsum im Allgemeinen. Diesen Anspruch kann man
mittlerweile auch in deutschen Beratungsstellen finden, auch wenn er hier nicht
so unumstritten ist wie in den Niederlanden. Ein für die Präventionsarbeit
sicherlich sehr interessanter Ansatz soll im folgenden vorgestellt werden.
6.4 Das Projekt "Antenne'
Antenne ist eine Art
Basis für die Präventionsarbeit. Nur wenn man genau darüber informiert ist, was
die Menschen bewegt und beschäftigt und was sie eigentlich wollen, kann man
ihnen auf eine dafür zugeschnittenen Art und Weise Hilfe anbieten.
"Diese Überlegungen dürfen aber nicht starr auf den Drogenkonsum der Leute
gerichtet sein, sondern müssen den Menschen als Ganzes einbeziehen. So muß man
sich zum Beispiel fragen, welchen Lebensstil die Person oder die Gruppe
verfolgt, ob und wie sie politisch engagiert sind, in welcher Kultur sie
erzogen werden / worden sind, welche Wünsche, Ziele und spezifischen Probleme
() sie in ihrem Leben haben.'
(Wirth, N., 1996, S.91)
Um diese Fragen beantworten zu können, hat das Jellinek-Zentrum ein
Befragungssystem entwickelt, das halb-und ganzjährlich durchgeführt wird, um
immer auf dem neuesten Stand zu sein. Dieses Projekt heißt "Antenne'.
Aus den Ergebnissen ergibt sich ein Einblick in das gegenwärtige
Konsumverhalten der Jugendlichen. Außerdem lassen sich gewisse Trends für die
nahe Zukunft ablesen, so daß man einige Prognosen treffen kann, ob es bald
Personenkreise geben wird, die vermehrt Drogen konsumieren werden, und welche
Drogen bald beliebter werden. Somit ergibt sich der Vorteil, nicht auf bereits
aufgetretene Probleme reagieren zu müssen, sondern schon im voraus handeln zu
können.
Um zu diesen Informationen zu kommen, gliedert sich das Projekt in drei
Arbeitsschritte. Als erstes werden im jährlichen Abstand Schüler verschiedener
Altersklassen und Angehörige spezieller Risikogruppen, wie z.B. Klienten der
Jugendsozialarbeit befragt. Im halbjährlichen Abstand bezieht man Informationen
aus einem Forum von 25 Personen, die eine wichtige Stellung innehaben. Hierzu
gehören Schlüsselfiguren aus dem Diskotheken- und Gaststättengewerbe, der
Jugendsozialarbeit, aus Dealerkreisen, aus Verbänden der ausländischen
Arbeitnehmer und der Polizei. Außerdem schickt das Jellinek-Institut zweimal
pro Jahr ungefähr 25 Mitarbeiter in die Stadt, um dort in einschlägigen Kreisen
nach neuen Trends zu suchen.
"Die Interviewer und die befragten Personen kennen sich zum Teil seit vielen
Jahren und haben ein vertrauliches Verhältnis zueinander. Es ist
selbstverständlich, daß alle Angaben vertraulich behandelt werden und daß
niemand ein polizeiliches oder juristisches Nachspiel befürchten muß.'
(Cousto, H., 1995, S.180)
Beim zweiten Schritt setzen sich Personen aus ganz unterschiedlichen
Berufsgruppen zusammen, um das gewonnene Zahlenmaterial auszuwerten:
Sozialarbeiter, Mitarbeiter der Prävention, Forscher, Soziologen, Polizeibeamte
und Politiker. Durch die Überschneidungen zwischen diesen Berufsgruppen ist
dies ein sehr guter Weg, eine Lösung für eine bestehende oder aufkommende
Problematik zu suchen und zu finden.
Der dritte Schritt der Arbeit besteht darin, auf der Basis der jährlichen
Berichterstattung Empfehlungen und Anregungen zu geben, in welchen Bereichen
noch weiter geforscht
werden muß, oder an welchen Stellen die Polizei oder die Präventionsarbeiter
verstärkt tätig werden müssen.
Ziel des
Jellinek-Zentrums
Mit der Befragungstechnik wie sie das Jellinek-Zentrum für ihre Arbeit
gebraucht, können die neuesten Trends in der Drogenszene aufgespürt werden, und
man kann schnell und situationsbezogen beginnen, Konzepte zu entwickeln, um
gefährlichen Trends entgegenzuwirken.
Außerdem will das Zentrum den Konsumenten das Wissen vermitteln, wie ein
verantwortlicher Umgang mit Drogen erreicht werden kann. Die Entscheidung einer
Person für den gelegentlichen Konsum von Drogen muß nicht automatisch
schlechter sein, als überhaupt keine Drogen zu nehmen, nur muß der Gebraucher
wissen, wie er die damit verbundenen Risiken minimalisieren kann. Die
Mitarbeiter des Zentrums wollen den Konsumenten Hilfe anbieten, sich dieses
Wissen anzueignen.
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7. Kosumentenschutz in der Szene
Der Pillentest
Es kursieren viele
Gerüchte in der Techno-Szene über angeblich in Ecstasy-Pillen enthaltene
Verunreinnigungs-oder Zusatzstoffe. Hierbei reicht die Palette der vermuteten
Stoffe von anderen MDMA-Derivaten wie MDEA oder MDA über Speed, Koffein bis hin
zu Strichnin oder gar Heroin. Inwieweit dies zutrifft oder nicht, soll hier
beispielhaft an der Arbeit des Büros von August de Loor, dem "Stichting
Adviesburo Drugs' in Amsterdam beschrieben werden.
(In diesem Kapitel stütze ich mich bei der Beschreibung der Arbeit des Labors
auf die Ausführungen von Schroers, A., 1996, S.72 und 73).
Leider ist es in Deutschland ziemlich schwierig, Angaben oder verläßliche
Informationen über die Zusammensetzung der auf dem Markt gehandelten Pillen zu
bekommen, da es kein zusammenhängendes Analyse-System gibt. In den meisten
Fällen beschränken sich die Informationen auf Erfahrungsberichte der Raver, die
dann untereinander ausgetauscht werden. Eine verläßliche und objektive
Beurteilung der Qualität einer Pille wird so natürlich unmöglich, da die
Empfindung eines Ecstasy-Rausches von zu vielen verschiedenen subjektiven
Faktoren beeinflußt wird, als daß man von seinem Erlebnis auf das zukünftige
eines anderen Ravers schließen könnte.
Möchte man sich die Entwicklungstendenzen oder die aktuelle Lage auf dem
Schwarzmarkt genauer betrachten, so geschieht dies in der BRD vor dem
Hintergrund einer sehr geringen Datenmenge. Lediglich in den Niederlanden
findet man eine ausreichende Datenmenge, da hier schon seit einigen Jahren
Pillen getestet werden. Diese Tests werden im Rahmen des DIMS-Projekts (Drug
informatie en monitoring systeem, Drogeninformations - und Überwachungssystem)
durchgeführt. Dieses Projekt erforscht kontinuierlich die Situation auf dem
illegalen Ecstasymarkt. Kernstück des Projekts ist die Pillenanalyse, die
entweder vor Ort, d.h. auf Techno-Parties oder im Labor durchgeführt wird. Das
Drogentesten auf großen Techno-Veranstaltungen wird im Rahmen der
"Safe-House-Campaign' durchgeführt. Bei diesem Schnelltest handelt es sich
um den gleichen, wie er auch im Drogeninformationsbus der DROBS Hannover
durchgeführt wird.
Um genaue Informationen über eine Pille zu bekommen, muß diese in einem Labor
untersucht werden. Das Labor führt für jeden die Tests durch, es macht keinen
Unterschied, ob man Konsument, Dealer oder Hersteller ist. In jedem Fall kann
man auf Wunsch anonym bleiben.
Um seine Pillen
analysieren zu lassen, müssen sie bis zum Dienstag einer Woche abgegeben
werden. Die Pille wird mit einem Kenncode versehen, außerdem wird zusätzlich
ein Codename abgesprochen, so daß nur der Kunde, der die Pille abgegeben hat,
das Ergebnis erfahren kann.
Als Kunde muß man lediglich angeben, wo man sie gekauft hat, wie sie heißt und
welchen Wirkstoff in welcher Dosis sie nach Angabe des Verkäufers enthalten
soll. Bis zum Beginn des Wochenendes, bis freitags also, erhält man das
Ergebnis, welcher Wirkstoff tatsächlich enthalten ist und ob der Pille
kritische und / oder gefährliche Beimischungen zugesetzt sind.
So kann auf breiter Ebene eine Aussage darüber getroffen werden, welche
subjektiven Wirkungen welcher Substanz zugeordnet werden können. Drogenlegenden
und -mythen wird so die Grundlage entzogen und durch gesicherte Daten ersetzt.
Leider ist die chemische Analyse sehr teuer, für die Untersuchung einer Pille
werden 100-200 Gulden benötigt. Um die Leute, die wissen wollen, was in ihren
Pillen drin ist, durch diese Kosten nicht abzuschrecken, zahlt der Kunde
lediglich einen Teil, nämlich 25 Gulden. Den Rest übernimmt das
Gesundheitsministerium, pro Jahr übernimmt es Kosten in Höhe von 100.000
Gulden.
Wenn sich bei den Untersuchungen herausstellt, daß eine Pille überdosiert ist,
oder sie gefährliche Beimischungen enthält, so wird ein Informationsnetz aus
Flugblättern (Auflage bis zu 100.000 Stück) und Radio- oder Pressemitteilungen
gestartet, um die Konsumenten vor diesen Pillen zu warnen und zu schützen.
Diese System hat sich in den Niederlanden sehr gut bewährt, Pillen, vor denen
gewarnt wurde, lassen sich kaum noch verkaufen.
Der Pillentest ist ein sehr wichtiger Teil des Konsumentenschutzes und sollte
auch in Deutschland großflächig angeboten werden. Zumindest aus rechtlicher
Sicht wäre dies möglich. Ansonsten besteht für den Konsumenten lediglich die
Möglichkeit, seine Pille(n) in einer Apotheke testen zu lassen, denn auch
Apotheker stehen unter Schweigepflicht. Dies ist allerdings für den
Kleinkonsumenten mit 70,- DM für einen Test mit hohen Kosten verbunden, und es
ist sehr fraglich, ob viele User dieses Angebot in Anspruch nehmen.
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8. Ecstasy in der Techno-Szene - Eine Form integrativen Drogengebrauchs?
8.1 Erklärung der Fragestellung
Integrieren,
integrierte, hat integriert:
1. etwas vereinheitlichen, zu einem ganzen zusammenschließen; ein
integrierender (zur Vollständigkeit erforderlicher, wesentlicher,
unerläßlicher) Bestandteil(Klappenbach, R., 1974, S.334)
Lange Zeit war Ecstasy bekannt dafür, daß es ausschließlich in der Techno-Szene
benutzt wurde. Lediglich wenige Personen gebrauchten es für mehr oder weniger
professionelle Psychotherapien, oder um einen tieferen Einblick in ihre
Emotionswelt zu bekommen. Ein integrierter Drogengebrauch beinhaltet eine in
sich geschlossene Szene, in der eine bestimmte Droge in einem speziellen
Kontext benutzt wird. In einem solchen Fall sind die Situationen des Gebrauchs
ritualisiert, laufen also immer wieder nach dem gleichen Muster ab, insofern,
als das die Droge nur in bestimmten Situationen zweckgebunden eingesetzt wird.
In diesem Fall würde dies bedeuten, daß die Anhänger dieser Szene zu
Techno-Parties gehen, dort Ecstasy konsumieren und danach in ihren Alltag, in
dem die Droge keinen Platz hat, zurückkehren. Ob sich Ecstasy zusammen mit
Techno zu einem integrierten Ganzen zusammengefügt und diesen Zustand
beibehalten hat, soll in diesem Kapitel beantwortet werden.
8.2 Erläuterung des Ritualkonzepts
Das Ritualkonzept
wurde in den 70er Jahren entwickelt. 1977 führten Zinberg und Harding
Interviews mit Konsumenten von Haschisch, Mariuhuana, psychedelischen Drogen
und Opiaten über deren Konsumgewohnheiten durch. Aus Zinbergs langjähriger
Arbeit ergab sich eine für ihn überaus wichtige Fragestellung: Weshalb
verlieren manche User die Kontrolle über ihren Drogenkonsum, während andere in
der Lage sind, das Konsumieren von Drogen mehr oder weniger in ihr Leben zu
integrieren.
Sie kamen zu dem Ergebnis, daß in den drogenbenutzenden Subkulturen Rituale
existieren, die dem einzelnen die Möglichkeit geben, einen kontrollierten
Umgang mit der Droge zu betreiben. Unter dem Begriff Ritual verstehen Zinberg
und Harding in diesem speziellen Sinne:
"stylized, prescribed behavior surrounding the use of a drug, the methods to
procure and administer the drug, the selection of physical and social settings
for use, activities after the drug is administered and methods of preventing
untowards drug-effects.'
(Zinberg / Harding, zitiert nach Krollpfeiffer, K., 1995, S.40)
Eine allgemeine
Definition des Begriffes liefert Meyer's großes Taschenlexikon:
"Ritual: in der Soziologie Bezeichnung für eine besonders ausdrucksvolle und
standardisierte individuelle oder kollektive Verhaltensweise.
(ebd., 1987, S.278)
Die Theorie des Ritualkonzepts geht davon aus, daß solange sich ein User einer
Droge an ein feststehendes, vorgeschriebenes Ritual hält, was auch den Ort der
Drogeneinnahme festlegt und verschiedene Verhaltensweisen unter dem
Drogeneinfluß beschreibt, einen gewissen Schutz vor einer Suchtentwicklung
bieten kann. Dies hängt damit zusammen, daß der Rahmen für ein Ritual erst
geschaffen werden muß, der Konsument also nicht zu jeder Zeit zur Droge greifen
kann. Der Begriff des Rituals beinhaltet ebenfalls eine
"Nicht-Alltäglichkeit' beim Benutzen der Droge, eine Abgrenzung vom Alltag
also, da es ansonsten nur noch eine Gewohnheit wäre, und kein Ritual mehr.
Krollpfeiffer führt für die Wirksamkeit des Ritualkonzepts die Tatsache an, daß
die Zahl der Zwischenfälle mit LSD im Laufe der Zeit weniger geworden seien,
was nicht daran läge, daß weniger Leute LSD nähmen. Vielmehr hätte dies damit
zu tun, daß in der LSD-benutzenden Subkultur etablierte Rituale, Regeln und
Sanktionen von einer Generation von Usern an die nächste weitergegeben werden.
Als Beispiel führt sie die Betonung eines guten und "sicheren' Settings
oder die Vorbereitung auf die Drogenerfahrung an (Vgl. Krollpfeiffer, K., 1995,
S.40).
8.3 Bieten Rituale einen Schutz vor Drogenmißbrauch?
Was hat dies mit den
Anhängern von Techno-Musik und Ecstasy zu tun? Im Grunde genommen einiges, denn
beim Drogenkonsum in der Techno-Szene haben viele Verhaltensweisen einen
rituellen Charakter.
"Unter denjenigen, die dem engeren Kern der Techno-Szene zuzuordnen sind und
Ecstasy konsumieren, haben sich gewisse Rituale entwickelt mit nicht zu
unterschätzenden Schutzfunktionen.'
(Kuhlmann, T. in Jugendhilfe 6/96, S.31)
Die Wahl des Ortes der Drogeneinnahme z.B.. Der typische Platz des
Ecstasy-Konsumenten ist in der Regel eine Techno-Disko, bzw-Party. Die
anschließenden Verhaltenweisen sind kollektiv standardisiert: Man tanzt viel,
unterhält sich, tauscht Zärtlichkeiten aus, verbal oder körperlich, achtet
darauf, genug zu trinken, möglichst keinen Alkohol, nimmt nach einiger Zeit
vielleicht noch etwas mehr Ecstasy und kehrt nach dem Verbringen des Chill-Outs
in seinen Alltag zurück.
Das wichtige Element des Ritualkonzepts ist es, die Droge immer in einem
speziell für sie geschaffenen Rahmen einzunehmen und sie nicht mit zurück in
den Alltag zu nehmen. Sobald mit dem Konsum keine rituellen Verhaltensweisen
mehr verbunden sind und die Droge auch in ganz alltäglichen Situationen
konsumiert wird, geht die suchtvorbeugende Wirkung des Rituals verloren.
Die Bedeutung dieser Rituale darf allerdings nicht überbewertet werden. Die
Theorie funktioniert nur bei sehr verantwortungsbewußten Drogengebrauchern. Wie
oben bereits angedeutet, kommt es bei der suchtschützenden Wirkung des Rituals
sehr auf die Häufigkeit desselben an. Für einen Techno-Anhänger, der jede Woche
von Freitag bis Sonntag in Diskotheken verweilt und dort an jedem dieser Abende
Ecstasy nimmt, hat das Ritualkonzept keine Bedeutung. Bei einem solchen
Ecstasy-Konsum kann man allerdings auch nicht mehr von einem Ritual sprechen,
sondern eher von einer Gewohnheit.
Die beschriebene Form des ritualisierten Ecstasy-Konsums trifft zwar immer noch
auf eine zahlenmäßig große Gruppe von Gebrauchern zu, aber es gibt inzwischen
so viele Formen des Ecstasy Ge- und Mißbrauchs, so daß der Standardisierung des
Gebrauchs bei weitem nicht mehr die Bedeutung zukommt, wie es vor wenigen
Jahren der Fall war.
Für moderate Ecstasy-Gebraucher kann das Ritualkonzept einen gewissen
Suchtschutz bieten. Wie weit dieser reicht, hängt allerdings in starkem Maße
von den Konsumgewohnnheiten des Users ab. Solange dieser den Besuch einer Party
in Verbindung mit der Droge als eine ritualisierte Verhaltensweise beibehält,
die in ihrer Häufigkeit nicht ansteigt und etwas besonderes bleibt, was nicht
jedes Wochenende stattfindet, ist eine suchtverhindernde Wirkung
vorhanden. Aufgrund der Veränderungen in der Techno-Szene verliert die Theorie
des Ritualkonzepts allerdings an Bedeutung.
8.4 Aktuelle Veränderungen in der Techno-Szene
Die in Kapitel 5.4 beschriebene Entwicklung des Techno von der Subkultur zur kommerziellen Massenbewegung war nicht die einzige Veränderung der letzten fünf Jahre in diesem Bereich. Durch den zunehmenden Bekanntheitsgrad der Musik, traten auch die damit verbundenen anderen Dinge ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, nämlich der Besuch von Techno-Parties und die Droge Ecstasy. Ecstasy ist kein unmittelbar bedingender Faktor von Techno, und es sind auch nicht alle Besucher von Parties Drogengebraucher.
Aber ohne Ecstasy
würde die heutige Techno-Szene nicht in der Form existieren, wie sie es tut.
Und ohne Techno hätte Ecstasy nicht die Verbreitung mitgemacht, wie sie es
effektiv getan hat. Viele der heutigen Besucher von Parties sind im Grunde
genommen keine Anhänger von Techno-Musik, sondern haben gemerkt, daß die
Mischung der Droge und der Musik eine für sie sehr angenehme ist, sie würden zu
Hause, wenn überhaupt, nur sehr selten Techno-Musik hören. Andere konsumieren
Ecstasy ganz ohne Techno, für sie hat die Musik keine Bedeutung, und sie würden
auch auf keine Techno-Party gehen.
"In den letzten Monaten ist zunehmend zu beobachten, daß Ecstasy auch von
Personen genommen wird, die eher dem Randbereich der Techno-Szene zuzuordnen
sind, sich tendenziell eher keiner Szene zugehörig fühlen und damit auch nicht
in bestimmte Rituale eingebunden sind.'
(Kuhlmann, T. in Jugendhilfe 6/96, S.32)
Bei solchen Konsumformen kann man immer öfter eine Neigung zu tendenziell
riskantem Probierverhalten finden. Problematisch hierbei ist allerdings, daß
der Kenntnisstand über Wirkungsweisen und Gefahren nicht so hoch ist wie bspw.
in der Techno-Szene. Besonders problematisch sind dabei Konsumformen, in denen
der Konsument in keine Gruppe eingebunden ist und ohne ausreichende Kenntnis
und Sozialkontakte Ecstasy nimmt, um in irgendeiner Form die erwünschte und von
den Medien inzwischen in schillerndsten Farben beschriebene Wirkung zu spüren.
Es finden sich immer mehr Anzeichen dafür, daß Ecstasy die Grenzen der Szene
überwunden hat, und auch in anderen Szenen eine immer größer werdende
Verbreitung findet. Die Überschneidungen zwischen den einzelnen Szenen werden
immer mehr. So kann man in dem Heavy-Metal Magazin "Metal-Hammer' im Vorwort
einen Bericht eines Redakteurs über genau dieses Phänomen lesen, wo diese
Überschneidungen beschrieben werden, und in dem der Autor für mehr Toleranz
zwischen den Szenen aufruft. In immer mehr Clubs, in denen früher
ausschließlich Rock-Musik gespielt wurde, kann man inzwischen auch
Techno-Tracks hören. Beispiele hierfür sind Lieder der Gruppe "Underworld'
und "Prodigy', deren Techno-, bzw. Breakbeat-Tracks auch in der Dortmunder
Rock-Disko "Spirit' zum festen Repertoire der DJ's gehören. Bei vielen Musikprojekten
werden Elemente der Techno-Musik mit Rock-, bzw. Hardcore-Musik vermischt,
Beispiele hierfür sind Gruppen wie "Chemical-Brothers' und wiederum
"Prodigy'. Es finden immer mehr Annäherungen statt. Mitglieder von reinen
Rockgruppen singen in ihren Liedern über den Ecstasy-Konsum (Kory Clarke von
der Punk-Rock-Gruppe "Warrior Soul' im Lied "Trippin' on Ecstasy').
Leute, die immer gesagt haben, daß Techno-Musik nie etwas für sie sein würde,
fangen an, sich dafür zu interessieren.
Und abgesehen von den Überschneidungen im musikalischen Bereich steigt die
Anzahl derer, die Ecstasy unabhängig von Techno konsumieren. Auch die
Verbreitung von Speed steigt an, besonders in "Rocker-Kreisen', wie es
auch A. Schroers von der DROBS in Münster bestätigte, mit dem ich im Vorfeld
dieser Arbeit ein telefonisches Gespräch führte.
Nicht nur Techno-Anhänger meinen, mit Ecstsy oder Speed besser feiern zu
können, der Konsum der sog. Techno-Drogen ist längst aus seinem ursprünglichen
Umfeld herausgetreten und zieht immer weitere Kreise. In Bezug auf diese Drogen
kann man mittlerweile nicht mehr von einem integrierten Drogengebrauch reden.
Dies war vielleicht bis vor wenigen Jahren der Fall, aber heutzutage verhält es
sich anders.
Denn auch in der Techno-Szene selber hat sich die Art und Weise des
Ecstasy-Konsums geändert. Nicht nur, daß der Beigebrauch von Alkohol und der
Mischkonsum mit anderen Drogen stark angestiegen ist, das Beziehungsgeflecht
unter den Techno-Anhängern hat sich ebenfalls geändert:
"Früher, als die gesamte Szene noch viel kleiner war, waren die Beziehungen
untereinander viel stärker ausgeprägt, man achtete mehr auf die anderen. Die
Szene war familiärer und übersichtlicher.'
(Kuhlmann, T., eigene Aufzeichnung der Fachtagung Ecstasy, 17.02.97)
Jetzt aber, so Kuhlmann, kämen immer mehr Leute zu Techno-Parties, die
einerseits von der Alterstruktur viel jünger seien als früher, und auf der
anderen Seite einen unreflektierten Drogenkonsum betreiben. Die gefestigten
Beziehungsstrukturen, die durch die gegenseitige Kontrolle, Gespräche und das
"aufeinander-aufpassen' einen gewissen Suchtschutz bieten, würden mehr und
mehr in den Hintergrund treten, während dem unkontrollierten Drogenmißbrauch
immer mehr Bedeutung zukäme. Seiner Meinung nach müssten an dieser Stelle neue
Präventionsansätze gefunden werden, um dieser Entwicklung entgegenzutreten.
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9. Präventionsansätze und Betätigungsfelder für die sozialpädagogische Arbeit
9.1 Erklärung von Begriffen in Zusammenhang mit der Suchtprävention
Unter dem Begriff der
Prävention versteht man ein "Vorbeugen' oder "zuvorkommen', also eine
Verhinderung eines Zustandes. Dies beinhaltet ein zielgerichtetes Handeln, um
unerwünschte oder gesundheitsschädigende Zustände zu verhindern (vgl.
Treichler, J., 1993, S.11). Anstelle des Begriffs der "Prävention' wird
oft der Ausdruck "Prophylaxe verwendet.
Innerhalb der Suchtprävention unterscheidet mn drei verschiedene Bereiche:
1. Primärprävention
Die Primärprävention beginnt schon bei Kindern im Vorschulalter. Nach
wissenschftlichen Erkenntnissen entscheidet es sich in diesem Alter, ob Kinder
in einem psychisch gesunden Umfeld aufwachsen, was für eventuelle Suchtgefahren
von großer Bedeutung ist. Somit versucht die Primärprävention psychische und
soziale Probleme bereits vor ihrer Entstehung zu verhindern (vgl. ebd., 1993,
S. 12)
2. Sekundärprävention
Die Sekundärprävention setzt bei Personen an, die schon einmal Kontakt zu
Suchtmitteln hatten, oder aber auch schon abhängig sind. Verhindert werden soll
ein Ausweichen
auf problematischere Substanzen oder Konsummuster. Den Konsumenten soll
neben einer Beratung in Form von sachlichen Informationen über Vor-und Nachteile
einer Droge auch eine therapeutische Behandlung angeboten werden (vgl.
Scheerer, H., 1995, S.101)
3. Tertiärprävention
Die Tertiärprävention richtet sich einerseits an ehemals Süchtige oder
vorübergehend abstinente Personen, mit der Intention, Rückfälle zu vermeiden,
andererseits an akut Süchtige, um Überlebenshilfen anzubieten. Beispiele für
Tertiärprävention sind Substitutionsprogramme oder niedrigschwellige
Kontaktläden, in denen Kriseninterventionen stattfinden oder Möglichkeiten für
eine ambulante Beratung aufgezeigt werden (vgl. ebd., S.101)
9.2 Von der Drogen- zur Suchtprävention
Bis ca. Mitte der 80er Jahre war das Hauptmerkmal der Präventionsarbeit das Element der Abschreckung. Die Frage nach Ursachen für eine Suchtentwicklung wurden nicht untersucht. Stattdessen ging die Theorie der Prävention davon aus, daß man Jugendli
che nur drastisch
genug vor den schrecklichen Folgen des Drogenmißbrauchs warnen müsse, damit sie
gar nicht erst auf die Idee kämen, überhaupt Drogen zu nehmen. Damals wie heute
wurde den Konsumenten mit Strafe, Strafverfolgung und -vollstreckung gedroht,
wodurch sie kriminalisiert und dadurch in eine noch schlimmere soziale Lage
gebracht wurden, als es so oder so schon der Fall war.
1981 wurde das Betäubungsmittelgesetz durch einen sehr wichtigen Paragraphen
ergänzt. "Therpie statt Strafe' lautete das Schlagwort, unter dem im
Paragraphen 35 ff. erstmals ein Aspekt der Hilfe in das Gesetz aufgenommen
wurde (vgl. Loviscach, P., 1996, S.102).
Einen weiteren Wendepunkt gab es in der Drogenerziehung, als diese dazu
überging, neben den kognitiven auch die emotionalen Bereiche bei Jugendlichen
anzusprechen. Dabei ging es darum, sowohl die Jugendlichen selbst durch
Gespräche zu erreichen, um so Veränderungen der Einstellungen und
Verhaltensmuster zu erzielen, als auch eine Veränderung der gesellschaftlichen
Einflüsse anzupeilen, welche Jugendliche in ihrer Entwicklung schädigen und so
zu einer Suchtentwicklung führen könnten.
Die Entwicklung führte zu einer ursachenorientierten Suchtprävention, in der
auch stoff-
ungebundene Suchtformen wie Spiel- oder Arbeitssucht enthalten sind. Die
eigentlichen Auslösefaktoren von Sucht sind natürlich von Mensch zu Mensch
verschieden, doch in der Regel werden die Grundsteine dafür bereits in der
Kindheit gelegt, wenn ein Kind nicht genug Anregung für ein positives
Lebensbild und seine Identitäts- und Sinnbildung bekommt (vgl. Treichler, J.,
1993, S.55).
Parallel zur Prävention hat sich auch die Arbeit der Drogenberatungsstellen
verändert. Im Gegensatz zur traditionellen Drogenarbeit, die in ihrer Form sehr
hochschwellig war, hat sie sich zu einer niedrigschwelligen entwickelt. Früher
mußte der Klient eine große Eigenmotivation aufbringen mußte, um an seiner Lage
etwas zu ändern. Pünktlichkeit und Nüchternheit bei den Beratungsgesprächen war
Pflicht, und über allem stand das Ziel der absoluten Abstinenz.
Im Gegensatz dazu steht die heutzutage praktizierte Form der
Niedrigschwelligkeit. Die Möglichkeiten, Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu
nehmen sollen jedem zur Verfügung stehen. Ein Schlagwort der niedrigschwelligen
Drogenarbeit ist die Akzeptanz. Die Drogenarbeit soll suchtbegleitend sein,
klientenorientiert und risikovermindernd. Der Klient soll nicht bevormundet
werden.
"Im Umgang mit
Drogenkonsumenten wird auf Selbstbestimmung und Eigenverantwortung geachtet,
wobei es dem Klienten überlassen wird, ob und wann er drogenfrei leben
möchte.'
(Wirth, N., 1996, S.77)
In der Suchtprävention sollte nicht der Kampf gegen die Drogen im Vordergrund
stehen, dies wäre sowieso ein Kampf mit wenig Ausicht auf Erfolg. Die Sucht
sollte vielmehr als individuelles Schicksal und gesellschaftliches Problem
angesehen werden.
Als ein wichtiges Element fortschrittlicher Präventionsarbeit sieht Grube die Genußfähigkeit.
"Genuß' sei der positive Gegenbegriff zur Sucht. Genuß solle keinen
schnellen, unreflektierten Konsum beinhalten. Vielmehr seien zur Genußfähigkeit
bestimmte Bedingungen nötig, welche dem Konsumenten zu vermitteln in den
Aufgabenbereich des Sozialpädagogen falle.
Hierzu führt er folgende Aspekte an:
Zeit haben / nehmen: Es soll genügend Zeit zum reflektierten und, soweit dies
möglich ist, kontrollierten, Rauscherlebnis vorhanden sein, genauso wie ein
passender Rahmen, in dem die Zeit verbracht werden soll
Angstfreiheit: Genießen muß erlaubt und nicht verboten sein, Angste müssen
besprochen werden, es sollte in Gruppen konsumiert werden, um deren "soziales
und emotionales' Sicherheitspotential zu nutzen
Erfahrungsbildung: Der Konsument soll eigenhändig Unterscheidungsfähigkeit
entwickeln, d.h. über Qualitäten und Einsatzmöglichkeiten von Drogen Bescheid
wissen
Genuß ist subjektiv: Je nach persönlichen Motiven wählen Menschen verschiedene
Drogen und substanzunspezifische Handlungen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse
Auch Abstinenz kann eine Form des Genusses darstellen
Selbstbeschränkung: Ein wichtiger Punkt ist das Prinzip "weniger ist
mehr'. Der Konsument soll über genug Selbstkontrolle verfügen, um
einschreiten zu können, wenn der Genuß durch zu hohe Quantität verlorengeht
(vgl., Grube, L., eigene Aufzeichnung der Fachtagung Ecstasy, 17.02.97)
Wenn die Präventionsarbeit in der Techno-Szene in diese Richtung ginge, könnte
die Gefahr einer Suchtentwicklung um einiges geringer werden. Das Erreichen der
Genußfähigkeit muß meiner Ansicht deshalb eines der Ziele in der Arbeit mit
Ravern sein.
9.3 Konsummotive und daraus resultierende Handlungsmöglichkeiten
Je mehr
Techno-Anhänger es gibt, und je länger es Leute gibt, deren Konsumgewohnheiten
so geartet sind, daß sie praktisch jedes Wochenende Drogen konsumieren, desto
mehr wird auch die Zahl derer steigen, die damit nicht mehr zurechtkommen und
auf professionelle Hilfe angewiesen sind.
Will man als Sozialpädagoge adäquat auf diese Situationen reagieren, so sollte
man sich darüber im Klaren sein, welche nicht erfüllten Bedürfnisse der
Konsumenten durch den Drogenmißbrauch verdeckt werden. Wenn die Motive zum
Konsum klar sind, kann erstens eine Intervention leichter sein, und zweitens kann
dann auch die präventive Arbeit an diesen Punkten ansetzen und somit (evtl.)
verhindern, daß eine Intervention überhaupt erst nötig wird.
Auf Techno-Parties kann man beobachten, daß der Konsum von Drogen dort etwas so
normales geworden ist, daß sich niemand mehr darüber wundert. Nirgendwo bei
einer Party wird ein Ecstasy-User auf Erstaunen treffen, wenn er jemandem
erzählt, daß "er auf Pille ist'. In der Szene existiert kein
Unrechtsbewußtsein für den Konsum illegaler Drogen.
"Die Unterscheidung zwischen Legalität und Illegalität einer Droge ist ohnehin
für jugendliche Konsumenten eine ziemlich untergeordnete Frage.'
(Hurrelmann, K. in Magazin für die Polizei, 26, 1996)
Aber wie sollen Ecstasy-Konsumenten ein Unrechtsbewußtsein entwickeln,
wenn wir in einer Gesellschaft leben, in der hunderttausende Psychopharmaka
konsumieren, die völlig legal erhältlich sind? (vgl. Rufer, M., 1995, S.107).
Zwar ist die Tatsache, daß es auf einer Party eher unnormal ist, keine Drogen
zu nehmen, im Grunde genommen ein wenig erschreckend, aber trotzdem kann hier
eine Form der Prävention ansetzen. Gerade Neueinsteigern in der Szene, die sich
entschlossen haben, keine Drogen zu nehmen, müssen in dieser Richtung bestärkt
werden.
Wie schon weiter oben beschrieben, kann man gerade unter Neueinsteigern in der
Szene eine zunehmende Risikobereitschaft beim Drogenkonsum erkennen. Die
Hemmschwellen, Substanzen auszuprobieren, werden immer niedriger. Aber bei den
Neueinsteigern kann man eine Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Gruppen
erkennen: Die erste setzt sich überwiegend aus Mittelständischen, Schüler der
oberen Jahrgangsstufen oder Angestellten in Verwaltung o.ä. zusammen. Die
Konsummotive sind in erster Linie Neugier, bzw. die Lust, etwas auszuprobieren,
von dem man schon viel gehört hat.
"Das wichtigste
aktuelle Motiv für den Einstieg in den Konsum sowohl legaler als auch illegaler
Drogen ist meist die Neugier und der Wunsch, die Wirkung einer Droge
kennenzulernen und interessante und erlebnisreiche Gefühlszustände zu
durchleben.'
(Hurrelmann, K. in Magazin für die Polizei, 26, 1996, S.8)
Die andere Gruppe, "proletarische Raver' (Wirth, N., 1996, S.111), sucht
eher den Ausstieg aus der Realität und will "krass und geil' abfahren.
Des weiteren muß zwischen Konsummotiven für den Erstkonsum und den
darauffolgenden Konsum unterschieden werden. Während anfangs Motive wie
Neugierde oder intensivem Erleben im Vordergrund stehen, ist es hinterher der
starke Wunsch, diese Dinge nochmals zu erleben, nochmal so gut reden können,
nochmal soviel tanzen können. Man kann diesen Wunsch wohl gut verstehen, und es
ist bestimmt kein erfolgversprechender Weg, diese Leute davon abbringen zu
wollen, nochmal Ecstasy zu nehmen. Wichtiger ist es, ihnen zu verdeutlichen,
daß der Konsum von Drogen, wenn überhaupt, die Ausnahme bleiben soll, bzw. muß.
Das Gefühl, daß eine Techno-Party ohne die Droge keinen Spaß mehr mache, darf
gar nicht erst aufkommen. Deshalb ist es von großem Vorteil, wenn ein
Sozialpädagoge schon früh in Kontakt mit Ravern treten kann. Er könnte sie dazu
ermutigen, schon zu Beginn ihrer Techno-Phase auch ohne Ecstasy tanzen zu
gehen, so daß das oben beschriebene Gefühl erst gar nicht auftreten kann. So
kann dem sonst früher oder später auftretendem Automatismus Party = Drogen
entgegengewirkt werden.
Einen sehr interessanten Ansatz dafür, daß Menschen Drogen konsumieren, bietet
E. Fromm. Er beschreibt den Menschen im Kindheitsstadium als ein sehr
naturnahes Wesen, daß noch keine Unterscheidung zwischen sich und dem Rest
seiner Umwelt machen kann. Mit dem Auflösen der primären Bindungen werde die
Welt allerdings abgetrennt und das Bedürfnis, neue Mittel und Wege zu finden,
um dem Getrenntsein zu entrinnen, steige stark an. Ein Weg hierzu sei das
Erleben von orgiastischen Zuständen, die man auch mit Hilfe von Drogen
erreichen könne. Bei einem vorübergehenden Zustand der Exaltion verschwinde das
Gefühl, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein.
"Werden diese Rituale (s.o.) gemeinsam praktiziert, so kommt das Erlebnis der
Vereinigung mit der Gruppe hinzu, was die Wirkung noch erhöht. () Es
scheint, daß der Mensch nach dem orgiastischen Erlebnis eine Zeitlang
weiterleben kann, ohne allzusehr unter seinem Abgetrenntsein zu leiden. Langsam
nimmt dann die Spannung der Angst wieder zu, so daß sie durch die Wiederholung
des Rituals wieder gemildert werden kann.
(Fromm, E., 1993, S.24)
Gerade in diesem
zitierten Abschnitt wird deutlich, daß Suchtprävention schon im frühen
Kindesalter beginnen muß, damit dem später so oft aufkommenden Gefühl des
Alleine-und-einsam-seins dann schon der Nährboden entzogen wird. Dann kann es
auch verhindert werden, daß bei vielen Konsumenten von Drogen ein Defizitgefühl
Hauptmotiv für den Konsum wird.
"Bei den meisten Drogen ist dieser Wunsch [Drogen und damit neue
Gefühlszustände kennenzulernen, Anm. d. Verf.] () vor allem bei denjenigen
Jugendlichen besonders stark, die Defizitgefühle im Leistungsbereich und
sozialen Kontaktbereich empfinden.'
(Hurrelmann, K. in Magazin für die Polizei, 26, 1996)
Und einen weiteren sehr wichtigen Punkt für die sozialpädagogische Arbeit
spricht Fromm ebenfalls an: Die Rolle der Gruppe, in der zusammen konsumiert
wird, ist bedeutend. In der Didaktik bezeichnet man die Gruppe auch als
"funktionale Lerngruppe', weil Jugendliche unbewußt voneinander lernen,
sich aneinander orientieren und gegenseitiges Verhalten abschauen und dann
kopieren.
Befindet sich ein Raver nun in einer Gruppe, in der es Gewohnheit ist, Ecstasy
zu nehmen, so wird es für ihn doppelt so schwer sein, dies nicht mehr zu tun,
wenn er sich dafür entschieden hat. Da sich in der Techno-Szene Konsumenten oft
von Nicht-Konsumenten abgrenzen, läuft dieser Jugendliche Gefahr, ein soziales
Netz zu verlieren. Deshalb könnten Sozialpädagogen versuchen, Gruppen
anzusprechen, um dort Prozesse in Richtung eines schadensmindernden und
kontrollierten Konsums in Gang zu bringen. Ebenfalls kann versucht werden,
zusammen Handlungsalternativen zu suchen und zu finden.
Ein anderer Aspekt der Präventionsarbeit sollte sein, dem wachsenden
Mischkonsum entgegenzutreten. Beim "Runterkommen' zur "falschen'
Droge zu greifen, also dazu überzugehen, Benzodiazepine oder sogar Heroin zu
nehmen, kann fatale Folgen haben. Daß die Tendenz oftmls in diese Richtung geht,
bestätigt Kuhlmann:
"Aus diesem Grunde [um endlich schlafen zu können,Anm. d. Verf.] wird zunächst
Cannabis geraucht, viele greifen zu klassischen "Downers' wie Rohypnol,
sogar niederpotenten Neuroleptika und schließlich zu Heroin als scheinbar idealem
Entspannungsmittel. Bei Fortsetzung des chronischen MDMA-Konsums festigt sich
der Kontakt zur illegalen Heroinszene mit allen damit verbundenen, hinlänglich
bekannten sozialen, psychosozialen und psychischen Folgen.
(Kuhlmann, T. in Jugendhilfe 6/96, S.32)
Hier kann man
versuchen, den Konsumenten nochmals das Motto "weniger ist mehr' zu
vermitteln, damit dieser nicht nach dem Wochenende noch so wach ist, daß er zum
müde-werden auf diese Substanzen zurückgreifen muß.
Ein Problem der Drogenarbeit ist die oftmals bestehende subjektive Distanz der
in der Drogenhilfe professionell tätigen Mitarbeiter gegenüber der Szene. Die
bestehenden Vorurteile gegen diese (Sub-) Kultur ist ein Hinderungsgrund bei
der Entwicklung spezifischer niedrigschwelliger Ansätze. Für die Entwicklung
eines stabilen und tragfähigen Kontaktes zu einer synthetische Drogen
konsumierenden Person müssen die gleichen Kriterien gelten wie in der Arbeit
mit Opiatabhängigen:
Entwicklung einer von Empathie, Einfühlungsvermögen und authentischer Akzeptanz
geprägten Beziehung
Kenntnis der wesentlichen Rahmenbedingung
Verständnis für eine "etwas andere' Lebensform
Der teilweise auftretenden Distanz zwischen professionellen Mitarbeitern der
Drogenhilfe gegenüber der Techno-Szene liegt vielleicht ein Bruch zwischen
klassischer Drogenhilfe in Tradition der sogenannten 68er Generation einerseits
und der Techno-Szene als Vertreter des modernen Computer-Zeitalters
andererseits zugrunde. Indem man diesen Bruch erstmal wahrnimmt und dann
versucht, ihn zu überwinden, könnte ein tragfähiger Kontakt zur Zielgruppe des
Ecstasy-konsumierenden Techno-Fans aufgebaut werden, ohne dabei sein eigenes
Lebensgefühl in den Hintergrund zu stellen. Die beschriebene Diskrepanz fiel
mir persönlich besonders auf der Fachtagung "Ecstasy' vom 17.02.97 auf.
Dort äußerten sich nämlich einige Mitarbeiter der Jugendhilfe auf eine Art und
Weise zum Thema Techno und dem damit verbundenen Drogenkonsum, welche die
notwendige Akzeptanz und Toleranz zu wünschen übrig ließ.
Erforderlich ist in diesem Kontext kein anbiederndes Verhalten, sondern die
Überwindung einer grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber dem Lebensgefühl
von Menschen, die sich einer anderen Subkultur zugehörig fühlen. Die
Zugangswege außerhalb der Einrichtungen der Drogenhilfe sollten nicht von einer
vorurteilsbehafteten Einstellung verbaut werden. Die Kontaktknüpfung
unmittelbar vor Ort, also auf Parties oder in Diskotheken sind eine wichtige
und unverzichtbare Voraussetzung, um adäquate klientenorientierte Angebote in
der Prävention zu entwickeln und mit diesen Angeboten die Zielgruppe auch zu
erreichen.
9.4 Konkrete Konzepte zur Präventionsarbeit
Die Präventionsarbeit
in der Techno-Szene ist für deutsche Sozialpädagogen ein ganz neues
Arbeitsfeld. Hier könnte es helfen, einen Blick in unsere Nachbarländer
Niederlande und Großbritannien zu werfen. Diese Länder haben in dem Bereich
einen Wissensvorsprung von einigen Jahren. Leider lassen sich diese Konzepte
aufgrund der verschiedenen politischen Verhältnisse nicht ohne weiteres auf
Deutschland übertragen. Jedenfalls geht es nicht, in Deutschland bestehende
Handlungskonzepte für Opiatkonsum auf die Techno-Szene anzuwenden. Es ist
dringend nötig, neue Überlegungen anzustellen und Handlungsstrategien zu entwickeln.
Vorüberlegungen müssen dahin gehen, sich zu fragen, was das Party-Leben
ausmacht, und was es für die Raver bedeutet. Dann wird die Situation deutlich,
in der sie sich befinden. Sind die positiven und negativen Seiten des
Party-Lebens deutlich geworden, kann man damit beginnen, Ziele für die
Präventionsarbeit zu formulieren.
Zusammengefaßt lauten diese Ziele folgendermaßen:
Der Kontakt zu Ravern muß so früh wie möglich hergestellt werden, damit der
Sozial- pädagoge
problematischem Verhalten schneller entgegentreten kann.
Es soll verhindert
werden, daß "Probierer' oder Gelegenheitskonsumenten zu Süchtigen werden.
Der Sozialpädagoge soll Handlungsalternativen zum Drogenkonsum aufzeigen
können.
Die Folgen der Durchkommerzialisierung und Vermassung der Szene sollen
abgemindert werden. Die "alten Werte' wie Toleranz und Gemeinschaftsgefühl
müßten wieder gestärkt werden.
Den Ravern muß die Bedeutung von engen und tragfähigen Beziehungsstrukturen
nahegebracht werden.
Safer-Use Regeln müssen noch weiter verbreitet und durchgesetzt werden.
Sozialpädagogen müssen die Barriere zwischen ihrer Lebenswelt und der der Raver
überwinden, um klientenorientiert arbeiten zu können.
Einen guten Ansatz zu einer "neuen' Präventionsarbeit bietet die
Möglichkeit, die Raver selbst aktiv werden zu lassen, nach dem Vorbild von Eve
& Rave. Die Einbeziehung in die Arbeit fördert die Akzeptanz in der Szene
und bei den mitwirkenden Ravern selbst.
Die hier
vorgestellten Modelle beziehen sich zumeist auf Konsumbegleitung, welche die
folgenden drei Bereiche beinhaltet:
1. Streetwork, d.h. auf Parties anwesend sein
2. Niedrigschwelliger Kontaktladen für Raver
3. Beratung
Eine besondere Bedeutung haben die ersten beiden Punkte, insofern, daß hier
versucht werden soll, den Ravern Strukturen anzubieten, in denen sie sich
organisieren und auch selber aktiv sein können. Die Hauptaufgabe der
Sozialpädagogen besteht hierbei darin, eine Art Anstoß zu geben, den die Raver
dann weiter verfolgen sollen. Ziel dabei ist es, die Raver kompetent zu machen,
so daß sie eigenständig Aufgaben erledigen und eigene Arbeitsbereiche
übernehmen. Ein gutes Beispiel für diese Arbeitsweise ist das Eve & Rave
Projekt, wo sich die Raver nach einem Anstoß auf eigene Initiative organisiert
haben und das mittlerweile eine wichtige Organisation innerhalb der Szene ist.
Streetwork
In diesem Bereich der Präventionsarbeit liegt der Schwerpunkt in der
Kontaktaufnahme mit Ravern. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Vermittlung
von Informationen. Der Ort dieser Kontaktaufnahme ist der Platz, an dem Raver
sich aufhalten, also eine Techno-Disko oder eine Party. Da eigentlich jede
Party einen Chill-Out Raum haben sollte, wäre dies der dafür geeignete Platz.
Wenn man als Sozialpädagoge an einer Stelle eingreifen möchte, muß er natürlich
erst einmal den Kontakt zum Klienten herstellen. Im einfachsten Fall tritt der
Raver an einen Mitarbeiter heran und fragt nach z.B. Informationsmaterial über
synthetische Drogen. Es kann auch sein, daß eine Person ein damit in Verbindung
stehendes konkretes Problem hat, das zu besprechen etwas länger dauert. Für
diese Fälle sollte es eine ruhige Ecke geben, in die man sich gemeinsam
zurückziehen kann. Zwar kann es sein, daß einige Leute gewisse Hemmschwellen
haben, an die Mitarbeiter heranzutreten, aber hier ist es dann von Vorteil,
wenn Raver selbst an solchen Informationsständen mitarbeiten. Die Hemmschwelle,
"Gleichgesinnte' anzusprechen liegt mit Sicherheit niedriger, als
gegenüber "normalen' Mitarbeitern.
Neben der Kontaktaufnahme ist es von Bedeutung, daß Informationen zur Thematik
weitergegeben werden. Dies beinhaltet ebenso Informationen über einen
risikomindernden Konsum, genauso wie den weiter oben beschriebenen Schnelltest
der Pillen mit anschließendem Vergleich mit Listen von den sich im Umlauf
befindlichen. Wichtig hierbei, und von einigen Institutionen bereits
realisiert, ist die richtige Verpackung dieser Informationsbroschüren. Keine
nüchterne Aneinanderreihung von Fakten, sondern vielmehr ein ansprechendes
Layout ist hier gefordert.
Dem weiter oben beschriebenen Anstieg des Mischkonsums von Ecstasy mit anderen
Drogen kommt eine besondere Bedeutung zu, insofern, daß es ein Hauptpunkt ist,
bzw. sein wird, auf den Mitarbeiter gesondert eingehen müssen, da er ein sehr
großes Gefahrenpotential impliziert.
Ein weiterer Vorteil der Anwesenheit vor Ort, also auf einer Party, ist die
Ansprechbarkeit der Mitarbeiter in Notfällen, d.h. bei einer Überdosierung oder
ähnlichen Fällen. Es ist keine Frage, daß bei akuten, gesundheitsbedrohlichen
Situationen nur ein Arzt wirkliche Hilfe leisten kann, doch in vielen Fällen
können beruhigende und einfühlsame Worte schon einiges leisten.
Außerdem kann das Streetwork dabei helfen, das Cafe, welches weiter unten
beschrieben wird, bekannter zu machen. So können Mitarbeiter in Gesprächen den
Vorschlag machen, sich das Cafe doch einmal anzuschauen und zu überprüfen, ob
man sich dort wohl fühlt, also dieses Angebot in Anspruch nehmen möchte.
Das Cafe
Das Cafe, eine Art Kontaktladen für Benutzer synthetischer Drogen, ist ein
neues Angebot, das in Deutschland meines Wissens nach bisher einmalig ist. Es
wird Mitte Mai in Bochum-Wattenscheid eröffnet. In einem Interview mit der
Mitarbeiterin Nadja Wirth erfuhr ich Einzelheiten dazu.
In diesem Cafe soll Ravern, genauso wie anderen Gebrauchern synthetischer
Drogen, ein Raum geboten werden, in dem sie sich drogenfrei kennenlernen
können. Im Gegensatz zu einer Party, wo negative Gefühle keinen Platz haben und
deshalb abgespalten werden, soll im Cafe darauf hingearbeitet werden, daß
BesucherInnen auch die schlechten Gefühle als dazugehörend empfinden und auch
"leben'. Das Cafe soll sehr szenenah aufgebaut sein. Dies soll bewirken,
daß die strikte Trennung vom bunten Wochenende und vom grauen Alltag, wie es
viele Raver betreiben, überwunden wird. Die Energien sollen gleichmäßiger
verteilt werden. Viele verausgaben sich am Wochenende total, um sich dann den
Rest der Woche kraftlos zu fühlen. Dies kann recht schnell zu einem Kreislauf
führen, in dem positive Gefühle nur noch auf einer Party, und dann meistens in
Verbindung mit Drogen erlebt werden, während der Alltag als langweilig und grau
gesehen wird. Zur Verdrängung der schlechten Gefühle wartet man dann auf die
Party, die mit der Zeit idealisiert und als Entschädigung für die langweilige
Woche gesehen wird. Diese Raver neigen oft dazu, die Drogen immer höher zu
dosieren, oder zum Mischkonsum überzugehen, um der Toleranzentwicklung
entgegenzutreten. Im Cafe soll ein (möglicher) Ausgleich zu diesem Verhalten
geschaffen werden.
Es sollen Strukturen angeboten werden, in denen sich die Raver selbst
organisieren. Die Aufgabe des Pädagogen besteht dann darin, Unterstützung und
Hilfe anzubieten. Außerdem sollen je nach Neigung Arbeitsgruppen gebildet
werden, in denen die Raver dann ihre Ziele verwirklichen können. Diese
Arbeitsgruppen könnten durchaus an denen von Eve & Rave angelehnt sein.
Warum soll es nur in Berlin organisationswillige, für ihre Szene aktive Raver
geben?
Im Cafe können Kontakte unter den Ravern in einer drogenfreien Umgebung
geknüpft werden. Dabei liegt der Anspruch an diese etwas höher als auf einer
Party. Dort stehen viele unter dem Einfluß von Ecstasy, was die Hemmungen,
jemanden anzusprechen niedriger werden läßt. Im Cafe besteht hingegen nicht die
auf Raves zwar unausgesprochene aber dennoch vorhandene Pflicht, immer nett
zueinander zu sein. Konflikte und Meinungsverschiedenheiten sollen ausgetragen
werden. Zu jeder tragfähigen Beziehung gehören auch negative Gefühle, welche
wie gesagt auf Parties oft ausgeklammert werden. Da solche engen Beziehungen
aber eine nicht zu unterschätzende suchtpräventive Wirkung haben, soll im Cafe
ein Raum geschaffen werden, in dem solche Betiehungen geknüpft werden können.
Die Öffnungszeiten des Cafes sollen zwei-bis dreimal in der Woche am späten
Nachmittag bzw. bis in die Abendstunden hinein liegen, da die meisten
Techno-Anhänger durch Schule oder Beruf eingebunden sind.
Bemerkenswert finde ich den Plan, das Cafe alle zwei Wochen sonntags morgens zu
öffnen. Dies soll ein Angebot an Party-Gänger sein, sich nach einer Party in
einer angenehmen Umgebung auszuruhen, und nicht noch mehr Drogen zu nehmen und
nach der Schließung eines Clubs zum nächsten zu fahren, um dort die After-Hour
zu besuchen. Das Cafe soll eine Alternative dazu sein, oder wenigstens eine
Unterbrechung. Die depressiven Verstimmungen beim "Heruntekommen'
von Ecstasy sollen hier in der Gemeinschaft abgeschwächt werden, um dem
Verhalten "nicht runterkommen, sondern nachlegen' entgegenzuwirken.
Die Beratung
Die Beratungsarbeit
im Zusammenhang mit synthetisch Drogenabhängigen oder Leuten, die mit
synthetischen Drogen Probleme haben, ist Beratungsarbeit im klassischen
sozialpädagogischen Sinn. Neben der Weitergabe von Informationen zum Thema
selber, wie Wirkungsweisen, Gefahren, Safer Use, Mischkonsum usw., umfaßt sie
ambulante Betreuung für gefährdete Raver, oder solche, die meinen, daß sie mit
ihrem Drogenkonsum nicht mehr alleine zurechtkommen. Sie richtet sich außerdem
an diejenigen, denen die Mitarbeit im Cafe nicht ausreicht, oder die, die
darauf keine Lust haben.
Da die Gemeinschaft in der Techno-Szene sehr hochgehalten wird, könnte man sich
von der typischen Form der Einzelberatung lösen und Angebote für kleinere
Gruppen anbieten, falls dies den Leuten zusagt.
Neben der Beratung für im Kontakt zur Szene stehende Raver umfaßt dieses
Angebot weiterhin Informationsweitergabe an Personen, die mit Techno direkt
nichts zu tun haben, aber in deren Bekannten- oder Verwandtenkreis sich solche
Leute befinden. Diesen müssen Sach- und Hintergrundinformationen vermittelt
werden, damit sie auf dieser Basis einen unvoreingenommenen und angstfreien Um-
und Zugang zu Gesprächen mit ihren Freunden oder Angehörigen erreichen können.
Des weiteren könnte ich mir eine Schulden- und / oder Rechtsberatung für Raver
vorstellen, ähnlich wie es auch in der Arbeit mit Opiatabhängigen praktiziert
wird. Da das Leben in der Techno-Szene mit hohen finanziellen Ausgaben
verbunden ist, gibt es viele Personen, die sich dadurch verschuldet haben.
Viele von diesen gehen dazu über, ihre Schulden durch das Handeln mit den
Drogen abzubauen. Werden sie dabei der Polizei auffällig, geraten sie in noch
tiefere Probleme. Diesen Teufelskreis könnte man mit diesem Angebot u.U. durchbrechen.
Der Arbeitsbereich der Beratung ist nur zum Teil eine Konsumberatung. Neben den
Sozialpädagogen müssen sich auch weitere Berufsgruppen näher mit der Thematik
Ecstasy und andere "Partydrogen' beschäftigen, z.B. Arzte und Psychologen.
Da die Zahl der Leute, die aufgrund ihres zu hohen Konsums dieser Drogen
Probleme bekommen, in Zukunft ansteigen wird, muß auch die Zahl der
medizinischen und psychologischen Fachleute höher werden, damit diesen Personen
professionell geholfen werden kann. Der Sozialpädagoge muß auch in der Arbeit
mit Ravern innerhalb seiner Kompetenzen bleiben. Therapeutische und
medizinische Hilfe fallen allerdings nicht in diesen Kompetenzbereich herein.
Deshalb muß auf eine Vernetzung der beratenden Arbeit mit z.B. Krankenhäusern
hingearbeitet werden, wo Jugendliche zur Krisenintervention stationär
untergebracht werden können. Ein Problem hierbei besteht in der Tatsche, daß
Ecstasy-Sucht von den Kostenträgern nicht als Grund anerkannt wird, die Kosten
für eine stationäre Drogentherapie zu übernehmen. Es sollte von dieser Seite
aus erkannt werden, daß der Mißbrauch von "Partydrogen' durchaus zu
massiven psychischen Problemen führen kann, die eine stationäre Behandlung
erforderlich machen.
9.5 Notwendige drogenpolitische Veränderungen
Eines der größten
Probleme in Zusammenhang mit Ecstasy ist mit Sicherheit der Schwarzmarkt. Erst
durch die Illegalisierung durch das Betäubungsmittelgesetz enstand dieser
Schwarzmarkt, auf dem in zunehmenden Maße verunreinigte Pillen angeboten werden.
Der Abstinenzvorsatz der deutschen Drogenpolitik wird mit allen Mitteln
durchzusetzen versucht, obwohl er fast allen in der Praxis gewonnenen
Erkenntnissen widerspricht. Denn am Ende der Drogenverfolgungspolitik stehen
zumeist immer die Kleinkonsumenten, die von Strafverfolgungsmaßnahmen betroffen
sind. Selbst Aussagen der Polizei belegen, daß Jugendliche, die der Polizei
durch MDMA -"Vergehen' aufgefallen sind, in den meisten Fällen noch nie
irgendwelche kriminellen Handlugen begannen hatten. Meiner Meinung nach ist es
unverantwortlich, diese Konsumenten aufgrund ihres Eigenkonsums an Drogen zu
kriminalisieren. Durch eine Solche Kriminalisierung laufen diese Jugendlichen
Gefahr, sozial destabilisiert zu werden (durch Vorstrafen o.ä.). Daher würde ich
darauf plädieren, daß der Besitz von kleinen Mengen zum Eigenverbrauch
grundsätzlich straffrei sein sollte. Denkbar, und in meinen Augen
praxisgerecht, wäre hier eine Menge von 15-20 Konsumeinheiten, was in etwa
einer Anzahl von 8-10 Pillen entspräche. Eine polizeiliche Repression gegenüber
der Szene, z.B. in Form von Razzien, bringt im Grunde wenig, da sich dadurch
wohl nur sehr wenige Raver davon abhalten lassen, Techno-Parties zu besuchen
und dort Drogen zu konsumieren.
Bezüglich des notwendigen Konsumentenschutzes in der Szene ist es nötig, daß
politische und rechtliche Möglichkeiten so weit ausgenutzt werden, wie es geht.
Das Pillentesten nach dem Vorbild aus Hannover sollte in ganz Deutschland
möglich sein. In größeren Städten sollte jeder seine Pillen für wenig Geld
testen lassen können. Die Erfahrungen in den Niederlanden haben gezeigt, daß
dies ein richtiger Weg ist. Da jede Person die Tests anonym durchführen lassen
kann und die Mitarbeiter unter Schweigepflicht stehen, brauchen weder Dealer
noch Produzenten eine Strafverfolgung zu fürchten. Das Beispiel des Büros von
August de Loor hat gezeigt, daß die Produzenten durchaus bereit sind, solche
Angebote in Anspruch zu nehmen. Sie lassen entweder aus eigenem Antrieb ihre
Pillen testen, oder werden durch Zeitungsinserate oder Radiodurchsagen dazu
gedrängt, eventuelle schlechte oder verunreinigte Pillen vom Markt zu nehmen.
Auf diese Weise wäre die durch die Illegalisierung von MDMA enstehende Gefahr,
nämlich das Auftreten gesundheitsschädigender Pillen in der Szene, stark
gemindert. Der Staat sollte sich für die Gesundheit von Konsumenten soweit
verantwortlich fühlen, daß er den
größten Teil der entstehenden Kosten tragen sollte, so wie es in den
Niederlanden bereits praktiziert wird.
Unter den Bedingungen des momentanen Schwarzmarktes sollte es Monitoring- und
Informationssysteme geben, die regelmäßig und in einem repräsentativen Umfang
Daten über den Drogenschwarzmarkt und Drogentrends herausfinden. Hiermit sind
Gebrauchsmuster und soziodemographische Daten gemeint. Wenn tendenziell
gefährliche Trends festgestellt werden würden, wäre es für die soziale Arbeit
wesentlich leichter, diesen Trends durch frühzeitiges Handeln entgegenzutreten.
Einige progressive Autoren werfen die Idee einer Legalisierung von MDMA auf
(vgl. Schroers, A., 1996, S.77). Ecstasy, so Schroers Vorschlag, könne evtl. in
Apotheken auf Rezept eines Arztes verkauft werden. Von solchen Ansätzen halte
ich persönlich nicht sonderlich viel. In Deutschland wird zu wenig präventiv
gearbeitet. Und meistens beschränkt sich die Arbeit auf Hilfen zum Ausstieg.
Kindern und Jugendlichen werden zu wenig bzw. keine Handlungsstrategien zum
verantwortungsvollen und kontrollierten Drogengebrauch vermittelt. Genau dies
wäre aber die Grundvoraussetzung für einen freien Zugang zu Drogen. Vor diesem
Hintergrund lehne ich eine Legalisierung von Ecstasy ab.
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Nachwort / Versuch eines Ausblicks
Für die Entwicklung
der Ecstasy- Thematik in der BRD läßt sich ingesamt recht wenig abschließendes
oder definitives festlegen. Dennoch gibt es einige Entwicklungslinien und
Tendenzen, die genau beobchtet und ausgewertet werden sollten.
Bezüglich der Konsumformen von Ecstasy und anderen "Partydrogen' ist
festzustellen, daß sich das Konsumverhalten stark geändert hat. Waren in den
70er Jahren Haschisch- und LSD- Konsum eine Form des Ausdrucks von
Protesthaltung gegen die Gesellschaft, sowie der Versuch sich von eben dieser
abzugrenzen, verhält es sich mit Ecstasy anders. Im Gegensatz zu heutigen
Heroinkonsumenten finden wir in der Techno-Szene Menschen, die trotz ihres
Drogenkonsums keine gesellschaftlichen Außenseiter sind. Im Gegenteil, es
handelt sich vielmehr um gesellschaftliche Leistungsträger, die oftmals in
verantwortlichen Funktionen tätig sind und die einem relativ großen
Leistungsdruck unterworfen sind. Um einerseits dabei bestehen zu können, und
andererseits auch mal diesen Ballast abzuwerfen, bedienen sie sich diverser
Aufputschmittel und setzen sich einer anderen Form des Leistungsdrucks aus.
Dieses Verhalten muß dahingehend geändert werden, daß die Konsumenten lernen,
eine gewisse Genußfähigkeit zu erlangen. Nur in
diesem Rahmen ist es möglich, einen verantwortungsvollen Umgang mit Drogen zu
betreiben.
Trotz der Verbreitung von Ecstasy über die Grenzen der Techno-Szene hinaus,
besteht immer noch eine große Anlaßbezogenheit des Konsums. Viele der
Ecstasy-User konsumieren nur, wenn der Rahmen stimmt, also am Wochenende, auf
Parties, innerhalb einer Gemeinschaft. Aufgrund der zunehmenden Vermassung der
Szene wird der Konsum leider immer vereinsamter. Dem muß durch Betonung der
Wichtigkeit enger persönlicher Bindungen und Freundschaften entgegengewirkt
werden.
Festzustellen ist
weiterhin, daß die konsumierten Mischungen, die teilweise von Dealern, aber
auch von den Konsumenten selber, hergestellt werden, immer stärkere Wirkungen
entfalten. Dabei werden nicht nur die einzelnen Stoffe immer potenter, sondern
diese Stoffe werden dann auch noch miteinander vermischt. Besonders häufig
kommt es zu einer Kombination von Halluzinogenen und Aufputschmitteln, z.B.,
wenn LSD, Speed und Ecstasy zusammen genommen werden. Auch Versuche mit
gegensätzlich wirkenden Stoffen, also Betäubungsmittel kombiniert mit
Stimulantien werden in den Notfallaufnahmenh der Krankenhäuser immer häufiger
registriert. Es ist schon heute dringend notwendig, "Polytoxikomanen'
Hilfsangebote zu entwickeln.
Die klassischen Aufklärungs- und Präventionskampagnen wirken bei den
Konsumenten synthetischer Drogen kaum, bzw. gar nicht, weil diese sich in den
meisten Fällen nicht als suchtgefährdet ansehen. Die Präventionsarbeit war
zudem lange Zeit in den Paradigmen alter, absoluter Abstinenzorientierung
gefangen. Dadurch ist sie für junge Leute hochgradig unglaubwürdig geworden.
Für junge Menschen gibt es heutzutage wenig Gründe, einer Prävention Glauben zu
schenken, die schon immer jede Droge als absolutes Teufelszeug mit größtem
Suchtpotential, Giftigkeit und schrecklichsten Folgen an die Wand malte. Wie
sollen Jugendliche aber auch dem Hauptslogan der bundesdeutschen
Präventionskampagne "Keine Macht den Drogen' Glauben schenken, wenn dieser
bei den Fußballspielen der deutschen Nationalmannschaft direkt neben der
Krombacher-Pils Werbung an der Bande zu sehen ist.
Mittlerweile befindet sich ernsthafte Präventionsarbeit in einer gründlichen
Umorientierungsphase. Es entstehen neue Ansätze, die zunehmend Gründe und
Motivation des Konsums hinterfragen und die sich auch nicht scheuen, die
subjektiv als positiv empfundenen Wirkungen einer Droge zu thematisieren. Ein
weiters wichtiges Element ist die Abkehr von der suchtmittelspezifischen
Prävention, die die illegalen Suchtmittel verteufelt und die legalen außer acht
läßt, hin zu einer suchtmittelunspezifischen, die in erster Linie auf das
Verhalten der Menschen gerichtet ist.
Die Fragen nach den
Ursachen und Motiven für den Drogenkonsum einerseits und das Abgleiten in die
Sucht andererseits, werden in Zukunft, entgegen aller anderen aktuellen
drogenpolitischen Verdrängungsbemühungen, wieder ernster gestellt und vor allem
differenzierter beantwortet werden müssen.
Die Frage, ob mit den Designerdrogen und insbesondere mit Ecstasy eine
Drogenwelle mit all ihren negativen Begleiterscheinungen über die
Industrienationen und auch über die BRD hinwegzieht, kann leider nicht
definitiv beantwortet werden. Dies liegt darin begründet, daß es in Deutschland
keine dem niederländischen "Antenne-Projekt' vergleichbaren Untersuchungen
diesbezüglich gibt. Die Bundesregierung sollte in solche Projekte investieren,
so daß Daten gewonnen werden können, auf deren Basis gearbeitet werden kann,
anstatt das Geld, das für die Prävention zur Verfügung steht, in sinnlosen
Projekte zu verpulvern, die nichts erreichen und niemandem etwas bringen.
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8. Scheerer, H.: Special: Sucht, RoRoRo-Verlag: Reinbek b. Hamburg 1995
29. Spohr, Birgit: Techno, Party, Drogen - Psychologische Aspekte und
therapeutische Erfahrungen mit einer neuen Jugendkultur in: Partner - Magazin
Juni / Juli 1995, S.7 - 13
30. Thomasius, Rainer in Rabes, M. und Harm, W., XTC und XXL, Ecstasy,
Wirkungen, Risiken, Vorbeugungsmöglichkeiten und Jugendkultur, Rowohlt-Verlag:
Reinbek b. Hamburg 1997
31. Treichler, Jürgen: Medienkampagne zur Suchtprävention in Zürich in:
Suchtprävention in Europa, S.109 - !30: Geesthacht 1995
32. Walder, Patrick in: Ecstasy: Prävention des Mißbrauchs, Dokumentation der
Fachtagung vom 23. Und 24. Februar 1995, S.29 - 37: Geesthacht 1995
33. Wardle, P., MDMA ("Ecstasy') - Gefährliche Droge oder
Psychotherapeutikum in: Nervenarzt, Nr.65, S.802 - 805, 1994
34. Weigle, Constanze und Rippchen, A., MDMA - Die psychoaktive Substanz für
Therapie, Ritual und Rekreation, Werner Piepers Medienexperimente,
Nachtschattenverlag: Löhrbach 1992
35. Wilkens, Wilfried: Designerdrogen - Eine Himmelfahrt zur Hölle? Deutscher
Ring / Jugend hilft Jugend: Hamburg 1995
36. Wirth, Nadja: Diplomarbeit an der Fachhochschule Dortmund, 1996
Tageszeitungen und
Zeitschriften
1. BILD, 18.01.1997, S.2, "Ecstasy - So gefährlich ist die Wochenenddroge'
2. Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 07.07.1994, S. 5, Spiegel, H.
3. Highlife, Februar 1997, S. 38-40, "Die Raving - Society auf dem Weg in die
schöne neue Welt?', Eisele, Christiane
4. Ruhr-Nachrichten, 21.02.1997, S.4, "Ecstasy-Pillen: Vier mußten in die
Klinik', Becker, Uwe
5. Stadtzeitung PRINZ, September 1994, S.30-32
6. Tageszeitung, 25.11.1994, S.8
7. Tageszeitung, 24./25.06.1995, S.12
8. Tempo, September 1994, S. 19-28, "Diese flackernde Licht in der Seele, das
sie Ecstasy nennen', Weissenbacher, Robert
9. TV-NEU, 16.04.1996, S.6, "Ecstasy - Wie gefährdet sind unsere
Kinder?'
10. DIE WELT, 22.08.1996, S.13, "Russisches Roulette mit 'Asterix'',
Bettge, Ulla
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