Röntgen, Wilhelm Conrad (1845-1923), Physiker, der die später nach ihm benannten
Röntgenstrahlen entdeckte und damit bedeutende Grundlagen für die moderne
Physik lieferte. Röntgen war der erste Physiknobelpreisträger.
Röntgen wurde am 27. März 1845 in Lennep (Remscheid)
geboren. Sein Vater war Unternehmer und verlegte 1848 den familieneigenen
Betrieb in die Niederlande nach Apeldoorn. Nach der Schulausbildung - übrigens
ohne Abitur - besuchte Röntgen 1865 als Gasthörer die Universität Utrecht. Nach
zwei Semestern meldete sich Röntgen an dem damals noch jungen Eidgenössischen
Polytechnikum in Zürich an. Er bestand die Aufnahmeprüfungen und begann sein
Studium (Fachgebiet Maschinenbau). Nebenher besuchte der junge Student zwecks
Weiterbildung auch andere Veranstaltungen (z. B. über Kunst, Literatur und
Geschichte). Nach dem Diplom 1868 folgte ein intensives Physikstudium an der
Universität Zürich und bereits 1869 die Promotion. Im Anschluss daran arbeitete
Röntgen an verschiedenen Universitäten bzw. Hochschulen (z. B. Zürich,
Würzburg, Straßburg). 1874 habilitierte sich der Physiker in Straßburg. 1879
erhielt er den Ruf der Universität Gießen. 1890 wechselte Röntgen an die
Universität Würzburg, wo er sich mit der Untersuchung von Kathodenstrahlen
befasste.
Im November 1895 hielt er vor der
physikalisch-medizinischen Gesellschaft von Würzburg einen Vortrag, bei dem er
über seine Entdeckung einer neuartigen Strahlung berichtete. Bei einem Versuch
schaltete er einen Transformator zur Erzeugung von kräftigen Funkentladungen
ein. Er bemerkte, wie ein paar Kristalle, die in der Nähe des Geräts auf dem
Tisch lagen, anfingen zu fluoreszieren. Dies war ungewöhnlich, denn Röntgen
hatte den optischen Austritt am Gerät lichtdicht mit schwarzer Pappe
verschlossen. Er ging der Sache auf den Grund und begann mit einer systematischen
Untersuchung. Er stellte fest, dass diese noch unbekannten Strahlen, denen er
später den Namen "X-Strahlen' gab, Schwärzungen auf einer
photoempfindlichen Platte erzeugten. Und noch mehr: Diese Strahlen vermochten
Materie zu durchleuchten. Röntgen erstellte in diesem Zusammenhang
beispielsweise eine Durchleuchtungsaufnahme von der Hand seiner Frau.
Röntgen veröffentlichte seine Entdeckung, und nur wenig
später waren erste Anwendungen in der Medizin und der Technik erfunden. 1900
erhielt Röntgen den Ruf der Universität München. Am 10. Dezember 1901
erhielt Röntgen für die Entdeckung der Röntgenstrahlen den ersten Nobelpreis
für Physik. Der Laureat emeritierte 1920 und arbeitete von da ab gelegentlich
für die staatliche Physikalisch-Metronomische Sammlung der Universität München.
Er starb am 10. Februar 1923 in München.
Röntgenstrahlung, kurzwellige, energiereiche elektromagnetische Strahlung, die Materie durchdringende Wirkung hat. Die Wellenlänge von Röntgenstrahlung ist kürzer als die von sichtbarem Licht: Der Bereich reicht von 100 Nanometer (1 Nanometer entspricht 1 milliardstel Meter) bis zu 0,01 Pikometer (1 Pikometer entspricht 1 billionstel Meter). Im oberen Bereich grenzt die Röntgenstrahlung an die kurzwellige ultraviolette Strahlung und im unteren Bereich an die Gammastrahlung an.
Natur der Röntgenstrahlung
1895 entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen diese Strahlung bei
Experimenten mit Gasentladungsröhren - er untersuchte dabei Kathodenstrahlen.
Er gab dieser unsichtbaren Strahlung wegen ihrer noch unbekannten Natur den
Namen "X-Strahlung". Röntgen beschrieb die Eigenschaften der später nach ihm
benannten Strahlung sehr genau und erhielt 1901 für seine Arbeiten den ersten
Nobelpreis für Physik.
Je kürzer die Wellenlänge
einer elektromagnetischen Strahlung ist, desto größer sind Energie und
Durchdringungskraft. Im Falle der Röntgenstrahlung spricht man daher bei
größeren Wellenlängen nahe des ultravioletten Strahlungsbandes des Spektrums
von weichen, entsprechend bei kürzeren Wellenlängen am unteren Rand des
Bereichs der Gammastrahlen von harten Röntgenstrahlen (siehe Radioaktivität).
Insgesamt teilt man die Röntgenstrahlung in sechs große Bereiche ein -
Röntgen-UV, überweiche, weiche, mittelharte, harte sowie überharte
Röntgenstrahlung. Ein Gemisch von Röntgenstrahlen mit vielen verschiedenen
Wellenlängen bezeichnet man als weiße Röntgenstrahlung; dagegen enthält
z. B. monochromatische Röntgenstrahlung nur eine einzige Wellenlänge.
Monochromatische Strahlung lässt sich aus weißem Röntgenlicht gewinnen, das
dazu durch einen speziellen Filter geleitet wird.
Allgemein wird Röntgenstrahlung wie sichtbares Licht durch
Elektronenübergänge zwischen den Elektronenschalen eines Atoms erzeugt. Im Fall
der so genannten Bremsstrahlung - das ist im Prinzip weiße Röntgenstrahlung -
entstehen die Strahlen, wenn schnelle Teilchen (meist Elektronen) auf Materie
(ein "Target") treffen und dort scharf abgebremst werden. Bei diesem Vorgang
gelangt ein Teilchen durch seine hohe Energie zwischen die Elektronen der
inneren Schalen und dem Atomkern eines Materie-Atoms. Das schnelle Teilchen
wird durch das dort herrschende elektrische Feld (Kernfeld) abgelenkt, wobei
diese Ablenkung mit der Emission von elektromagnetischer Strahlung verbunden
ist. Die Energie der frei werdenden Strahlung ist vom Betrag genau so groß wie
der Energieverlust, den die Teilchen bei der Abbremsung und Ablenkung erfahren
- daher die Bezeichnung Bremsstrahlung. Die Intensität der Strahlung ist umso
größer, je stärker das Kernfeld ist.
Im Gegensatz zur Bremsstrahlung steht die so genannte
charakteristische Eigenstrahlung (auch Sekundärstrahlung). Sie entsteht, wenn
beispielsweise ein schnelles Teilchen ein Elektron aus einer inneren Schale
herausschlägt und ein anderes Elektron aus einer äußeren Schale den frei
gewordenen Platz auf der inneren Schale einnimmt. Der Betrag der
Strahlungsenergie entspricht der Energiedifferenz zwischen den beiden Schalen,
wobei diese Differenz nur ganz bestimmte Werte annehmen kann - es sind nur
bestimmte Übergänge möglich. Diese Werte sind für jede Atomstruktur und damit
für jedes Material charakteristisch - deshalb die Bezeichnung charakteristische
Strahlung. Diese Strahlung lässt sich u. a. für bestimmte
Untersuchungsmethoden nutzen.
Die Erzeugung von Röntgenstrahlung gelingt
beispielsweise mit Hilfe einer Röntgenröhre. Dabei handelt es sich um eine hoch
evakuierte Vakuumröhre, bei der die Elektronen aus einer Glühkathode
heraustreten. Anschließend werden die Elektronen in einem elektrischen Feld
beschleunigt und treffen danach auf die Anode. Bei der Coolidge-Röhre - benannt
nach ihrem amerikanischen Erfinder William David Coolidge - besteht die
Glühkathode aus Wolfram. Die Anode ist meistens ebenfalls aus Wolfram
hergestellt, kann aber auch aus Molybdän oder Tantal gebaut sein. Man kennt
sowohl Röntgenröhren mit feststehender als auch mit drehbarer Anode
(Drehanode). Weil beim Auftreffen der Elektronen auf das Anodenmaterial der
größte Teil der kinetischen Energie der Elektronen in Wärme übergeht, muss die
Anode gekühlt werden. Bei der Drehanode erreicht man dies durch Rotation der
Anode (bis zu 8 500 Umdrehungen pro Minute).
Eigenschaften
Röntgenstrahlen
durchdringen Materie scheinbar mühelos. Aber ob und wie stark das Material
durchdrungen wird, hängt entscheidend von seiner Dichte und den Atomsorten ab,
aus denen es zusammengesetzt ist. So durchdringen die Strahlen z. B. bei
einer medizinischen Röntgenaufnahme das umgebende Gewebe viel leichter als die
Knochen - deshalb erscheinen diese auf einem photographischen Film heller als
das Gewebe. Allgemein nimmt beim Durchdringen von Materie die
Strahlungsintensität mit der Dicke stark ab. Als Maß für diese Eigenschaft
dient die so genannte Halbwertsdicke. Sie gibt praktisch die Wegstrecke
durch das Material an, bei der die anfängliche Intensität auf die Hälfte
zurückgegangen ist.
Röntgenstrahlen haben eine sehr hohe ionisierende Wirkung
und können am lebenden Gewebe Verbrennungen und biologische
Veränderungenhervorrufen. Ihre dabei schädigende Wirkung wird u. a. durch
die Dauer der Einwirkung, die Stärke (Dosis) und die Art (harte oder weiche
Röntgenstrahlung) bestimmt. Aus diesem Grund wird der Umgang und die Arbeit mit
Röntgenstrahlen in Deutschland durch Strahlenschutzverordnungen (z. B.
Röntgenverordnung) festgelegt und geregelt. Röntgenstrahlen lassen sich
beispielsweise mit Hilfe von Geiger-Müller-Zählern nachweisen.
Fluoreszenz
Röntgenstrahlung ruft in bestimmten Materialien wie z. B. den Farbstoff Fluorescein sowie einige Salze des Lanthans Fluoreszenz hervor. Dabei handelt es sich um eine besondere Form der Lumineszenz - also das Leuchten bestimmter Substanzen nach Energiezufuhr durch Röntgenstrahlung. Ersetzt man den photographischen Film durch einen Schirm, der mit fluoreszierenden Materialien beschichtet ist, kann die Gestalt der undurchdringbaren Substanzen direkt auf dem Schirm betrachtet werden. Diese Technik nutzt man z. B. bei der Röntgendurchleuchtung.
Streuung
Röntgenstrahlung kann über unterschiedliche Mechanismen bei der Wechselwirkung mit Materie abgelenkt werden. Die daraus resultierende (sich ergebende) Streuung der Strahlen hängt von der Art und Weise ab, wie die Röntgenquanten mit den Elektronen der Atome wechselwirken:
Die Rayleigh-Streuung tritt auf, wenn die Wellenlänge der Röntgenstrahlen sich nach der Wechselwirkung mit den Atomen (bzw. den inneren Elektronen) nicht ändert. Mit anderen Worten ausgedrückt, ändert sich die Energie der Röntgenquanten (oder Photonen) nicht, und die Atome gehen nicht in einen angeregten Zustand über und werden auch nicht ionisiert . Diese Streuung wurde nach dem britischen Physiker Lord Rayleigh benannt, wird aber in manchen Fällen auch als klassische Streuung bezeichnet.
Bei der Compton-Streuung - benannt nach dem amerikanischen Physiker Arthur Holly Compton - geht ein Teil der Energie des Röntgenquants auf das frei werdende Elektron über. Bei dem Zusammenstoß zwischen dem Röntgenquant und dem Elektron werden beide Teilchen unter einem bestimmten Winkel zur Einfallsrichtung des Quants abgelenkt. Das einfallende Photon überträgt einen Teil seiner Energie auf das Elektron und geht folglich mit einer größeren Wellenlänge aus dieser Stoßbegegnung heraus. Diesen Effekt, nämlich die Vergrößerung der Wellenlänge eines Photons durch die Streuung an Elektronen, bezeichnet man in der Physik auch als Compton-Effekt. Mit Hilfe der Compton-Streuung war es erstmals möglich, die Gültigkeit des Energie- und Impulserhaltungssatzes für Elementarvorgänge experimentell zu belegen. Die Compton-Streuung tritt auch bei der Streuung von Photonen an anderen geladenen Teilchen wie z. B. Protonen oder -Mesonen auf.
Photoeffekt und Paarbildung
Bei der
Wellenlängenänderung von Röntgenstrahlen durch Wechselwirkung mit Materie
können zusätzlich Photoeffekte und die so genannte Paarbildung den Betrag der
Anderung mit beeinflussen. Von einem Photoeffekt spricht man im Allgemeinen
dann, wenn der Platz des herausgeschlagenen Elektrons aus der inneren Schale
durch ein anderes Elektron aus der äußeren Schale besetzt wird, wobei durch
diesen Prozess eine charakteristische Röntgenstrahlung (s. o. charakteristische
Strahlung) ausgesendet wird.
Die Paarbildung (auch Paarbildungseffekt) kann ebenfalls
bei der Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlung und Materie entstehen. Bei
diesem Phänomen bildet sich durch den Zusammenstoß des Photons mit einem
geladenen Teilchen ein Elektron und dessen Antiteilchen, ein Positron. Der
Paarbildungseffekt ist ein Beispiel für die Umwandlung reiner Energie in
Materie mit endlicher Masse. Um allein für die Masse des
Elektron-Positron-Paares aufzukommen, muss das Photon eine Mindestenergie von
1,22 Megaelektronevolt haben; trägt es mehr Energie, als es für die
Paarbildung benötigt, geht seine Restenergie als kinetische Energie zu gleichen
Teilen an das erzeugte Teilchenpaar über, wobei die Teilchen sich voneinander
entfernen. Natürlich existieren Elektron und Positron nicht lange
nebeneinander. Sie bilden ein so genanntes Positronium, das instabil ist
und zerfällt. Bei diesem Zerfall wird eine zusätzliche Streustrahlung frei.
Anwendung
In der Forschung, Technik und Medizin gibt es für Röntgenstrahlen viele Anwendungsmöglichkeiten. So nutzt man Röntgenstrahlen beispielsweise in der Röntgenographie zur zerstörungsfreien Untersuchung von Werkstoffen. Die oben erwähnte Röntgenbeugung dient z. B. zur Strukturbestimmung von Kristallen neuer, im Labor hergestellter chemischer Verbindungen. Nahezu jedes Element liefert bei der Bestrahlung mit Röntgenstrahlen ein charakteristisches Spektrum (s. o. charakteristische Strahlung). Auf diesem Phänomen beruhend sind eine ganze Reihe von spektroskopischer Untersuchungsmethoden sowie Geräte entwickelt worden, wie z. B. die Röntgenemissions-, Röntgenabsorptions- und Röntgenfluoreszenzspektroskopie. Letztere nutzt man u. a. bei der Herstellung von Beton zur Kontrolle der Zusammensetzung des Endprodukts. Die Röntgendiagnostik ist in der heutigen Medizin zu einer alltäglichen Untersuchungsmethode geworden. Bekannt sind hier die Durchleuchtung (z. B. bei Verdacht auf Tuberkulose), die Röntgenphotographie und die Computertomographie. Röntgenstrahlen setzt man außerdem in der Strahlentherapie zur Bekämpfung von Krebs ein.
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