BEWEGUNGSGENIE MENSCH
von Eva Gollubits
Wenn ein Weitspringer exakt den Balken zum Abspringen trifft oder ein Billardspieler die
Kugel wie im Schlaf im Loch versenkt, wer ist dafür verantwortlich ? Nein, nicht nur das
Gehirn, sondern auch unser Körper. Diese motorische Klugheit bestimmt auch Tempo, Rhythmus, Muskelspannung und Ausdruck z.B. bei Tänzern.
Die Kunst der Koordination
Haben wir bestimmte Bewegungsabläufe einmal gelernt, laufen sie automatisch ab. Als Autofahrer können wir z. B. gleichzeitig lenken, bremsen, kuppeln und schalten - ein perfektes Zusammenspiel.
Ein anderes Beispiel: James Henry Pullen war ein genialer Schwachkopf. Nun, was bedeutet das ? Der Arme war ein Analphabet, konnte fast nicht sprechen und war schlicht und einfach
gesagt dumm. Dennoch besaß er ein unglaubliches feinmotorisches Talent als Schnitzer und
Modellbauer und wurde dadurch in England äußerst berühmt.
Dieses Phänomen, also nur einseitig begabt zu sein, regte den amerikanischen Forscher Howard Gardner zu Nachforschungen der Beziehung Körper- Gehirn an. Denn er bezweifelte, daß es lediglich eine, reine Intelligenz gibt. Vielmehr glaubte er an eine Vielzahl von Talenten - darunter auch an das motorische, das unabhängig von den geistigen Fähigkeiten existiere. Eine etwas seltsame Annahme, da bei uns eher das Rationale dominiert.
Zahlreiche Versuche haben aber bereits die Theorie Gardners bewiesen: Der Körper reagiert
auch ohne Einschaltung des Bewußtseins und stützt sich oftmals auf ein eigenes
Bewegungsgedächtnis.
Hier ein Blick auf die verschiedenen Leistungen unseres Körpers:
Er schafft es, eine unglaubliche Zahl von Bewegungsmöglichkeiten zu kontrollieren
und miteinander zu koordinieren, wie z.B. beim Schlagen eines Purzelbaumes.
Es können nie zwei Handgriffe auf exakt derselben Spur verlaufen, egal wie oft man es geübt hat Also, ein weiteres Kennzeichen: die VARIBILITAT der menschlichen Motorik.
Der Mensch ist ungeheuer vielseitig und flexibel, er kann z.B. schnell laufen, schwimmen
und klettern.
Wir können weiters motorisch gesehen außergewöhnlich viel lernen - von Salto bis
zum Geige spielen. Hierbei kommt es zu einer Überbrückung vom visuellen
zum motorischen System, d.h. die Sehinformation wird übersetzt in "Aktivierungs-
pläne" für Muskeln.
Im Vergleich zu anderen Primaten kommen Menschenkinder absolut unbeholfen zur
Welt. Sie sind unfähig selber zu essen, zu trinken, den Kopf zu heben, zu gehen usw.
Obwohl die Nervenzellen in den Motorikzentren des Gehirn bereits von Anfang an
vorhanden sind, fehlt ihnen die Verknüpfung, die sich erst im Laufe der ersten Jahre entwickelt.
Fortlaufend werden ihre motorischen Bewegungen schneller, harmonischer und
präziser, wobei deren Ausbildung in der Pubertät abgeschlossen wird. In dieser Zeit liegt nach Meinung der Wissenschaftler das Fundament für spätere Höchstleistungen. Die Entwicklung
geht hier in ihre Endphase und bildet die persönliche motorische Note des Menschen aus, z.B. einen schwerfälligen Gang oder das Talent zum Klavierspielen.
Denken wir nur an den Alltag: die einen sind geborene Tänzer, die anderen ohne jegliches Taktgefühl.
Bei einer Analyse von Erblichkeitsstudien wurde bewiesen, daß Gene hierbei in einem
unbestimmten Maß eine wichtige Rolle spielen. Klar ist nur eins: in bestimmten
Disziplinen können nur Sportler mit einem bestimmten Körperprofil Erfolg erzielen.
Außerdem benötigen Spitzensportler ein überdurchschnittliches motorisches Talent, hohe Konzentrationsfähigkeit, zähen Erfolgswillen und natürlich hartes Training.
Eine Disziplin, die hervorragendes Körpertalent erfordert, ist z.B. Kunstturnen, denn
hierbei bleibt keine Zeit zur bewußten Kontrolle von Bewegungen. Man muß soweit
automatisiert sein, daß man Übungen ohne nachdenken ausführen kann.
Automatismen bzw. Reflexe sind Notwendigkeiten menschlicher Motorik, wie z.B.
das Zurückziehen des Beines, wenn wir auf einen spitzen Stein steigen und die damit
verbundene Gleichgewichtsverlagerung. Das alles läuft ab noch bevor wir Schmerz
empfinden.
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