Lenin und die Oktoberrevolution
Einleitung
In meinem Referat über Lenin und die Oktoberrevolution werde ich den Weg Rußlands von der Februarrevolution zur Oktoberrevolution und die Rolle die Lenin dabei spielte beschreiben.
Bei der Februarrevolution anzufangen habe ich mich entschlossen, da dies zum Verständnis der Oktoberrevolution und der Geschehnisse unmittelbar davor beiträgt. Innerhalb des Referats werde ich einige Thesen und Aussagen Lenins zitieren um so seine Sichtweise und den damit verbundenen Ablauf der Revolution darzustellen. Die Nennung aller seiner Werke würde den Rahmen des Referates überschreiten, da der Schwerpunkt die Oktoberrevolution sein soll. Außerdem werde ich einen tabellarischen Lebenslauf Lenins liefern.
LENINS LEBENSLAUF
Lenin wird unter dem Namen Wladimir Iljitsu Uljanow am 22. April in Simbirsk, dem heutigen Uljanowsk, als Kind einer Intellektuellenfamilie geboren. Der Vater Ilja Uljanow ist Oberlehrer und mit der Mutter Alexandrowna Blank, welche deutscher Abstammung ist, verheiratet.
Lenins Bruder, Alexander Uljanow wird wegen der Beteiligung an der Vorbereitung eines Anschlages auf den Zaren hingerichtet. Lenin kommt zum ersten Mal mit revolutionären Strömungen in Berührung und wird noch im gleichen Jahr wegen Beteiligung an Studentenunruhen zum ersten Mal verhaftet.
Lenin fährt zum ersten Mal ins Ausland. In der Schweiz trifft er mit G. W. Plechanow und P. B. Akselrod zusammen und wird bei seiner Rückkehr wegen politischer Agitation verhaftet.
Lenin wird nach Sibirien in die Verbannung geschickt.
Lenin heiratet die in der Verbannung kennengelernte Nadeshda Krupskaja.
Im Dezember unterschreibt Wladimir Iljitsch seinen Artikel 'Die Agrarfrage und die Marx-Kritiker' zum ersten Mal mit dem Pseudonym 'Lenin'.
Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rußlands spaltet sich. Die Bolschewisk entstehen unter der Führung Lenins.
Im Januar leitet Lenin die Prager Konferenz, bei der eine weitere Spaltung erfolgt.
Lenin schreibt 'Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus' in dem er den 1. Weltkrieg als Beginn der allgemeinen Krise des Kapitalismus deutet.
Lenin schreibt im Exil seine fünf 'Briefe aus der Ferne'.
Er reist aus der Schweiz ab und eröffnet in Petrograd seine Aprilthesen, die den Weg von der Februar in die Oktoberrevolution beschreiben. Lenin verfaßt seine Schrift 'Staat und Revolution' und leitet den bewaffneten Aufstand in Petrograd.
Die Oktoberrevolution hat gesiegt und Lenin wird zum Regierungschef gewählt.
Die Sozialrevolutionärin Fanny Kaplan verwundet Lenin bei einem Attentat.
Lenin gibt einen Bericht über das neue Parteiprogramm
Lenin erleidet seinen ersten Schlaganfall. Am 2. Oktober kehrt er nach Moskau zurück und nimmt die Arbeit wieder auf. Am 16. Dezember erleidet Lenin seinen zweiten Schlaganfall. Er diktiert den 'Brief an den Parteitag', sein Testament.
Lenin diktiert einen Zusatz zu seinem Testament mit seiner Forderung Stalin, der bereits die Führung übernommen hatte, abzusetzen. Er konnte diese Maßnahme jedoch nicht mehr durchführen. Am 9. März folgte Lenins dritter Schlaganfall.
Am 21. Januar um 18.50 stirbt Lenin und wird am 27. Januar im Mausoleum beigesetzt. Lenin selber, dessen Mausoleum zum Mittelpunkt des offiziellen Kults geworden war, war die Verherrlichung der eigenen Person zuwider. Er war ein revolutionärer Staatsmann, der jedoch keine Bereitschaft zeigte, politische Gegensätze mit anderen Organisationen zu überbrücken und auszugleichen.
Aber gerade dieser unbeugsame, kompromißlose und manchmal auch skrupellose Wille sowie der außergewöhnliche Sinn für Taktik machte es Lenin möglich, den Sowjetstaat zu gründen und ihn außerdem gegen innere und äußere Feinde zu erhalten.
Lenin verstand es auch wie kein anderer, abgesehen vielleicht von Trotzki, die Massen in seinen Bann zu ziehen. Im Vergleich zu Trotzki fehlte es Lenin sogar an Schwung und Leidenschaft, welche eigentlich nötig sind um die Massen mitzureißen. Lenins Stimme war oft heiser und er verzichtete auch darauf, seine Rede mit großen oratorischen Mitteln zu schmücken. Er bevorzugte es, seine Reden in der allgemeinen Umgangssprache zu halten, er benutzte vielmehr volkstümliche Redewendungen und Kennzeichnungen.
Atemberaubend wurde seine Rhetorik erst, wenn er anfing sich mit seinem Gegner auseinanderzusetzen. Dabei benutzte er viel Ironie und die Wiederholung ein und derselben Parole oder Aussage, um sie so seinen Zuhörern regelrecht einzuhämmern Seine Reden appellierten weniger an die Einbildungskraft und das Gefühl als vielmehr an den Willen und an die Entschlossenheit des Volkes. Aber gerade diese einfache Weise sich auszudrücken und die damit verbunden Nähe zum Volk scheint es gewesen zu sein die das Volk so sehr für Lenin einnahm.
Lenin und die Oktoberrevolution
Die Februarrevolution, die im Februar (März) 1917 in Rußland den Zarismus ein für alle Mal beseitigte war der Vorbote bzw. die Einleitung für die im gleichen Jahr folgende, große Oktoberrevolution, die eine radikale politische Umwälzung Rußlands zur Folge hatte.
Die Februarrevolution schaffte jedoch nicht eine sofortige Anderung der Zustände in Rußland, sondern war zunächst der Beginn einer alles ergreifenden Auflösung.
Da es nun keinen Zar mehr gab, mußte sich bald eine neue Regierung bilden. So fand sich in aller Eile eine Gruppe von konservativen Vertretern des Großgrundbesitzes und des Großkapitals zusammen, die vor allem Verhindern wollte, daß die Linke, die noch mit der Bildung von Sowjets beschäftigt war, ebenfalls diesen Schritt machen konnte.
Am 5. Mai 1917 traten nach langen Verhandlungen sechs Sozialisten, Menschewiken und Sozialrevolutionäre in die provisorische Regierung ein, die so zu einer liberal - sozialistischen Koalitionsregierung unter Ausschluß der Bolschewisten wurde.
Dies war auch ein Mittel das Volk, welches zum größten Teil aus Bauern, Arbeitern und Soldaten bestand, zu beschwichtigen, da dieses nachdem es die Revolution und damit die Beseitigung der Zarismus ausgelöst hatte, nun Vertreter ihres Standes und nicht nur der besser situierten bürgerlichen Klasse in der Regierung sehen wollte.
Diese provisorische Regierung mit Alexander F. Kerenski als Ministerpräsident besaß jedoch nur einen Teil der Staatsgewalt. Der andere Teil lag in den Händen der Arbeiter- und Soldatensowjets in Petrograd. Diese Räte bestanden aus Arbeitern, Bauern und Soldaten und zu einem kleinen Teil auch aus Arzten, Advokaten und Journalisten die nicht den Willen der besitzenden Klasse, sondern ganz gezielt den der unteren Schicht ausführte. Der Sowjet von Petrograd hatte Einfluß in ganz Rußland. Er hatte noch vor der Abdankung des Zaren alle Post und Telegrafenämter, alle Bahnhöfe und Druckereien und die Telefonzentrale besetzt und überwachte so die Regierung bei jedem Schritt. Die Befehle der Regierung waren nur dann auszuführen, wenn sie den Beschlüssen des Sowjets nicht widersprachen. Somit hatte sich in Rußland seit der Beseitigung des Zaren eine dualistisch gegliederte Regierung gebildet. Diese sollte jedoch nur von kurzer Dauer sein.
Als in Rußland im Februar 1917 die Revolution ausbrach, befand sich Lenin gerade in Zürich. Sein einziger Gedanke war, nach Rußland zurückzukehren um so in die Revolution einzugreifen, sie anzuführen. Sein bestreben, augenblicklich nach Rußland zurückzukehren wurde zumal dadurch bestärkt, daß die führenden Bolschewisten in Rußland nicht seine radikale Haltung einnahmen und er deshalb befürchtete, die Bolschewisten könnten die Chance zur Übernahme der Regierung in Rußland und die totale Umwälzung verpassen. Zunächst ergab sich für Lenin jedoch keine Chance nach Rußland zurückzukehren, da die französische und britische Regierung ihm die Durchreise versagte. Beide Regierungen wußten, daß Lenin, kaum in Rußland angekommen, alles daran setzen würde, einen Friedensschluß Rußlands mit Deutschland durchzusetzen und so mit seinen Alliierten Frankreich und England zu brechen. Diese kämpften den zu jener Zeit in Europa tobenden Krieg gemeinsam gegen Deutschland. Mit dem Ausstieg Rußlands aus dem Zusammenschluß würden sich die Chancen eines Sieges der Alliierten über Deutschland verringern, und daher hatten sowohl Frankreich als auch England kein Interesse daran, einem Revolutionär wie Lenin die Rückkehr nach Rußland zu ermöglichen.
So mußte sich Lenin zunächst damit begnügen, brieflich Kontakt mit seinen bolschewistischen Mitstreitern in Rußland zu halten. In seinen 'Briefen aus der Ferne' gab er genaue Anweisungen für das weitertreiben der Revolution durch die Bolschewisten. In seinem fünften Brief faßte Lenin seine Forderungen zusammen:
'Das Proletariat muß (1) den sichersten Weg zur nächsten Etappe der Revolution beziehungsweise zur zweiten Revolution finden, die (2) die Staatsmacht den Händen der Großgrundbesitzer- und Kapitalistenregierung (der Gutschkow, Lwow, Miljukow, Kerenski) entreißen und sie der Regierung der Arbeiter und der armen Bauern übergeben wird. Diese muß (3) nach dem Muster der Arbeiter- und Bauerndepurtiertenräte organisiert sein, nämlich (4) die alte, für alle bürgerlichen Staaten charakteristische Staatsmaschine, Die Armee, die Polizei, die Bürokratie (das Beamtentum) zerschlagen und völlig beseitigen, indem sie (5) diese Maschine durch eine Organisation des bewaffneten Volkes ersetzt, die nicht nur die großen Massen, sondern durchweg das gesamte Volk umfaßt.'
Lenins 'Briefe aus der Ferne' enthielten außerdem strikte Weisungen die provisorische Regierung auf keinen Fall zu unterstützen, die Fortsetzung des Krieges, für welche die provisorische Regierung mit Menschewiki und Kerenski eintrat, keinesfalls zu bejahen, mit anderen Parteien keine Bündnisse einzugehen und ausschließlich die Eroberung der Macht durch die Arbeitersowjets anzustreben.
Lenin hatte bereits erkannt, daß die Zukunft der provisorischen Regierung davon abhing, ob sie von den Sowjets unterstützt wurde oder nicht. Gelang es Lenin und einen Bolschewisten die Mehrheit in den Sowjets zu erlangen, so hätten sie das Schicksal der Bürgerlichen Regierung in der Hand, und damit wäre ein baldiges Ende derselben auch abzusehen.
Um nach Rußland zurückzukehren blieb Lenin schließlich keine andere Wahl, als sich mit dem deutschen Generalstab zu arrangieren. Lenin war sich wohl bewußt, daß er dadurch Gefahr lief vom russischen Volk aufgrund des vom verfeindeten Deutschland erhaltenen Visums als Kollaborateur und deutscher Agent beschuldigt zu werden, aber er war sich ebenso im klaren darüber, daß dies der einzige Weg für ihn war, nach Rußland zu gelangen. Außerdem wollte auch keinen Augenblick länger als nötig darauf warten, nach Rußland zurückzukehren.
Die deutsche Regierung wiederum versprach sich von der Einschleusung russischer Revolutionäre nach Rußland eine entscheidende Schwächung des Landes von innen.
Man wollte den Revolutionären nur Gelegenheit geben in Aktion zu treten, denn die deutsche Regierung hoffte nach der Februarrevolution im Gegensatz zu den Alliierten natürlich nicht auf eine neue, kriegsfähige Ordnung, sondern auf eine friedensbereite Unordnung in Rußland.
Mit Hilfe des Schweizer Sozialisten Fritz Platten erlangte Lenin schließlich von der deutschen Regierung die Erlaubnis über Deutschland nach Schweden zu fahren, von wo aus ihm die Rückkehr nach Rußland über Finnland offenstand.
Deutschland verpflichtete sich, den Wagon, in dem sich Lenin und die anderen Emigranten befanden weder nach Pässen noch nach Gepäck zu kontrollieren. Im Gegenzug mußten sich die Reisenden der Bedingung unterziehen, auf deutschem Gebiet mit niemandem in Kontakt zu treten. Um dies zu gewährleisten, waren drei Türen des Waggons abgeschlossen, die vierte Tür jedoch nicht, um so Platten, der als Reiseleiter fungierte, und der deutschen Begleitung den Ausstieg zu ermöglichen. Platten schreib später von 'plombierten Türen' daher die Legende von Lenins Reise im 'plombierten Wagen'.
Die Reise verlief ohne Zwischenfälle, und so traf Lenin am 3. April 1917 endlich auf dem finnischen Bahnhof in Petrograd ein.
Dort wurde er schon von tausenden jubelnden Menschen erwartet. Man trug ihn auf den Schultern in das Bahnhofsgebäude, wo er schon von einer Delegation der Petrograder Sowjets erwartet wurde.
Der Menschewiki Tschchéidse hieß ihn im Namen des Petrograder Sowjets willkommen und lies sogleich verlauten, daß die Revolution jetzt vor allem gegen die äußeren und inneren Angriffe verteidigt werden müsse, und, das er dabei auf Lenins Hilfe hoffe. Lenins Antwort war unmißverständlich. Er behandelte Tschchéidse wie Luft, wandte sich völlig von der Delegation ab und begrüßte die Masse der versammelten Menschen mit Worten: 'Genossen, Soldaten, Matrosen und Arbeiter!' Er begrüßte sie im Namen der siegreichen russischen Revolution, als die Avantgarde der proletarischen Weltarmee und beendete diese, seine erste Rede auf russischen Boden mit einer Kampfansage gegen die provisorische Regierung mit dem Ruf: 'Es lebe die sozialistische Weltrevolution!'
Am nächsten Tag, dem 4. April 1917, verkündete Lenin vor der bolschewistischen Parteikonferenz seine Thesen 'über die Aufgaben des Proletariates in der gegenwärtigen Revolution'. Dieses, als 'Aprilthesen' berühmt gewordene Aktionsprogramm der bolschewistischen Partei, bestimmte den Weg von der Februar- in die Oktoberrevolution. Lenin forderte in seinen 'Aprilthesen' den totalen Bruch mit der bürgerlichen Demokratie und ihrer provisorischen Regierung. Er erklärte den sich an der Macht befindlichen bürgerlich demokratischen Mächten sowie auch dem gemäßigten Sozialismus, du dem Lenin auch die Menschewiki zählte, den Krieg. Er nannte die russische Revolution den 'Prolog zur Weltrevolution' und rief dazu auf, die Revolution weiterzutreiben. Lenin verkündete, daß auf die bürgerliche Februarrevolution nun die sozialistische, vom Proletariat geleitete Revolution folgen müsse. Er forderte den Übergang der Macht auf eine Regierung der Sowjets und somit die Bildung einer Sowjetrepublik als bessere und höhere Demokratie gegenüber der parlamentarischen Republik. Jeder Krieg sei von vornherein als imperialistisch abzulehnen und die Zerschlagung des gesamten Staatsapparates, mitsamt Polizei, Heer und Bürokratie, sei notwendig für die Bildung einer Sowjetrepublik, welche ohne all dies auskommen sollte.
Der gesamte Grundbesitz und die Banken sollten sofort verstaatlicht und von den gewählten Sowjets der Bauern verwaltet werden, wohingegen eine Sozialisierung der Industrie nur allmählich erfolgen könne und dann die Kontrolle von Produktion und Verteilung durch den zentralen und obersten Sowjet zum Ziel haben solle.
Als letztes plädierte Lenin außerdem noch dafür, die Partei der Bolschewisten nicht mehr mit dem, durch die Menschewiki in Verruf gebrachten Namen der Sozialdemokraten zu belasten sondern sich fortan als 'Kommunistische Partei' zu bezeichnen.
So stand eindeutig fest, daß die provisorische Regierung bekämpft und mit den Menschewiken nicht zusammengearbeitet werden würde.
Im Sinne der Aprilthesen entstanden ebenfalls die Losungen der Bolschewisten 'Nieder mit dem Krieg' und 'Alle Macht den Sowjets' die beim Volk mehr und mehr Anklang fanden.
Währenddessen verschlechterte sich das Ansehen der provisorischen Regierung zusehends bei der russischen Bevölkerung. Eine Regierung die durch eine Revolution zur Macht kommt, wird diese nur behalten, wenn sie in der Lage ist, die Probleme zu lösen, welche die vorherige Regierung nicht zu lösen vermochte. Die provisorische Regierung war dazu nicht fähig. Die Probleme und Fragen, die das russische Volk am meisten belasteten, nämlich die Frage nach der Beendigung des Krieges und, da ein großer Teil der damaligen Bevölkerung Bauern waren, die Frage nach der Bodenreform zu beantworten war die provisorische Regierung nicht in der Lage.
Obwohl auch die provisorische Regierung sich darüber im klaren gewesen sein muß, daß Rußland weder ökonomisch noch militärisch dazu im Stand war den Krieg weiterzuführen, konnte sie sich trotzdem nicht dazu durchringen, den Krieg zu beenden.
Die Regierung konnte sich dem künftigen Wiederaufbau der kaputten russischen Volkswirtschaft ohne weitere Leihgelder der Westmächte nicht vorstellen und war deshalb sehr darauf bedacht sich die Gunst der Alliierten zu erhalten. Rußland konnte also auf keinen Fall aus dem Vertag aussteigen und mußte sich weiter am Krieg beteiligen. Die provisorische Regierung weigerte sich einfach, einzusehen, daß Rußland nicht mehr in der Lage war, den Krieg fortzusetzen.
Damit bereitete sie dem Volk die erste große Enttäuschung, denn die Beendigung des Krieges, der das Land und damit auch seine Bewohner in den wirtschaftlichen Ruin geritten hatte, war ein bedeutender Beweggrund des Volkes dafür gewesen, den Zaren zu stürzen.
Die zweite große Enttäuschung bereitete die provisorische Regierung dem Volk dadurch, daß sie sich nicht mit der Bodenreform beschäftigte. Für die russischen Bauern gab es jedoch nichts wichtigeres, da ihr Lebensunterhalt von ausreichenden Bodenzuteilungen abhing. Damit war das Schicksal der provisorischen Regierung im Grunde schon besiegelt und die Übernahme der Macht durch die Bolschewisten, die sich für die Interessen des russischen Volkes einsetzten, nur noch eine Frage der Zeit.
Das Volk, welches langsam erkannte, daß die Lösung seiner Probleme durch die provisorische Regierung wohl nicht so bald stattfinden würde, wurde allmählich unruhig.
Die Bauern begannen vielerorts, sich das von ihnen benötigte Land selber anzueignen. Die Regierung versuchte, die Bauernunruhen zu unterdrücken, doch die Unruhen erweiterten sich nur noch mehr, da der Friedenswille der Soldaten sich nun auch zu äußern begann. Vielerorts hatten sich russische Soldaten schon mit dem Feind verbrüdert, um, so ihren Protest gegen den schon viel zu lange währenden Krieg zum Ausdruck zu bringen. Dem Friedenswillen der Soldaten verdankte die bolschewistische Partei den Erfolg ihrer Propaganda 'Nieder mit dem Krieg'.
Die provisorische Regierung gab jedoch nicht auf. Sie ernannte den in Rußland populären Sozialrevolutionär Kerenski zum Kriegsminister. Dieser reiste direkt an die Front, um in den Soldaten mit seiner Redegewandtheit und seinen schauspielerischen Talenten neuen Kampfgeist zu wecken.
Der Enthusiasmus jedoch, den er damit zu wecken meinte, hielt jedoch nicht lange an. Die Kerenski-Offensive, die am Anfang sogar zu einigen Erfolgen geführt hatte war zum Scheitern verurteilt, da auf die Dauer Kerenskis Motivationsreden nicht die fehlende Munition ersetzen konnte.
Als es durch eine Gegenoffensive des Feindes zu einer erneuten Niederlage Rußlands kam, steigerte sich der Haß des Volkes gegen Kerenski und die provisorische Regierung im gleichen Maße, wie die Sympathie für die, den Frieden verkündende, bolschewistische Partei wuchs.
Die Wut der Massen wurde zusätzlich noch dadurch gesteigert, das immer noch täglich etwa 40 Mio. Rubel für den Krieg ausgegeben wurden. Der Notenumlauf wuchs, die Preise stiegen unaufhaltsam. Immer mehr Betriebe wurden geschlossen, da es an Rohstoffen fehlte. Die Produktivität sank, da die abgenutzten Werkzeuge und Maschinen nicht ersetzt werden konnten.
Zum einen stieg die Arbeitslosigkeit, zum anderen waren viele Arbeiter gezwungen zu streiken, da sie aufgrund der Geldentwertung höhere Löhne fordern mußten. Das alles führte dazu, daß das bei den Wahlen zu Betriebskommitees aber auch bei Ersatzwahlen des Petrograder Sowjets, die Bolschewisten immer mehr Stimmen erlangten. Die revolutionäre Stimmung wurde immer deutlicher, vor allem in Petrograd.
Die provisorische Regierung, die einen bewaffneten Aufstand fürchtete, beschloß, alle sich noch in der Hauptstadt befindlichen Truppen nach und nach an die Front abzuschieben und allmählich auch die Entwaffnung der Arbeiterschaft durchzuführen.
Dazu kam es jedoch nicht mehr. Am 3. Juli kam es zu einer ungeordneten Massendemonstration bewaffneter Arbeiter und Soldaten in Petrograd. Mit roten Fahnen und Plakaten begaben sich die Demonstranten zunächst zum Sitz der bolschewistischen Partei, immer unter dem Ruf der bolschewistischen Parole 'Alles Macht den Sowjets'. Das Stichwort zu dieser Demonstration war jedoch nicht von der bolschewistischen Partei gekommen, da diese der Meinung war, daß die Zeit für eine gewaltsame Machtübernahme noch nicht reif sei, zumal die Bolschewisten noch in keinem Sowjet über die Mehrheit verfügten. Trotzdem gingen die Demonstranten weiter. Am 4. Juli marschierten etwa 30.000 Menschen zum Taurisch.Palais, wo der Petrograder Sowjet saß. Die Demonstranten belagerten das Palais und warteten darauf, wie der Petrograder Sowjet auf die Parole 'Alle Macht den Sowjets' reagieren würde. Im Palais fand unterdessen eine endlose Diskussion darüber satt, ob der Sowjet die gesamte Macht übernehmen sollte oder nicht. Die Mehrheit des Sowjets war nicht dazu bereit und damit waren die Demonstrationen, die sich zum Juliaufstand entwickelt hatten, gescheitert. Das Volk konnte zwar dem Feind, der provisorischen Regierung, die Macht entreißen, nicht aber dem Sowjet die Macht aufdrängen, wenn dieser nicht dazu bereit war, diese zu übernehmen.
Die provisorische Regierung, die den Bolschewisten die Massendemonstrationen zur Last legte, wollte nun ganz Bewußt Stimmung gegen die bolschewistische Partei machen um so die eigene Position wieder zu festigen. Sie lies falsche Dokumente verbreiten, aus denen Hervorging, daß Lenin von den Deutschen finanziell unterstützt werden würde und nur nach ihrer Anweisung handelte. Eine Reihe bolschewistischer Führer wurde verhaftet und sollte wegen Landesverrats vor Gericht gestellt werden. Lenin gelang es jedoch rechtzeitig unterzutauchen.
Er flüchtete als Arbeiter und Bauer verkleidet nach Finnland. Wochenlang lebte er mit seinem Parteigenossen Sinowjew in einer Hütte aus dürren Zweigen und Heu. Im Herbst fand er bei einem ehemaligen Petrograder Arbeiter Unterkunft. In diesen über hundert Tagen schrieb Lenin unter anderem auch sein wichtiges Werk 'Staat und Revolution'. In diesem Werk schrieb Lenin, daß nach der proletarischen Revolution der Übergang von der kapitalistischen zur kommunistische Gesellschaft nicht möglich sei 'ohne eine politische Übergangsperiode'. Diese Periode sei von der 'revolutionären Diktatur des Proletariats' bestimmt.
Dies bedeutete für Lenin: 'Demokratie für die riesige Mehrheit des Volkes und gewaltsame Niederhaltung der Ausbeuter, der Unterdrücker des Volkes, d. h. ihre Ausschließung von der Demokratie.'
In der kommunistischen Gesellschaft höre der Staat auf zu bestehen, da die Ausbeutung fehle, und nichts vorhanden sei, was das Volk 'zu Protesten und Auflehnung herausfordert was die Notwendigkeit der Niederhaltung schafft.'
Lenin bezog sich des weiteren auf die bolschewistische Losung 'Alle Macht den Sowjets'. Er schrieb: 'Die Partei des Proletariats kann sich nicht beschränken auf die bürgerlich-parlamentarische demokratische RepublikDie Partei kämpft für eine Republik, die demokratischer ist, für eine proletarisch bäuerliche Republik, in der die Polizei und das stehende Herr völlig beseitigt sind und durch die allgemeine Bewaffnung des Volkes, die allgemeine Miliz, ersetzt werden, alle beamteten Personen werden nicht nur gewählt sondern sind auch jederzeit absetzbar; die Besoldung aller beamteten Personen ohne Ausnahme wird in einer Höhe festgesetzt, die den Durchschnittslohn eines qualifizierten Arbeiters nicht übersteigt; die parlamentarischen Vertretungskörperschaften werden nach und nach ersetzt durch Räte der Vertreter des Volkes (der verschiedenen Klassen und Berufe oder der verschiedenen Orte), die gesetzgebend und gesetzvollziehend zur gleichen Zeit sind.'
Die Julikrise hatte zwar einen schweren Schlag für die bolschewistische Partei bedeutet, doch das Ansehen war bald wieder hergestellt. Der Petrograder Sowjet hatte jedoch ganz beträchtlich an Ansehen verloren, als er sich nicht Bereit erklärt hatte, die zehn kapitalistischen Minister der provisorischen Regierung zu stürzen. Ende September kehrte Lenin dann heimlich nach Petrograd zurück, wo er sich bis zur Machtergreifung illegal aufhielt.
Kerenski, der inzwischen die Führung der provisorischen Regierung übernommen hatte, sah sich inzwischen jedoch nicht nur von der heranrückenden deutschen Wehrmacht und von der wieder stärker werdenden bolschewistischen Partei sondern auch von dem konservativen, rechten General Kornilow bedroht.
Kornilow war es, auf den die Rechtsparteien, nun wo die provisorische Regierung an Macht verloren hatte, ihre ganze Hoffnung setzten. Kerenski fürchtete, daß Kornilow versuchen würde, die Regierungsgewalt an sich zu reißen. Die besitzenden Klassen bangten um ihr Eigentum und fürchteten die Bolschewisten. Kornilow, so hofften sie, würde nach Ergreifung der Macht nicht nur der leninschen Partei sondern würde jede Art der Revolution sofort, wenn nötig mit Gewalt, unterbinden. Kornilow handelte genau in ihrem Sinne. Er zog Truppen von der Front ab und brachte sie in Stellungen von denen aus er die Hauptstadt und damit die Staatsgewalt an sich reißen konnte. Kornilow verlangte, daß in Petrograd der Belagerungszustand ausgerufen würde, und daß die Bevölkerung der Militärgewalt unterstellt werden sollte.
Kerenski konnte dem nichts mehr entgegensetzen. Die einzigen die jetzt noch helfen konnten, waren die Bolschewisten. Sie allein konnten die ohnehin schon aufgebrachten Massen gegen die Regierung bzw. gegen Kornilow führen, da sie auf die Unterstützung der breiten Massen zählen konnten. Die bolschewistischen Parolen waren die einzigen, die der Forderung des Volkes nach Frieden und Land entgegenkamen.
Kornilows Putschversuch konnte deshalb gar nicht glücken, da sein Programm bei den Massen auf Ablehnung stieß. Die bolschewistische Partei ließ eine 'Rote Garde' aufstellen, der sofort 25.000 Arbeiter beitraten, und begann den Kampf gegen Kornilow. Dabei betonte sie jedoch, daß dies nicht als Unterstützung Kerenskis ausgelegt werden dürfe.
Kerenski hatte keine andere Wahl, als den Bolschewisten, die er selber noch vor einigen Wochen als Staatsfeinde bezeichnet hatte, Freiheit zu lassen bei der Bildung der 'Roten Garden' und derer Bewaffnung, da er ohne Frage von Kornilow gestürzt worden wäre.
Der Kornilow-Putsch hatte die Schwächen Kerenskis aufgezeigt, und seine Zerschlagung war gleichzeitig ein Beweis dafür, daß Lenin und die Bolschewisten Recht gehabt hatten mit ihrer Theorie, daß die Macht wirklich in den Händen der Arbeiterklasse unter der Führung der bolschewistischen Partei lag.
Nachdem der Kornilow-Putsch niedergeschlagen war stieg der Einfluß der bolschewistischen Partei in der Arbeitervierteln, auf dem Lande und bei der Armee schneller als je zuvor.
Im September gelang es den Bolschewisten die absolute Mehrheit im Petrograder und im Moskauer Sowjet zu erlangen. Damit waren die Sowjets im Begriff, sich von der bisherigen, bürgerlichen Koalitionspolitik abzuwenden und sich in Stützpunkte der bolschewistischen Partei zu verwandeln. Dies war das Zeichen für Lenin, daß nun die Zeit der Machtübernahme für die Bolschewisten gekommen war. Der Kampfruf 'Alle Macht den Sowjets', der seit dem Juliaufstand fragwürdig geworden war, hatte wieder Sinn bekommen.
Lenin wollte nun keine Zeit mehr verlieren. Er fürchtete, daß seine Partei den richtigen Zeitpunkt versäumen und durch zu langes Zögern das Vertrauen der Masse verlieren würde. Aus seinem Versteck in Finnland schreib er Brief um Brief an das Zentralkomitee der bolschewistischen Partei, daß die Voraussetzungen für die Machtergreifung nun gegeben seien und, daß es ein nicht wieder gutzumachender Fehler wäre, diesen günstigen Moment zu verpassen.
Am 21. Oktober 1917 dann legte Lenin in den 'Ratschlägen eines Außenstehenden' konkrete Maßnahmen für den Aufstand und Umsturz ganz deutlich dar: 'Jetzt auf den bewaffneten Aufstand zu verzichten, hieße die wichtigste Losung des Bolschewismus (alle Macht den Sowjets) und überhaupt den gesamten revolutionär - proletarischen Internationalismus aufzugeben Unsere drei Hauptkräfte, die Flotte, die Arbeiter und die Truppenleute sind so zu kombinieren, daß wir sofort ohne Rücksicht auf die Höhe der Verluste a) das Telefonamt, b) das Telegrafenamt, c) die Bahnhöfe und vor allem d) die Brücken besetzen können Aus den besten Arbeitern sind Abteilungen mit Gewehr und Handgranaten zu bilden, um die 'Zentren' des Feindes (Offiziersschule, Telegrafen- und Telefonamt usw.) anzugreifen und zu umzingeln. Die Losung dieser Abteilungen muß sein, lieber alle zugrunde gehen, als den Feind durchlassen'.
Am 7. Oktober kehrte Lenin nach Petrograd zurück, um an der Leitung des Aufstandes teilzunehmen.
Alle Sektionen der bolschewistischen Parteien erhielten die Anweisung sich für den Aufstand bereitzuhalten. Die Arbeiter aller Fabriken wurden mit der Handhabung von Waffen vertraut gemacht und die Belegschaften der Rüstungsfabriken belieferten die 'Roten Garden' mit Kriegsmaterial.
Am 24. Oktober richtete Lenin einen Brief an das Zentralkomitee, in dem er schrieb, man dürfe nicht warten, man müsse jetzt in Aktion treten.
Auf dieses Stichwort hin schlug Trotzki, der alle Vorbereitungen getroffen hatte, los. Nachdem Soldaten und Rotgardisten den Hauptsitz der Bolschewisten, das Smolny Institut, in dem bis vor kurzem noch die Töchter des höheren Adels erzogen wurden, durch Aufstellung von Maschinengewehren gesichert hatten, besetzten die bolschewistischen Truppen im laufe des Tages und der darauffolgenden Nacht alle wichtigen Punkte in Petrograd: Telefonzentrale, Post, Ministerien, Staatsbank und Bahnhöfe, ohne auf Widerstand zu stoßen. Es gab nichts, was die organisierten Massen von Arbeitern und Soldaten hätte aufhalten können. Diese Organisiertheit herzustellen war eine der Hauptleistungen der Oktoberrevolution.
Das Winterpalais wurde erst in der darauffolgenden Nacht eingenommen. Die Regierung weigerte sich hartnäckig zu kapitulieren. Nach und nach drangen bolschewistische Streitkräfte in das Gebäude ein. Lenin und die anderen Leiter des Aufstandes beunruhigte die Tatsache, daß der Kampf um das Winterpalais so lange dauerte. Mehrmal befahlen sie den Truppen, den Regierungssitz zu beschießen, diese schreckten jedoch davor zurück, da sie befürchteten, auch ihre bolschewistischen Kampfgenossen, die sich schon im Palast befanden, zu treffen.
Am Morgen des 26. Oktobers dann drangen Rotgardisten in den Raum ein, in den sich die provisorische Regierung verschanzt hatte.
Am Nachmittag des selben Tages wurde offiziell bekannt gegeben, daß das Winterpalais eingenommen und die Regierung verhaftet worden sei, mit Ausnahme von Kerenski, der schon vorzeitig erkannt hatte, daß seine Lage aussichtslos war und sich nach Amerika abgesetzt hatte.
Es setzte großer Beifall ein, der sich noch verstärkte, als bekannt gegeben wurde, daß die Truppen, welche Kerenski für den Kampf gegen die Bolschewisten hatte einsetzen wollen, sich soeben mit dem Umsturz solidarisch erklärt hatten.
Die Unauffälligkeit dieses so bedeutendem welthistorisch Ereignisses beeindruckte Akteure ebenso wie Außenstehende. Die Revolution war nicht, wie man vielleicht glauben mag, mit großen Getöse von sich gegangen. Währen der Sturm auf das Winterpalais stattfand, spielten in Petrograd die Theater und die Straßenbahnen fuhren.
Nachdem am 25. Oktober die rechten Sozialrevolutionäre, unter ihnen die Menschewisten, aus Protest den Sowjetkongress verlassen hatten, waren die Bolschewisten endgültig unter sich und Lenin begann zu regieren.
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